Unterlassen die Vorstände deutscher Unternehmen wirtschaftlich sinnvolle Investitionen, um einer auf Quartalszahlen fokussierten Financial Community befriedigende Ergebnisse präsentieren zu können?
In der vorliegenden Arbeit wird die Frage nach der Existenz von solch kurzfristigem Verhalten, bezeichnet als Managermyopie bzw. Managerial Myopia, sowie den Einflussfaktoren auf dieses Verhalten gestellt.
Zur Beantwortung wurden eine postalische, anonymisierte Fragebogenumfrage unter den Finanzvorständen der CDAX-Unternehmen mit einer Rücklaufquote von 21% sowie teilstrukturierte Interviews durchgeführt. Die Ergebnisse liefern deutliche Hinweise auf die Existenz von kurzfristigem Verhalten. Die Faktoren Kapitalmarktdruck, Unternehmensgröße und Fremdkapitalquote besitzen einen statistisch messbaren Einfluss auf kurzfristiges Verhalten. Die Untersuchung liefert direkte Erkenntnisse über Kapitalmarktdruck, das tatsächlich ausgeübte Maß von kurzfristigem Verhalten und die aktuelle Debatte über die verpflichtende Einführung von Quartalsberichterstattung.
INHALTSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
I. EINLEITUNG
1. HINTERGRUND
2. PROBLEMSTELLUNG, RELEVANZ UND NEUIGKEITSGRAD DER ARBEIT
3. AUFBAU DER ARBEIT
II. GRUNDLAGEN
1. MANAGERMYOPIE: BEGRIFFSBESTIMMUNG
2. AUSPRÄGUNGSFORMEN VON MANAGERMYOPIE
2.1. Aufwendungsmyopie
2.1.1. Forschung und Entwicklung
2.1.2. Werbung
2.1.3. Personalentwicklung
2.1.4. Sonstige Ausprägungsformen von Aufwendungsmyopie
2.2. Ertragsmyopie
2.2.1. Preiserhöhungen
2.2.2. Preissenkungen
2.2.3. Markenerweiterungen
2.2.4. Nutzung neuer Distributionskanäle
III. LITERATURÜBERBLICK
1. EINORDNUNG DER MANAGERMYOPIE-LITERATUR INNERHALB DER CORPORATE-FINANCE-LITERATUR
2. EINORDNUNG DER MANAGERMYOPIE-LITERATUR INNERHALB DER ACCOUNTING-LITERATUR
2.1. Einordnung der Managermyopie-Literatur innerhalb der angloamerikanischen Accounting-Literatur
2.2. Einordnung der Managermyopie-Literatur innerhalb der deutschen Accounting-Literatur
3. „ANECDOTAL EVIDENCE“
4. THEORETISCHE ARBEITEN
5. EMPIRISCHE ARBEITEN
5.1. Analysen von Aufwendungen
5.2. Analysen von Kapitalaufnahmen
5.3. Umfragen und Experimente
5.4. Sonstige
6. ZUSAMMENFASSENDE WÜRDIGUNG DES VORHANDENEN MATERIALS
6.1. Würdigung des vorhandenen theoretischen Materials
6.2. Würdigung des vorhandenen empirischen Materials
IV. METHODIK
1. FRAGESTELLUNGEN UND HYPOTHESEN
1.1. Fragestellungen
1.1.1. Existenz von Managermyopie in deutschen Unternehmen
1.1.2. Existenz von Kapitalmarktdruck auf deutsche Unternehmen
1.2. Hypothesen
1.2.1. Kapitalmarktdruck
1.2.2. Berichtsfrequenz
1.2.3. Strategische Langfristinvestoren
1.2.4. Fremdfinanzierung
1.2.5. Unternehmensgröße
1.2.6. Industriezugehörigkeit
2. DURCHFÜHRUNG DER UNTERSUCHUNG
2.1. Methode der Datenerhebung
2.1.1. Begründung der Methode der Datenerhebung
2.1.2. Einordnung des gewählten Untersuchungsdesigns
2.2. Durchführung der Fragebogenumfrage
2.2.1. Untersuchungsobjekte, angestrebte Grundgesamtheit und Beobachtungsobjekte
2.2.2. Auswahlgesamtheit
2.2.3. Fragebogenentwicklung
2.2.4. Versendung und Rücklauf der Fragebögen, Inferenzpopulation
2.3. Durchführung der Interviewserie
2.4. Operationalisierung der verwendeten Variablen
2.4.1. Operationalisierung von Managermyopie
2.4.2. Operationalisierung von Kapitalmarktdruck
2.4.3. Operationalisierung der demographischen Variablen
3. BESCHREIBUNG DER INFERENZPOPULATION DER FRAGEBOGENUMFRAGE
3.1. Eigenschaften der an der Fragebogenumfrage teilnehmenden Unternehmen
3.2. Verzerrungen der Inferenzpopulation
3.2.1. Analyse des Coverage-Bias
3.2.2. Analyse des Non-Response-Bias
3.2.3. Analyse des Social-Desirability-Bias
3.2.4. Analyse des Informant-Bias
3.2.5. Analyse der Verzerrung durch Mißverständnis
4. ZUSAMMENFASSUNG DER METHODIK
V. ERGEBNISSE
1. DESKRIPTIVE ANALYSE
1.1. Existenz von Managermyopie in deutschen Unternehmen
1.2. Existenz von Aufwendungsmyopie in deutschen Unternehmen
1.3. Existenz verschiedener Ausprägungen von Aufwendungsmyopie in deutschen Unternehmen
1.4. Existenz von Ertragsmyopie in deutschen Unternehmen
1.5. Existenz verschiedener Ausprägungen von Ertragsmyopie in deutschen Unternehmen
1.6. Existenz von Kapitalmarktdruck in deutschen Unternehmen
2. INFERENZSTATISTISCHE ANALYSE
2.1. Kapitalmarktdruck und Managermyopie
2.2. Berichtsfrequenz und Kapitalmarktdruck
2.3. Berichtsfrequenz und Managermyopie
2.4. Strategische Langfristinvestoren und Kapitalmarktdruck
2.5. Strategische Langfristinvestoren und Managermyopie
2.6. Fremdkapitalquote und Kapitalmarktdruck
2.7. Fremdkapitalquote und Managermyopie
2.8. Unternehmensgröße und Kapitalmarktdruck
2.9. Unternehmensgröße und Managermyopie
2.10. Industriezugehörigkeit und Kapitalmarktdruck
2.11. Industriezugehörigkeit und Managermyopie
VI. DISKUSSION UND AUSBLICK
1. ZUSAMMENFASSUNG UND DISKUSSION DER ERGEBNISSE
2. FAZIT
3. LIMITATIONEN DER VORLIEGENDEN ARBEIT
4. STÄRKEN DER VORLIEGENDEN ARBEIT
5. ZUKÜNFTIGE FORSCHUNG
6. AUSBLICK
ANHANG 1: DAS MODELL VON STEIN (1989)
ANHANG 2: FRAGEBOGEN
ANHANG 3: BEGLEITSCHREIBEN DEUTSCHE BÖRSE AG
ANHANG 4: ANTWORTEN DER FRAGEBOGENUMFRAGE
ANHANG 5: INTERVIEW-LEITFADEN
LITERATURVERZEICHNIS
VERZEICHNIS DER ZITIERTEN ZEITUNGSARTIKEL
VERZEICHNIS DER ZITIERTEN GESETZE UND VERORDNUNGEN
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb. 1: Strukturierung der Investment-Literatur nach STEIN
Abb. 2: Strukturierung verschiedener Arten von Bilanzpolitik nach VEIT
Abb. 3: Items 3b des Fragebogens
Abb. 4: Items 3d des Fragebogens
Abb. 5: Fragen 4 und 5 des Fragebogens
Abb. 6: Fragen 3a und 3c des Fragebogens
Abb. 7: Fehlerbalkendiagramm der Variablen KMD in verschiedenen Industrien
Abb. 8: Fehlerbalkendiagramm der Variablen MM in verschiedenen Industrien
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Demographische Charakteristik der Untersuchungsteilnehmer
Tabelle 2: Pearson-Korrelationskoeffizienten der demographischen Variablen
Tabelle 3: Antworten zu den Items 3b1 mit 3b5
Tabelle 4: Antworten zu den Items 3d1 mit 3d4 (detailliert)
Tabelle 5: Gruppenstatistik und für die Testvariable MM.
Tabelle 6: Gruppenstatistik und für die Testvariable KMD
Tabelle 7: Gruppenstatistik und für die Testvariable MM
Tabelle 8: Gruppenstatistik und für die Testvariable KMD
Tabelle 9: Gruppenstatistik und für die Testvariable MM
Tabelle 10: Gruppenstatistikund für die Testvariable KMD
Tabelle 11: Gruppenstatistik und für die Testvariable MM
Tabelle 12: Gruppenstatistik und für die Testvariable KMD
Tabelle 13: Gruppenstatistik und für die Testvariable MM
Tabelle 14: Ausprägungen von KMD in verschiedenen Industrien
Tabelle 15: Ausprägungen von MM in verschiedenen Industrien
I. EINLEITUNG
1. HINTERGRUND
Unterlassen die Vorstände deutscher Unternehmen wirtschaftlich sinnvolle Investitio- nen, um einer auf Quartalszahlen fokussierten Financial Community befriedigende Ergebnisse präsentieren zu können? Wird diese Form des Underinvestment durch eine Veränderung des deutschen Kapitalmarktsystems, insbesondere durch Veränderungen in der Anteilseignerstruktur, die verstärkte Inanspruchnahme von börsennotiertem Eigenkapital und die Einführung von Quartalsberichten verstärkt? Wird durch dieses kurzfristige Verhalten die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft geschwächt?
Nachdem die USA seit dem Ende des zweiten Weltkriegs über einen längeren Zeitraum hinweg eine Phase der wirtschaftlichen Stärke erlebt hatten, wurde ihre Volkswirtschaft während der Ölkrise von 1973 nachhaltig geschwächt1. In der Folgezeit kam es auch zu einer Verschlechterung der kompetitiven Situation amerikanischer Unternehmen gegenüber ihren kontinentaleuropäischen und insbesondere japanischen Wettbewer- bern2.
In den 1980er Jahren wurde diese Verschlechterung intensiv von Managern, Journalisten, Politikern und Akademikern diskutiert3. Hierbei wurde sie jedoch nicht allein auf ein verändertes makroökonomisches Umfeld, sondern auch auf zunehmend suboptimale Strukturen in den Unternehmen und in deren Beziehungen zu ihren Kapitalgebern zurückgeführt4. Häufig wurde Unternehmen unterstellt, in zunehmendem Maße wirtschaftlich sinnvolle Investitionen in nicht aktivierbare Vermögensgegenstän- de zu unterlassen, um gegenüber ihren Kapitalgebern ein hohes bilanzielles Periodener- gebnis ausweisen zu können; dieses Phänomen sei im Folgenden als Managermyopie bezeichnet5.
So beklagten HAYES und ABERNATHY das Versäumnis amerikanischer Manager, ihre Unternehmen langfristig technologisch wettbewerbsfähig zu halten6, DRUCKER führte die „Krise des Kapitalismus“ auf den Aufstieg institutioneller Investoren zurück7, und STEIN konstatierte: „The more managers are concerned about current share prices, the worse the problem becomes“8.
