Erklärtes Ziel des Autors ist es, die regulatorischen Rahmenbedingungen für deutsche Kreditinstitute im Rahmen der Geldwäsche-Bekämpfung zu erarbeiten und aufzuzeigen, wie das „Know Your Customer“-Prinzip in Banken prozessual und gesetzeskonform umgesetzt wird. Dazu nutzt er die deduktive Methode. Zusätzlich zeigt er anhand von Modellen die Durchführung von Geldwäsche auf. Im empirischen Teil greift er schließlich
Teile der aktuellen BearingPoint Studie „Status quo und Entwicklung bei der Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen strafbaren Handlungen“ auf.
Dazu stellt der Autor zunächst unterschiedliche Modelle für Geldwäsche vor und kommentiert diese. Zudem beleuchtet er den Bezug zu einem großen Teil der Täterschaft, der transnationalen organisierten Kriminalität. Das Ausmaß der Geldwäsche und die volkswirtschaftlichen Auswirkungen werden ebenfalls demonstriert.
Anschließend widmet sich die Arbeit dem rechtlichen Kontext der Geldwäsche, in Deutschland im Rahmen des § 261 des Strafgesetzbuchs. Darauf aufbauend wird das „Know Your Customer“-Prinzip erläutert und die Umsetzung in deutschen Banken aufgezeigt sowie die spezifischen Produkt-, Länder-, Branchen- und Kundenrisiken untersucht. Außerdem wird der Prozess bei der Aufnahme einer neuen Geschäftsbeziehung wie auch die laufende Überprüfung von bestehenden Geschäftspartnern veranschaulicht. Darüber hinaus wird ein Ausblick auf die zukünftigen regulatorischen Änderungen, wie die vierte EU-Geldwäsche-Richtlinie und der EU-Aktionsplan für ein intensiveres Vorgehen gegen Terrorismusfinanzierung in Bezug auf KYC, gegeben.
Aus dem Inhalt:
- Geldwäsche;
- Know Your Customer;
- organisierten Kriminalität;
- Terrorismusfinanzierung;
- money laundering
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung, Zielsetzung und Forschungsfrage
1.2 Vorgehensweise
2 Geldwäsche
2.1 Ablaufmodelle
2.2 Organisierte Kriminalität
2.3 Ausmaße und Auswirkungen
2.4 Entwicklung der Geldwäsche-Bekämpfung
3 Rechtliche Grundlagen
3.1 Aktuelle Gesetzeslage
3.2 Ausblick
4 Know Your Customer
4.1 Sorgfaltspflichten
4.2 Risiken
4.3 Prozess
4.4 Zukünftige KYC-Regulatorik
4.5 BearingPoint-Studie
5 Fazit und Ausblick
Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Drei-Phasen-Modell
Abbildung 2: Stufen-Modell
Abbildung 3: Vier-Sektoren-Modell
Abbildung 4: Panama Papers – Für deutsche Banken gegründete Mossack Fonseca-Briefkastenfirmen 2015
Abbildung 5: Erlöse aus transnationaler organisierter Kriminalität (2003-2009)
Abbildung 6: Verteilung der Verfahren im Bereich der organisierten Kriminalität 2015
Abbildung 7: Geldwäsche-Bedrohung in Europa
Abbildung 8: Expertenbefragung zur Entwicklung des Geldwäsche-Volumens
Abbildung 9: Financial Secrecy Index – Ranking weltweiter Schattenfinanzzentren 2015
Abbildung 10: Wirtschaftlich Berechtigte
Abbildung 11: Kundenannahme-Prozess
Abbildung 12: Größenklassen
Abbildung 13: Sektorzugehörigkeit
Abbildung 14: Sektorzugehörigkeit nach Bilanzsumme
Abbildung 15: Anzahl Mitarbeiter AML, CTF, Fraud im Verhältnis zur Gesamtmitarbeiteranzahl
Abbildung 16: Nutzen des Registers für wirtschaftlich Berechtigte nach Bilanzsumme
Abbildung 17: Nutzen des Registers für wirtschaftlich Berechtigte nach Sektor
Abbildung 18: Zusatzaufwand PEP-Konkretisierung nach Bilanzsumme
Abbildung 19: Prüfung PEP-Eigenschaft
Abbildung 20: Kundenrisikobewertung anhand von Prüfungen nach Sektoren
Abbildung 21: Chancen und Risiken in der Identitätsprüfung
Abbildung 22: Rückmeldung von Verdachtsmeldung nach Bilanzsumme
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:Anzahl der Verdachtsmeldungen gemäß GwG nach Hinweisgebern
Tabelle 2: Drittländer mit hohem Risiko (nach Verordnung C(2016) 4180)
Tabelle 3: Gleichwertige Drittländer
Tabelle 4: Identifizierung natürlicher und juristischer Personen
1 Einleitung
11,5 Mio. Dokumente, 2,6 Terrabyte Daten, 214.000 Briefkastenfirmen. Drei Zahlen, die für die „Panama Papers“ stehen. Interne vertrauliche Unterlagen des panamaischen Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca gelangten an die Süddeutsche Zeitung, die die Dokumente gemeinsam mit dem International Consortium for Investigative Journalists auswertete. Vierhundert Journalisten arbeiteten sich durch E-Mails, Briefe, Rechnungen und Verträge, die von 1977 bis 2016 reichten. Die Authentizität der Unterlagen musste mit Urteilen von Gerichten, Aussagen von Zeugen und öffentlichen Registern abgeglichen werden. Erstmalig publizieren die kooperierenden Journalisten am 03.04.2016 ihre Ergebnisse. Die Recherchen ergaben, dass systematisch mit Hilfe von Anwälten, Vermögensverwaltern und Banken Briefkastenfirmen gegründet worden sind, um Geschäfte zu verschleiern. Unter den Betroffenen fanden sich Prominente, Politiker und