Gegenwärtig findet der aufmerksame Beobachter der Szene im deutschen Spitzenfußball einen weit verbreiteten Einsatz modernster Informationsinstrumente zur Analyse von Fußballspielen. Neben den üblichen Formen der Spielbeobachtung hat sich besonders der Bereich des "normalen Videotrainings", der Videoanalyse, aber auch der Positionsdatenerfassung auf der Basis von Bilderkennung, durch die Verbindung von Computern mit digitalen Videosystemen, in den letzten Jahrzehnten stark entwickelt und wird von fast allen professionellen Vereinen im Fußball genutzt. Das Münchner Unternehmen IMPIRE AG hat nach einer Ausschreibung den Zuschlag für eine Erhebung von Spieldaten der ersten und zweiten Bundesliga von der Deutschen Fußball Liga (DFL) bekommen. Wogegen bisher meist nur Daten für Printmedien im technisch- taktischen Bereich, wie Ballbesitz, Torschüsse oder Passquoten generiert wurden, ist nun zusätzlich eine erst- und zweitligaweite Auswertung von physischen Daten der Spieler wie Lauftempo, Sprintintensitäten oder auch Ruhephasen für alle Vereine zu verzeichnen. Dieses generierende Spieldatensystem wird als Tacking bezeichnet und leitet eine neue Phase der Mathematisierung im Fußball ein. Alle Spiele und Spieler werden somit seit der Saison 2011/ 2012 in endlosen Zahlenfolgen codiert und erfasst. Zudem symbolisiert die sich ständig weiterentwickelnde Erhebung von Positionsdaten auf der Basis von Bilderkennung (wie z.B. ProZone, Amisco, Vis.Track, Vena.Track) einen weiteren Quantensprung in der Aufbreitung von Statistiken zur Wettkampfdiagnostik des Fußballs sowie im Bereich der quantitativen Analyse eines Spiels. Durch diese computergestützte Spielanalyse sowie die Tracking- Daten der DFL kann für viele Vereine, gerade in der zweiten Liga, ein hoher Erkenntniszuwachs gewährleistet werden. Obgleich die Clubs die Daten von der DFL bereitgestellt bekommen, können sie diese nur nutzen, wenn sie [...]
Anhänge, Anlagen (DVD mit transkribierten Interviews) sind nicht im Lieferumfang enthalten!
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Forschungsstand
1.2 Zentrale Frage- und Problemstellung
1.3 Gliederung der Forschungsarbeit
2 Allgemeine Begriffserklärung und Historie
2.1 Formen und Anwendungsfelder der Spielanalyse unter besonderer Berücksichtigung des Sportspiels Fußball
2.2 Ziele der Spielbeobachtung
2.3 Zielgruppendarstellung der Spielanalyse
2.4 Quantitative Verfahren von Spielbeobachtungssystemen
2.5 Methoden der Spielbeobachtung
3 Qualitative Spielanalyse im Sportspiel
3.1 Die Kopplung von Training und Wettkampf
3.2 Wettkampfsteuerung
3.2.1 Wettkampfvorbereitung
3.2.2 Wettkampflenkung
3.2.3 Wettkampfnachbereitung
4 Die Qualitative Spielbeobachtung im Speziellen
4.1 Qualitative vs. Quantitative Spielanalyse
4.2 Exkurs: Exemplarische Darstellung von Spielbeobachtungskonzepten
4.2.1 Die Qualitative Spielbeobachtung von Hansen & Lames
4.2.2 Die Qualitative Spielbeobachtung von Görsdorf & Dreckmann
5 Methodik
5.1 Qualitativ Halbstandardisierte Experteninterviews
5.2 Interviewplanung und -situation
5.3 Interviewleitfaden
5.4 Expertenauswahl
5.5 Interviewauswertungsverfahren
6 Ergebnisse
6.1 Allgemeine Datennutzung
6.2 Probleme der Datennutzung und Verwertung
6.3 Videoanalyse
6.4 Video- und Datenverarbeitung in der Ausbildung zum Fußballlehrer
6.5 Zukünftige Arbeitsfelder
7 Fazit
7.1 Beantwortung der Zentralen Fragestellungen
7.2 Kritische Würdigung
7.3 Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Datengebilde der Spielanalyse nach IMPIRE. Quelle: Spiegel Online
Abb. 2: Eigene Darstellung eines Zielgruppenmodells der Spielbeobachtung
Abb. 3: Sportwissenschaftlich- diagnostische Verfahren nach Carl (1983)
Abb. 4: Modell der Trainings- Wettkampf- Kopplung nach Lames (1994, S.21.)
Abb. 5: Die Phasen der Wettkampfsteuerung (aus: Hohmann et al., 2007, S.207)
Abb. 6: Die drei Schritte des Coachings (aus: Lames, 2008, S. 7)
Abb. 7: Ablaufmodell der Qualitativen Spielbeobachtung beim Beachvolleyball nach Hansen & Lames (2001)
Abb. 8: Modell zur Kopplung von Training und Wettkampf in der handballspezifischen Spielanalyse nach Dreckmann & Görsdorf (2009)
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Methoden der Spielbeobachtung nach Lames (1994)
Tab. 2: Vor- und Nachteile der quantitativen und qualitativen Beobachtungsverfahren (vgl. Görsdorf & Dreckmann, 2009) modifiziert nach Esser (1983)
Tab. 3: Analogien der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2002) und der Qualitativen Spielbeobachtung nach Hansen (2003)
Tab. 4: Klassifizierung von Interviews nach ihrer Standardisierung (in Anlehnung an Gläser/ Laudel 2009, S. 41)
Tab. 5: Eigene Darstellung des erstellten Interviewleitfadens
Tab. 6: Eigene Darstellung einer Übersicht der Expertenauswahl
1 Einleitung
„ Die neue Generation von Trainern findet es wichtig, den eigenen Eindruck des Spiels mit Daten zu untermauern und gegen ü ber dem Spieler dokumentieren zu k ö nnen. “ (Holger Hieronymus, Geschäftsführer der DFL für Spielbetrieb, 2011)
Gegenwärtig findet der aufmerksame Beobachter der Szene im deutschen Spitzenfußball einen weit verbreiteten Einsatz modernster Informationsinstrumente zur Analyse von Fußball- spielen. Neben den üblichen Formen der Spielbeobachtung hat sich besonders der Bereich des "normalen Videotrainings", der Videoanalyse, aber auch der Positionsdatenerfassung auf der Basis von Bilderkennung, durch die Verbindung von Computern mit digitalen Video- systemen, in den letzten Jahrzehnten stark entwickelt und wird von fast allen professionellen Vereinen im Fußball genutzt. Das Münchner Unternehmen IMPIRE AG hat nach einer Ausschreibung den Zuschlag für eine Erhebung von Spieldaten der ersten und zweiten Bundesliga von der Deutschen Fußball Liga (DFL) bekommen. Wogegen bisher meist nur Daten für Printmedien im technisch- taktischen Bereich, wie Ballbesitz, Torschüsse oder Passquoten generiert wurden, ist nun zusätzlich eine erst- und zweitligaweite Auswertung von physischen Daten der Spieler wie Lauftempo, Sprintintensitäten oder auch Ruhephasen für alle Vereine zu verzeichnen. Dieses generierende Spieldatensystem wird als Tacking 1 bezeichnet und leitet eine neue Phase der Mathematisierung im Fußball ein. Alle Spiele und Spieler werden somit seit der Saison 2011/ 2012 in endlosen Zahlenfolgen codiert und erfasst . Zudem symbolisiert die sich ständig weiterentwickelnde Erhebung von Positionsdaten auf der Basis von Bilderkennung (wie z.B. ProZone, Amisco, Vis.Track, Vena.Track 2 ) einen weiteren Quantensprung in der Aufbreitung von Statistiken zur Wettkampfdiagnostik des Fußballs sowie im Bereich der quantitativen Analyse eines Spiels. Durch diese computergestützte Spielanalyse sowie die Tracking - Daten der DFL kann für viele Vereine, gerade in der zweiten Liga, ein hoher Erkenntniszuwachs gewährleistet werden. Obgleich die Clubs die Daten von der DFL bereitgestellt bekommen, können sie diese nur nutzen, wenn sie die rohen Zahlenkolonnen qualitativ- interpretativ aufarbeiten lassen. Im heutigen Datenzeitalter geht es längst nicht mehr nur um das Bauchgefühl sowie optische Eindrücke der Experten ergo Trainer allein, wie es das eingangs aufgeführte Zitat verdeutlicht. Mittlerweile wird jede Sportspielaktion im Fußball registriert und determiniert. Es entsteht naturgemäß eine Fülle an Daten, welche dem Trainer zur Veredelung bereitgestellt werden.