Anfang der 1990er Jahre verstärkte9 sich diese Diskussion und weitete sich insbesondere auf Großbritannien aus, wo DUGGAN klare Hinweise auf ein Underinvestment in Innovationen sah10 und laut WEEDON dieses Problem aus unterschiedlichen Zeithorizonten von Kapitalgebern und Managern resultierte11.
Nachdem während der Phase des starken weltwirtschaftlichen Aufschwungs in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre Managermyopie mit verminderter Intensität diskutiert wurde, existiert heute, in der zweiten Dekade des neuen Jahrtausends, im angloamerikanischen Sprachraum eine beträchtliche Anzahl von Wissenschaftlern, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen.
Für den deutschen Wirtschaftsraum stellt sich die Situation hingegen anders dar. In einem Zeitraum (d. h. Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre), in dem im angloamerikanischen Sprachraum das Thema „Managermyopie“ besonders intensiv diskutiert wurde, wurde es in Deutschland weder journalistisch noch akademisch in größerem Umfang bearbeitet. Gleichzeitig wurde Deutschland in angloamerikanischen Studien oft als Beispiel für ein Land genannt, in dem das Problem der Managermyopie in nur geringem Umfang existiere12. So sprach beispielsweise KALLFASS davon, daß in Anbetracht der Langfristigkeit der Beziehungen deutscher kapitalmarktnotierter Unternehmen zu ihren Banken Managermyopie nicht auftreten könne13.
Insbesondere seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre sind nun Veränderungen eingetreten, die eine verstärkte Angleichung des deutschen an das angloamerikanische Kapitalmarktsystem bewirkt haben14. Viele strategische Langfristinvestoren wie Banken und Versicherungen haben sich im Zuge der Entflechtung der sogenannten Deutschland AG von einem Großteil ihrer Industriebeteiligungen getrennt15. Gleichzeitig hat die Inanspruchnahme von börsennotiertem Eigenkapital durch deutsche Unternehmen erheblich zugenommen, was sich an der Zahl von 894 IPOs16 deutscher Unternehmen an der deutschen Börse seit der Einführung des neuen Marktes 1997 ablesen läßt. Auch wurde im Zuge neuer Berichtsanforderungen an börsennotierte Unternehmen die Berichtsfrequenz vieler Unternehmen von jährlich oder halbjährlich auf vierteljährlich umgestellt. Auffällig ist, daß in dem Zeitraum dieser Veränderungen verstärkt Beschwerden von Managern und Journalisten über Managermyopie bzw. ein diese induzierendes Kapitalmarktsystem auftraten17 ; exemplarisch seien hier die Stellung- nahmen der Porsche AG in ihrem prominent geführten Streit mit der Deutschen Börse AG um die Einführung von Quartalsberichterstattung genannt18.
2. PROBLEMSTELLUNG, RELEVANZ UND NEUIGKEITSGRAD DER ARBEIT
An diesem Punkt stellt sich nun die Frage, ob deutsche Unternehmen, welche sich Ende der 1980er Jahre in einem kontinentaleuropäisch geprägten Kapitalmarktsystem im Vergleich zu ihren US-amerikanischen Pendants potentiell weniger managermyopisch verhielten, in einem veränderten Umfeld ein erhöhtes Maß an Managermyopie an den Tag legen, und - falls dem so sein sollte - welches die Gründe für eine solche Veränderung sind.
Der vorliegenden Arbeit liegen daher folgende Fragen zu Grunde: Existiert Manager- myopie in deutschen Unternehmen? Falls ja, was sind die Gründe für dieses Verhalten?
Managermyopie führt zur Nichtdurchführung wirtschaftlich sinnvoller Investitionspro- jekte und dadurch zu einer Verringerung des fundamentalen Wertes19 und der langfristiges Wettbewerbsfähigkeit20 von Unternehmen. Falls Unternehmen sich tatsächlich managermyopisch verhalten sollten, wäre dies für wesentliche Anspruchs- gruppen21 von Nachteil. So würden Anteilseigner die Aktien von Unternehmen mit vermindertem langfristigem Ertragspotential halten22 ; gleichzeitig wären Mitarbeiter in Unternehmen mit verminderter Wettbewerbsfähigkeit langfristig einer größeren Gefahr eines Arbeitsplatzverlusts ausgesetzt. Auch würden sich die Kunden von managermyo- pisch geführten Unternehmen Handelspartnern mit einem verringerten Interesse an langfristigen und stabilen Geschäftsbeziehungen gegenüber sehen.
Erkenntnisse über die Ursachen von Managermyopie könnten nun Managern, Kapitalgebern und standarddefinierenden Institutionen helfen, die Eigenschaften (z. B. Fremdkapitalquote oder Aktionärsstruktur) und Rahmenbedingungen (z. B. Berichtsfre- quenz) von Unternehmen unter Berücksichtigung von deren Auswirkungen auf Managermyopie zu beeinflussen. Auch würden Erkenntnisse über die Existenz von Managermyopie - falls diese positiv wären - die Sensibilität von Managern gegenüber der Problematik erhöhen und potentiell durch veränderte Entscheidungsmuster Managermyopie und ihre nachteiligen Folgen reduzieren. Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, solche Erkenntnisse zu liefern.
Das Thema „Managermyopie“ ist in der angloamerikanischen Literatur relativ breit behandelt worden. Theoretische Arbeiten beschäftigten sich mit der modellhaften Erklärung von Existenz und Gründen23. Zahlreiche empirische Untersuchungen wurden angefertigt, um die Aussagen dieser Modelle für die USA24 und Großbritannien25 zu testen.
Für den deutschen Sprachraum existieren theoretische Arbeiten, die thematisch in den Bereich der Managermyopie-Literatur eingeordnet werden können26. Es sind dem Autor jedoch keine Studien bekannt, die empirisch Existenz und Ursachen von Managermyopie für den deutschen Wirtschaftsraum überprüfen27. Die vorliegende Arbeit versucht, diese Wissenslücke zu schließen.
3. AUFBAU DER ARBEIT
Die vorliegende Arbeit stellt eine empirische Studie dar, ihr Hauptbestandteil ist eine empirische Untersuchung. In Abschnitt II werden zunächst die theoretischen Grundlagen der Arbeit gelegt. In Kapitel II.1 wird Managermyopie als zentraler Begriff der Arbeit definiert und die Belegung des Begriffs in der Literatur dargestellt. Kapitel II.2 zeigt verschiedene mögliche Ausprägungsformen von Managermyopie auf. In Kapitel III wird daraufhin nach einer Einordnung des Themas innerhalb der Corporate- Finance- und der Accounting-Literatur ein Überblick über Einzelfallberichte und bereits existierende Studien, getrennt in theoretische und empirische Arbeiten, gegeben.
Aufbauend auf diesen bereits existierenden Studien, theoretischen Überlegungen sowie Äußerungen von Akademikern, Managern, Journalisten und Politikern werden daraufhin in Abschnitt IV Fragestellungen und Hypothesen zu Existenz und Ursachen von Managermyopie in Deutschland aufgestellt. Gleichzeitig werden die Durchführung der Untersuchung und die Inferenzpopulation der Fragebogenumfrage dargestellt.
In Abschnitt V werden die Ergebnisse der empirischen Überprüfung dieser Fragestel- lungen und Hypothesen dargestellt. In Abschnitt VI werden diese Ergebnisse sowie Limitationen und Stärken der vorliegenden Arbeit diskutiert. Abschließend wird ein Resümee aus der gesamten Untersuchung gezogen.
II. GRUNDLAGEN
1. MANAGERMYOPIE: BEGRIFFSBESTIMMUNG
Der zentrale Begriff der vorliegenden Arbeit, welcher an dieser Stelle mit „Managermyopie“ benannt wird, soll im Folgenden erläutert und definiert werden. Hierzu wird zunächst ein kurzer Überblick über wesentliche in der angloamerikanischen Literatur verwendete Benennungen dieses Begriffes gegeben28.
„Managerial myopia“ ist die dort am prominentesten verwendete Benennung für den Begriff „Managermyopie“. Sie wurde von STEIN 1988 und 1989 in zwei Beiträgen29 wesentlich geprägt, war jedoch bereits 1977 erstmals von LARWOOD und WHITTAKER in einem anderen Zusammenhang verwendet worden30.
Mehrere, vor allem britische Veröffentlichungen verwenden die Benennung „short- termism“ für „Managermyopie“. Diese wurde 1986 von Nigel Lawson, dem damaligen Finanzminister Großbritanniens, erstmals verwendet31 und in der Folgezeit verstärkt in der britischen32, jedoch kaum in der US-amerikanischen33 Literatur gebraucht.
Neben diesen existieren in der Literatur noch einige weitere Benennungen, die jedoch nur vereinzelt verwendet wurden. Zu nennen sind hier die Ausdrücke „short term profit goals of managers“34, „short horizons“35 bzw. „short time horizons“36, „business myopia“37 sowie „myopic distortions of investment horizons“38.
Obwohl die Benennung „managerial myopia“ in vielen Beiträgen verwendet wird, geben nur wenige Autoren eine explizite Definition dieses Terms an. Eine Ausnahme bildet BUSHEE, der „managerial myopia“ als “underinvestment in long-term, intangible projects such as research und development, advertising and employee training for the purposes of meeting short-term goals“39 definiert. Zu nennen ist auch SAMUEL, der von „managerial behaviour focused on improving earnings in the shortterm at the expense of long-term growth“40 spricht.
„Short-termism“ wird von LAVERTY als „decisions and outcomes that pursue course of action that is best for the short-term but suboptimal over the long-run“ definiert41. DEMIRAG definiert „short-termism“ als „the application of a time rate of discount which exceeds the firm’s opportunity cost of capital and/or the foreshortening the time horizon to exclude relatively distant revenues“42.
Zu erwähnen ist auch der Beitrag von FROOT et al. (1990). Diese legen sich nicht auf eine konkrete Benennung für „Managermyopie“ fest, umschreiben den Sachverhalt jedoch als „stock-price motivated underinvestment in invisible assets“43.
Diese Umschreibung wird im Folgenden als Ausgangspunkt für eine Definition von Managermyopie verwendet; zur Präzisierung dieser Definition sollen im Folgenden ihre Elemente definiert werden.
Das englische Wort „invisible assets“ stammt ursprünglich aus der strategischen Managementlehre und wurde von ITAMI und ROEHL geprägt, die darunter informationsbasierte Assets wie Technologie, Konsumentenvertrauen, Markenimage, Firmenkultur und Fähigkeiten des Managements verstanden44. An dieser Stelle sollen „invisible assets“ als nicht bilanzierungsfähige, d. h. bilanziell nicht ansetzbare, „assets“ definiert sein.
Das Wort „asset“ wird im Deutschen üblicherweise mit „Vermögensgegenstand“ übersetzt. Ein Vermögensgegenstand ist in den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung der deutschen Rechnungslegungslehre definiert als ein wirtschaftlicher Wert, der selbständig verwertbar und selbständig verkehrsfähig, d. h. einzeln veräusserbar, ist45. Alle Vermögensgegenstände sind in der deutschen Rechnungslegung bilanzierungsfähig und -pflichtig gemäß dem Vollständigkeitsgebot des § 246 I HGB46 sowie nach IFRS47.