Kriminelle. Mossack Fonseca verkaufte Firmen, stattete sie mit Scheindirektoren aus und verschleierte den tatsächlichen Inhaber des Unternehmenskonstrukts. Die Inhaber nutzen diese Konstrukte, um Steuern zu hinterziehen, Sanktionen zu brechen oder Geld zu waschen. Acht Monate nach der Veröffentlichung wurden in zumindest 79 Ländern Ermittlungen gegen Mossack Fonseca oder ihre Kunden eingeleitet, Verdächtige festgenommen oder Untersuchungsausschüsse gebildet. „Wir sehen Firmen aus den Panama-Papers nicht nur im Zusammenhang mit Wirtschaftskriminalität wie Geldwäsche, sondern auch mit Terrorismus, russischen Verbrechergruppen, Drogenhandel, Menschenhandel, illegaler Einwanderung und Cyberkriminalität“, meint Simon Riondet von Europol zu den Untersuchungen in Bezug auf die Panama Papers.[1]
Geldwäsche ist historisch gesehen eine relativ junge Straftat. Die Ursprünge liegen in den Vereinigten Staaten in den zwanziger Jahren. Unterwelt-Größen wie Al Capone und Meyer Lansky machten während der Prohibition Geld mit Prostitution, Glückspiel und illegalem Handel mit Alkohol. Geld aus Verbrechen wurde legal verdientem Geld in Unternehmen, wie Al Capones Waschsalons, beigemischt und verschleiert. Lansky ging einen Schritt weiter und internationalisierte die Geldwäsche mit Hilfe von Banken fernab der Heimat. Von Anfang an waren Banken als Schnittstelle für das Einbringen krimineller Gelder im Finanzsystem wichtig. Als Reaktion auf Geldwäsche ist ihre Bekämpfung naturgemäß noch jünger. In Deutschland ist der Strafbestand der Geldwäsche in § 261 des Strafgesetzbuchs am 22.09.1992 in Kraft getreten. Seit jeher kommen Banken in der Bekämpfung und Prävention eine tragende Rolle in der Gesetzgebung zu.
Geldwäscher nutzen die Globalisierung unserer Welt ebenfalls für ihre Zwecke. Der freie grenzüberschreitende Handel, globale Finanzmärkte und moderne Technologien, wie z. B. Blockchain, bieten nicht nur Chancen, sondern bergen auch Risiken aufgrund der Nutzung durch transnationale organisierte Kriminalität. Als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt ist Deutschland als Wirtschaftsstandort und Finanzplatz nicht nur für legale Unternehmungen interessant, sondern bietet auch großes Potential für kriminelle Organisationen.
1.1 Problemstellung, Zielsetzung und Forschungsfrage
Erklärtes Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die regulatorischen Rahmenbedingungen für deutsche Kreditinstitute im Rahmen der Geldwäsche-Bekämpfung zu erarbeiten und aufzuzeigen, wie das „Know Your Customer“-Prinzip in Banken prozessual und gesetzeskonform umgesetzt wird. Dazu wird die deduktive Methode genutzt. Zusätzlich wird anhand von Modellen die Durchführung von Geldwäsche aufgezeigt. In einem empirischen Teil der Arbeit werden Teile der aktuellen BearingPoint Studie „Status quo und Entwicklung bei der Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen strafbaren Handlungen“ aufgegriffen.
1.2 Vorgehensweise
Im zweiten Kapitel werden zunächst unterschiedliche Modelle für Geldwäsche vorgestellt und kommentiert. Anhand des Ablaufmodells der amerikanischen Zollbehörde werden drei Phasen aufgezeigt, die die Vorgehensweise der Geldwäsche darstellen. Zudem wird der Bezug zu einem großen Teil der Täterschaft, der transnationalen organisierten Kriminalität beleuchtet. Das Ausmaß der Geldwäsche und die volkswirtschaftlichen Auswirkungen werden ebenfalls demonstriert. Ferner wird die Geschichte der relativ jungen Straftat und derer Bekämpfung veranschaulicht.
Das dritte Kapitel widmet sich dem rechtlichen Kontext der Geldwäsche. In Deutschland tangiert Geldwäsche das Strafrecht im Rahmen des § 261 des Strafgesetzbuchs. Das Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten bzw. Geldwäschegesetz zeigt als lex specialis, also Spezialgesetz, Verpflichtungen für Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Geldwäsche in Banken auf. Dazu gehört die Bestellung eines Geldwäschebeauftragten oder die Meldung von verdächtigen Aktivitäten. Das Gesetz über das Kreditwesen bzw. Kreditwesengesetz beinhaltet spezielle Regelungen für Kreditinstitute, wie das Monitoring von Transaktionen in IT-Systemen.
Darauf aufbauend wird im vierten Kapitel das „Know Your Customer“-Prinzip erläutert und die Umsetzung in deutschen Banken aufgezeigt. Die spezifischen Produkt-, Länder-, Branchen- und Kundenrisiken werden untersucht. Außerdem wird der Prozess bei der Aufnahme einer neuen Geschäftsbeziehung wie auch die laufende Überprüfung von bestehenden Geschäftspartnern veranschaulicht. Darüber hinaus wird ein Ausblick auf die zukünftigen regulatorischen Änderungen, wie die vierte EU-Geldwäsche-Richtlinie und der EU-Aktionsplan für ein intensiveres Vorgehen gegen Terrorismusfinanzierung in Bezug auf KYC, gegeben.