Diese Entwicklung generiert zwar eine höhere Durchlässigkeit von Spielbeobachtungserkenntnissen, jedoch ist damit einhergehend meist ein hoher finanzieller und zeitlicher Aufwand verbunden. Zudem bleiben hinsichtlich der qualitativen Nutzung und gewinnbringenden Verwertung dieser Tracking - Daten im Fußball zahlreiche Fragen offen. Der Fußballtrainer hat die Aufgabe, seine Erkenntnisse aus den fremdgenerierten Daten als Input dem „ Blackboxsystem Bundesligaprofi “ zu vermitteln und einen für ihn und seiner Trainings- Wettkampfkopplung bestmöglichen Output zu generieren. Diesen Aufgaben geht das Problem der bestmöglichen Erhebung, interpretativen Nutzung und Veredelung im Sinne einer qualitativen Spielbeobachtung (QSB) der eigenen und fremdgenerierten Daten der Fußballlehrer und seiner Stakeholder voraus. Eine eingängige Beschäftigung mit dieser hier erläuterten Problematik, einer qualitativen Nutzung der quantitativen Spieldaten von Bundesligatrainern, soll Thema dieser folgenden Forschungsarbeit sein. Fortführend wird diesbezüglich nun eine Darstellung des Forschungsstandes stattfinden um daran anknüpfend die zentrale Problemstellung darzulegen.
1.1 Forschungsstand
In den letzten Jahrzehnten kann die deutsche Sportspielforschung auf eine sich gute ent- wickelnde, weitreichende Historie zurückblicken. Bis in die 70er Jahre lassen sich ent- sprechende Verfahren der Spielbeobachtung zurückverfolgen (vgl. Stiehler, 1962; Schmidt, 1976; Hagedorn, 1983; Augustin, 1998). Dabei werden in der Forschung Spielbeobachtungen nicht nur als Mittel zur Erhebung von Tabellenständen und Ergebnissen gesehen. Vielmehr kann sie einen Beitrag zur effektiven Kopplung von Training und Wettkampf darstellen (Hagedorn, 1971; Czwalina 1984). Eine Spielbeobachtung kann lt. Alpheis (1984) eine detaillierte Diagnostik von Stärken und Schwächen ganzer Mannschaften und/ oder Spielern im Bezug auf Taktik, individuelle Fähigkeiten und konditionelle Fähigkeiten sein. Hier kann der Beobachtende schließlich Hinweise für eine gezielte Trainingssteuerung herausziehen. Ferner kann Hagedorn (1971, S.71.) aus den frühen Jahren der Spielbeobachtungsforschung hinreichend zitiert werden, welcher feststellt, dass „ Sportspielbeobachtungen [. . .] jene den Spielverlauf und den Spielausgang mitbestimmende Strukturen erhellen “.
Die Spielbeobachtung als Mittel zur Erhebung fixierter Erkenntnisse aus dem Sportspiel er- lebte einen weiteren „Boom“ in den 1990er Jahren (u.a. Hein, 1993, 1995, 1999; Hossner & Roth, 1997; Lames, 1991, 1994, 1999; Remmert & Steinhöfer, 1998). Dennoch sind im inter- nationalen Vergleich nur wenige Beiträge zum Thema Spielbeobachtung im Fußballsport er- schienen. Indes fehlten die qualitativ fundierten Implementierungsvorschläge in und um das Sportspiel. Eine Erklärung für diese Entwicklung liefert Hansen (2003, S. 127): „ Dies k ö nnte u.a. damit zusammenh ä ngen, dass Analysen zur individuellen Betreuung eines Trainings- und Wettkampfprozesses nur von geringem allgemeinem Interesse sind. “ Zudem stellt Hansen als Hauptproblem einer funktionierenden Zusammenarbeit von Trainer und Beobachter den personellen und finanziellen Aufwand heraus. Ferner wird von Augustin (1997) die Determinierung bestimmter Parameter und Handlungsgebilde im Sportspiel postuliert, um einer tiefgreifenden Spielbeobachtung gerecht zu werden. Das Fußballspiel kann dabei beispielsweise als eine Aufeinanderfolge von individualtaktischen Teilhandlungen verstanden werden. Diese Handlungsgebilde stellen eine Basis für sog. Interaktionsketten dar, aus welchen wiederum gruppen- und mannschaftstaktische Handlungen generiert werden können (vgl. Lames, 1994). Die Grundlage des kollektiven Verhaltens im Fußball sind somit individualtaktische Handlungen, welche darüber hinaus durch eine Vielzahl von Teilfunk- tionen oder -fertigkeiten aus unterschiedlichen Klassifikationen geprägt sind. In einer systematischen leistungsdiagnostischen Erhebung dieser Fähigkeiten soll letztendlich eine quantitative und qualitative Identifikation einzelner Fähigkeitsparameter erfolgen.
Um verschiedene Abläufe und Interdependenzen gerade im Ballspiel zu verstehen, ist es wichtig die Struktur des vorzufindenden Sportspiels zu charakterisieren. Für eine genaue Analyse bedarf es einer Erfassung des Zustandes der Spielstruktur. „ Unter einem Zustand ist eine Klasse von ä hnlichen Situationen des Spiels zu verstehen, die sich sinnvoll von anderen Klassen abgrenzen l ä sst. Diese Abgrenzung kann durch spezielle Regelbestimmungen nahe- gelegt werden, oder die Interaktionseinheiten eines Zustands unterscheiden sich durch ihre informellen Handlungsfreir ä ume von den Interaktionseinheiten anderer Zust ä nde “ (Lames, 1994, S. 41) .
Im Fußball wäre eine derartige Situation beispielsweise nach einem erzielten Tor, Ballverlust oder eine Regelwidrigkeit vorzufinden. Hier ist eine klare Abgrenzung vom vorhergehenden Zustand zu verzeichnen. Diese differenzierten Zustände, die das Spiel in seine Inter- aktionsketten aufgliedern, dienen als sinnvolle Hilfsmittel das Sportspiel Fußball in mittlere Analysegebilde zu klassifizieren um als globale Codes für das gesamte Fußballsportspiel zu gelten. Um verschiedene Interaktionsketten, respektive Zustände als Verhaltensmuster im Sportpiel näher kennenzulernen, schlägt Lames (1994) vor, das Spiel modelhaft zu betrachten und die Struktur von Sportspielen in kleine und sinnvolle Interaktionseinheiten aufzugliedern und diese in Interaktionsketten umzuwandeln (Lames 1994). Als Interaktionseinheit wird dabei die Zeit des Eintrittes eines Spielgegenstandes in die Kontrolle eines Spielers und der damit vollzogenen Handlung bis zum Verlassen dieser Kontrolle betrachtet. Die ständige Er- fassung dieser Einheiten ergibt verschiedene Interaktionsketten, die das Sportspiel charak- terisieren. Bezogen auf den Fußball wäre dies z.B. die Ballannahme nach einem Pass, oder das Kopfballduell nach eine Flanke, der Zweikampf nach einem Ballverlust usw. Um eine ge- nannte Interaktionskette fortzuführen, würde beispielsweise ein Dribbling nach Annahme des Passes mit einer erfolgreichen Schussaktion oder eine Balleroberung nach einem Kopf- ballduell folgen. Diese Interaktionsketten zu erfassen und ex post in die qualitative Analyse eines Sportspiels zu integrieren, bedarf jedoch einer genauen Spielbeobachtung nach vorher festgelegten Merkmalen, bei der die Ziele a priori detailliert erläutert werden müssen. Denn Fußball in seinen Zusammenhängen kann man als Abfolge von Spielzügen verstehen (vgl. Lames, 1994) . Auf dieser Basis können auch Aussagen zur Effektivität von Spielhandlungen getroffen und Taktikschemata generiert werden.
