Bei den Problemen, vor denen Kleinbauern derzeit stehen, handelt es sich global betrachtet um ein höchst relevantes Thema. Auch wenn die verschiedenen Schätzungen an manchen Stellen aufgrund von Definitionsschwierigkeiten und statistischen Erhebungsproblemen voneinander abweichen, ist eines unbestreitbar: Nach wie vor stellt die Landwirtschaft die Existenzgrundlage eines nicht geringen Teils der Weltbevölkerung, insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern, dar.
Welchen Anteil das Kleinbauerntum an dieser Stelle ausmacht und mit welchen Herausforderungen sich die Kleinbauern in Zeiten der Globalisierung konfrontiert sehen, soll nun im Verlauf dieser Arbeit thematisiert werden.
Dabei folgt einer kurzen Vorstellung und Charakterisierung des Kleinbauerntums als häufigste landwirtschaftliche Organisationsform ein Überblick über den Wandel in der Agrarindustrie seit den 1960ern. Dieser zeigt sich heute in erster Linie im Konflikt zwischen Agrobusiness und Kleinbauern, der daraufhin erläutert wird. Das Fallbeispiel Indien soll an dieser Stelle die Auswirkungen des Wandels und gegenwärtigen Entwicklungen verdeutlichen. Zuletzt werden verschiedene Reaktionsmöglichkeiten der Bauern auf diese Entwicklungen dargestellt.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Bedeutung der Landwirtschaft als Existenzgrundlage
2 Kleinbauerntum als häufigste landwirtschaftliche Organisationsform
3 Herausforderungen an Kleinbauern in Zeiten der Globalisierung
3.1 Entwicklungen zur globalisierten Landwirtschaft
3.2 Das Agrobusiness als neues Agrarsystem
4 Folgen für Kleinbauern am Fallbeispiel Indien: Bauernselbstmorde
5 Reaktionsmöglichkeiten der Kleinbauern
6 Zusammenfassung und Ausblick
7 Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Verteilung der landwirtschaftlichen Betriebe und landwirtschaftlichen Nutzflächen nach Fläche in Hektar
Abbildung 2: Aktuelle Veränderungen der Rahmenbedingungen des Kleinbauerntums..
Abbildung 3: Verknüpfung einzelner Produktionsstufen in einem Agrobusiness am Beispiel der Geflügelfleisch-Erzeugung
1 Bedeutung der Landwirtschaft als Existenzgrundlage
Bei der Beschäftigung mit den aktuellen Herausforderungen an Kleinbauern in Deutschland wirkt die Zahl der Betroffenen - und somit die Relevanz des Themas - zunächst gering, zumal nur noch 1,5 % der Bevölkerung der Bundesrepublik im Bereich der Landwirtschaft tätig sind, wovon noch weniger als Kleinbauern bezeichnet werden können (FAO 2015, S. 112). Dennoch handelt es sich bei den Problemen, vor denen Kleinbauern derzeit stehen, global betrachtet um ein höchst relevantes Thema: Schätzungen der Food and Agriculture Organization of the United Nations (2012), kurz FAO, zufolge sind 2,5 Mrd. der in ärmeren Ländern lebenden Menschen in ihrer Existenz direkt vom Nahrungsmittel- bzw. Landwirtschaftssektor abhängig. Andere Autoren sprachen 2004 von rund 3 Mrd. Menschen, deren Lebensgrundlage zumindest zum Teil durch kleinbäuerliche Landwirtschaft gesichert wurde, was zum damaligen Zeitpunkt knapp die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachte (Rauch 2006, S. 46). Den höchsten Beschäftigungsanteil verzeichnet der Landwirtschaftssektor dabei in Subsahara-Afrika mit fast 62 %, gefolgt von Südasien mit 51 % (International Labour Office 2013, S. 140).