Da an dieser Stelle jedoch gerade nicht bilanzierungsfähige „assets“ betrachtet werden sollen, ist eine Belegung des Wortes „asset“ mit „Vermögensgegenstand“ nicht hilfreich. Im Folgenden soll das Wort „asset“ daher als Wirtschaftsgut bezeichnet und als ein Wirtschaftsgut Sachen und Rechte sowie sonstige wirtschaftliche Vorteile, die meist durch Aufwendungen erlangt werden, definiert werden.
Für den englischen Ausdruck „invisible assets“ wird daher in dieser Arbeit der deutsche Term „nicht bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter“ verwendet.
Das Wort „underinvestment“ wird in der deutschen Finanzierungslehre mit „Unterin- vestition“ übersetzt, hier soll jedoch im Folgenden das englische Wort verwendet werden48. Inhaltlich soll mit Underinvestment die Nichtdurchführung vorteilhafter Investitionsprojekte bezeichnet werden. Diese Problematik bezieht sich auf einen Zustand, in welchem der Wert des Unternehmens gegenüber einem optimalen Zustand durch die Unterlassung von wirtschaftlich sinnvollen Investitionen gesenkt wird. Sie wurde erstmalig 1977 von MYERS skizziert49 und 1984 von MYERS und MAJLUF50 sowie 1990 von STULZ51 in prominenten Beiträgen analysiert.
Das Wort „Investitionsprojekt“ ist eines der in der Finanzierungsliteratur am häufigsten verwendeten. Es soll hier als eine Mehrzahl von inhaltlich miteinander verbundenen, über mehr als eine Periode verteilten Ein- und Auszahlungen verstanden werden. Als „vorteilhafte Investitionsprojekte“ sollen alle Investitionsprojekte, deren Nettokapital- wert Null übersteigt, bezeichnet sein. Der „Nettokapitalwert“ eines Investitionsprojektes sei hierbei die Summe der auf einen Betrachtungsstichtag mit dem risikoadäquaten Zinssatz des Investitionsprojektes abgezinsten Ein- und Auszahlungen. Der risikoadä- quate Zinssatz eines Investitionsprojektes sei hierbei der risikofreie Zinssatz zuzüglich eines das Risiko des jeweiligen Investitionsprojektes reflektierenden Risikoaufschlages.
In der vorliegenden Arbeit sollen nur Fälle des Underinvestment betrachtet werden, die auf Grund einer Entscheidung des Managements des jeweiligen Unternehmens entstanden sind. Auf Grund von Zwangslagen entstandene Fälle des Underinvestment sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung52.
Eine Entscheidung zu Underinvestment in nicht bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter kann aus verschiedenen Motivationen entstehen. Einige der Motivationen für Underinvestment - unabhängig von der Bilanzierungsfähigkeit des betroffenen Wirtschaftsgutes - wurden in den bereits genannten Arbeiten aufgezeigt. Es sind dies z. B. die Vermeidung der Verschlechterung der Vermögensposition der bestehenden Aktionäre durch die Ausgabe von Fremdkapital (MYERS) oder die Vermeidung der Verschlechterung der Vermögensposition der bestehenden Aktionäre durch die Herausgabe neuer Aktien (MYERS und MAJLUF).
In dieser Arbeit sollen jedoch nur solche Entscheidungen betrachtet werden, die sich nicht nur auf nicht bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter beziehen, sondern auch aktienkursmotiviert sind. Als aktienkursmotiviert soll eine Entscheidung verstanden sein, die das Ziel hat, bezogen auf einen kurzfristigen Zeithorizont, d. h. innerhalb einer Zeitspanne von maximal einem Jahr, den Preis der Aktie eines Unternehmens gegenüber einem Referenzzustand, in dem die Aktion nicht durchgeführt wird, zu erhöhen.
Zusammenfassend soll im Weiteren das Wort Managermyopie für aktienkursmotivierte Entscheidungen zu Underinvestment in nicht bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter verwendet und als eine bestimmte Verhaltensweise von Managern betrachtet werden. Vereinfachend zusammengefaßt ist der durch Managermyopie angestrebte Mechanis- mus der Folgende:
Manager eines Unternehmens führen vorteilhafte Investitionsprojekte nicht durch, dadurch steigt das aktuelle bilanzielle Ergebnis verglichen zu einem Zustand, in welchem sämtliche vorteilhaften Investitionsprojekte durchgeführt werden. Da die Kapitalmarktteilnehmer weniger Informationen als das Management besitzen, wird dieser Ergebnisanstieg von ihrer Seite zumindest teilweise erklärt mit einem Anstieg des bilanziellen Ergebnisses des Unternehmens, welches sich bei Durchführung sämtlicher vorteilhafter Investitionsprojekte ergeben würde53. Durch die hieraus resultierenden Aktionen der Kapitalmarktteilnehmer erhöht sich so der Aktienkurs auf Grund einer positiven Veränderung des bilanziellen Ergebnisses. Da Manager von einem hohen aktuellen Aktienkurs profitieren, wird durch diese Aktion ihr Nutzen erhöht.
Hervorzuheben ist an dieser Stelle, daß durch diese Nichtdurchführung vorteilhafter Investitionsprojekte der langfristige Wert des Unternehmens und die Vermögensposition der langfristigen Aktionäre gesenkt werden54.
2. AUSPRÄGUNGSFORMEN VON MANAGERMYOPIE
In der Literatur zum Thema Managermyopie existieren einige Studien, die sich mit der Frage nach Existenz von und Ursachen für Managermyopie auseinandersetzen, allerdings wird kaum auf die konkreten Ausprägungsformen eines solchen Verhaltens, wie beispielsweise die Unterlassung von Maßnahmen für Forschung und Entwicklung (im Folgenden: F&E) eingegangen. Im Folgenden soll eine Reihe dieser Ausprägungs- formen von Managermyopie dargestellt und hierfür in zwei Kategorien eingeteilt werden.
Durch Managermyopie wird das aktuelle bilanzielle Ergebnis gegenüber einem Referenzzustand verbessert. Wenn man dieses Ergebnis als die Differenz von Erträgen und Aufwendungen betrachtet, kann Managermyopie vereinfachend in Maßnahmen, die das bilanzielle Ergebnis einerseits durch Aufwandssenkungen und andererseits durch Ertragssteigerungen erhöhen, unterschieden werden. Diese Gruppen von Maßnahmen werden im Folgenden als Aufwendungsmyopie bzw. Ertragsmyopie bezeichnet.
2.1. AUFWENDUNGSMYOPIE
Bei den meisten der in der Literatur genannten und skizzierten Ausprägungsformen von Managermyopie handelt es sich um Aufwendungsmyopie. Aufwendungsmyopie sei im Folgenden definiert als Managermyopie, durch die die Aufwendungen in der Gewinnund Verlustrechnung (im Folgenden: GuV) des Unternehmens gegenüber einem Referenzzustand ohne Managermyopie gesenkt werden.
Diese unterlassenen Aufwendungen stellen ökonomisch betrachtet die Anfangsauszahlung von Investitionen dar, die „invisible“, d. h. bilanziell nicht aktivierbar sind. Im Folgenden werden verschiedene Arten von Aufwendungsmyopie - jeweils nach dem Objekt der Myopie klassifiziert - dargestellt. Hierbei soll jeweils unterstellt werden, daß es sich bei der konkreten Aufwendung (z. B. für Werbung) um eine Ausgabe im Rahmen eines vorteilhaften Investitionsprojekts handelt.
Da sich diese Arten von Aufwendungsmyopie in Beziehung zu Posten der GuV setzen lassen, orientieren sich die folgenden Begrifflichkeiten an den in der Rechnungslegung bestehenden Konventionen. Hierbei wird auf das für deutsche kapitalmarktnotierte Unternehmen verbindliche55 europäische Rechnungslegungssystem IAS/IFRS56 abgestellt und die bilanzielle Ansetzbarkeit der entsprechenden Posten nach IAS/IFRS skizziert. Eine große Bedeutung hat hier der IAS/IFRS Standard IAS 38, in dem die Behandlung immaterieller Vermögenswerte geregelt ist.
2.1.1. Forschung und Entwicklung
Die in der Literatur am häufigsten genannte Ausprägungsform von Managermyopie (und damit auch von Aufwendungsmyopie) ist die Unterlassung von Maßnahmen zur Forschung und Entwicklung.
IAS 38 definiert Forschung als „die eigenständige und planmäßige Suche mit der Aussicht, zu neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen zu gelangen“. Entwicklung wird durch IAS 38 definiert als „die Anwendung von Forschungsergebnissen oder anderem Wissen auf einen Plan oder Entwurf für die Produktion von neuen oder beträchtlich verbesserten Materialien, Vorrichtungen, Produkten, Verfahren, Systemen oder Dienstleistungen.“57
In der Literatur wird die Unterlassung von Maßnahmen zur F&E als häufigstes Beispiel für eine Ausprägungsform von Managermyopie aufgeführt. So beschreiben z. B. GRINYER et al. Ausgaben für F&E als Investition zur Schaffung zukünftiger Cash- Flows und Gewinne, deren Unterlassung vernünftigerweise als Managermyopie interpretiert werden könnte58. FROOT et al. skizzieren einen beispielhaften Fall, in dem eine Ausgabe für F&E das aktuelle bilanzielle Ergebnis eines Unternehmens senkt, gleichzeitig aber ein werthaltiges ökonomisches Investment repräsentiert59.
Die bilanzielle Behandlung von Ausgaben für F&E ist für deutsche kapitalmarktnotierte Unternehmen ebenfalls in IAS 38 geregelt60. Dort wird bestimmt, daß Ausgaben für Forschung in der Periode, in der sie anfallen, als Aufwand zu erfassen sind61. Ausgaben für Entwicklung können dagegen nach IAS 38 - unter allerdings sehr strengen Voraussetzungen - als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines immateriellen Vermögenswertes bilanziell angesetzt werden62.
Im Ergebnis kann konstatiert werden, daß unter dem für deutsche kapitalmarktorientier- te Unternehmen verbindlichen Rechnungslegungssystem IAS/IFRS Ausgaben für F&E in den meisten Fällen als Aufwendungen in der GuV verbucht werden müssen. Hieraus folgt, daß durch die Unterlassung von F&E und die daraus resultierende Vermeidung der hierdurch entstehenden Aufwendungen das bilanzielle Ergebnis erhöht werden kann.
Deutsche Unternehmen wenden erhebliche Mittel für F&E auf; laut Angabe des statistischen Bundesamtes betrugen die Ausgaben der Wirtschaft in Deutschland für F&E im Jahr 2009 45,3 Mrd. €63. Das Potential zur Erhöhung des bilanziellen Ergebnisses durch Managermyopie ist hier also in sehr großem Masse vorhanden.
2.1.2. Werbung
Eine weitere oft genannte Ausprägungsform von Aufwendungsmyopie ist die Unterlassung von Maßnahmen für Werbung.