Durch die heutige computergestützte Videoanalyse3 sowie der Möglichkeit sämtlich Inter- aktionseinheiten im Sinne von Datenkonstrukten und Statistiken rund um das eigene und gegnerische Spiel zu erheben, wird dem Trainer und Analysten nun die Möglichkeit gegeben, schneller und umfangreicher zu analysieren und eigene Taktikmuster sowie Spielvor- und -nachbereitungserkenntnisse zu generieren. Als Meilenstein in der Entwicklung der Spiel- analyse kann zweifelsohne die Zusammenarbeit der DFL mit dem Datenanalyselieferanten IMPIRE AG 4 , eine Tochterfirma von Cairos Technologie, genannt werden. Die Firma IMPIRE AG hat die Ausschreibung der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH zur Generierung der offiziellen Spieldaten der Fußball Bundesliga und 2. Bundesliga ab der Saison 2011/12 für sich entscheiden können und beliefert seitdem die Vereine der ersten beiden deutschen Profi- ligen mit Statistiken ihres Spiels und des Spiels der Gegner. Neben der eigenen subjektiven Spielbeobachtung, erfolgt hier ein genaues Festhalten dieser Interaktionsketten auch von ebd. Datenanalyselieferanten wie der Firma IMPIRE AG. Wo früher Spielstatistiken lediglich für Printmedien generiert wurden, werden seit der Zusammenarbeit der DFL mit dem eben genannten Datenerlieferant quantitativ fremdgenerierte Daten aller Spieler der ersten beiden Profiligen in Deutschland erhoben und den Vereinen ex post für eine quantitative Spielanalyse bereitgestellt. Jedoch kann hier kein wissenschaftlich fundierter und theoriegeleiteter Vorschlag einer qualitativen Datenauswertung verzeichnet werden. Verschiedene Forschungsarbeiten in anderen Sportspielbereichen hinsichtlich einer qualitativen Nutzung und Verwertung von Spielanalyseerkenntnissen, wie die von Hansen und Lames (2001)5, Hansen (2003)6 sowie von Dreckmann und Görsdorf (2009)7 können hier jedoch stellvertretend für eine erfolgreiche Implementierung unter der für die entsprechenden Spielsportarten typischen Rahmenbedingungen genannt werden. Aufgrund anderer Spielstruktur-, Kontext- und Umweltbedingungen, welche die „beliebteste Volkssportart“ in Deutschland charakterisieren, ist jedoch eine einfache Transformation dieser Forschungsansätze in das Sportspiel Fußball nicht gänzlich möglich. Diese hier erwähnten Ansätze sollen in dieser Forschungsarbeit nur beispielhaft für eine erfolgreiche Umsetzung erwähnt werden, um Anregungen für kommende Forschung hinsichtlich dieser Thematik zu schaffen.
1.2 Zentrale Frage- und Problemstellung
Die Aufgabe des Trainerstabs, der Videoanalysten und/oder der Scoutingabteilung ist es, diese quantitativ erhobenen Datengebilde in und durch einen iterativen Prozess zu bündeln, um eine Vorstrukturierung für die qualitative Spielanalyse vorzunehmen, welche als Grundlage für eine effektive Trainings- Wettkampf- Kopplung dient. Denn genau diese Kopplung von Training und Wettkampf gelingt nur über das Eruieren von Informationen aus der Rekonstruktion und Interpretation von Datenmaterial. Dieses Kernelement des qualitativen Paradigmas, ergo der interpretativen Veredelung von Informationsmustern, entspricht dem „Bauchgefühl“ der Praxisexperten im Vorgehen bei der Gegner- und Eigenanalyse, welches durch ein Gros an Erfahrung und jahrelangem Erkenntniswissen entstanden ist. Diesem Anspruch können quantitative Analysen nicht gerecht werden.
Betrachtet man die Wertschöpfungskette von der Erhebung, über die Archivierung, Veredlung bis hin zur Vermittlung, ist festzustellen, dass diese Bereiche in den Vereinen bislang nicht komplett durchdacht oder umgesetzt werden. Der sogenannten „ gläserne Spieler “ wie ihn Inauguraldissetation, Augsburg.
zahlreiche Medienbeiträge postuliert haben, existiert mithin nicht. Er ist eher ein Blackbox - System, an das Informationen gegeben werden und ein Spielverhalten zu beobachten ist. Im Sportspiel Fußball blieben die qualitativ fundierten, theoriegeleiteten Verarbeitungsprozesse und Interpretationsprozesse von Stärken, Schwächen, Charaktereigenschaften sowie Fähigund Fertigkeiten eines Spielers, wissenschaftlich gesehen, weitestgehend im Dunkeln, weil es bislang nicht Fokus des Interesses war. Aber genau darauf kommt es an, denn nur so kann eine effektive Kopplung von Training und Wettkampf gelingen.
Es stellen sich beispielsweise die Fragen, welche fremdgenerierten Daten genutzt werden, um das eigene Team auf den kommenden Gegner oder bestimmte Spieler auf ihre Antagonisten vorzubereiten. Wie werden die erhobenen Daten vom Trainer und seinem Team gebündelt? Auf welcher Art und Weise wird er der Aufgabe der optimalen Nutzung trotz zeitlicher Eng- pässe gerecht? Ist die Form der Videoanalyse als Informationsvermittlung, eine Einstellungs- veränderung gegenüber einem nicht gewünschten Verhalten bzw. eine Stabilisierung bei ge- wünschten Verhalten zu veranlassen? Ist der heutige Trainer überhaupt noch ausreichend aus- gebildet, hinsichtlich einer gut strukturierten Video- und Datenanalyse oder wäre es ratsam speziell für diesen Bereich ausgebildete Analysten zu rekrutieren? Wo liegen dabei die Prob- leme?
Aufgrund meiner Erfahrungen im Bereich der Video- und Datenanalyse sowie der Gewinnung von Erkenntnissen aus jahrelanger Arbeit im Bereich der Spielbeobachtung, soll es Moti- vation sowie Ziel dieser Arbeit sein, die Entwicklung von der subjektiven Eindrucksanalyse hin zur qualitativen Spielbeobachtung im Sportspiel Fußball darzustellen, um anschließend Implementierungsmuster dieser Beobachtungs- und Analyseform anhand von Trainer- interviews aufzuzeigen. Ferner sollen anhand von Experteninterviews vor allem unter- schiedliche Probleme und Potenziale bei der Handhabungen von Spielanalyseerkenntnissen der Trainer hinsichtlich einer Trainings- Wettkampfkopplung sowie der agonalen Vor- bereitung der Mannschaft mit Paradigmen der qualitativen Spielbeobachtung im Fußball re- flektiert werden. Überdies soll insbesondere die Wege der Datennutzung bis hin zur - veredelung vom Trainerstab beleuchtet werden. Hierbei soll nicht im Sinne „Was gibt es alles?“ sondern vielmehr das Verständnis, wie die Technologie in Bundesligavereinen eingesetzt und verarbeitet wird, dargestellt werden. Welche Parameter sind für eine Spielbeobachtung sowie Spielvor- und -nachbreitung aus Sicht der Vereinsprotagonisten am wichtigsten, welche eher untergeordnet, auf welche kann verzichtet werden? Das Kernproblem des Iterationsprozesses zwischen dem Trainer und seinen die Spielbeobachtung bzw. -analyse betreffenden Stakeholdern, soll ein weiterer Fokus sein. Zu diesem Komplex gehört auch das Problem, das u.a. durch die Integration von externen Spielbeobachtern bzw.
Videoanalysten in ein soziales System des Sportspiels ein damit verbundenes fehlendes Vertrauensverhältnis (Luhmann, 1997) entsteht und durch mehrere Spannungsfelder charakterisiert ist.
Diese Forschungsarbeit soll als Grundlage eines Modelles einer gezielteren Datenanalyse und qualitativen Spielanalyse zur Unterstützung des Trainerstabes verstanden werden, um Wege zur gut strukturierten Eingrenzung und optimalen Nutzung der aktuell vorherrschende „Datenflut“ zu erforschen. Ferner soll die vorliegende Arbeit eine Basis für kommende Im- plementierungen der QSB im Sportspiel Fußball hinsichtlich eines Rahmens weiterer Forschungsarbeiten darstellen. Zusammenfassen stellen sich die für diese Forschungsarbeit relevanten Fragen:
1. Wie werden die Daten aus verschiedensten Managementinformationssystemen und den Trainerexpertenmeinungen qualitativ zur optimalen Kopplung von Training und Wettkampf im Sinne einer effektiven Spielvor- und Nachbereitung genutzt?
2. Welche konkreten Potenziale einerseits und Probleme andererseits werden mit einer Nutzung der fremderhobenen quantitativen Daten für Vereine, respektive Trainer deutlich?