Auch wenn die verschiedenen Schätzungen an manchen Stellen aufgrund von Definitionsschwierigkeiten und statistischen Erhebungsproblemen voneinander abweichen, ist doch eines unbestreitbar: Nach wie vor stellt die Landwirtschaft die Existenzgrundlage eines nicht geringen Teils der Weltbevölkerung, insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern, dar. Welchen Anteil das Kleinbauerntum an dieser Stelle ausmacht und mit welchen Herausforderungen sich die Kleinbauern in Zeiten der Globalisierung konfrontiert sehen, soll nun im Verlauf dieser Arbeit thematisiert werden.
Dabei folgt einer kurzen Vorstellung und Charakterisierung des Kleinbauerntums als häufigste landwirtschaftliche Organisationsform ein Überblick über den Wandel in der Agrarindustrie seit den 1960ern. Dieser zeigt sich heute in erster Linie im Konflikt zwischen Agrobusiness und Kleinbauern, der daraufhin erläutert wird. Das Fallbeispiel Indien soll an dieser Stelle die Auswirkungen des Wandels und gegenwärtigen Entwicklungen verdeutlichen. Zuletzt werden verschiedene Reaktionsmöglichkeiten der Bauern auf diese Entwicklungen dargestellt.
2 Kleinbauerntum als häufigste landwirtschaftliche Organisationsform
Wie eingangs bereits festgestellt, ist die exakte Zahl derer, die in kleinbäuerlichen Betrieben leben oder von deren Erzeugnissen abhängig sind, schwierig zu ermitteln. Nichtsdestotrotz ist es eindeutig, dass es sich dabei um die - zumindest zahlenmäßig - vorherrschende landwirtschaftliche Organisationsform handelt. Abbildung 1 zeigt, dass 84 % aller landwirtschaftlichen Betriebe weltweit, deren Anzahl auf über 570 Mio. geschätzt wird, kleiner als zwei Hektar sind. Insgesamt bewirtschaften sie aber nur 12 % aller landwirtschaftlichen Nutzflächen. Lediglich 5 % aller Gehöfte umfassen mehr als fünf Hektar (Lowder et al. 2014, S. 17f).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Verteilung der landwirtschaftlichen Betriebe und landwirtschaftlichen Nutzflächen nach Fläche in Hektar
Quelle: Lowder et al. 2014, S. 17.
Auch wenn die Kleinbauern nur wenig Land bestellen, kommt ihnen in der Nahrungsmittelversorgung insbesondere in Entwicklungsländern eine enorme Bedeutung zu: So stammt circa 80 % aller Nahrung, die in Subsahara-Afrika und Asien verzehrt wird, aus kleinbäuerlicher Landwirtschaft (IFAD 2013, S. 10f).
Kennzeichnend für diese kleinbäuerlichen Betriebe sind neben ihrer Produktionsvielfalt dem Bauern gehörende Produktionsmittel (Individualeigentum) sowie geringer Landbesitz, der meist eine statusbestimmende Funktion einnimmt (Karnopp 2006, S. 33ff). Als Richtwert schlägt die FAO hierbei eine maximale Fläche von zwei Hektar vor (IFAD 2013, S. 10). Die Produktion dient in erster Linie der Subsistenzwirtschaft, also der Versorgung der Arbeitskräfte - in der Regel der eigenen Familie -, wird aber seit der Kolonialisierung häufig auch zum Teil zur Vermarktung geführt. Diese Mischproduktion, bei der die Familienmitglieder arbeitsteilig der Subsistenzwirtschaft, der marktorientierten Landwirtschaft und Nebenverdiensten aus nichtagrarischen Tätigkeiten nachgehen, wird als „Rural Livelihood System“ bezeichnet (Rauch 2006, S. 46f; 2014, S. 228). Das sich aus dem Gegensatz zwischen subsistenzwirtschaftlichen Faktoren und Marktorientierung ergebende Dilemma führt dazu, dass der Verdienst der Bauern in der Mehrzahl der Fälle in der Nähe des Existenzminimums liegt (Leser 2011, S. 440).