Als Werbung wird im Folgenden der bewußte, gezielte und kostenverursachende Einsatz spezieller Werbemittel in unterschiedlichsten Werbeformen zur Beeinflussung von Austauschpartnern verstanden64. Dabei werden Maßnahmen für Werbung mit Werbekampagnen und Maßnahmen der Verkaufsförderung gleichgesetzt.
In der Literatur wird die Unterlassung solcher Maßnahmen häufig als Ausprägungsform von Managermyopie dargestellt. So stellt z. B. STEIN Ausgaben für Kundenbetreuung dar als ein Beispiel für nicht bilanzierungsfähige Investitionen, deren Unterlassung das operative Ergebnis eines Unternehmens entlastet, gleichzeitig aber langfristige Loyalitätsvorteile unrealisiert läßt65. AAKER führt in diesem Zusammenhang im Hinblick auf den Wert von Marken aus: „Es ist sicherlich eine starke Versuchung, den Markenwert durch Einschränkung von markenstärkenden Maßnahmen wie Werbung nur noch auszubeuten, zumal diese kurzfristig kaum etwas bewirken. Außerdem fällt eine Minderung des Markenwerts kaum ins Auge.“66
Die bilanzielle Behandlung von Ausgaben für diese Maßnahmen ist in IAS 3867 geregelt. Hiernach entstehen Ausgaben für Werbekampagnen und Maßnahmen der Verkaufsförderung, um für ein Unternehmen einen künftigen wirtschaftlichen Nutzen zu erzielen; durch sie wird kein ansetzbarer Vermögenswert erworben oder geschaffen. Grund für diese Regelung ist, daß mit diesen Ausgaben verbundene aktuelle und künftige Vorteile kaum quantifizierbar sind68. Sie sind daher nach IAS 38 in der Periode, in der sie anfallen, als Aufwand zu erfassen.
Im Ergebnis kann konstatiert werden, daß unter dem für deutsche kapitalmarktorientier- te Unternehmen verbindlichen Rechnungslegungssystem IAS/IFRS Ausgaben für Werbemaßnahmen stets als Aufwendungen in der GuV verbucht werden. Hieraus folgt, daß durch die Unterlassung von Werbemaßnahmen und die Vermeidung der hieraus resultierenden Aufwendungen das bilanzielle Ergebnis erhöht werden kann.
Die Ausgaben für Werbung69 in Deutschland betrugen im Jahr 2010 29,5 Mrd. €; dieser Betrag entsprach ca. 1,32% des Bruttoinlandproduktes. Auf Grund dieser Zahl kann das Potential der Erhöhung betrieblicher bilanzieller Ergebnisse durch die aufwendungs- myopische Unterlassung von Maßnahmen für Werbung als sehr hoch eingestuft werden.
Das Phänomen der Aufwendungsmyopie durch Unterlassung von Maßnahmen für Werbung wurde bis zum jetzigen Zeitpunkt (Stand Sommer 2011) lediglich in geringem Umfang empirisch betrachtet. Als Ausnahme ist der Beitrag von MIZIK und JACOBSON aus dem Jahr 2007 zu nennen70, die in einer breit angelegten Untersuchung von 2.238 Kapitalerhöhungen eine statistisch signifikante Senkung von Marketingausgaben in dem jeweiligen Jahr vor der Kapitalerhöhung feststellten. MIZIK und JACOBSON schlossen hiervon auf die Existenz von Aufwendungsmyopie und sprachen von „myopic marketing management“ als Ausprägungsform von Managermyopie. Darüber hinaus wurden die Auswirkungen von „myopic marketing management“ auf die langfristige Profitabilität der betroffenen Unternehmen durch MIZIK im Jahr 2010 in einem weiteren Beitrag untersucht71.
2.1.3. Personalentwicklung
Die Unterlassung von Maßnahmen für Personalentwicklung stellt eine weitere Ausprägungsform von Aufwendungsmyopie dar.
Als Personalentwicklung soll hierbei im Folgenden nach BECKER die Summe aller geplanten Maßnahmen der Bildung, der Förderung und der Organisationsentwicklung, die von einer Organisation oder Person zielorientiert geplant, realisiert und evaluiert werden, verstanden werden.72
In der Literatur wird die Unterlassung von Maßnahmen der Personalentwicklung des Öfteren als Ausprägungsform von Managermyopie genannt. So nennt z. B. PORTER Mitarbeiterschulung und -kenntnisentwicklung sowie Organisationsentwicklung als Bereiche, in denen seiner Ansicht nach viele amerikanische Unternehmen zu wenig investierten73.
Die bilanzielle Behandlung von Ausgaben für diese Maßnahmen ist ebenfalls in IAS 3874 geregelt. Hiernach entstehen Ausgaben für Aus- und Weiterbildungsaktivitäten sowie die Umorganisation von Unternehmensteilen oder des gesamten Unternehmens, um für ein Unternehmen einen künftigen wirtschaftlichen Nutzen zu erzielen. Durch sie wird kein ansetzbarer Vermögenswert erworben oder geschaffen. Diese Ausgaben sind nach IAS 38 in der Periode, in der sie anfallen, als Aufwand zu erfassen.
Unter dem für deutsche kapitalmarktorientierte Unternehmen verbindlichen Rech- nungslegungssystem IAS/IFRS werden Ausgaben für Maßnahmen für Personalentwick- lung daher stets als Aufwendungen in der GuV verbucht. Hieraus folgt, daß durch die Unterlassung solcher Maßnahmen verbunden mit der Vermeidung der hieraus resultierenden Aufwendungen das bilanzielle Ergebnis erhöht werden kann.
Deutsche Unternehmen wenden erhebliche Mittel für Personalentwicklung auf75 ; das Potential zur Erhöhung des bilanziellen Ergebnisses durch Managermyopie ist dadurch in diesem Bereich vorhanden.
2.1.4. Sonstige Ausprägungsformen von Aufwendungsmyopie
Aufwendungsmyopie kann in sämtlichen Bereichen auftreten, in denen bilanziell nicht aktivierbare Ausgaben ökonomisch eine Investition darstellen können. Die in den Abschnitten 2.1.1 bis 2.1.3. aufgeführten Bereiche stellen die in der Literatur am häufigsten genannten Ausprägungsformen von Aufwendungsmyopie dar; darüber hinaus existieren weitere Bereiche, in denen Aufwendungsmyopie auftreten kann.
An dieser Stelle sollen als Beispiele für solche Bereiche die Instandhaltung von Anlagen, die Einstellung neuer Mitarbeiter, die Pflege von Kundenbeziehungen, sonstige Marketingmaßnahmen wie Public Relations, die nicht dem Bereich der Werbung zuzuordnen sind, sowie rechtliche und wirtschaftliche Beratung genannt werden. Da sich die Bilanzen und Kostenstrukturen verschiedener Unternehmen, insbesondere in unterschiedlichen Industrien, deutlich unterscheiden, sind jedoch zahlreiche weitere Ausprägungsformen von Aufwendungsmyopie möglich.
2.2. ERTRAGSMYOPIE
Während in der Literatur Aufwendungsmyopie und Ausprägungsformen hiervon vergleichsweise oft und detailliert dargestellt wurden, wird die Möglichkeit, daß Unternehmen sich myopisch verhalten, während sie durch bestimmte Maßnahmen ihre Erträge erhöhen, vergleichsweise selten hervorgehoben. Im Folgenden soll diese Möglichkeit genauer betrachtet und sollen verschiedene mögliche Ausprägungsformen von Ertragsmyopie dargestellt werden.
Ertragsmyopie sei im Folgenden definiert als Managermyopie, durch die die Erträge in der GuV des Unternehmens gegenüber einem Referenzzustand ohne Managermyopie erhöht werden. Diese Ertragserhöhung kann auch als die Unterlassung des Verzichts auf Erträge angesehen werden. Diese unterlassenen Ertragsverzichte stellen ökonomisch betrachtet die Anfangsauszahlungen von Investitionen, die „invisible“, d. h. nicht aktivierbar sind, dar.
2.2.1. Preiserhöhungen
Unternehmen haben Entscheidungen über die Höhe der Preise ihrer Produkte zu treffen. Eine solche Entscheidung wirkt sich meist auf die Absatzmenge des betreffenden Produktes und dadurch auch die Erträge und das bilanzielle Ergebnis des betreffenden Unternehmens in der Periode der Entscheidung aus76.
In vielen Fällen ergeben sich auch Auswirkungen auf Absatzmengen, Erträge und bilanzielle Ergebnisse der nachfolgenden Perioden. So existieren in vielen Konstellatio- nen auf Seiten der Kunden Anbieterwechselkosten, welche diese von einem Wechsel des Lieferanten abhalten77. Beispielhaft sind hierfür zu nennen Lernkosten, z. B. Kosten des Erlernens der Bedienung eines Computerprogramms, Transaktionskosten, wie z. B. durch administrativen Aufwand entstehende Kosten des Wechsels der Bankkontover- bindung und künstliche oder vertragliche Kosten, wie z. B. Kosten des Wechsel des Vielfliegerprogrammes oder der vorzeitigen Kündigung eines Lebensversicherungsver- trages. Als weitere Anbieterwechselkosten kommen durch technische Begebenheiten wie die Nichtkompatibilität von langlebigen Ausrüstungsgütern und Zubehör verschiedener Hersteller entstehende Kosten78 in Frage.
In solchen Fällen der Existenz von Anbieterwechselkosten auf Kundenseite können Firmen durch einen Verzicht auf Preiserhöhungen und dadurch zeitlich naheliegende Erträge langfristig ihren Marktanteil und damit die Erträge und bilanziellen Ergebnisse zeitlich entfernter liegender Perioden erhöhen79. Eine solche Penetrationsstrategie kann als Investitionsprojekt betrachtet werden80. Der Nettokapitalwert eines solchen Investitionsprojekts kann abhängig von den konkreten Zahlen des Einzelfalls positiv sein. Durch eine Nichtdurchführung dieser Projekte kann daher das aktuelle bilanzielle Ergebnis erhöht werden, so daß eine Preiserhöhung bzw. eine unterlassene Preissen- kung in diesen Fällen eine Ausprägungsform von Ertragsmyopie darstellt.
2.2.2. Preissenkungen
Die Möglichkeit der Auswirkung von Preisentscheidungen auf Absatzmengen, Erträge und bilanzielle Ergebnisse der nachfolgenden Perioden besteht auch in einer zweiten Konstellation.
So skizziert STEIN81 ein Szenario, in dem ein monopolistischer Hersteller eines haltbaren Gutes sich mit einem temporären Rückgang der Nachfrage nach seinem Produkt konfrontiert sieht. Eine lediglich geringe Absenkung des Preises stellt dann in vielen Fällen ein Investitionsprojekt mit positivem Nettokapitalwert dar82. Eine starke Preissenkung erhöht hier über die relative Steigerung der Absatzmenge in vielen Situationen die aktuellen Erträge und das aktuelle bilanzielle Ergebnis, stellt aber gleichzeitig in dieser Konstellation oft eine Ausprägungsform von Ertragsmyopie dar83.