3. Wie werden Formen der Qualitativen Spielbeobachtung in Form von Videoanalysen eingesetzt und bewertet?
4. Sollte eine Ausbildungsforcierung der Trainer hinsichtlich einer Datennutzung vom DFB vorgenommen werden?
5. Ist eine Entwicklung zukünftiger Arbeitsfelder im Bereich der speziell ausgebildeten Daten- und Videoanalysten zur Entlastung des Trainerstabs zu empfehlen?
1.3 Gliederung der Forschungsarbeit
Im weiteren Verlauf der Arbeit soll zunächst ein allgemeiner Abriss zum Thema Spiel- beobachtung im Sinne von Historie und Begriffserklärungen aufgearbeitet werden. Es werden anfangs Formen und Anwendungsfelder unter besonderer Berücksichtigung des Sportspiels Fußball dargestellt (2.1) um im Anschluss daran Ziele (2.2) sowie Zielgruppen der Spiel- beobachtung (2.3) in diesem Projekt zu erarbeiten, wobei die Person des Trainers eine gesonderte Stellung aufgrund der Fokussierung dieser Arbeit auf diese Subjektgruppe, ein- nehmen soll. Kapitel 2 wird fortgesetzt mit einer Modellierung der Spielbeobachtungsarten. An diese Ausführungen schließt sich in Hinführung auf den Begriff der QSB, eine Erläuterung bereits etablierter Spielbeobachtungverfahren (2.5.), welche über die Subjektiven Eindrucks- analyse, das Scouting bis hin zur Systematischen Spielbeobachtung die Grundlage für die in Kapitel 3. und 4. behandelte QSB bilden.
Kapitel 3 erläutert das methodische Vorgehen der QSB im Allgemeinen und geht dabei, das 4. Kapitel vorbereitend, näher auf die Trainings- Wettkampfkopplung ein (3.1.). Daran an- schließend soll beispielhaft ein Abbild der Trainingssteuerung im Sinne einer QSB erläutert werden (3.2.), wobei auf die Wettkampfvorbereitung (3.2.1), die Wettkampflenkung (3.2.2) sowie die Wettkampfnachbereitung für den sozialen Zugang zur QSB eingegangen wird. Der vierte Gliederungspunkt der Arbeit widmet sich daran anknüpfend zunächst der QSB im Speziellen. Hier soll eine Abgrenzung qualitativer ggü. quantitativer Spielbeobachtungs- verfahren (4.1.) sowie eine Gegenüberstellung qualitativer und klassischer Gütekriterien statt- finden (4.2.). Abrundend daran wird beispielhaft ein Exkurs hinsichtlich bereits imple- mentierter mithin erfolgreicher Forschungen im Sinne der QSB in anderen Sportarten illus- triert (4.3.), wobei auf die Arbeiten von Hansen (2003) (4.3.1) und Dreckmann & Görsdorf (2009) (4.3.2.) eingegangen werden soll.
Der Methodikteil (5.) soll das Forschungsdesign der qualitativ- halbstrukturierten Experteninterviews näher bringen (5.1.). Dies vertiefend soll die Interviewplanung und -situation hinsichtlich auftretender Probleme, Vorhaben und Umsetzung vorgestellt werden (5.2.), um daran anschließend den Leitfaden (5.3.) und die Auswahl der Experten (5.4.) vorzustellen. Abgeschlossen wird das Kapitel zur Methode der Erhebung von Experteninterviews mit einer detaillierten Erläuterung zum Interviewauswertungsverfahren (5.5.).
Die einzelnen Kategorien der Interviewantworten werden subsummierend im Ergebnisteil (6.) nacheinander dargelegt (6.1. - 6.5.) sowie kritisch hinterfragt und entsprechend der Zielstellungen dieser Forschungsarbeit zueinander geführt.
Im 7. Kapitel der Arbeit werden die Erkenntnisse zusammengefasst. Dabei soll eine kritische Würdigung dieser wissenschaftlichen Arbeit vollzogen sowie ein Ausblick in die Entwicklungsfelder der Spielbeobachtung gewagt werden.
Es schließt sich das Literaturverzeichnis und der Anhang an. Letzterer wurde aufgrund der umfangreichen qualitativen Interviews auf einer beiliegenden Daten-DVD fixiert.
2 Allgemeine Begriffserklärung und Historie
Folgendes Kapitel soll eine Einleitung in die Begriffe, die Entwicklung und Zusammenhängen der Spielbeobachtung geben. Hierbei soll vor allem auf die Termini hinsichtlich des Sportspiels Fußball eingegangen werden.
Sportwissenschaftlich gesehen, konnte man im Laufe der letzten Jahre immer wieder neue diagnostische Verfahren zur analytischen Bewertung von Fußballspielen feststellen. Ziel dieser Analysen ist es, Ergebnisse und Rückschlüsse von Trainingsmaßnahmen und -inhalten zu bilanzieren und damit gegebenenfalls eine Erleichterung der Trainingssteuerung sowie - planung und -diagnostik mit Blick auf Selektions- und Vorbereitungsentscheidungen vor Wettkämpfen herbeizuführen (vgl. Winkler 1985).
Mit der Aussicht auf eine gezielte Steuerung des Trainings sowie einer Optimierung von sportmotorischen Bewegungsabläufen, wurden immer wieder Untersuchungen, vor allem im Bereich der trainingswissenschaftlichen und sportmotorischen Test in vergangener Zeit vor- genommen. Doch Sport- und Mannschaftsspiele stellen aufgrund ihrer Kompliziertheit und komplexen Ausreifung ggü. Individualsportarten, bei denen anhand von eben genannten Test gute Ergebnisse sowie Fortschritte erreicht werden konnten, Sportwissenschaftler und Leistungsdiagnostiker vor größere Probleme. Aufgrund dieser Tatsache proklamieren Winkler und Freibichler (1991), ergänzend zu sportmotorischen Tests, eine Systematische Spiel- und Wettkampfanalyse vorzunehmen. Denn, um eine vollständige Beurteilung und Evaluation des gemessenen Leistungsvermögens eines Spieler, eines Spiels oder einer Mannschaft zu generieren, müssen möglichst alle Beobachtungscharakteristika in Betracht gezogen werden. Dieses Kapitel soll einen Überblick im Bezug auf die Spielbeobachtung darlegen. Hier wird anfänglich auf Formen und Anwendungen im Verständnis einer historischen Entwicklung er- läutert werden, um anschließend Ziele, Zielgruppen sowie Verfahren und Methoden der Spielbeobachtung darzustellen.
2.1 Formen und Anwendungsfelder der Spielanalyse unter besonderer Berücksichtigung des Sportspiels Fußball
Fußball als Sport des Volkes sollte schon immer eine hohe Interessenbekundung erfahren. Vor allem die fußballspezifische Forschung und Veröffentlichungsaktivitäten haben in den letzten drei Jahrzehnten ein enormes Wachstum genossen. Dass diese leistungsdiagnostischen Entwicklungen und Erkenntnisse keine früheren Entwicklungstendenzen fanden, ist vor allem der komplexeren Struktur von Kollektivsportarten gegenüber Individualsportarten geschuldet.
Abgesehen von der Empirie psychologischer Aspekte, wie Torwart- und Spielerverhalten bei Elfmetersituationen (vgl. Kuhn 1985) oder der Forschung im Bezug auf anthropometrische Profile oder physisch- somatischen Vorbereitungen (vgl. Reilley & Gilbournbe 2003), oder auch der Beurteilung und Erforschung von kommunikativen oder hierarchischen Strukturen innerhalb einer Mannschaft (vgl. Rutemöller 1994, bei der WM 1994 in den USA), hat sich vor allem aber die Untersuchung des Spiels in Verbindung mit einer Erhöhung des Erkenntnisstands der Methoden von Spielbeobachtungen bedeutend entwickelt und wird auch zukünftig eine große Herausforderung für die Sportwissenschaft darstellen.