2 Geldwäsche
Eine allgemeingültige Definition des Begriffs Geldwäsche gibt es nicht. Im Rahmen der Studie „The amounts and the effects of money laundering“ der Utrecht School of Economics wurden achtzehn unterschiedliche Definitionen identifiziert, die von juristischen, wirtschaftlichen oder politischen Organisationen stammen und unterschiedliche Sichtweisen aufweisen. Vereinfachend wird unter Geldwäsche das verdeckte Einschleusen illegal erworbener Vermögenswerte in den legalen Wirtschaftskreislauf verstanden. Für die gängigsten Definitionen aus dem wirtschaftlichen oder kriminologischen Bereich wird folgende Auslegung genutzt:[2]
„Money Laundering is he process by which one conceals the existence, illegal source, or illegal application of income, and disguise that income to make it appear legitimate.“[3]
Demnach sind die beiden Kerneigenschaften des Geldwäschebegriffs einerseits die illegale Herkunft der Vermögensgegenstände und andererseits die Handlungen, die getätigt werden, um den Vermögensgegenständen einen legalen Anschein zu verschaffen.[4]
2.1 Ablaufmodelle
Bei der Analyse von aufgedeckten Geldwäsche-Fällen hat sich gezeigt, dass Prozessabläufe und Handlungsmuster wiederholt werden, diese somit verallgemeinert werden können und auf Modelle abstrahiert werden können, die typische Abläufe und Techniken systematisch beschreiben. Phasenmodelle stellen die Geldwäsche-Handlungen als lineare zeitliche Abfolge dar.
In der Literatur findet sich das zweiphasige Modelldes Kriminologen Paolo Bernasconi. Er unterscheidet zwischen technischen (Geldwäsche ersten und zweiten Grades), geographischen und zeitlichen Aspekten. In der Geldwäsche ersten Grades werden die illegal erworbenen Vermögenswerte, zumeist Bargeld, zum ersten Mal gewaschen. Danach erfolgt die Geldwäsche zweiten Grades, in der die Vermögenswerte, die noch einen sachlogischen Zusammenhang zur Vortat besitzen, durch weitere Transaktionen die Nachverfolgbarkeit zur illegalen Herkunft verlieren und in den legalen Wirtschaftskreislauf reintegriert werden. In geographischer Hinsicht unterscheidet das Modell zwischen dem Land des Handels, in dem Produktion, Veredelung und Vertrieb des illegalen Guts durchgeführt werden, und dem Land der Geldwäsche, zumeist in internationalen Finanz- und Offshore-Zentren.[5]
Als verbreitetes Modell wird das dreiphasige Modell des U. S. Customs Service in der Literatur beschrieben und in internationalen Organisationen, die sich mit der Geldwäsche befassen, wie z. B. der United Nations Organisation, dem International Monetary Fund und der Financial Action Task Force on Money Laundering etabliert. Das Modell hat seinen Ursprung im illegalen Drogenhandel, in dem viele Banknoten angefallen sind. In der „Placement“-Phase werden die Bargeldmengen in leichter händelbare Aktive transformiert und in den legalen Finanzkreislauf eingeschleust. Die vorgewaschenen Vermögensgegenstände werden in der „Layering“-Phase erneut gewaschen, damit die Papierspur unterbrochen und eine Verknüpfung mit der illegalen Handlung aufgehoben wird. In der letzten Phase, „Integration“, erfolgt die Rückführung der gewaschenen Vermögenswerte in die formelle Ökonomie.[6]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Drei-Phasen-Modell[7]
Das Stufenmodell von Klaus Bayer ähnelt dem Drei-Phasen-Modell des USCS und erteilt ebenfalls die in drei Phasen Placement, Layering und Integration. Hinzugefügt wird die jeweils zugehörige Geldwäsche-Technik.[8]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Stufen-Modell[9]
Zu den zyklischen Kreislauf-Modellen gehört das Modell von Andre Zünd, worin Geldwäsche als Wasserkreislauf metaphorisiert und in zehn Phasen eingeteilt wird. Nachdem Bargeld aus der Vortat im Land der Straftat anfällt („Niederschlag“), wird das inkriminierte Geld gesammelt und gereinigt („Versickerung“). Anschließend werden die Vermögenswerte zusammengeführt und in andere Vermögensformen umgewandelt („Grundwasserströme“). Danach erfolgt eine weitere Geldwäsche durch eine spezialisierte Organisationseinheit oder durch einen professionellen Geldwäscher („Grundwasserseen/Abfluss“). Die Aufbereitung für die Legalisierung nach einem möglichen Grenzübertritt des Geldes vom Land der Straftat ins Land der Geldwäsche („Neuerliche Sammlung in Seen“) folgt. Anschließend werden durch Kontoeröffnungen und Kauf von Vermögensgegenständen die inkriminierten Gelder in den legalen Wirtschaftskreislauf eingeführt („Pumpstation“). Falls die Einschleusung noch nicht möglich ist, erfolgt eine zweite Geldwäsche („Kläranlage“). Darauf folgen Finanztransaktionen im internationalen Bankensystem zur weiteren Verschleierung („Einspeisung/Nutzung“). Die Papierspur der gewaschenen Vermögenswerte zu den kriminellen Vortaten ist unterbrochen, sodass die Gelder zurück ins Land der Straftat transferiert werden können („Verdunstung“). Mit dem „Drittel-Mix“ werden die Vermögenswerte schätzungsweise jeweils zu einem Drittel in legale Aktivitäten, im internationalem Finanzmarkt und in neue illegale Aktivitäten angelegt („Neuerlicher Niederschlag/Neuer Bargeldanfall aus Verbrechen“).[10]
Das Vier-Sektoren-Modell von Christof Müller baut auf dem Zünd-Modell auf. In einer Vier-Feld-Matrix stehen auf der horizontalen Achse „Land des Handels“ und „Land der Geldwäsche“, auf der vertikalen Achse „Legalität“ und „Illegalität“ gegenüber. Ausgangspunkt des Prozess is die Input-Schnittstelle unterhalb des zweiten Sektors, wo die inkriminierten Vermögensgegenstände anfallen. Der Endpunkt befindet sich an der Output-Schnittstelle oberhalb des ersten Sektors. Die Geldwäsche-Handlungen werden in den Sektoren („Black-Box-Prozesse“) und sektorenübergreifend durchgeführt. In Szenarien werden die Geldwäsche-Prozesse beschrieben, die abhängig von den regulatorischen Rahmenbedingungen der beteiligten Länder sind, sodass möglicherweise auf den dritten und vierten Sektor ausgewichen wird. Die Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen liegen dem Modell nach an den Staatsgrenzen als auch Schnittstellen zwischen Legalität und Illegalität.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Vier-Sektoren-Modell[11]
Prinzipiell bergen Modelle die Gefahr, dass Elemente aus der Realität bei der Überführung in Modelle nicht beachtet oder falsch bewertet werden. Zudem handelt es sich bei der Modellierung um eine ex-post-Betrachtung, die zukünftige Formen der Geldwäsche eventuell nicht einschließt, da diese Techniken durch regulatorische Rahmenbedingungen und eine sich ändernde Umwelt angepasst werden. In Zyklusmodellen wird von einer fortlaufenden Geldwäsche-Handlung und der Reinvestition des gewaschenen Geldes in kriminelle Handlungen ausgegangen, die bei einmaligen Taten nicht gegeben ist. Zudem erfolgt auch in der organisierten Kriminalität keine vollständige Reinvestition der gewaschenen Gelder in kriminelle Handlungen. Weiterhin ist die Unterteilung in „Land der Geldwäsche“ und „Land der Straftat“ problematisch, da sowohl die Straftat und die daraufhin erfolgte Geldwäsche im gleichen Staat erfolgen können.