AAKER stellt ein Szenario der Ertragsmyopie durch Preissenkungen und deren langfristig negative Konsequenzen im Hinblick auf Sonderverkaufsaktionen für Nichtmonopolisten wie folgt dar: “Während der letzten zwei Jahrzehnte haben die Sonderverkaufsaktionen drastisch zugenommen … Im Gegensatz zur Markenentwick- lung lassen sich solche Aktionen mühelos kopieren. Ja, die Konkurrenz muß sogar zurückschlagen, wenn sie nicht unerträgliche Verluste hinnehmen will. Ist ein solcher Preisverfallszyklus erst einmal angelaufen, dann läßt sich nur schwer ein Ausweg finden… Die unvermeidliche Folge ist die immer weiter wachsende Bedeutung des Preises… Im Extremfall ähnelt die Produktklasse immer mehr einer Dutzendware, für die Markenassoziationen nicht mehr zählen.“84
Die Möglichkeit von Ertragsmyopie durch temporäre Preissenkungen („sales promotions“) wurde in weiteren Beiträgen der angloamerikanischen MarketingLiteratur intensiv diskutiert und analysiert. So wurde der unmittelbar positive Zusammenhang zwischen temporären Preissenkungen und kurzfristigen Umsätzen umfangreich empirisch dokumentiert85. Gleichzeitig stellten mehrere Autoren basierend auf empirischen Untersuchungen die Frage nach der langfristigen ökonomischen Vorteilhaftigkeit solcher Preissenkungen.
Hierbei kamen PAUWELS et al. bei einer Untersuchung der temporären Preissenkun- gen 1.100 kalifornischer Vertragshändler der US-amerikanischen Automobilindustrie zu dem Schluß, daß durch diese Preissenkungen zwar die Umsätze der betreffenden Herstellerunternehmen sowohl kurz- als auch langfristig gesteigert werden konnten, gleichzeitig aber sowohl deren bilanziellen Ergebnisse als auch deren Börsenbewertun- gen langfristig negativ beeinflußt wurden86. In einer ähnlichen Studie analysierten ABRAHAM und LODISH die marginale Produktivität von temporären Preissenkungen im Einzelhandel an Hand der individuellen Kaufdaten von 3.000 US-amerikanischen Haushalten und konkludierten, daß lediglich 16% der durchgeführten temporären Preissenkungen langfristig profitabel waren87. CHAPMAN und STEENBURGH verglichen die von US-amerikanischen Suppenherstellern veranschlagten Preise innerhalb von Berichtsperioden des Rechnungswesens und ermittelten eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von temporären Preissenkungen gegen Ende dieser Perioden, d. h. der Berichtsquartale. Die Autoren schlossen hieraus auf die Existenz von Ertragsmyopie in den untersuchten Unternehmen88.
Die Aussage, daß der langfristige Einfluß von Preissenkungen auf bilanzielle Ergebnisse in vielen Fällen negativ sein kann, wurde durch mehrere weitere Autoren getroffen. Zu nennen sind hierbei die Untersuchungen von NIJS et al.89, DEKIMPE et al.90 und KOPALLE et al.91
Auch in der deutschen Marketing-Literatur wurde das Problem der Ertragsmyopie durch Preissenkungen analysiert. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das Phänomen der Markenerosion92, welches KLANTE als eine „durch Stimuli ausgelöste langsame Destruktion des in der Psyche des Konsumenten und sonstiger Bezugsgruppen der Marke verankerten, unverwechselbaren Vorstellungsbildes von einem Produkt oder einer Dienstleistung“ definiert93.
KIRCHGEORG und KLANTE94 skizzieren hierzu ein Szenario, in dem die Handels- preise eines Markenartikels kurzfristig durch Preisaktionen reduziert werden. Hersteller und Handel erhoffen sich aus dieser Maßnahme kurzfristige Ertragssteigerungen. Diese resultieren aus einem sogenannten Preis-Absatzeffekt, welcher durch einen Marken- wechsel oder eine Kaufakzeleration des Konsumenten entstehen kann. Mittel- bis langfristig senken hierbei häufige Preissenkungen durch Preisaktionen jedoch oft die Markentreue der Konsumenten und tragen zu einer Schwächung der psychographischen Markenposition und im Ergebnis zu der Erosion der Marke bei95. Eine von KIRCHGEORG/KLANTE durchgeführte Umfrage unter Agenturexperten bestätigt die praktische Relevanz des Problems der Markenerosion durch häufige Preisaktionen96.
Diese Markenerosion führt langfristig zu einer Verschlechterung der Ertrags- und Ergebnislage des herstellenden Unternehmens. Häufige Preisaktionen durch Preissenkungen stellen dann eine Ausprägungsform von Ertragsmyopie dar.
2.2.3. Markenerweiterungen
Das Phänomen der Markenerosion ist auch in Bezug auf andere Ausprägungsformen von Ertragsmyopie relevant. Hierbei sind zunächst Markenerweiterungen als Ausprägungsform von Ertragsmyopie zu nennen.
Unternehmen haben in manchen Situationen die Möglichkeit, ihre bestehenden Marken auf neue Produkte auszuweiten97. Eine solche Strategie der Markenausweitung erhöht oft über den Absatz neuer Produkte aktuelle bzw. zeitlich naheliegende Erträge und bilanzielle Ergebnisse. Sie wird insbesondere angesichts der sehr hohen Kosten der Einführung neuer Marken in vielen Konsumgütermärkten als attraktiv angesehen98.
Eine Markenausweitung birgt jedoch auch Risiken in sich. Ein wirtschaftlicher Mißerfolg des neuen Produktes auf Grund ungenügender Absatzzahlen und Erträge steht hierbei meist im Hintergrund99. Die größte wirtschaftliche Gefahr liegt darin begründet, daß in vielen Konstellationen durch eine Markenausweitung die ausgeweite- te Marke und das Ertragspotential des ursprünglichen Produktes beschädigt werden können. AAKER führt in einem wegweisenden Beitrag zum Thema Markenausweitung diese Gefahr auf verschiedene mögliche Ursachen zurück. Es sind dies die Schaffung neuer unerwünschter und negativer Assoziationen auf Seiten der Kunden, die Abschwächung bestehender Assoziationen, die Beschädigung eines Qualitätsbildes, die erhöhte Exposition gegenüber außergewöhnlichen negativen Ereignissen wie z. B. einem negativen Pressebericht sowie die Kannibalisierung des bestehenden Produktes.
Zur Beantwortung der Frage, ob eine Markenausweitung wirtschaftlich langfristig vorteilhaft oder schädlich ist, sind die Kategorien100 der ursprünglichen und der neuen Produkte zu betrachten und zu vergleichen. Die Gefahr einer schädlichen Markenausweitung und damit der Ertragsmyopie ist insbesondere dann gegeben, wenn die Kategorien der Produkte eine geringe Ähnlichkeit untereinander und damit die Produkte einen geringen Verwandtheitsgrad aufweisen101.
Als Fallbeispiel für Ertragsmyopie durch Markenerweiterung kann die Geschichte des Unternehmens Pierre Cardin, welches im Jahr 1950 als Hersteller von Haute-Couture- Mode gegründet wurde, in den 1970er und 1980er Jahren angeführt werden. Diese wird in einem Beitrag von REDDY und TERBLANCHE skizziert102: „The brand’s early extensions into perfumes and cosmetics in the 1960s succeeded so well that the company began to sell licenses indiscriminately. By 1988, it had granted more than 800 licenses in 94 countries, generating a $1 billion annual revenue stream - and profits plummeted. It wasn’t until the Pierre Cardin name started appearing on wildly nonadjacent products such as baseball caps and cigarettes that margins collapsed. Initially, the brand extensions into the perfumes and cosmetics categories were successful because the premium degree of the Pierre Cardin brand transferred undiminished into the new, adjacent categories. The owners of Pierre Cardin, unfortunately, attributed this to the strength of the brand rather than to the brand’s fit with the new product categories. “
2.2.4. Nutzung neuer Distributionskanäle
Auch im Zusammenhang mit der Distributionspolitik von Unternehmen besteht die Möglichkeit des Entstehens von Managermyopie. Hierbei ist die insbesondere die Nutzung neuer Distributionskanäle als Ausprägungsform von Ertragsmyopie zu nennen.
Unternehmen arbeiten selten allein, um Wert für ihre Kunden zu schaffen; sie sind in den meisten Fällen statt dessen lediglich ein Bindeglied in einer großen Versorgungs- kette und nutzen oft Vertriebs- oder Distributionskanäle, um ihre Produkte an den Endverbraucher zu vertreiben103. KOTLER et al. definieren einen Distributionskanal als die Gesamtheit der Organisationen, die ein Produkt von der Abgabe aus dem Produktionsprozeß bis hin zum Kunden durchläuft104.
Distributionskanäle können nach verschiedenen Dimensionen gegliedert werden. Üblich ist eine Unterteilung in direkte oder indirekte sowie ein- oder mehrstufige Distributi- onskanäle105. Viele Unternehmen bedienen sich einer Vielzahl von Distributionskanä- len, um der Vielfalt der heutigen Marktsegmente und Distributionskanalvarianten zu entsprechen. In diesem Zusammenhang wird von Multikanal-Marketing-Systemen gesprochen106.
In gewissen Situationen besteht für Unternehmen die Möglichkeit, durch die Nutzung neuer Distributionskanäle bzw. die Erweiterung eines bestehenden Multikanal- Marketing-Systems Absatz und Umsatz ihrer Produkte sowie dadurch aktuelle bzw. zeitliche naheliegende Erträge und bilanzielle Ergebnisse zu erhöhen. Mit jedem neuen Distributionskanal steigen die Aussichten, Absatz und Marktabdeckung zu vergrößern.
Eine solche Strategie birgt jedoch gewisse Risiken in sich. So können durch die Erweiterung eines bestehenden Multikanal-Marketing-Systems die Möglichkeiten zur Steuerung und Überwachung desselben sinken. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit von Konflikten mit den bestehenden Vertriebspartnern, wenn mehrere Kanäle um die gleichen Interessenten konkurrieren. Insbesondere kann es auch zur Markenerosion107 kommen, wenn das Renommee der neuen Vertriebskanäle beim Verbraucher das Renommee der bestehenden Vertriebskanäle unterschreitet108. Als Beispiel sei hier der Vertrieb über Discountmärkte oder Factory Outlet Center109 genannt. Dieser kann der Marke ihre Exklusivität nehmen, ihren Prestigewert schädigen und die Bereitschaft der Kunden, die Produkte zu regulären Einzelhandelspreisen zu erwerben, beeinträchtigen.
Dieser Zusammenhang wurde während eines für die Pretests dieser Studie110 durchgeführten Interviews durch den Finanzvorstand eines großen Sportartikelherstel- lers bestätigt. Dieser Interviewee betonte, daß sein Unternehmen die Möglichkeit habe, durch den Vertrieb über Kanäle mit geringem Prestigewert wie beispielsweise Selbstbedienungs-Warenhäuser die kurzfristige Umsatz- und Gewinnsituation zu verbessern. Gleichzeitig wies er auf das Risiko der Markenerosion und damit der langfristigen Verschlechterung der Ertragskraft des Unternehmens bei Durchführung dieser Strategie hin.