Gerade die Analyse der großen Turniere, wie Welt- oder Kontinentalmeisterschaften sowie bedeutende, imposante Spiele in niveaureichen Spitzenwettbewerben von herausragenden Vereinsmannschaften, boten schnell eine interessante Plattform zur Untersuchung technisch- taktischen Verhaltens differierender Bereiche. Hier waren in erster Linie Journalisten, allen voran Ponsoy (1974), welcher das Endspiel der Weltmeisterschaft 1974 analysierte, Vorreiter einer ersten Spielbeobachtung und Erfassung bestimmter Daten. Anhand vorgefertigter Beobachtungsbögen registrierte er mittels schriftlich gebundener Beobachtung sowohl Daten wie Ballbesitz der angreifenden Mannschaft, Ballkontakte der jeweiligen Spielhauptakteure der Mannschaften (Beckenbauer/Cruyff), als auch Flanken, Diagonalpässe, Eckbälle oder Torschüsse. Gleichermaßen fand die Entwicklung der Spielbeobachtung auch in Deutschland durch Journalisten einen Einzug. Hier waren es Kelber und Setzepfand (1973), Journalisten im Bereich des Sports, welche eine Leistungsgegenüberstellung der beiden führenden Mann- schaften in der Bundesliga zur Saison 1973/74 durchführen wollten, in dem sie die Spiele der Hin- und Rückrunde heranzogen und ausschlaggebende Aktionen der beiden Konkurrenten, wie Schüsse, Flanken, Zweikämpfe, Fouls und Aktionen im Angriff, fixierten (vgl. Kuhn & Maier 1978). Ferner ging Bisanz (1986) mit seinen Beschreibungen zur Weltmeisterschaft 1986 in Mexiko genauer auf verschiedenste Offensivaktionen der Mannschaften ein und gab so eine weitere grobe spielanalytische Schilderung seiner Eindrücke dieses Turniers.
Tiegel (1973) versuchte abweichend von bisherigen Untersuchungen vom Spiel und Spielern im 11 gegen 11 kleingruppentaktische Analysen und technische Leistungen zu erheben, indem er seine Forschung in einem 3 gegen 2 Spiel auf einem 12 x 12 m kleinem Feld anhand von Videoaufnahmen und anschließender Bewertung von Experten vollzog. Die Messung und Evaluierung von Dribblings, Pässen und dem Stellungsspiel in Verbindung mit dreistufigen Qualitätstheorien stellte er dabei in den Vordergrund.
Erste Versuche - und somit erste Ansätze einer interpretativen QSB - ein Stärken- Schwächen- Profil anhand von Scoutingreports auf Grundlage exakter Daten zu eruieren, schlugen Kuhn und Maier (1975) vor. Für eine Anwendung empfohlen die Autoren zwei Verfahren. Sie bedienten sich einer graphisch gebundenen Untersuchung, die die Erfassung von Schüssen auf das Tor anhand einer Spielfeldskizze beleuchtete, und einer schriftlich gebundenen Beobachtungsvariante, welche die Ausgänge der Angriffsaktionen der Mannschaften erfassen sollte. Bei ersterer notierte man mit Symbolen, zu welchem Zeitpunkt und an welcher Stelle des Spielfeldes der Schütze den Schuss abgab, wie der Schuss, ob mit Kopf oder mit Fuß, vollzogen wurde und ob der Schuss das Tor traf (hierbei erfolgte eine weitere Unterteilung, ob es zum Torerfolg kam oder nicht) oder ob er dies verfehlte. Diese erhobenen Daten konnten einfach und schnell aus der Skizze entnommen und in Tabellen überführt werden. Zudem gab es informationsreiche Erkenntnisse über Verteilung der Schussverhältnisse und -positionen. Das zweite, etwas komplexere Verfahren der schriftlich- gebundenen Registrierung von Angriffsaktionen, welche der Charakterisierung von Spielsituationen diente, lieferte weitaus detailreichere Informationen. Es wurden zwei identisch aufgebaute Bögen für Verteidigungs- akteure und Angriffsspieler entworfen, welche einleitend mit Merkmalen der Konstitution und Spielerhistorie, des Spielertyps und seines Verhaltens gekennzeichnet waren. Dabei wurden ergänzend zur Erfassung der Torschüsse auch individuelles Fehlverhalten, wie verlorene Zweikämpfe, Annahme- und Mitnahmefehler, Abwehrverhalten, Angriffsverhalten, Freistoß- und Eckballsituationen, Regelwidrigkeiten und Situationen, welche indirekt mit dem Spiel- geschehen in Interaktion stehen, wie beispielsweise Halbzeitpause, Spielunterbrechungen durch Verletzungen und Wechsel, Platzverweise, Abbruch und Schlusspfiff, erfasst und teil- weise weiter differenziert. Ferner wurde die zu observierende Mannschaft sowie der Gegner nach den Stärken und Schwächen charakterisiert und Unterschiede zwischen beiden Halb- zeiten festgehalten. Auch hier wurden die Ausgänge anhand von Symbolen erfasst.
Jaschock (1976) entwickelte eine andere Untersuchungsart der Sportspielbeobachtung im Fußball. Sein Ziel war es dabei objektive Messverfahren zur Leistungsdiagnostik, wie Lauf- leistung eines Akteurs in verschiedenen Klassen bis hin zur Bundesliga und in Verbindung mit einer Weltmeisterschaft (1974) auszuarbeiten und zu testen. Im Einzelnen ging es dabei um die Messung der Laufleistung und der technischen Fertigkeiten eines Spielers. Um diese Daten zu generieren, wurde das zu beobachtende Spielfeld in mehrere Zonen segmentiert sowie mehrere Beobachter rekrutiert, welche die gelaufenen Wege des Spielers in einer Art Skizze in die darauf befindenden Zonen zeichneten. Diese zu erarbeitenden Skizzenblätter wurden meist in einem Zeitraum von ca. 5 min ausgetauscht, um einen Verlust der Übersicht- lichkeit zu vermeiden.
Auf Basis dieser Skizzen konnte anschließend die Laufleistung errechnet und in Säulen- diagramme und Prozentsätze überführt und zur Beschreibung der räumlichen Aktionsverteilungen in die entsprechenden Zonen eingetragen werden. Weiterhin schlug Jaschock (1976) vor, eine Registrierung der Passqualität und -quantität zur objektiven Bewertung von technischen Fähigkeiten vorzunehmen. Hierbei wurde zwischen drei Varianten unterschieden: erfolgreicher Pass, teilerfolgreicher Pass oder erfolgloser Pass. Daraus konnte aufbauend ein Erfolgsquotient zur Passfähigkeit errechnet werden, indem die Zahl der Erfolgspässe quadriert und anschließend durch den Quotienten der Gesamtzahl aller Pässe geteilt wurde. Die Berücksichtigung eines teilerfolgreichen Pass blieb bis dahin jedoch unreflektiert. Weiterhin versuchte man eine Beeinflussung der konditionellen Fähigkeiten auf die Technikleistung zu erkennen und herauszuarbeiten, in dem man die Spielzeit in verschiedene Teilzeiten zerlegte und für jede anschließend den Passerfolgsquotienten ermittelte.
Auch Lehner (1976) stellte aufbauend darauf zwei Beobachtungsverfahren, unterschieden in individual- technisch und kollektiv- taktisch, vor. Hier sollten Angriffsaktionen differenziert in einem spielspezifischen Stenogramm, verbunden mit einer graphischen Aufzeichnung registriert werden. Dabei wurden alle Interaktionen der Akteure in den jeweiligen Angriffsaktionen hinsichtlich des Spielers, ihrer Art, ihrer Dauer und ihrer Qualität in ebd. Stenogramm erfasst. Für eine direkte aktive Beobachtung benutzte der Autor definierte Symbole um schnellstmöglich verschiedenste Aktionen zu generieren. Mit Hilfe dieses Spielstenogramms werden alle Interaktionen während eines Angriffs mit Angabe der beteiligten Spieler, der Art und der Qualität der Aktion registriert. Zur Vereinfachung wurde ferner die Spielerhebung in 18 verschiedene Spielabschnitte á 5 min unterteilt.
Die damit verbundene graphische Aufzeichnung sollte den Ballweg in einer groben Spielfeld- skizze registrieren. Hierbei wurde nicht nur der Ballweg von der zu beobachtenden Mann- schaft, sondern auch der des Kontrahenten erfasst und eingezeichnet. Auch hier wurden vom Spielbeobachtungsautor schlussendlich Tabellen, welche Erkenntnisse über die Spielhand- lungen aus den jeweiligen 18 verschiedenen Zeitsegmenten geben sollten, erstellt und zusammengefasst.
