Das Hauptgebäude repräsentiert seit seiner Übergabe an die Stadt Hamburg durch Edmund Siemers im Jahr 1911 die Universität Hamburg wie kein anderes Gebäude. Im Rahmen des Seminars „Campus-Kultur. Das Hauptgebäude der Universität Hamburg als ethnographisches Feld“ habe ich mir die Frage gestellt, wie dieses altehrwürdig und museal anmutende Objekt von den täglich in ihm agierenden Akteuren tatsächlich bespielt und genutzt wird. Dabei konzentriere ich mich auf die Zeiten zwischen den Vorlesungen, die im Hauptgebäude stattfinden.
Wie verhalten sich die Studierenden in diesem speziellen Raum in der halben Stunde zwischen den Lehrveranstaltungen? Wer nutzt das Gebäude sonst noch zu dieser Zeit? Verändern sich Aussehen und Akustik des Gebäudes im Vergleich zu den Vorlesungszeiten?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Zwischenzeiten
3. Nicht-Ort, Ort oder Raum?
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Hauptgebäude repräsentiert seit seiner Übergabe an die Stadt Hamburg durch Edmund Siemers im Jahr 1911 die Universität Hamburg wie kein anderes Gebäude (Krause 2011: 25; 40; 42). Im Rahmen des Seminars „Campus-Kultur. Das Hauptgebäude der Universität Hamburg als ethnographisches Feld“ habe ich mir die Frage gestellt, wie dieses altehrwürdig und museal anmutende Objekt von den täglich in ihm agierenden Akteuren tatsächlich bespielt und genutzt wird. Dabei konzentriere ich mich auf die Zeiten zwischen den Vorlesungen, die im Hauptgebäude stattfinden.
Wie verhalten sich die Studierenden in diesem speziellen Raum in der halben Stunde zwischen den Lehrveranstaltungen? Wer nutzt das Gebäude sonst noch zu dieser Zeit? Verändern sich Aussehen und Akustik des Gebäudes im Vergleich zu den Vorlesungszeiten?
Zunächst einmal werde ich diese und weitere Fragen anhand einer eigenen kleinen teilnehmenden Beobachtung untersuchen (Schmidt-Lauber 2007: 219-221; 227 ff.), die autoethnographisch angelegt ist und bei der ich auch die Sinne, v.a. die auditive Wahrnehmung, als Teil meines „methodologischen Instrumentariums“ betrachte (Bendix 2006: 72). Auf diese aufbauend werde ich im Folgenden betrachten, ob die Akteure das Gebäude nach de Certeau eher als Raum oder Ort nutzen, oder ob es sogar ein Nicht-Ort im Sinne Augés sein kann. Die Arbeiten dieser Autoren werden mir als Hauptquellen dienen, während ich aus Platzgründen Theorien wie Böhmes Atmosphärenbegriff in meinen Ausführungen lediglich im Hinterkopf behalten kann (2006: 105/106 ff.). Abschließend werde ich in einem Fazit versuchen, meine eigenen Beobachtungen mit den betrachteten theoretischen Ansätzen zu verknüpfen und meine Ergebnisse zusammenzufassen.
2. Die Zwischenzeiten
An einem Montag um 11:40 Uhr, fünf Minuten vor Ende eines Vorlesungsblocks, dominiert die Stimme einer Dozentin aus dem Ernst-Cassirer-Hörsaal, dessen Türen offen stehen, noch einen Großteil der Akustik des Hauptgebäudes. Konkurrenz bekommt sie nur von einem Mann, der im Untergeschoss Wasserkisten mit Glasflaschen ablädt. Im ersten Obergeschoss hören sich Schritte und Husten der Menschen, die die Treppe heraufsteigen, nach mindestens zehn Personen an. Auf dem oberen Treppenabsatz tauchen dann allerdings nur drei Mädchen auf, die sich leise unterhalten. Die wartenden Studierenden nutzen vieles als Sitzfläche, wie zum Beispiel den Tresen der Garderobe im Untergeschoss oder die Treppe bzw. die Treppengeländer, die wenigsten jedoch die Vorrichtungen, die von den Architekten wohl als solche gedacht waren. Um 11:48 dann übertönen die sich im Kommen und Gehen befindenden Studierenden die noch immer sprechende Dozentin aus dem ersten Obergeschoss. Mein Eindruck ist, dass vor allem die jünger und unerfahrener wirkenden Studierenden sich langsamer bewegen und leiser sprechen; drei Mädchen mit einem Plan des Universitätsgeländes in der Hand beispielsweise schauen sich immer wieder um und blicken häufig zur Decke. Die älter wirkenden Studierenden hingegen scheinen sich lockerer zu bewegen, lehnen an Treppengeländer und Säulen und sprechen auch wesentlich lauter, vor allem Männer lachen oftmals laut auf. Ältere Studierende (die meisten über 50, wie ich vermute) gehen langsam und gesetzt, auffällig viele schauen sich