Infolge dieser Gründe, der klaren und anschaulichen Darstellung und der weiten Verbreitung in der Literatur gehe ich in dieser Arbeit auf das Modell der US-amerikanischen Zollbehörde ein.
2.1.1 Erste Phase: Placement
In der ersten Phase, dem Initialpunkt, wird das aus illegalen Handlungen stammende Bargeld in den legalen Finanzkreislauf platziert und in Buchgeld umgewandelt. Dieses inkriminierte Geld hat jedoch einen hohen Bezug zur illegalen Handlung und stellt somit das größte Entdeckungsrisiko des Geldwäschers dar. Im Rahmen der Geldwäsche-Bekämpfung ist die Konzentrierung von Maßnahmen auf die Placement-Phase daher am sinnvollsten. Somit kann mittels Identifikations-, Dokumentations- oder Meldepflichten die Einzahlung von inkriminierten Vermögenswerten verhindert werden.[12]
Einerseits sind nach § 2 Abs. 1 GwG Kreditinstitute und weitere Unternehmen in Deutschland verpflichtet, die Identität des Vertragspartners mittels Identifizierungsdokumenten zweifelsfrei festzustellen. Der Adressatenkreis umfasst über Kreditinstitute hinaus auch Finanzdienstleistungsinstitute, Finanzunternehmen, Finanzagenten, E-Geld-Agenten, Versicherungsunternehmen, Versicherungsvermittler und Kapitalanlagegesellschaften. Bei bestimmten Geschäften, wie z. B. dem Kauf und Verkauf von Immobilien oder Unternehmen, der Geld-, Wertpapier- oder Vermögensverwaltung, auch Rechtsanwälte, Kammerrechtsbeistände, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Dienstleister für Gesellschaften und Treuhandvermögen, Immobilienmakler, Spielbanken oder Personen, die gewerblich mit Gütern handeln.
Andererseits müssen die Adressaten nach §§ 2-4 GwG eine Identifizierung des Geschäftspartners durchführen, wenn sie Bargeld von 15.000 EUR und mehr annehmen. Die Identifizierungspflicht nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 GwG besteht auch „im Falle des Vorliegens von Tatsachen, die darauf hindeuten, dass es sich bei Vermögenswerten, die mit einer Transaktion oder Geschäftsbeziehung im Zusammenhang stehen, um den Gegenstand einer Straftat nach § 261 des Strafgesetzbuchs (Geldwäsche; Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte) handelt oder die Vermögenswerte im Zusammenhang mit Terrorismusfinanzierung stehen“. Die Adressaten sind nach § 11 Abs. 1 GwG anschließend verpflichtet, eine Anzeige bei der zuständigen Behörde zu erstatten. Auffällig ist hierbei, dass lediglich 0,9% der Verdachtsmeldungen aus dem Nichtfinanz-Sektor gemeldet werden (siehe Tabelle 1:Anzahl der Verdachtsmeldungen gemäß GwG nach Hinweisgebern).
Tabelle 1:Anzahl der Verdachtsmeldungen gemäß GwG nach Hinweisgebern[13]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1.1.1 Primary Deposit
Im „Primary Deposit“, der unmittelbaren Einlage, wird inkriminiertes Geld direkt in das Bankensystem eingebracht, sodass kein Mittler zwischengeschaltet wird.[14]
Smurfing und Structuring
Beim Smurfing und Structuring geht es um die systematische Aufsplitterung der zu waschenden Gelder in verschiedene Teilbeträge und die zeitliche, räumliche und persönliche Dissoziation der Transaktionen. Structuring wird das Aufspalten des einzuzahlenden Geldbetrags in mehrere kleine Beträge genannt. Bei der Bareinzahlung wird der Schwellenwert für die Identifikations-, Dokumentations- und Meldepflichten, die für die Branche im jeweiligen Land gültig ist, unterschritten, damit der Einzahler unauffällig bleibt. Beim Smurfing wird der höhere Geldbetrag auf mehrere Personen (smurf = Schlumpf) verteilt und auf verschiedene Konten bei verschiedenen Banken eingezahlt.[15]
Einflussnahme und Korruption
Durch die Kontrolle von Banken und Einflussnahme als Eigentümer können Kriminelle Kreditinstitute zum Zwecke der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung besonders zum Placement nutzen. Dazu würde vorsätzlich gegen Sorgfaltspflichten, wie die Pflicht zur Meldung von verdächtigen Transaktionen und zur Identifizierung der Vertragspartner, verstoßen werden. So können große Summen bei der Einzahlung buchungstechnisch in kleine Beträge gestückelt oder Identifikationsdaten von Vertragspartnern manipuliert werden. Dies kann auch durch Neugründungen von Kreditinstituten in Offshore-Zentren bewirkt werden. Auch die Nutzung dort angesiedelter Banken ist denkbar. Allerdings ist mit Standard für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten zwischen OECD-Staaten die Situation in Ländern wie Singapur, Cayman Islands und British Virgin Islands schwieriger geworden. Ab 2017 wird der automatische Austausch von Steuerinformationen bei den Erstanwendern durchgeführt (Automatic Exchange of Information, AEOI), der im Rahmenwerk des Common Reporting Standard (CRS) stattfindet.[16]
Ähnlich verhält es sich bei der Korruption von Bankmitarbeitern. Diese können in den Prozess der Geldwäsche integriert werden, sodass die Systeme zur Bekämpfung und Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung außer Kraft gesetzt werden.