Winkler (1985) widmete sich im Zuge einer Untersuchung dem UEFA - Cup- Spiel zwischen dem Hamburger SV und Inter Mailand. Er analysierte dabei verschiedene Belastungen, welchen Spieler auf Spitzenniveau ausgesetzt sind. Aufbauend auf dem Paradigma der Systematischen Spielbeobachtung mittels Videoaufnahme, geht der Autor zudem auch auf taktische Faktoren wie Spielsysteme, dem Spiel über die Flügel der Mannschaften oder Deckungs- und Verteidigungsstrategien ein. Somit wurden erste Ansätze einer QSB vor- genommen.
Aufgrund der auf die Methode der QSB fokussierten Arbeit, soll folgend auf weitere Forschungen und Ausarbeitungen eingegangen werden, die sich dieser Thematik widmeten8. Um Hypothesen im Hinblick auf taktisches Verhalten im Spiel zu eruieren, versuchten Bremer, Schneider & Staudt (1987) spezifische Situationen im Spiel zu interpretieren und diese mit Erfolg bzw. Misserfolg zu bewerten. Der Fokus lag dabei auf der Ausarbeitung einer „zukünftigen Spielauffassung“(Bremer et al. 1987, S. 5).
Laut Pemeyer (1989, S. 52), der sich einer interpretierender Untersuchung der Eckstoß- ausführungen während der Fußballballweltmeisterschaft in Mexiko 1986 widmete, ist die QSB „ ein Instrument zur Untersuchung, Beschreibung und Analyse sportpraktischer Bereiche “. Der Autor versucht dabei eine Kopplung zwischen Training und Praxis zu produzieren, analysiert unter dem Ansatz der nicht- teilnehmenden Beobachtung, lässt jedoch eine fundiert beschriebene Methodologie im Bezug auf die die qualitative Analyse von Wechselwirkungen im Sportspiel vermissen.
Aufbauend darauf versteht Hein (1993) eine qualitative Methodologie von Spiel- beobachtungsdaten als Äquivalent zu quantitativen Methoden und postuliert eine Kombination beider Paradigmen. Die Herausarbeitung von Stärken und Schwächen ist seiner Meinung nach erst dann möglich, wenn eine Generierung einer gemeinsamen Basis von theoretischen, handlungsanweisenden Aspekten und taktischen, situationsbedingten Umständen gegeben ist.
Auch Fröhner (1995b) unternimmt den Versuch einer QSB, indem er einzelne Spielszenen herausarbeitet, dokumentiert, interpretiert und analysiert. Ähnlich wie bei Hein ist eine fundiert beschriebene Methodologie seiner Arbeitsweise nicht zu erkennen. Eine größere Bedeutung der videogestützten Spielanalyse wurde durch das Interaktive Video- system (IVS) von Freibichler und Steiner (1983) geschaffen. Beide Forscher stellten mit dem IVS ein apparatives Instrument vor, welches hinsichtlich einer Analyse und Verknüpfung von Training, Wettkampf und Ausbildung zum Tragen gebracht wurde. Diese Entwicklung konnte dem Trainer einer Mannschaft beispielsweise bei der Analyse von Fehlern, zur Generierung von Sofort- und Spätinformationen sowie bei der eigenen Beobachtung und anschließender adaptiven Führung unterstützen. Diese im Vergleich zu früheren Beobachtungssystemen, technologisch ausgereiftere Videorecorder- Computer- Kopplung, funktioniert vor allem öko- nomischer im Sinne einer zusätzlichen Personalgenerierungsvermeidung. Durch den Prozess des IVS wurde eine für den Trainerstab schnellere, über den Computer und die Video- schnittstelle gesteuerte, Szenenakquise realisierbar. Beobachtungsdaten konnten fortan visualisiert werden. Reale Bilder und Videoszenen ersetzten Strichlisten und Beobachtungs- bögen für kommende Gegneranalysen. Die Umstellung von analogem zu digitalem Video stellt eine hohe Innovation zu diesem Zeitpunkt dar, da aufgrund dieses Fortschritt lästiges Spulen durch Szenensprünge ersetzt wurde. Zudem schlug Ferger (1997) im Sinne einer Ver- besserung der individuellen Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung, eine Fokussierung auf videobasierte Analysen vor. Es sollte vermehrt Wert auf eine in Kategorien zusammenfassende Protokollierung des Trainings gelegt werden, um so eine möglichst individuelle Trainingsüberwachung zu gewährleisten. Der Autor zielte mit dieser Methode auf die Beseitigung des Grabens der Wirkungszusammenhänge zwischen individuellen Leistungsdaten und a priori absolvierten Trainingsbelastungen ab. Hier sollte erstmals eine Abstimmung der individuellen Trainingsformentwicklungen im Vergleich mit verschiedenen Belastungen propagiert werden, um demnach auch, wenn notwendig, in den laufenden Trainingsprozess einzugreifen. Dieser Ansatz diente Kollath und Kaiser (1997) als Grundlage zur Technikanalyse mittels Videodigitalisierung. Beide Autoren forderten jedoch auf, Modelle zu schaffen, die sowohl mechanische als auch biologische Konditionen sportlicher Bewegungsaktionen berücksichtigen, um somit die bisherigen theoretischen Grundlagen zu lancieren.
Erste Entwicklungsschritte im Sinne der QSB unternimmt Lames (1991, 1994) in seinen Überlegungen. Bei ebd. nicht nur eine Unterteilung der Spielbeobachtungsverfahren zu verzeichnen, sondern auch eine deutliche Auseinandersetzung mit den Grenzen der Systematischen Spielbeobachtung.
Augustin (1998) stellt eine mehrmonatige Forschung einer subjektiven, fußballspezifischen Beobachtungsmethode vor. Der Autor verwendet in einer späteren Forschungsarbeit die Be- zeichnung der QSB (vgl. Augustin 2000), meint jedoch eine qualitative Beschreibung differenzierter Aspekte eines Fußballspiels. Hierbei konzentriert sich der Autor bei seiner Analyse auf die Anwendung eines Expertensystems anhand von Beobachtungen welt- führender Fußballmannschaften. In späterer Kooperation mit dem damaligen Zweitligaverein FSV Mainz 05 gab es die Möglichkeit eben genanntes Expertensystem praktisch umzusetzen. Zwangsläufig sollte dieser Vorstoß der QSB an Grenzen des Reglements der Gütekriterien stoßen, könnte jedoch nach Augustin (2000) durch eine Adaption an die Regeln der quanti- tativen Erhebungsmethoden eine Chance in ihrer Entwicklung erhalten.
Augustin (1998) widmet sind verschiedener taktischer Handlungs- und Spielweisen und untersucht beispielsweise die Einhaltung einer taktischen Angriffsstrategie oder die risiko- reiche, beziehungsweise risikoarme Interpretation der eigenen Spielweise. Der Wettkampf wird aufgezeichnet und ex post den Spielern anhand von Videoschnitten präsentiert. Hansen (2003, S. 129) folgert daraus, dass „ eine Zergliederung des Analyseprozesses mittels Computer- Video- Kopplung erfolgt. Eine Evaluation der Intervention wird auf Basis der Um- setzung der angesteuerten strategischen Spielweise sowie des sportlichen Erfolges im Prä - und Postvergleich erbracht. “ Ferner ist der Autor der Meinung, dass Augustins Ansatz als leistungsdiagnostischer Vorschlag der QSB „ eines der wenigen funktionierenden (und doku- mentierten) Modelle der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftler und Trainer [darstellt], [der] vor allem auf der F ä higkeit beruht, sich auf die Bedingungen des Feldes einzustellen “ (Hansen 2003, S. 129).
Brand, Eicken & Mietling (1999) versuchen in ihrer Forschungsarbeit eine Verknüpfung von Ergebnissen systematischer Spielbeobachtungen mit expertenbasierenden Aussagen zu er- arbeiten. Dies soll eine Rekonstruktion subjektiver Expertenmeinungen generieren. Dabei be- dienten sie sich verschiedener Elemente, wie der Beobachtungen eines Trainers vom Spiel- geschehen und seiner Mannschaft, halbstandardisierten Interviews hinsichtlich Strategie und Taktik mit den Stakeholdern vor dem Spiel sowie einem kritisch interpretierenden Video- Selbstkonfrontations- Interview zur Aufarbeitung nach dem Spiel. Eine Beschreibung der inhaltsanalytischen Auswertung fehlt auch in dieser Ausarbeitung und stellt jedoch fest, dass eine Abbildung und Rekonstruktion von subjektiven Meinungsäußerungen der Experten gewährleistet werden kann.
