Der Vergleich der Interpretation des ´Großen Sprungs nach vorn´ und der chinesischen Kulturrevolution, der beiden für die Geschichte des sozialistischen China so bestimmenden Ereignisse, zeigt zwischen den überwiegenden Darstellungen der Sechziger/Siebziger Jahren und den heutigen (gemeint ist: seit dem Anfang der Achtziger Jahre des letzten Jahrhundert) extreme Unterschiede sowohl in der gesamten Konzeption wie auch in der Methodik auf.
Bei den älteren Darstellungen, speziell der Kulturrevolution, handelte es sich in der Regel um Berichte von Personen, die China zur Zeit der Kulturrevolution selbst erlebt haben (Myrdal, Bettelheim, Masi, usw.); bei den neueren ist dies nicht der Fall. Es fehlen bei ihnen unmittelbar persönliche Erfahrungen, es handelt sich also immer um Geschichten ´aus zweiter Hand´.
Die älteren Darstellungen berufen sich neben den eigenen Erlebnissen und den selbst durchgeführten Untersuchungen vor Ort auf Gespräche mit den unmittelbar Beteiligten, z. B. Rotgardisten und Bauern der Volkskommunen (z. B. Jan Myrdal), den offiziellen Quellen, usw. – also auf Primärquellen; die neueren jedoch zu einem großen Teil auf anekdotenhaften Erzählungen angeblicher Augenzeugen und zweifelhaften Sekundärquellen.
Fast immer wird bei den älteren Darstellungen auf eine theoretische Aufarbeitung und ein tieferes Verständnis der politischen Vorgänge Wert gelegt, um die chinesische Politik dieser Jahre wirklich verstehen zu können.
Inhaltsverzeichnis
- Prinzipielle Unterschiede
- Thema 1: „Großer Sprung nach vorn = Hungersnot“ - Glaube und Plausibilität
- Der Große Sprung nach vorn´: Hintergrund, Konzept und Umsetzung
- Die Reduktion des 'Großen Sprungs nach vorn' zur katastrophalen Hungersnot am Beispiel Vogelsang: Fragen und Einwände
- Ist die Darstellung Vogelsangs richtig? - Annäherung an die historische Wirklichkeit
- Die Zahlen zu den Hungertoten
- Wer trägt die Verantwortung?
- Was heißt 'Hungersnot'?
- Zusammenfassung
- Bemerkungen zu Vogelsangs Methode
- Thema 2: Kulturrevolution - Affinität und totales Unverständnis
- Zitate
- Ein kleine Auswahl der Literatur der Sechziger/Siebziger Jahre zur Kulturrevolution: begeisterte Erlebnisberichte und positive Analysen
- Eine kurze Schilderung der Kulturrevolution
- Die Darstellung der Kulturrevolution bei Kai Vogelsang
- Einige merkwürdige Formulierungen
- Zur Fragwürdigkeit einer Reihe von Behauptungen bei Vogelsang
- Die grundlegende Interpretation der Kulturrevolution bei Vogelsang
- Die Ideologie Vogelsangs, die hinter seiner Interpretation steht
- Woher kam die frühere Begeisterung für die Kulturrevolution in Europa und weltweit?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Interpretation der beiden zentralen Ereignisse der chinesischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, dem 'Großen Sprung nach vorn' und der Kulturrevolution. Sie setzt sich zum Ziel, den Unterschied in der Darstellung dieser Ereignisse zwischen der Literatur der Sechziger/Siebziger Jahre und der heutigen Sichtweise zu analysieren. Dabei steht insbesondere die Frage im Mittelpunkt, inwiefern die heutige Darstellung, am Beispiel des Buches "Geschichte Chinas" von Kai Vogelsang, die Ereignisse aus einer einseitigen und verzerrten Perspektive darstellt.
- Der 'Große Sprung nach vorn' als Hungersnot und die Frage der Verantwortlichkeit
- Die Darstellung der Kulturrevolution in der Literatur der Sechziger/Siebziger Jahre im Vergleich zu der heutigen Sichtweise
- Die Ideologie und Methodik der heutigen Darstellungen der chinesischen Geschichte
- Die Frage nach dem 'Roten Faden' des Maoismus in der Geschichte Chinas
- Die Ursachen und Folgen der unterschiedlichen Interpretationen der chinesischen Geschichte
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel widmet sich dem 'Großen Sprung nach vorn' und der Frage, inwiefern dieser als Hungersnot interpretiert werden kann. Es werden die Hintergründe, Konzepte und Umsetzungen des 'Großen Sprungs nach vorn' erläutert und die Darstellung Vogelsangs kritisch beleuchtet. Die Zahlen zu den Hungertoten werden diskutiert und die Frage der Verantwortlichkeit thematisiert. Abschließend wird der Begriff 'Hungersnot' im Kontext der chinesischen Geschichte analysiert.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Kulturrevolution und den unterschiedlichen Interpretationen dieses Ereignisses in der Literatur der Sechziger/Siebziger Jahre und der heutigen Zeit. Es werden Zitate aus der Zeit der Kulturrevolution vorgestellt und die Darstellung Vogelsangs kritisch beleuchtet. Darüber hinaus wird der Frage nach der Begeisterung für die Kulturrevolution in Europa und weltweit nachgegangen.
Schlüsselwörter
Chinesische Geschichte, 'Großer Sprung nach vorn', Kulturrevolution, Hungersnot, Mao Zedong, Maoismus, Interpretation, Darstellung, Vogelsang, Literatur, Sechziger/Siebziger Jahre, heutige Sichtweise, Ideologie, Methodik, Verantwortlichkeit, 'Roter Faden'.
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- Dr. Anton Stengl (Author), 2014, Westliche Erzählungen von chinesischer Geschichte. Der "Große Sprung nach Vorn" und die Chinesische Kulturrevolution in der Perspektive der Sechziger/Siebziger Jahre und der Gegenwart, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375681