Als weiteres Fallbeispiel der negativen Konsequenzen der Nutzung neuer Vertriebska- näle kann eine Episode aus der Geschichte des Unternehmens IBM angeführt werden, welche von KOTLER et al. in groben Zügen wiedergegeben wird111. IBM entschied sich in einer Situation, in welcher ein Großteil seiner PCs indirekt vertrieben wurde, über die US-Website des Unternehmens PCs günstiger als im Handel anzubieten. Als Resultat beschwerten sich viele Händler über diesen „unfairen Wettbewerb“. Über ihre Verbände ließ die Händlerschaft mitteilen, daß dies das Ende des Vertriebs von IBM- Computern über den Handel bedeuten könnte. Gleichzeitig fühlten sich viele Aussendienstmitarbeiter aufgrund der neuen „internen Kanäle“ übergangen. Auf Grund dieser Beschwerden kann eine Verminderung der Profitabilität dieser etablierten Vertriebskanäle vermutet werden.
III. LITERATURÜBERBLICK
Im folgenden Abschnitt soll ein Überblick über den Stand der Forschung bezüglich der Fragen nach der Existenz von und den Gründen für Managermyopie gegeben werden. Hierbei wird zunächst der Ansatz, unterstellte Störungen im Investitionsverhalten von Unternehmen durch Managermyopie zu erklären, innerhalb der Literatur zu Fragestel- lungen der betrieblichen Investition und Finanzierung (im Folgenden als Corporate- Finance-Literatur bezeichnet) sowie des externen Rechnungswesens (im Folgenden als Accounting-Literatur bezeichnet) eingeordnet. In einem dritten und vierten Schritt werden dann Einzelfallberichte sowie die in der Entwicklung des Themas wesentlichen theoretischen Arbeiten vorgestellt. In einem fünften Schritt werden daraufhin empirische Untersuchungen, welche oft die Schlußfolgerungen von Einzelfallberichten und theoretischen Arbeiten überprüfen, beschrieben. Abschließend wird eine zusammenfassende Würdigung des vorhandenen Materials vorgenommen.
1. EINORDNUNG DER MANAGERMYOPIE-LITERATUR INNERHALB DER CORPORATE-FINANCE-LITERATUR
Sämtliche in den folgenden Abschnitten beschriebenen Arbeiten beschäftigen sich theoretisch oder empirisch mit der Frage nach der Existenz von und den Gründen für Managermyopie. Diese Arbeiten - im Folgenden als Managermyopie-Literatur bezeichnet - sind im weitesten Sinne der Corporate-Finance-Literatur zuzurechnen.
Im Folgenden soll die Managermyopie-Literatur innerhalb der Corporate-Finance- Literatur eingeordnet werden, wobei zu beachten ist, daß eine solche Einordnung auf Grund der Heterogenität des vorhandenen Materials nicht mit absoluter Genauigkeit erfolgen kann. Bei der Einordnung wird weitestgehend einer von STEIN112 in einem sehr hilfreichen Beitrag entwickelten Strukturierung der Corporate-Finance-Literatur gefolgt.
Eine fundamentale Frage der Corporate-Finance-Literatur ist diejenige, in wie weit die Effizienz betrieblicher Investitionen durch eine Divergenz der Ziele zwischen Managern und Anteilseignern - in der englischsprachigen Literatur als „agency problems“113 bezeichnet - sowie asymmetrische Informationsverteilung114 beeinflußt wird115. Die Literatur zu dieser Frage wird im Folgenden als Investment-Literatur bezeichnet. STEIN ordnet die Managermyopie-Literatur der Investment-Literatur zu. Dieses Vorgehen wird auch im Folgenden gewählt. Zur Erläuterung der weiteren Ausführun- gen wird die von STEIN116 vorgenommene Strukturierung der Investment-Literatur vorab in Abbildung 1 skizziert:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Strukturierung der Investment-Literatur nach STEIN
Ausgangspunkt der Investment-Literatur stellt das Paradigma von MODGLIANI und MILLER117 aus dem Jahr 1958 dar, wonach das Investitionsprogramm eines Unternehmens ausschließlich von der Profitabilität der verfügbaren Investitionsprojekte, nicht jedoch von dem Grad der Fremdfinanzierung, der Verfügbarkeit flüssiger Mittel, der aktuellen Lage auf den Finanzmärkten oder anderen Faktoren bestimmt werden sollte. Die Hypothese, daß sich Unternehmen wie von MODGLIANI und MILLER postuliert verhalten, wurde jedoch in der Folgezeit durch zahlreiche empirische Studien widerlegt118. Hieraus leiteten sich umfangreiche Forschungsbemühungen nach den Gründen für ein mutmaßlich suboptimales betriebliches Investitionsverhalten ab. Zieldivergenzen und Informationsasymmetrien zwischen Kapitalgebern und Managern stellen einige der hierfür in Frage kommenden Gründe dar119.
Die Investment-Literatur bearbeitet die Frage nach der Optimalität von betrieblichem Investitionsverhalten aus einer Vielzahl von Blickwinkeln, welche im Folgenden skizziert werden. Der Ansatz, potentielles Underinvestment durch Managermyopie zu erklären, stellt einen dieser Blickwinkel dar.
Prinzipiell kann die Investment-Literatur in zwei große Blöcke geteilt werden. Der erste Block befaßt sich mit der Unterfrage, ob der externe Kapitalmarkt jedem Unternehmen die optimale Menge an Kapital zuweist, so daß die marginale Investmentrendite in allen Firmen identisch ist, d. h. der Frage nach der Effizienz externer Kapitalmärkte. Der zweite Block befaßt sich dagegen mit der Unterfrage, in wie weit interne Kapitalmärkte jedem Investitionsprojekt die optimale Menge an Kapital zuweisen, so daß die marginale Investmentrendite in allen Investitionsprojekten identisch ist, d. h. der Frage nach der Effizienz interner Kapitalmärkte120. Da sich die Managermyopie-Literatur auf aktienkursmotivierte Entscheidungen von Managern und damit auf deren Verhältnis zu Aktionären bezieht, ist sie dem ersten Block zuzuordnen.
Dieser Block der Corporate-Finance Literatur kann nach STEIN wiederum in drei verschiedene Kategorien eingeteilt werden.
Die erste, von STEIN als „costly external finance“ bezeichnete Kategorie befaßt sich mit Reibungsverlusten bei der Beschaffung von externem Kapital. In den in dieser Kategorie erstellten theoretischen Arbeiten resultiert stets ein Zustand des Underinvestments121 ; eine Abweichung des prognostizierten von dem optimalen betrieblichen Investitionsverhalten resultiert aus einer asymmetrischen Informationsver- teilung zwischen neuen Kapitalgebern und Managern, welche die Interessen der bestehenden Kapitalgeber vertreten. Die Arbeiten lassen sich in solche mit Fokus auf Kosten von Aussenfinanzierung durch Eigen- bzw. Fremdkapital122 unterteilen.
Die zweite, von STEIN als „the agency conflict between managers and outside shareholders“ bezeichnete Kategorie untersucht den Einfluß von Zieldivergenzen zwischen bestehenden Anteilseignern und Managern123 auf betriebliches Investitions- verhalten. Wie bei den Arbeiten der ersten Kategorie werden hier oft Informations- asymmetrien zwischen Kapitalgebern und Managern unterstellt. Diesen Arbeiten liegt jedoch zusätzlich die Annahme zu Grunde, daß die Manager von börsennotierten Unternehmen ihre eigenen Ziele verfolgen, welche nicht notwendigerweise mit denen der Anteilseigner übereinstimmen müssen. Hieraus resultierende Konflikte können sich auf verschiedene Art und Weise manifestieren124, an dieser Stelle werden jedoch nur Situationen betrachtet, in denen das betriebliche Investitionsverhalten beeinflußt wird.
Die dritte Kategorie wird von STEIN als „investment decisions when stock prices deviate from fundamentals“ bezeichnet. Sie analysiert den Einfluß ineffizienter Kapitalmärkte125 auf betriebliches Investitionsverhalten126 sowie die Veränderung der in den beiden ersten Kategorien diskutierten Einflüsse auf betriebliches Investitionsverhalten127, wenn die Annahme informationseffizienter Finanzmärkte aufgelöst wird.
Bei der Einordnung der Managermyopie-Literatur innerhalb dieser Kategorien stellt sich die Schwierigkeit, daß sich diese teilweise überschneiden. Sie sind daher eher als Themenschwerpunkte, denen bestimmte theoretische Arbeiten zugeordnet werden, denn als trennscharf untereinander abgrenzbare, mutual exklusive Bereiche zu verstehen. Gleichzeitig existieren theoretische Arbeiten, die nicht eindeutig einer Kategorie zugeordnet werden können, wodurch das Einordnungsproblem noch weiterhin verstärkt wird.
Soll eine Einordnung dennoch erfolgen, so ist zu beachten, daß ein Großteil der Managermyopie-Literatur die Existenz von sowohl asymmetrischer Information als auch Zieldivergenzen zwischen bestehenden Anteilseignern und dem Management voraussetzt. In Anbetracht dieser Tatsache können diese Arbeiten am ehesten in die zweite Kategorie eingeordnet werden. Dieser Ansatz wird auch von STEIN gewählt128. Es existieren allerdings auch Arbeiten der Managermyopie-Literatur, die in die erste129, sowohl die erste als auch die zweite130, oder auch die dritte131 Kategorie einzuordnen sind.
Diese zweite, von STEIN132 als „agency conflict between managers and shareholders“ bezeichnete Kategorie läßt sich des Weiteren nach STEIN in vier verschiedene Unterkategorien unterteilen.
Die Arbeiten der ersten, von STEIN als „empire-building“ bezeichneten Unterkategorie unterstellen eine Abhängigkeit des Nutzens des Managements von der absoluten Höhe133 bzw. dem Diversifikationsgrad134 betrieblicher Investitionen oder von der absoluten Höhe solcher betrieblicher Investitionen, welche das spezifische Humankapital des Managements benötigen135.
Die Arbeiten der zweiten, von STEIN als „reputational and career concerns“ bezeichneten Unterkategorie unterstellen ein Interesse von Managern an ihrer Reputation und ihrem Wert auf dem Arbeitsmarkt und untersuchen sich hieraus ergebende Auswirkungen auf betriebliche Investitionen136.
Die Arbeiten der dritten, von STEIN als „quiet life“ bezeichneten Unterkategorie unterstellen Managern Trägheit in der Entscheidungsfindung, was sich nach BETRAND und MULLAINATHAN sowohl in Zuständen des Over- als auch des Underinvestment manifestieren kann137.
Die Arbeiten der vierten, von STEIN als „overconfidence“ bezeichneten Unterkategorie gehen davon aus, daß Manager übertrieben optimistisch bezüglich der Rendite der von ihnen kontrollierten Vermögensgegenstände sind138. Die Modelle dieser Unterkategorie basieren auf psychologischen Arbeiten139 und konkludieren stets in einem Zustand der Überinvestition.