Winkler (2000, S. 69) schlägt gleichermaßen eine Erklärung zur QSB vor, welche jedoch nicht dem qualitativen Paradigma entsprechen kann. Er versteht unter einer QSB „ sowohl die Analyse von Spielszenen hinsichtlich der Güte von Handlungen, des Verhaltens und Könnens einzelner Spieler als auch die Analyse der Spielstruktur einer Mannschaft “. Eine Suche optimaler Vermittlungsstrategien der taktischen Analysekonstrukte aus Ergeb- nissen der Beobachtung bleibt bei Winkler (2000) jedoch erfolglos. Es fehlt dem Autor an einer Erarbeitung einer Methode zur optimalen Kommunikation zwischen den Beteiligten im Sportspiel.
Hansen & Lames (2001) konnten in ihrer Forschung dagegen das Spielgeschehen aus dem Blickwinkel der direkt beteiligten Stakeholder hinsichtlich einer Entwicklung qualitativer Spielbeobachtungen untersuchen und rekonstruieren. Dabei ist festzuhalten, dass die von Hansen & Lames (2001) entwickelten methodologischen Ansätze einer QSB der Hypothese einer effektiven Trainings- Wettkampf- Kopplung entsprechen. Beide Autoren bedienten sich eines Mixes aus Fragmenten der Evaluationsforschung (Guba & Lincoln, 1989) in Ver- bindung mit einer Inhaltsanalyse (Mayring, 2000b). Hansen (2003) konnte diese erarbeiteten Ansätze später in einer Forschung rund um eine andere Spielsportart implementieren, welche eine nachzuvollziehende Kopplung von Training und Wettkampf erfolgreich gewährleisten kann. Vor allem neue wissenschaftliche Erkenntnisse im Bereich des Coachings konnten hier erfolgreich gesammelt und erarbeitet werden, um eine detaillierte Wettkampfvorbereitung, - durchführung und -nachbereitung nachvollziehen zu können. Zudem nutzte er die Entwicklungen des IVS intensiv. Ihm gelang es durch MPEG 9 - Codierungen einen zusätzlichen innovativ- technischen Vorsprung durch das Speichern von Videosequenzen in dafür vorgesehen Datenbanken zu etablieren.
Neben den vielen Vorteilen eines qualitativ- interpretativen Zugangs ergeben sich jedoch auch Probleme. Hansen (2003) schlägt aufgrund von auftretenden Problemen des qualitativ- inter- pretativen Musters, eine eigene Validierungsmethode vor. Hier sollen vor allem Konstrukte wie der praktischen Nutzen der Spielbeobachtung für Trainer und Spieler sowie die Untersuchungsökonomie betrachtet und herausgehoben werden. Jedoch ist auch die fehlende Erörterung einer optimalen Vermittlung von Analyseergebnissen bei Hansen zu kritisieren. Als dazu optionale und dennoch hinsichtlich der QSB fundierende Methode, kann hier die von Beetz, M., Kirchlechner, B., & Lames, M. (2005) entwickelte physiologische Spiel- beobachtung dienen. Nach de IVS - Ansatz basiert sie auf der Idee einer Verknüpfung eines Videotrackingsystems mit der Erhebung von physiologischen Daten in Echtzeit und offline und der daraus entstehenden Datenanalyse eines Spiel per Computer- Videosystem. Dieses System soll eine quantitative beobachtende Möglichkeit einer Erhebung von Interaktionen der Athleten, Aktionen einzelner Spieler und deren Fertigkeiten geben, um daraus interpretativ, qualitativ ganze Teamstärken und- Schwächen zu erkennen.
In dieser Forschung der Autoren werden u.a. Laufwege, Laufgeschwindigkeiten, Lauf- distanzen, Ballpositionsdaten wie beispielsweise Zweikampf-, Pass- oder Schusswerte der Athleten während des Wettkampfes bestimmt. Mit diesem Ansatz wird das Ziel verfolgt, ein ganzheitliches Spielerprofil zu erarbeiten, um eine individualisierte Trainingsgestaltung aber auch kollektive Spielvor- und -nachbereitung zu ermöglichen. Die Autoren schafften mit diesem erarbeiteten System einen wirklichen Innovationswert im Hinblick auf die Ent- wicklung der Spielanalyse.
Aufbauend darauf entwickelte die Intelligent Autonomous System Group der Technischen Universität München um Beetz, M., Bandouch, J., Gedikli, S., von Hoyningen-Huene, N., Kirchlechner, B., & Maldonado, A. (2006) eine Software zur Interpretation und Analyse von Fußballspielen basierend auf Videostreams der TV-Gesellschaften. Dieses an der TU- München entwickelte Computersystem Caesar 10 soll Trainern oder Sportjournalisten künftig die Analyse eines Fußballspiels erleichtern. Caesar analysiert bereits während des Spiels den Verlauf, nimmt Bewertungen über die Taktik vor und produziert simultan Spielerprofile. Ferner soll diese Software die wissenschaftliche Bearbeitung von Fragen hinsichtlich der Charakteristika des Spielstils einer Mannschaft in Offensive und Defensive, der Erarbeitung von Stärken und Schwächen der Teams oder einzelner Akteure, der Analyse von Fähigkeiten eines Spielers, der Erkennung taktischer Formationen beider Mannschaften oder auch Möglichkeiten eines Team zur Erfolgsgenerierung, erleichtern. In Anlehnung an eine von dieser Forschungsgruppe entwickelten simulierenden Liga, RoboCup-League 11, konnte diese Software erfolgreich implementiert werden (Vgl. Beetz, M., Kirchlechner, B., & Fischer, F. , 2004c).
Eben selbe Forschungsgruppe konnte später das Model der ASpoGaMo 12 im Sinne einer sportspielanalysierenden Software und Technik vorstellen. Dieses Modell dient gerade in der heutigen Zeit der Datenvielfalt im Fußballsport als Grundlage für eine quantitative Spiel- analyse vieler Managementinformationssysteme und Datenanalyselieferanten. Seit der Saison 2011/2012, nach Gewinn des von der DFL ausgeschriebenen Wettbewerbs zur Daten- generierung in den deutschen Fußballbundesligen und dem damit verbundenen Erhalt des finanziellen Zuschlags durch die DFL, präsentiert die IMPIRE AG, Tochterfirma von Cairos Technologies AG die offiziellen Spieldaten der ersten und zweiten Fußball Bundesliga. Die Datenerhebung wird live durch ein manuelles Scouting (im Stadion) in Verbindung mit einem automatisierten Spieler- Tracking (VIS.TRACK live) zur Erfassung von Spielaktionen (Ball- kontakte, Schüsse, Zweikämpfe, etc.) und Performancewerten (gelaufene Distanz, Höchst- geschwindigkeit, Anzahl Sprints, etc.) vollzogen.13 Aufgrund dieser „Movement Profiles“14 können im Hinblick auf die Spielanalyse und der damit verbundenen Bereitstellung einer Softwarelösung dadurch für Clubs und Trainer ganz neue Möglichkeiten entstehen.
Zusammenfassend kann also von einer steten Weiterentwicklung der Spielbeobachtungs- möglichkeiten in den letzten 40 Jahren gesprochen werden. Dabei ist folgender Aspekte auffällig:
Die Zielorientierung der Forschungsbemühungen verläuft forciert in Richtung aller Leistungs- faktoren der Sportspielleistung, ergo zu technischen- taktischen und konditionell-physischen Gesichtspunkten. Eine Bandbreite verschiedener Zugänge auf Basis quantitativer Vorstruk- turierungen und mathematische Modellierungen sollen dabei versuchen, möglichst viele Para- meter und Indikatoren zu erheben und zu beleuchten, um diese dann als komplexe Gesamt- spielleistung hinsichtlich einer Systematischen Spielbeobachtung abzuleiten und identifizieren zu können. Hierbei ist jedoch kritisch festzustellen, dass gewissen interindividuellen, dyna- mischen Interaktionen sowie äußeren Bedingungen, welche den Charakter des Sportspiel oft ausmachen und beeinflussen, zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde.