um. Eine ca. zehnköpfige Gruppe Englisch sprechender ausländischer Studierender steht auf der Treppe zum zweiten Obergeschoss. Einige von ihnen blicken etwas verwirrt auf ihre Pläne, andere machen Fotos von der Treppe bzw. den Fenstern. Schließlich reihen sie sich alle vor der Treppe auf und bitten mich, ein Foto von ihnen zu machen. Die Gruppe der ausländischen Studierenden erweist sich als die größte von mir beobachtete Gruppe, meist sind die Passanten in Zweier – oder Dreiergruppen bzw. als Einzelpersonen unterwegs. Viele telefonieren beim Reinkommen oder tragen Kopfhörer, einige Kaffeetassen und To-Go-Becher. Nicht alle befinden sich jedoch im Gehen, v.a. im Foyer stehen einige Grüppchen und unterhalten sich. Einige, augenscheinlich zum Hausmeisterpersonal, das häufig zur Tür des „Glaskastens“ rein und raus geht, gehörende Passanten begrüßen sich im Vorbeigehen. Im Foyer auf einer kleinen Steinbank neben dem in der Wand eingelassenen Brunnen sitzend bekomme ich schnell den Eindruck, im Freien zu sein: draußen ist es kalt, keiner der Hereinkommenden öffnet oder zieht seine Jacke aus, und auch ich habe seit einer halben Stunde im Gebäude meine Jacke an. Die Innentemperatur ist nicht hoch, und die Grenzen zum kalten Draußen verschwimmen durch weitere Faktoren wie die hohen, lichtdurchlässigen Fenster, die Steinböden, -wände und -treppen, die von den Wänden widerhallenden Stimmen und den stetig tropfenden Brunnen neben mir. Nicht zu diesem Eindruck passt, dass sich einige beim Hereinkommen auf dem Teppich hinter den Türen die Schuhe abstreifen, was wie der fehlende Müll (ich sehe nur ein zerknülltes Tempo auf dem Boden) und die fotografierenden Studierenden für einen Sonderstatus des Gebäudes spricht. Um 12:10 Uhr steigt der Fluss der Hereinkommenden nochmals an, alle gehen jetzt schneller, einige rennen. Eine Frau findet offensichtlich den Weg nicht und läuft mehrmals hektisch zum Plan des Gebäudes, mehrere studieren ihn in meiner Beobachtungszeit verwirrt und eine Gruppe älterer Leute fragt vor dem Plan stehend Studierende nach dem Weg. Interessant ist die Aussage eines sich im Foyer befindenden Studenten zu seinem Gesprächspartner am Telefon: „Ich bin gerade am Dammtor“ – anstelle anzugeben, dass er sich gerade im Hauptgebäude der Universität befindet. Die Akustik des Gebäudes spiegelt, auch wenn sie einem wie bereits erwähnt immer „vorgaukelt“ viele Leute seien anwesend, ziemlich genau das Kommen und Gehen der Menschen in den Zeiten zwischen den Vorlesungen wieder. Um 13:50 erreicht die Lautstärke bei meiner zweiten Beobachtungsphase einen Höhepunkt, viele Leute strömen herein. Die Stimmen aus den verschiedenen Stockwerken, das Gelächter, die Absätze und Schritte auf dem Steinboden und das Auf und Zu der Türen vermischen sich beinahe zu einem einzigen Geräusch, während man die einzelnen Geräuschfaktoren vorher und ca. fünf Minuten später zwar sehr verstärkt hören, jedoch voneinander unterscheiden kann. Um 14:06 steigt die Lautstärke erneut auf dieselbe Art und Weise an, bevor dann wohl wieder für die nächsten 90 Minuten einigermaßen „Ruhe“ herrscht. Es ist also ein stetiges Kommen und Gehen in dieser halben Stunde zwischen den Vorlesungen. Wird das Hauptgebäude so zum bloßen Transitraum? Was für eine Art Raum ist es sonst? Oder ist es auch möglich, dass es für manche Ort bleibt und gar nicht erst Raum wird?
3. Nicht-Ort, Ort oder Raum?
Meine Beobachtungen haben gezeigt, dass viele Studierende einen großen Teil des Hauptgebäudes nur zügig durchqueren – mit dem Kaffeebecher in der Hand in den Hörsaal hinein, mit dem Handy am Ohr 90 Minuten später wieder heraus. Dadurch machen sie das Gebäude ein stückweit zu einem Transitraum zum Hörsaal und zurück, was von Augé als Nicht-Ort definiert werden würde (2010: 83-84). Augé argumentiert auch, dass der Nicht-Ort eine von seinen Nutzern „geteilte Identität“ erzeugt (2010: 102).
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- Arbeit zitieren
- Katharina Wilhelm (Autor:in), 2014, In der Zwischenzeit. Das Hauptgebäude der Universität Hamburg als genutzter Ort und Raum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375796
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