2.1.1.2 Secondary Deposit
Der Primary Deposit stellt eine direkte Verbindung vom inkriminierten Geld zu dem Geldwäscher her und birgt für ihn das Risiko der Entdeckung. Um diesem Risiko zu entgehen, werden diese inkriminierten Gelder mittelbar platziert und mit Hilfe von natürlichen oder juristischen Personen in Buchgeld transformiert.[17]
Strohmänner
Strohmänner sind natürliche Personen, die eingesetzt werden, um den tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten zu verbergen. Mit dessen Hilfe werden Konten eröffnet, Unternehmen gegründet oder Finanztransaktionen durchgeführt. Zwischen 10,0% und 31,0% machte der Anteil der „Financial Agents“ bei Geldwäscheverdachtsmeldungen aus. Mit Stellenanzeigen wie „3000 EUR monatlich bequem von zu Hause verdienen“ wurden die zum Teil ahnungslosen Finanzagenten zum Transferieren von Geldern aus Phishing-Attacken angelockt. Mit gehackten Daten wird im Online-Banking Geld von Opfern dieser Attacken auf das Konto des angeworbenen Finanzagenten transferiert. Dieser transferiert anschließend das Geld abzüglich seiner Provision (in Höhe von etwa 20%) via Geldtransferanbietern, wie Western Union oder MoneyGram. Innerhalb von wenigen Minuten kann der Empfänger mittels Referenznummer und Ausweis das Geld weltweit abheben.[18]
Frontgesellschaften
Um inkriminierte Vermögensgegenstände einzuschleusen, wird in von Geldwäschern betriebenen sogenannten Frontgesellschaften Bargeld in deren Kassenbestand untergebracht. Die inkriminierten Gelder werden den legalen Umsätzen eines bestehenden bargeldintensiven Unternehmens beigemischt. Bevorzugt handelt es sich um Taxibetriebe, Wechselstuben, Gastronomiebetriebe, Spielbanken oder Gebrauchtwagenhändler, weil diese keiner hohen Regulierung und Kontrolle unterliegen. Von den Betreibern der Unternehmen muss bedacht werden, dass das branchenübliche Verhältnis zwischen Umsatz, Kosten und Gewinn beibehalten werden muss, um nicht hierdurch aufgedeckt zu werden (z. B. durch das Finanzamt)[19].
Als idealtypische Frontgesellschaften nennt Bongard Unternehmen mit hohem Fixkostenanteil und einer nachträglich unmöglichen Verifizierung der variablen Kosten und Umsätze, wie zum Beispiel Kinobetrieben mit typisch regressiver Kostenstruktur. Zudem werden Kinos hauptsächlich von Privatkunden aufgesucht, die ihre Aufwendungen steuerlich nicht geltend machen und somit nicht dokumentieren. Daneben sind auch Unternehmen mit komplexer Kostenstruktur oder intransparenter Vorratshaltung beliebt, beispielsweise Diskotheken, Autowaschanlagen, Sportcenter, Galerien und Auktionshäuser.[20] Zur Wahrung des branchenüblichen Umsatz-Gewinn-Verhältnisses werden den zusätzlich zugeflossenen Umsätzen aus inkriminierten Geldern Kosten hinzugefügt, die aus Rechnungen über nicht erbrachte Dienstleistungen von Scheinfirmen oder aus offizieller Anstellung von Personen aus den kriminellen Handlungen herrühren. Aber auch Dienstleitungsunternehmen, wie Anwälte und Unternehmensberatungen, können für Geldwäsche genutzt werden, da Dienstleistungen immateriell erstellt werden und somit nur schwierig überprüfbar sind.[21]
Briefkastenfirmen
Briefkastenfirmen, also Unternehmen ohne nennenswertes Vermögen und Geschäftstätigkeit, werden gegründet und genutzt, um Ursprung und Identität der wirtschaftlich Berechtigten zu verbergen und die Quelle der inkriminierten Mittel zu verdecken. Um den organisatorischen Aufwand zu verringern ist auch das Fälschen von Dokumenten ausländischer Unternehmen zur Eröffnung und Nutzung von Bankkonten beliebt.[22]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Panama Papers – Für deutsche Banken gegründete Mossack Fonseca-Briefkastenfirmen 2015[23]
2.1.2 Zweite Phase: Layering
Nach der Integration der inkriminierten Gelder in den regulären Wirtschafts- und Finanzkreislauf werden die illegalen Gewinne mittels Layering von ihrer Herkunft distanziert. Durch häufige und mehrfache Transaktionen verliert sich die Papierspur immer stärker. Durch die sich stets erhöhende Transaktionsanzahl im bargeldlosen Zahlungsverkehr lassen sich Transaktionen mit Geld aus illegaler Herkunft gut tarnen. So erfolgten 2014 weltweit 387,3 Mrd. Transaktionen, wobei die jährliche Steigung seit 2010 zwischen 7,7% und 8,9% lag. Für Transaktionen in dieser Phase werden Kettentransfers durchgeführt, um einen Ermittlungsaufwand zu erhöhen. So werden zahlreiche Konten genutzt und Strohmänner oder Scheingesellschaften bzw. Briefkastenfirmen involviert, die teilweise auch in Offshore-Gebieten beheimatet sind. Diese Gesellschaften täuschen einen Geschäftszweck vor, um Transaktionen durchführen zu können oder zu empfangen und ähneln Frontgesellschaften. Zusätzlich werden Buchungen und Zahlungen durchgeführt, um Transaktionen der Geldwäsche weiter zu verschleiern. Außerdem werden in einem Geflecht von Unternehmen und Konten Gelder wiederholt und abwechselnd gesammelt, verteilt, umgeschichtet, umgewechselt. Um die Papierspur zu unterbrechen, kann nochmals eine bare Auszahlung durchgeführt werden, die gegebenenfalls mit einer Kontoauflösung einhergeht.[24]