Da dies auch für die Modelle der ersten Unterkategorie „empire-building“ gilt und die in den Modellen der dritten Unterkategorie getroffenen Investitionsentscheidungen nicht aktienkursmotiviert sind, ist ausgehend von der getroffenen Definition140 die Managermyopie-Literatur der zweiten Unterkategorie zuzuordnen. Dies entspricht der von STEIN vorgenommenen Einordnung. STEIN ordnet der Unterkategorie „reputational and career concerns“ neben dem Bereich Managermyopie auch den Bereich „herding“ und einen Restbereich mit sonstigen Arbeiten zu141.
In den dem Bereich „herding“ zugeordneten theoretischen Arbeiten142 imitieren im Gleichgewicht Manager wider besseres Wissen die Investitionsentscheidungen ihrer Konkurrenten und maximieren durch dieses suboptimale Verhalten ihre erwartete Reputation.
Auch in den dem Restbereich zugeordneten sonstigen Arbeiten weichen Manager im Gleichgewicht von dem optimalen Investitionsprogramm ab, um ihren von ihrer Reputation abhängigen Erwartungsnutzen zu maximieren. So unterlassen in manchen dieser Arbeiten Manager wegen sich aus Risikoaversion ergebender Aversion gegen Beurteilungen die Durchführung neuer Projekte143, präferieren aus Reputationsgründen sichere gegenüber riskanten Projekten144 oder unterlassen die Liquidation erfolgloser Investitionsprojekte, um eine schlechte Einschätzung ihrer Leistung zu vermeiden145.
Abschließend kann in Anlehnung an die dargestellte, von STEIN vorgenommene Strukturierung eines Teilbereiches der Corporate-Finance-Literatur festgestellt werden, daß die Managermyopie-Literatur der Investment-Literatur und dort dem Block der Unterfrage nach der Effizienz externer Kapitalmärkte zuzuordnen ist. Innerhalb dieses Blockes ist eine eindeutige Einordnung in eine Kategorie nicht möglich. Da sich jedoch ein Großteil der Managermyopie-Literatur mit Zieldivergenzen zwischen Managern und Anteilseignern befaßt, ist sie schwerpunktmäßig dieser Kategorie und innerhalb dieser der Unterkategorie der Reputations- und Karriereüberlegungen zuzuordnen.
[...]
1 Vgl. REID (2004), S. 18.
2 Wirtschaftsgeschichtliche Autoren sprechen heute von den „desaströsen Verhältnissen der 1970er Jahre“. Vgl. hierzu und im Folgenden GALAMBOS (2000), S. 958 ff.
3 Vgl. z.B. GREENHOUSE (1986), S. 1 oder o. V. (1984), S. 86.
4 Bei näherer Betrachtung der Entwicklung dieser akademischen und öffentlichen Diskussion fällt auf, daß sie in wirtschaftlich instabilen Zeiten zu- und in Phasen des Aufschwungs abnimmt. Vgl. WAHAL/MCCONNELL (2000), S. 308.
5 Diese Bezeichnung basiert auf dem deutschen Wort „Myopie“, welches aus dem Griechischen stammt und als Synonym für „Kurzsichtigkeit“ verwendet wird. Zu einer umfassenderen Definition von „Managermyopie“ vgl. Kapitel II.2.1.
6 Vgl. HAYES/ABERNATHY (1980), S. 67.
7 Vgl. DRUCKER (1986), S. 32.
8 Vgl. STEIN (1989), S. 655.
9 Vgl. insbesondere JACOBS (1991), PORTER (1992a) und PORTER (1992b).
10 Vgl. FT INNOVATION AND SHORT-TERMISM CONFERENCE (1990), S. 1.
11 Vgl. ebenda, S. 2.
12 Vgl. z. B. FROOT et al. (1990), S. 22, oder PORTER (1992a), S. 67.
13 Vgl. KALLFASS (1988), S. 791.
14 Diese Veränderung wurde von einigen Autoren bereits Jahre zuvor vorausgesehen. Vgl. hierzu FROOT et al. (1990), S. 38.
15 Vgl. z. B. o. V. (1999), S. 26, MAJOR (2001) oder BUSSE (2005), S. 23.
16 Stand Juli 2011, vgl. DEUTSCHE BÖRSE (Hrsg.) (2011).
17 Vgl. DECKSTEIN (2004), S. 34.
18 Vgl. PORSCHE AG (2001). Zu einer Zusammenfassung des Streits vgl. o. V. (2004), S. 21.
19 Zu einer detaillierten Analyse dieses Zusammenhanges vgl. Kapitel II.1.
20 Vgl. zu einer Diskussion dieses Zusammenhanges v. a. PORTER (1992a).
21 Diese seien definiert als alle internen und externen Personengruppen, die von den unternehmerischen Tätigkeiten betroffen sind. Vgl. hierzu GABLER (2004), S. 132.
22 Vgl. KIM/SOHN (2009).
23 Vgl. z. B. NARAYANAN (1985b), JENSEN (1986a), STEIN (1989), SHLEIFER/VISHNY (1990) oder NOE/REBELLO (1997).
24 Vgl. z. B. MEULBROEK et al. (1990), BUSHEE (1998), GRAHAM et al. (2005) oder BHOJRAJ/LIBBY (2005).
25 Vgl. z. B. DEMIRAG (1995b) oder GRINYER et al. (1998).
26 Vgl. z. B. PFAFF/BÄRTL (1998).
27 Zu nennen ist an dieser Stelle allerdings die Untersuchung von ERNSTBERGER et al. (2011), in welcher Managermyopie von Unternehmen aus verschiedenen Ländern der europäischen Union vor dem Hintergrund der unterschiedlichen vorgeschriebenen Mindestberichtfrequenzen verglichen wurde.
28 Vgl. zu dieser Vorgehensweise BORTZ/DÖRING (2006), S. 63, die konstatieren, daß eine Begriffsdefinition bereits vorliegende wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit dem Begriff zu berücksichtigen hat.
29 Vgl. STEIN (1988) und STEIN (1989).
30 Vgl. LARWOOD/WHITTAKER (1977). Zuvor hatte bereits LEVITT 1960 das Wort Myopia in einem wirtschaftlichen Kontext verwendet, als er amerikanischen CEOs „marketing myopia“ und damit die ungenügende Ausrichtung ihrer Unternehmen an den Bedürfnissen ihrer Kunden unterstell- te. Vgl. hierzu LEVITT (1960).
31 Vgl. RUTHERFORD (1992), S. 419.
32 Vgl. z. B. GRINYER et al. (1998) oder Vgl. DEMIRAG (1995b).
33 Eine Ausnahme bildet LAVERTY, vgl. hierzu LAVERTY LAVERTY (2004).
34 Vgl. NARAYANAN (1985b), S. 1469.
35 Vgl. SHLEIFER/VISHNY (1990).
36 Vgl. PORTER (1992a). (1993), LAVERTY (1996) und
37 Vgl. JACOBS (1991).
38 Vgl. NOE/REBELLO (1997), S. 385.
39 Vgl. BUSHEE (1998), S. 306.
40 Vgl. SAMUEL (2000), S. 494.
41 Vgl. LAVERTY (1996); S. 826. MARGINSON und MCAULAY sprechen in Anlehnung an LAVERTY von “short-termism” als “preference for actions in the near term that have detrimental consequences for the long term”. Vgl. MARGINSON/MCAULAY (2008), S. 274.
42 Vgl. DEMIRAG (1995b), S. 180.
43 Vgl. FROOT et al. (1990), S. 18.
44 Vgl. ITAMI/ROEHL (1987).
45 Vgl. Hierzu und im Folgenden COENENBERG (2000), S. 95 ff.
46 Vgl. HGB (2007), § 246 Abs. 1.
47 Vgl. EUROPÄISCHE KOMMISSION (Hrsg.) (2003), wo unter Nr. 38 ausgeführt wird: „Damit die im Abschluß enthaltenen Informationen verläßlich sind, müssen sie in den Grenzen von Wesentlich- keit und Kosten vollständig sein.“
48 Analog hierzu soll das englische Wort „overinvestment“ für „Überinvestition“ verwendet werden.
49 Vgl. MYERS (1977).
50 Vgl. MYERS/MAJLUF (1984).
51 Vgl. STULZ (1990), S. 3.
52 Vgl. zu einem solchen Fall STULZ (1990), in dessen Modell Underinvestment aus einer Zwangslage heraus entsteht: In einer Situation, in der der Finanzierungsbedarf in wirtschaftlich sinnvolle Investitionsprojekte die zur Verfügung stehenden Mittel aus Innenfinanzierung übersteigt, ist es dem Management nicht möglich, die benötigten Gelder durch Aussenfinanzierung aufzubringen. Der Grund hierfür ist eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen Management und Kapitalge- bern.
53 STEIN spricht in diesem Zusammenhang von „natural earnings“. Vgl. STEIN (1989), S. 656.
54 Vgl. RAPPAPORT (2005), S. 69.
55 Vgl. EU-Verordnung (2002), nach der kapitalmarktorientierte Unternehmen innerhalb der europäischen Union ihren Konzernabschluß seit dem Jahr 2005 zwingend nach IAS/IFRS vorzulegen haben.
56 Die ehemaligen „International Accounting Standards“ (IAS) wurden am 01.04.2001 mit Blick auf künftige internationale Rechnungslegungsstandards in „International Financial Reporting Standards“ (IFRS) umbenannt. Vgl. EU-Verordnung (2002), L 243/2. Im Folgenden wird das ehemals „IAS“ und nunmehr „IFRS“ genannte Rechnungslegungssystem als „IAS/IFRS“ bezeichnet.
57 Vgl. IAS 38 (2004), L 392/123 f.
58 Vgl. GRINYER et al. (1998), S. 14.
59 Vgl. FROOT et al. (1990), S. 17.
60 Zu einem ausführlichen Fallbeispiel zu dieser Behandlung vgl. FISCHER/NEUBECK (2005), S. 217 ff.
61 Vgl. hierzu und im Folgenden IAS 38 (2004), L 392/132.
62 Es ist dies der Nachweis der technischen Realisierbarkeit und der Absicht der Fertigstellung, der Absicht und Fähigkeit der Nutzung oder des Verkaufs, der voraussichtlichen künftigen wirtschaftli- chen Nutzung, der Fähigkeit der verläßlichen Bewertung des immateriellen Vermögenswertes sowie der Verfügbarkeit der zum Abschluß der Entwicklung benötigten Ressourcen durch das bilanzierende Unternehmen.
63 Stand Sommer 2011. Vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT (2011).
64 Vgl. DILLER (2001), S. 1891.
65 Vgl. STEIN (1989), S. 657 f.
66 Vgl. AAKER (1992), S. 25.
67 Vgl. hierzu und im Folgenden IAS 38 (2004), L 392/132.
68 Vgl. zu einem Literaturüberblick bzgl. der Meßbarkeit der Produktivität von Marketingmaßnahmen RUST et al. (2004).
69 Vgl. ZENTRALVERBAND DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT (Hrsg.) (2011).
70 Vgl. MIZIK/JACOBSON (2007) und die Darstellung des Artikels in Abschnitt III.5.2 dieser Arbeit.
71 Vgl. MIZIK (2010).
72 Vgl. BECKER (2005), S. 4.
73 Vgl. PORTER (1992a), S. 66.
74 Vgl. hierzu und im Folgenden IAS 38 (2004), L 392/132.
75 Das zur Verfügung stehende Datenmaterial läßt hier lediglich eine verallgemeinernde Aussage zu: In einer Erhebung der Jahresabschlüsse von rund 66.000 rechtlich selbständigen Unternehmen außerhalb des Kredit- und Versicherungsgewerbes mit Sitz in Deutschland durch die Deutsche Bundesbank wurden Aufwendungen für Personalentwicklung nicht separat aufgeführt, sondern unter der Position „übrige Aufwendungen“ zusammen mit einer Vielzahl anderer Aufwandspositionen subsumiert, welche im Jahr 2008 372 Mrd. € ausmachte. Vgl. DEUTSCHE BUNDESBANK (Hrsg.) (2011). Detailliertere Untersuchungen auf gesamtwirtschaftlicher Ebene sind dem Verfasser nicht bekannt.