3 Herausforderungen an Kleinbauern in Zeiten der Globalisierung
Die eben beschriebenen Spannungen sowie die Schwierigkeit der Eigenversorgung für Kleinbauern wurden im Zuge eines durch die Globalisierung bedingten Wandels in der Landwirtschaft weiter verschärft. Um das vielschichtige Beziehungsgeflecht nachvollziehen zu können, soll zunächst ein kurzer geschichtlicher Abriss über die Entwicklungen in der Agrarindustrie der letzten 60 Jahre gegeben werden, bevor das neue Agrarsystem des Agrobusiness und dessen Folgen für Kleinbauern anhand eines Fallbeispiels erläutert wird.
3.1 Entwicklungen zur globalisierten Landwirtschaft
Infolge der Industrialisierung der Landwirtschaft in den Industrieländern wurde in den 1960er Jahren die sogenannte „Grüne Revolution“ in Gang gesetzt, die im Wesentlichen die Einführung und Vermarktung von Hochertragssorten in periphere Gebiete der Erde beinhaltete (Knox, Marston 2008, S. 538). Das Ziel der Ertragssteigerung zur Hungerbekämpfung konnte jedoch nur durch mechanisierte Bodenbearbeitung sowie durch den Einsatz von Industriedünger und Pestiziden erreicht werden, was für die Landwirte eine erhebliche finanzielle Belastung bedeutete. Zwar konnten tatsächlich erhebliche Anstiege der Ernten festgestellt werden, zahlreiche Kleinbauern begaben sich aber auf diese Weise in eine starke Abhängigkeit von internationalen Konzernen. Da sie im Wettbewerb mit den Großgrundbesitzern aufgrund schlechterer bzw. weniger Produktionsmittel kaum bestehen konnten, wurden viele Kleinbauern verdrängt, verarmten und/oder flüchteten in die Stadt. Neben diesen sozialen Aspekten waren auch enorme Einbußen an Biodiversi- tät eine Folge der Grünen Revolution (Karnopp 2006, S. 121).
Während die Agrarmärkte bis 1990 trotz alledem weitestgehend durch die Regierungen der einzelnen Länder bestimmt und gelenkt wurden (Rauch 2014, S. 229), erfolgte schließlich ein Prozess der „Eingliederung [der Landwirtschaft] in das globale ökonomische System“ (Knox, Marston 2008, S. 539). Das bedeutete eine Politik der Marktöffnung, Abbau von staatlichen Regulierungen und Privatisierungsmaßnahmen im Agrarsektor. Diese Liberalisierung des globalen Agrarhandels bietet Kleinbauern zwar auf der einen Seite neue Absatzmöglichkeiten im In- und Ausland, setzt sie aber andererseits auch starken Preisschwankungen und -unterschieden aus. Im verschärften Wettbewerb gegen große Lebensmittelkonzerne können sie gegen deren Niedrigpreispolitik kaum ankommen (Rauch 2014, S. 229). Die zunehmende Flexibilität der weltweiten Finanzmärkte steigert die Risiken des freien Marktes für Kleinbauern zusätzlich durch schwankende Wechselkurse und Zinsen. Ein weiterer Trend der Globalisierung, nämlich die fortschreitende Automatisierung in den global vernetzten Produktionszweigen, führt zum „job-less-growth“: Aufgrund von wenig neu geschaffenen Arbeitsplätzen, findet das Wirtschaftswachstum ohne wesentlichen Anstieg der Kaufkraft und somit der Nachfrage statt, was den Konkurrenzdruck unter den Anbietern von Agrarprodukten ebenfalls steigen lässt (Rauch 2006, S. 48f).
In dieses komplexe Ursachen-Wirkungsgeflecht, das in Abbildung 2 schematisch dargestellt ist, treten darüber hinaus noch langsame Entwicklungen wie der Klimawandel sowie die Verknappung der für die Landwirtschaft essentiellen Ressourcen Boden und Wasser (Rauch 2006, S. 49).
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