2.1.3 Dritte Phase: Integration
In der letzten Phase werden die inkriminierten Gelder, die im Rahmen des Placements in den Finanz- und Wirtschaftskreislauf eingeschleust wurden und im Rahmen des Layerings die Papierspur zur Herkunft aus der Kriminalität verloren haben, in die formelle Ökonomie gelangen. Die Unterscheidung von legalen Investitionen ist nun kaum möglich. Auch in dieser Phase können Mittler, wie zwischengeschaltete Strohmänner und Scheingesellschaften, eingesetzt werden, um tatsächliche Eigentümer nicht aufzudecken.[25]
Die Investition kann in bankübliche Finanzanlagen, wie z. B. Tages- oder Festgeld, erfolgen, aber auch Wertpapiere, die an Börsen gehandelt werden, sind gut geeignet. Mit börsengehandelten Inhaberpapieren ist eine weitgehende Anonymität und Fungibilität gegeben. Bekannt gewordene Geldwäsche-Fälle zeigen Investitionen in Anleihen auf, aber im Laufe der zunehmenden Professionalisierung ist von Investitionen in komplexeren Anlageprodukten auszugehen.[26]
In der Phase der Integration werden Immobilien und Unternehmen als Investition in Sachanlagen genutzt. Auch hier erfolgt die Nutzung von Mittelsmännern und Scheinfirmen zur Wahrung der Identität. Neben der Diversifikation in legale Unternehmungen ist die Investition in Betriebe auch geeignet, um Synergieeffekte zu erzielen. Für Unternehmenskäufe oder -Beteiligungen eignen sich Betriebe im Bereich von Reisen, Transport, sowohl Im- und Export. So lassen sich Gütertransporte und Reisetätigkeiten von Mitarbeitern erklären, die einen illegalen Zweck haben, aber nach außen legal wirken. Bei der Herstellung von Drogen ist eine Investition in Unternehmen aus dem Chemiesektor geeignet, um unauffällig an notwendige Chemikalien und die benötigte Infrastruktur zu gelangen. Investitionen in bargeldintensive Betriebe ermöglichen weitere Geldwäsche-Aktivitäten.[27]
2.2 Organisierte Kriminalität
Unter dem Begriff Organisierte Kriminalität finden sich in der Fachliteratur zwei unterschiedliche Verständnistypen, der strukturellen und prozeduralen Auslegung, wieder. Als Organisation zur Begehung von kriminellen Handlungen wird die strukturelle Auslegung verstanden. Beispielhaft ist die amerikanische Cosa Nostra mit hierarchischer Binnenstruktur zu nennen, die inzwischen als Ausnahmefall gilt. Mittlerweile wird von einer relativ ungebundenen Netzwerkstruktur ausgegangen, bei der bedarfsorientiert Aufgaben von Tätern übernommen werden. Die prozedurale Auslegung konzentriert sich auf die Organisation der Begehung von kriminellen Handlungen. Der Prozess der Akteure, unter Bedingungen von Illegalität zusammenzuarbeiten, wird hier thematisiert. Als neusten Ansatz in der Literatur findet sich die Fokussierung auf das Verhältnis zwischen Staat und OK. Hier schafft der Staat die Voraussetzung zur Bildung der OK durch das Gewaltmonopol. Unter transnationaler organisierter Kriminalität wird die Durchführung von illegalen Aktivitäten über Staatsgrenzen hinweg verstanden. Dies umfasst die Durchführung von illegalen Dienstleistungen, den Handel mit illegalen Produkten oder den illegalen Handel mit legalen Produkten. Durch Angebot und Nachfrage von illegalen Gütern in unterschiedlichen geographischen Regionen erfolgt die Transnationalisierung der Organisierten Kriminalität. In aktueller empirisch fundierter Literatur zur OK ist Konsens, dass es sich bei diesen Strukturen um dezentrale kriminelle Märkte handelt. Teilnehmer dieser Märkte tauschen illegale Produkte und Dienstleistungen über Staatsgrenzen hinweg aus. Vereinzelt können einzelne Akteure hierarchisch organisiert sein.[28]
Weltweit soll die Hälfte der Erlöse aus organisierter Kriminalität aus dem Bereich Drogen erwirtschaftet werden. Darauf folgt die Fälschung von Banknoten mit 39,0% (siehe Abbildung 5: Erlöse aus transnationaler organisierter Kriminalität (2003-2009)). Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass Steuerbetrug und illegaler Kapitalverkehr global zwei Drittel aller illegalen Kapitalströme ausmachen.[29]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Erlöse aus transnationaler organisierter Kriminalität (2003-2009)[30]
In Deutschland ist die Organisierte Kriminalität international ausgeprägt. In 2015 befanden sich unter den 8.675 Tatverdächtigen 34,7% deutsche Staatsangehörige. Gefolgt wurden sie von Tatverdächtigen mit litauischer (11,4%), türkischer (9,7%) und polnischer (5,1%) Staatsangehörigkeit. Bei den 566 Ermittlungsverfahren handelte es sich bei über einem Drittel (36,7%) um Kriminalität in Verbindung mit Rauschgift (siehe Abbildung 6: Verteilung der Verfahren im Bereich der organisierten Kriminalität 2015).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Verteilung der Verfahren im Bereich der organisierten Kriminalität 2015[31]
