(Bürgerliche) Religion, homoerotische Triebkräfte und die in deren Spannungsfeld wabernde Angst - um diese drei wesentliche Bezugsgegenstände der psychoanalytischen Lehre soll es im Rahmen dieser Arbeit gehen. Diese sind in Stanley Kubricks Film "Eyes Wide Shut" von 1999 zwar subtil, aber prägend zu finden und auch in Arthur Schnitzlers 1926 erschienener "Traumnovelle" teilweise angelegt, auf der Kubricks Film lose basiert. Im Fokus wird dabei der männliche Hauptcharakter Doktor William "Bill" Harford (Fridolin, ebenfalls Arzt) stehen. Denn an ihn werden die genannten drei Themenkomplexe immer wieder herangetragen.
Aufgrund der Nähe dieses Spannungsdreiecks, aber auch Schnitzlers, zur freudschen Lehre, bietet es sich an, der Thematik mit psychoanalytischen Methoden zu begegnen. Nicht zuletzt waren Freud und Schnitzler auch Zeitgenossen und fühlten sich trotz der räumlichen Distanz, die sie fast zeitlebens wahrten, doch geistesverwandt.
Sowohl "Eyes Wide Shut" als auch die "Traumnovelle" deuten bereits im Titel an, was sie behandeln: das Traumhafte, Unsichtbare, Unbewusste, Unbekannte, auch das Unheimliche. Laut Freuds Traumdeutung werden in Träumen persönliche prägende Erfahrungen, meist aus der Kindheit, verarbeitet. Die Augen sind dabei geschlossen (shut) für die Außenwelt, aber gleichzeitig sehr aufmerksam (wide open) für das eigene Innenleben, wobei auch unbewusste Wünsche und Ängste mittels komplexer Codierung zum Vorschein kommen.
Eine These dieser Arbeit wird sein, dass Kubrick das Jüdische durch das Homosexuelle ersetzt hat. Beides sind gesellschaftliche Außerseiterrollen, beides sind weit verbreitete Feindbilder christlich-abendländischer Kultur. Über die Motive der Odyssee/Queste, der Doppelgängerschaft und der verschiedenartigen Ängste, unter denen der Hauptcharakter leidet, soll nun ein Zugang zu möglichen psychologischen bzw. archetypischen Grundstrukturen gefunden werden, um in deren Licht Kubricks mutmaßliche Entscheidung und damit die für Bill angst- bzw. zwangverursachenden Motive des Religiösen und der Homosexualität besser verstehen zu können. Besondere Aufmerksamkeit soll dabei unter anderem auf Kubricks Schlussszene liegen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Archetypen, der Andere und das Mittelbewusste: Vorüberlegungen zur psychoanalytischen Konzeption
3. Zwei Grundmotive in Film und Novelle
3.1 Odyssee: Die Prüfungen des Helden
3.2 Doppelgänger und Rollenwechsel
3.2.1 Reale Doppelgänger: Schnitzler, Freud und Kubrick
3.2.2 Ungleiche Brüder: Bill und Nightingale
4. Die Angst des Helden
4.1 Das Unheimliche des Mittelbewussten
4.2 Angst vor Identitätsverlust und die Isolation des Helden
4.3 Fassade, Religion und das Über-Ich
4.4. Angst vor Krankheiten
5. Homoerotische Triebkräfte und Homophobie
5.1 Vergorene Homosexualität
5.2 (Moralischer) Masochismus und der Hammerschlag-Wunsch
5.3 Verdrängung oder Bewältigung?
6. Kubricks neues Ende
7. Fazit
8. Quellenverzeichnis
8.1 Primärliteratur
8.2 Filmmaterial primär
8.3 Sekundärliteratur
8.4 Filmmaterial sekundär
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