76 Vgl. zu einer Skizzierung der hier dargestellten Zusammenhänge STEIN (1989), S. 658.
77 Vgl. zu diesen Anbieterwechselkosten KLEMPERER (1987), S. 375.
78 Als Beispiele hierfür sind aus Sicht des Verfassers die Märkte für aufsteckbare Rasierklingen und Zahnbürsten sowie für bestimmte Computerspiele zu sehen.
79 Vgl. zu der Profitabilität einer solchen Strategie BORENSTEIN et al. (2000).
80 Ein Beispiel für eine erfolgreiche Anwendung dieser Penetrationsstrategie in Deutschland liefert aus Sicht des Verfassers die Entwicklung der Preisgestaltung der ING DiBa Bank in den Jahren 2001 bis 2011.
81 Vgl. STEIN (1989), S. 658.
82 Vgl. hierzu BOARD (2008), welcher die optimale Preispolitik eines monopolistischen Herstellers eines haltbaren Gutes bei Nachfrageschwankungen analysiert. In dem Modell von BOARD reagiert der Monopolist auf ein Absacken der Nachfrage nach seinem Produkt im Gleichgewicht mit Preissenkungen. Da durch diese Preissenkungen sowie die Aussicht darauf aber die Kunden zu einer Verzögerung ihrer Käufe gebracht werden, führt der Monopolist diese Preissenkungen lediglich in einem geringen Umfang durch. Im Gegensatz hierzu reagiert der Monopolist auf Nachfrageanstiege mit starken Preissteigerungen. Als Ergebnis dieser asymmetrischen Situation liegt der durch den Monopolisten festgelegte Preis stets über dem bei stabiler, durchschnittlicher Nachfrage festgelegten Preis. Vgl. zur intertemporalen Preisgestaltung eines monopolistischen Herstellers eines haltbaren Gutes des Weiteren die grundlegende Arbeit von STOKEY (1979).
83 Vgl. ROYCHOWDHURY (2006), der ein ähnliches Szenario skizziert, das betreffende Verhalten als „sales manipulation“ bezeichnet und in einer empirischen Untersuchung von Bilanzdaten Belege für ein solches Verhalten für Unternehmen findet, deren bilanzielles Ergebnis sich in der Nähe eines Schwellenwertes („earnings benchmark“) befindet.
84 Vgl. AAKER (1992), S. 26.
85 Vgl. zu einem Überblick über diesen Zusammenhang dokumentierende empirische Studien BLATTBERG et al. (1995).
86 Vgl. PAUWELS et al. (2004), S. 149 ff.
87 Vgl. ABRAHAM/LODISH (1990).
88 Vgl. CHAPMAN/STEENBURGH (2010).
89 Vgl. NIJS et al. (2001), die ein Verschwinden der kurzfristigen Umsatzsteigerungen durch „sales promotions“ nach ca. zehn Wochen feststellten.
90 Vgl. DEKIMPE et al. (1999), die anmerkten, daß die langfristigen Effekte von Preissenkungen nicht notwendigerweise positiv seien.
91 Vgl. KOPALLE et al. (1999), die eine Tendenz von Managern feststellten, zu viele „sales promotions“ durchzuführen.
92 Von einigen Autoren, z. B. LAUSBERG et al. (2001) wird auch von Markenverwässerung gesprochen. Die Worte Markenerosion und Markenverwässerung werden im Folgenden als begriffsidentisch angesehen.
93 Vgl. KLANTE (2004), S. 25.
94 Vgl. hierzu und im Folgenden KIRCHGEORG/KLANTE (2005), S. 16 ff.
95 Vgl. GUPTA et al. (1997), S. 248 ff.
96 Vgl. KIRCHGEORG/KLANTE (2005), S. 18.
97 Zu Markenausweitung generell vgl. CABRAL (2001).
98 Vgl. AAKER/KELLER (1990), S. 27.
99 Vgl. hierzu und im Folgenden AAKER (1990), S. 47.
100 Eine Kategorie existiert gemäß MERVIS und ROSCH, wenn zwei oder mehr unterscheidbare Objekte oder Ereignisse gleich behandelt werden. Vgl. MERVIS/ROSCH (1981), S. 89.
101 Vgl. PULLIG et al. (2006), S. 64 f.
102 Vgl. hierzu und im Folgenden REDDY/TERBLANCHE (2005), S. 20 ff.
103 Vgl. KOTLER et al. (2007), S. 1004.
104 Vgl. ebenda, S. 1009 f.
105 Vgl. WINKELMANN (2006), S. 282, sowie Kuhlmann (2004), S. 257.
106 Vgl. hierzu und im Folgenden KOTLER et al. (2007), S. 1025 f.
107 Dies kann mit der Markenerosion durch das Angebot der gleichen Ware zu im Vergleich zu den bestehenden Vertriebskanälen günstigeren Preisen einhergehen, vgl. hierzu Abschnitt II.2.2.2.
108 Zu generellen Überlegungen zur Reputation von Vetriebskanälen vgl. BLACK et al. (2002), S. 161 ff.
109 Vgl. hierzu insbesondere LAUSBERG et al. (2001), S. 32 ff., die eine Umfrage unter 135 Bekleidungsherstellern durchführten. Knapp die Hälfte der befragten Hersteller ging davon aus, daß der Absatz über Factory Outlet Center dem Image der Marke schaden würde.
110 Vgl. Abschnitt IV.2.2.3.
111 Vgl. KOTLER et al. (2007), S. 1024.
112 Vgl. hierzu und im Folgenden STEIN (2001).
113 Vgl. zu den hieraus resultierenden sogenannten „agency costs“ JENSEN/MECKLING (1976).
114 Zu dem grundlegenden Modell asymmetrischer Informationsverteilung in den Wirtschaftswissen- schaften vgl. AKERLOF (1970). Zur Relevanz asymmetrischer Informationsverteilung für das Verhältnis zwischen Kapitalgebern und Managern vgl. GREENWALD/STIGLITZ (1990).
115 Diese Frage ließe sich auch vereinfacht umformulieren in „In wie weit wird das zur Verfügung stehende Kapital den richtigen Investitionsprojekten zugeführt?“ Vgl. STEIN (2001), S. 1.
116 Hierbei ist zu beachten, daß der Begriff Managermyopie - von STEIN hier mit „short-termism“ bezeichnet - von STEIN enger als in dieser Arbeit definiert wird. Vgl. Abbildung 1 und die nachfol- genden Ausführungen sowie STEIN (2001).
117 Vgl. MODIGLIANI/MILLER (1958).
118 Vgl. STEIN (2001), welcher hierzu auf S. 24 ausführt: “Perhaps the one clearest empirical finding emerging from research on investment over the last 15 or so years is that this theoretical proposition is false.” Vgl. zu einem Überblick der diesbezüglichen Literatur HUBBARD (1998).
119 Daneben sind beispielsweise Steuern oder Transaktionskosten zu nennen.
120 Vgl. z. B. BERGER/OFEK (1995), GROSSMAN/HART (1986), HART/MOORE (1990), HART (1995) oder MILGROM/ROBERTS (1988).
121 Vgl. z. B. MYERS (1977) und MYERS/MAJLUF (1984).
122 Die Arbeiten zu dieser Frage können des Weiteren thematisch in die drei Bereiche „Adverse Selektion, moralische Versuchung (englisch: moral hazard) und Kreditrationierung im Markt für Fremdkapital“, „Schuldenüberhang (englisch: debt overhang)“ und „Unvollständige Verträge“ unterteilen. Vgl. hierzu STEIN (2001), S. 7 ff.
123 Die akademische Bearbeitung dieser “agency problems” geht auf BERLE/MEANS zurück, welche bereits 1932 ausführten: „In its new aspect the corporation is a means whereby the wealth of innumerable individuals has been concentrated into huge aggregates and whereby control over this wealth has been surrendered to a unified direction.” Vgl. BERLE/MEANS (1932), S. 2.
124 So können z. B. Manager ihre Bemühungen gegenüber einem optimalen Zustand absenken. Vgl. hierzu HOLMSTROM (1979).
125 Zu einer Kritik der Annahme effizienter Kapitalmärkte vgl. GROSSMAN/STIGLITZ (1980).
126 Vgl. z. B. FISCHER/MERTON (1985) oder MORCK et al. (1990).
127 Vgl. STEIN (1996).
128 Vgl. STEIN (2001), S. 16.
129 Vgl. z. B. MILLER/ROCK (1985).
130 Vgl. z. B. STEIN (1989).
131 Vgl. z. B. SHLEIFER/VISHNY (1990).
132 Vgl. hierzu und im Folgenden STEIN (2001), S. 12 ff.
133 In diesen Arbeiten resultiert stets ein Zustand der Überinvestition. Vgl. z. B. JENSEN (1986b), JENSEN (1993) oder STULZ (1990).
134 Vgl. z. B. AMIHUD/LEV (1981).
135 Vgl. z. B. SHLEIFER/VISHNY (1989).
136 Zu einem breiten Überblick über die theoretische Literatur zu diesem Thema vgl. HIRSHLEIFER (1993).
137 Vgl. BETRAND/MULLAINATHAN (2003).
138 Vgl. z. B. ROLL (1986) oder HEATON (2002).
139 Vgl. z. B. WEINSTEIN (1980) sowie zu einer Zusammenfassung der diesbezüglichen Literatur KASCH (2008), S. 75 ff.
140 Vgl. Abschnitt II.1.
141 Zu einer leicht abweichenden Klassifizierung vgl. HIRSHLEIFER (1993), S. 150 ff. HIRSHLEIFER unterscheidet in Manipulation von Cash-Flows, Manipulation von Risiko, Beeinflussung der Laufzeit aktueller Projekte („projects transitions“) und abweichendes Verhalten, Opportunismus und Konformismus („deviants, fads and conformism“). Innerhalb dieser Kategorien ist die Managermyo- pie-Literatur dem Bereich der Manipulation von Cash-Flows zuzuordnen.
142 Vgl. z. B. SCHARFSTEIN/STEIN (1990) oder ZWIEBEL (1995).
143 Vgl. HOLMSTROM/RICART I COSTA (1986)
144 Vgl. HIRSHLEIFER/THAKOR (1992).
145 Vgl. BOOT (1992).
- Citar trabajo
- Michael Berger (Autor), 2012, Managermyopie in deutschen Unternehmen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375743
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