Die organisierte Kriminalität hat sich im Laufe der Zeit geändert. Durch sich ändernde Rahmenbedingungen, wie z. B. der Technologieentwicklung, neue Marktetablierung, sowie rechtlichen und gesellschaftlichen Veränderungen erfolgten Anpassungen. Unterschiedliche Ausprägungen, wie hierarchisch strukturierte und regional agierende Organisationen, sind vorzufinden, aber auch grenzüberschreitende Netzwerke von Kriminellen liegen vor. Darüber hinaus wird mit der Begrifflichkeit „Organisierte Kriminalität 3.0“ ein fortschrittliches Netzwerk benannt, das flexibel agiert und Märkte wechselt, neue Technologien benutzt und missbraucht, Gebiete der Wirtschaftskriminalität erschließt sowie zum Teil Hybride aus Terrorismus und OK.[32]
2.3 Ausmaße und Auswirkungen
Mit der Aussage „If money laundering were a country, it would rank as the fifth largest economy by GDP in the world.”[33] ist im Bericht von BAE Systems, einem britischen multinationalen Rüstungs-, Informationssicherheits- und Luftfahrtkonzerns, plastisch gut dargestellt, um welchen Umfang es sich bei Geldwäsche handelt. Die Umfangschätzung der Geldwäsche weltweit fällt schwer, weil sich die Schätzung bzw. Messung auf Staatenebene schwierig gestaltet. Bereits durch unterschiedliche Begriffsdefinitionen, wie zum Beispiel bei der Hinzurechnung von hinterzogenen Steuern, entstehen unterschiedliche Dimensionen bei der Schätzung der Werte. Generell gibt es die Unterscheidung zwischen direkten Methoden, die versuchen, das Geldwäsche-Volumen anhand von Zahlungsflüssen zu bestimmen, und indirekten Methoden, die sich zur Ermittlung auf andere Messgrößen stützen. Bei der direkten Methode ist die Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Mitteln im Finanzsystem kaum möglich, sodass eine Hochrechnung von ermittelten Fällen von Geldwäsche möglich wäre. Bei der indirekten Methode können Gewinne und Umsätze aus Vortaten genutzt werden. Aber auch hier handelt es sich um ungenaue Schätzungen aufgrund von Dunkelziffern in der Strafverfolgung. Zum anderen werden aufgrund der begründeten These, dass es bei den Werten aus Geldwäsche zum größten Teil um Drogenerlöse handelt, in Hochrechnungen andere Vortaten (wie z. B. Menschenhandel, illegaler Waffenhandel und Kapitalanlagebetrug) außer Acht gelassen. Darüber hinaus basiert die Umsatzgröße des Drogenhandels auf der geschätzten Produktion oder des Konsums von Drogen oder auf Hochrechnung von beschlagnahmten Drogen. Auch hier bleiben wieder Informationen unberücksichtigt, wie zum Beispiel Einkaufspreise, Betriebsausgaben, Ertragsspannen, Ertragsverteilung und die Verwendung der Erträge.[34]
Die am häufigsten zitierte Zahl für das Ausmaß der Geldwäsche wurde 1998 vom IWF herausgegeben und beläuft sich auf 2% bis 5% des globalen BIP. Nach einer Metaanalyse aus verschiedenen Studien machen die Erlöse aus kriminellen Handlungen etwa 3,6% des globalen BIP aus. Geldwäsche im Finanzsystem wird in der Metaanalyse von bestehenden Schätzungen auf 2,7% beziffert. Dies entsprach 2009 USD 1,6 Bio. Im Projekt ECOLEF wurde an der Universität Utrecht die wirtschaftliche und rechtliche Wirksamkeit von Strategien zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung für die Europäische Kommission untersucht. Im Rahmen dieser Untersuchung stellte sich heraus, dass die Bedrohung durch Geldwäsche im Vereinigten Königreich, in Luxemburg, in Belgien, in Frankreich und auch in Deutschland am größten ist (siehe Abbildung 7: Geldwäsche-Bedrohung in Europa). Das liegt an den etablierten Finanzmärkten, dem Handel, dem relativ hohen Pro-Kopf-BIP und kulturellen Verbindungen zu Ländern mit hoher Kriminalität. Inkriminierte Gelder fließen grundsätzlich von Osteuropa in den Westen und vom Rest der Welt in europäische Finanzzentren. In Bezug auf den Prozentsatz des BIP jedes Landes sind allerdings kleine Länder, wie z. B. Estland, Litauen, Malta und Luxemburg, besonders von Geldwäsche bedroht. Diese Staaten grenzen an Länder und sind mit Ländern wirtschaftlich verbunden, die potentiell viel größere inkriminierte Geldmengen besitzen.[35]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Geldwäsche-Bedrohung in Europa[36]
Für Deutschland wird das potentielle Geldwäsche-Volumen anhand eines Modells im ECOLEF-Projekt auf 108,87 Mrd. EUR beziffert. Für Deutschland entfällt nach Daten der FIU ein Großteil auf Betrug als Straftat, die am häufigsten in Zusammenhang mit Geldwäsche genannt wird. Dies beinhaltet Computerbetrug als auch Investitionsbetrug. Als weitere Straftaten werden Urkundenfälschung, Steuerhinterziehung, Untreue, Betäubungsmittel-Delikte, Insolvenzdelikte, Schwarzarbeit, Diebstahl und Einschleusen illegaler Migranten aufgeführt. In der Dunkelfeldstudie über den Umfang der Geldwäsche in Deutschland und über die Geldwäscherisiken in einzelnen Wirtschaftssektoren wurden Verdachtsfälle im Nicht-Finanzsektor auf 15.000 bis 28.000 Fälle geschätzt, die ein Volumen von mindestens 20 bis 30 Mrd. EUR ausmachen. Dabei wurden von den Verpflichteten nach dem Geldwäschegesetz lediglich 238 Fälle gemeldet. Das Volumen der Geldwäsche soll der Studie nach in Deutschland ansteigen. Dies liegt einerseits an der Bedeutung des Finanzplatzes und Wirtschafts-Standortes Deutschland in Europa und somit der wachsenden Attraktivität. Andererseits bestehen im Nicht-Finanzsektor Lücken in der Umsetzung von Anforderungen zur Geldwäsche-Bekämpfung, die besonders in der mangelnden Awareness und Umsetzung der Sorgfaltspflichten liegen. Darüber hinaus sind Defizite in der Strafverfolgung gegeben, so dass bei Geldwäschern ein geringes Strafverfolgungsrisiko zu geringen Entdeckungsrisiken führt. Dies liegt unter anderem in mangelnden personellen Ressourcen in der Staatsanwaltschaft und Rechtspflege. Bei einer Befragung von Experten aus Wirtschaft, Strafverfolgung und Wissenschaft gab der Großteil der Teilnehmer an, dass das Volumen der Geldwäsche in Deutschland stark zunehmen wird (siehe Abbildung 8: Expertenbefragung zur Entwicklung des Geldwäsche-Volumens).[37]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Expertenbefragung zur Entwicklung des Geldwäsche-Volumens[38]
Geldwäsche gefährdet die öffentliche Sicherheit, da sie darauf abzielt, das Aufspüren und Ermitteln von Delikten zu erschweren und somit die Durchsetzungsfähigkeit der zuständigen Behörden reduziert. Geldwäsche ist eine Straftat ohne direkten Geschädigten, sodass sie im Vergleich zu Gewalt unsichtbar bleibt. Durch technologischen Fortschritt und die Ausweitung internationaler Finanztransfers seit den neunziger Jahren nutzt die transnationale organisierte Kriminalität nationale gesetzliche Unterschiede für ihre Zwecke. Darüber hinaus gefährdet Geldwäsche die Finanzmarktintegrität, die einen Beitrag zur wirtschaftlichen Sicherheit darstellt. Dem liegt die Hypothese zugrunde, dass bei inkriminiertem Geld nicht die gleichen Marktmechanismen wirken wie bei legalen Finanzmitteln. Oberstes Ziel ist bei diesen inkriminierten Mitteln die Beseitigung der Rückverfolgung zu den verbundenen Straftaten. Die Konkurrenzfähigkeit von legal operierenden Unternehmen leidet, da bei ihnen Produkte und Dienstleistungen gewinnbringend kalkuliert werden müssen und sie von Unternehmen, die aus Geldwäsche finanziert werden, verdrängt werden können. Zudem geht bei Geldwäsche ein Reputationsrisiko für einzelne Unternehmen, insbesondere Banken, oder Märkte einher. Bei Aufklärung von Geldwäschefällen ist die Abwanderung von Kunden durch den Reputationsverlust denkbar, da Kriminalität mit dem Kreditinstitut konnotiert wird. Zusätzlich sind Sanktionsmaßnahmen von Bußgeldern bis hin zum Entzug der Banklizenz möglich. Letzteres birgt wiederum ein hohes systemisches Risiko in einem stark vernetzten Finanzmarkt.[39]
[...]
[1] Vgl. Brössler et al. in SZ (2016), S. 19.
[2] Vgl. Metzger (2003) und Unger et al. (2006), S. 16.
[3] The President's Commission on Organized Crime (1984).
[4] Vgl. Hölscher et al. (2011), S. 5.
[5] Vgl. Bongard (2001), S. 79.
[6] Vgl. Hölscher et al. (2011), S. 30.
[7] Eigene Darstellung in Anlehnung an den USCS.
[8] Vgl. Schneider et al. (2006), S. 34.
[9] Eigene Darstellung in Anlehnung an Bayer.
[10] Vgl. Bongard (2001), S. 83 f.
[11] Eigene Darstellung in Anlehnung an Müller.
[12] Vgl. Schneider et al. (2006), S. 33 und Siska (2007), S. 55.
[13] BKA (2016), S. 10.
[14] Vgl. Bongard (2001), S. 108.
[15] Vgl. Ehlscheid/Pfeiffer (2012), S. 44.
[16] Vgl. Bongard (2001), S. 110-111; Deloitte (2015) S. 3 und Reimer (2015).
[17] Vgl. Bongard (2001), S. 111.
[18] Vgl. Bongard (2001), S. 111 und BKA (2014), S. 27.
[19] Vgl. Schneider et al. (2006), S. 49.
[20] Vgl. Bongard (2001), S. 117.
[21] Vgl. Bongard (2001), S. 115-118.
[22] Vgl. Diergarten und Barreto da Rosa (2015), S. 12 ff.
[23] Vgl. Statista (2016a).
[24] Vgl. Capgemini/BNP Paribas (2016), S. 6 und Bongard (2001), S. 119.
[25] Vgl. Bongard (2001), S. 121.
[26] Vgl. Bongard (2001), S. 121-122.
[27] Vgl. Altenkirch (2006), S. 63-69.
[28] Vgl. Behrens/Brombacher in Jäger (2015), S. 135-137.
[29] Vgl. Schneider in Jäger (2015), S. 166.
[30] Eigene Darstellung nach Schneider in Jäger (2015), S. 151.
[31] Vgl. Statista (2016b).
[32] Vgl. Sinn (2016), S. 77.
[33] „Wenn Geldwäsche ein Land wäre, würde es nach BIP die fünfgrößte Volkswirtschaft auf der Welt sein“, BAE Systems (2016), S. 5.
[34] Vgl. Schneider, Riegler et al (2006), 60 Schikora (2012), S. 22-23.
[35] Vgl. UNODC (2011), S. 7 und Unger (2013), S. 12 - 14.
[36] In Anlehnung an Unger (2013), S. 13.
[37] Vgl. Unger (2013), S. 34-39; FIU (2016), S. 10 und Bussmann (2015), S. 16, 20.
[38] Eigene Abbildung nach Bussmann (2013), S. 18.
[39] Vgl. Behrens/Brombacher in Jäger (2015), S. 140-141 und Heiden (2012), S. 139.
- Arbeit zitieren
- Sven Fus (Autor:in), 2017, Know Your Customer bei der Geldwäsche-Bekämpfung in Kreditinstituten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/376512
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