Diese Betrachtungsweise einer Systematischen Spielbeobachtung orientiert sich eher am Trait-Ansatz 15, welcher Ursachen des Verhaltens an festgesetzten Merkmalen bzw. Eigen- schaft der Person an sich ergo des Spielers sieht und interaktionscharakteristische Muster ignoriert. Bei der Analyse im Sinne einer Systematischen Spielbeobachtung werden lediglich prozentuale oder statische Kennziffern erhoben. Hier beschränkt sich die Beschreibung auf Erhebungen und Zahlenwerte im Sinne von physischen und technisch-taktischen Daten, lassen aber Hintergrundinformationen des betrachteten Sportspiels für eine genaue Inter- pretation im anschließenden Diagnose- und Analyseschritt außen vor, um anschließend Hin- weise und Ansätze für eine qualitative Spielvor- und -nachbreitung zu generieren (vgl. Dreckmann & Görsdorf 2009). Zur Veranschaulichung soll folgende Abbildung (Abb. 1) dienen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Datengebilde der Spielanalyse nach IMPIRE. Quelle: Spiegel Online 16
Im Sinne einer interpretativen, ganzheitlichen Analyseform, müssen lt. Dreckmann und Görsdorf (2009), qualitativ- rekonstruktive Methoden der QSB herangezogen werden, um eine Kopplung zwischen Sportspielbeobachtungen und den daraus entstehenden trainings- praktischen Maßnahmen zu gewährleisten. Das Fußballspiel nur mit Hilfe von statistischen Werten und Übergangsmatrizen erklären zu wollen, muss nach Meinung der Autoren ab dem Moment scheitern, sobald eine Betrachtung des Interaktionsprozesses herangezogen wird. Diese multiplen internen und externen Faktoren, welche den Fußball beeinflussen sowie der Zufalls als integrativer Bestandteil des Sportspiels für eine Interpretation und Rekonstruktion der Spielrealität sind elementar wichtig bei dem Versuch Spielbeobachtungserkenntnisse zu generieren.
Grundlegend jedoch muss also darauf hingewiesen werden, dass die sportspieltypischen Be- dingungen in den Analysen nicht missachtet werden dürfen, wobei Ideen und Konzepte17 aus Nachbarwissenschaften hinsichtlich des Sportspiels Fußball entsprechend zu übernehmen und anzupassen sind. Denn gerade Spielerhistorien, taktische Vorgaben, oder auch psychisch- mentale Eigenschaftsketten eines Spielers sind oft maßgeblich beeinflussend, was die spielerische Leistungsfähigkeit betrifft. Kann man hier einen Erfolg verbuchen, so gewinnt die Sportpraxis im Hinblick auf die QSB im Fußball dadurch an bereichernden Erkennt- nisstand. Dies gilt aber nicht nur für die Technikanalyse, sondern gleichermaßen auch für die gesamte Spielbeobachtung.
Ob die Trainer tatsächlich trainingspraktische Erkenntnisse im Sinne einer QSB aus der generierten Datenflut ziehen können und die Interpretation der fremderhobenen Daten auch tatsächlich unter Berücksichtigung der Sportspielkontextinformationen stattfindet, ob Güte- kriterien wie Gültigkeit und Validität der Daten vom Trainer als gegeben gesehen werden oder ob ihr subjektives Analysegut gewinnbringender scheint, diese Lücke versucht die vor- liegende Arbeit zu schließen.
Um näher auf das Grundverständnis der Spielbeobachtung und der späteren Analyse dieser Erkenntnisse einzugehen, soll im Folgenden auf die Ziele einer Spielbeobachtung hingewiesen werden, um anschließende Zielgruppen der Spielbeobachtung im Fußball heraus- zuarbeiten.
2.2 Ziele der Spielbeobachtung
Hohmann (1997) ist der Meinung, dass die Bewegungsanalyse im Sport und von sportlichen Aktivitäten die wichtigste wissenschaftliche Voraussetzung und der grundlegendste Schritt für die Explikation und Auseinandersetzung von Grundmustern und Programmen sowohl in der Praxis als auch in der Theorie des Sports ist. Außerdem vertritt er die Auffassung, dass zur Grundsteinlegung von Zielen bei der Wettkampfdiagnostik, eine Selektion der Bedingungen, de facto eine Analyse des Sportspiels, mit Fokus auf Struktur, Belastung und Weltstand sowie eine Gegneranalyse zählt. Mit dem primären Ziel die mitbestimmenden Strukturen, betreffend den Spielaufbau und -verlauf, zu eruieren, wird beispielsweise bei der systematischen Spielbeobachtung auf eine exakte Analyse und Evaluation des Spielgeschehens wertgelegt (vgl. Lames 1994). Im Fußball konnte es schnell gelingen, alternierende Wechselbeziehungen von Interaktionen und einzelnen Aktionen zweier Mannschaften und deren Akteure mit und ohne Ball wie auch entscheidende Strukturcharakteristika zu fixieren. Der Werdegang der fußballspezifischen Sportspielforschung unter Betrachtung forschungsökonomischer und vor allem technologische Aspekte hat sich jedoch erst in den vergangenen Jahren wirklich ausführlich und innovativ entwickelt. Die Interdependenz zwischen Produktion und Verwertung von Spielbeobachtungen ist dabei sehr eng zu sehen, da sich beide gegenseitig beeinflussen. Folgender Punkt wird dabei offenkundig. Es gibt weder eine Reihenfolgewichtigkeit noch eine Hierarchisierung von Spielbeobachtungskriterien. Nur der Spielbeobachtende und die Nutzer der Spielbeobachtungserkenntnisse deklarieren schlussendlich, unter welchen der nachfolgenden Zielaspekte eine Beobachtung durchgeführt wird. Ohne diese trainerstabs- philosophische, konstitutive Fixierung wäre die Spielbeobachtung somit ein Stück weit zu interessenoffen, obwohl natürlich mit dem Einsatz von empirischen Analysemethoden quasi eine Vorstellung verbunden ist, die stark methodenzugehörig wirkt (vgl. Dreckmann & Görsdorf, 2009).
Spielbeobachtungen können somit u.a. zur Leistungsverbesserung sowie -steigerung sowohl von Spielern als auch Mannschaften genutzt werden. Dies geschieht unter Betrachtung von technischen und taktischen Merkmalen. Stärken und Schwächen sowie ein Port- Folio des gegenwärtigen Leistungsniveaus von Akteuren und Organismen können durch Observierung eruiert werden. Ferner kann sie zum Abgleich der Leistung bei Training und Wettkampf ein- gesetzt werden, da oft beträchtliche Unterschiede der Leistung zwischen Training und Wett- spiel vorliegen. Hier sind vor allem nicht berechenbare Störgrößen wie Gegner, Publikum, Klima, psychische Faktoren u.ä. zu betrachten und einzubeziehen (vgl. Harre 1971). Spiel- beobachtungen oder -analysen sollen demnach eine objektive Leistungsmessung generieren. Überdies kann ein Leistungsstandard durch Kreierung von Normgrößen erstellt werden, mit dem der zu beobachtende Spieler in Bezug gesetzt, verglichen und anschließend bewertet wird. Weiterhin sollen sie dazu beitragen das Qualifikationsniveau eines Spielers, bzw. einer Mannschaft zu bestimmen. Somit ist es für Trainer und Leistungsdiagnostiker möglich, den Akteur spezifisch in seinem Entwicklungsgang mit einer gezielten Trainingsberatung zu unterstützen (vgl. Czwalina 1992).
Demnach muss eine Spielbeobachtung, trotz der erwähnten Offenheit von Interpretations- und Generierungsumstand, eng mit den begleitenden Trainings- und Wettkampfvorgängen ko- operieren, und dabei eine gewisse Beachtung der Begleitumstände sowie der sich daraus er- gebenden Informationen gewährleisten. Somit ist das daraus resultierend sportliche Training und die Maximierung der sportlichen Leistung, derner die Verbesserung der Leistung bei Wettkämpfen und Meisterschaften, ein Resultat vielerlei Anstrengungen, Sportspiele in ihrer Komplexität zu verstehen und zu erfassen, und die Spielanalyse demnach auszurichten (Hansen 2003).
Wie bereits erläutert hat jede Interessengruppe bei einer Spielbeobachtung oder -analyse im Sportspiel unterschiedliche Zielvorstellungen. Schlussendlich sind jedoch die Anforderungen der Sportpraxis und -wissenschaft stark interdependent von der Qualität des Beobachters, folglich des Beobachtungssystems. Schon Gerisch (1989) empfiehlt dabei eine detaillierte und differenzierte Leistungserfassung von Spielern und Mannschaften, eine ganzheitliche Analyse der Strukturen des Sportspiel sowie die Dekodierung leistungselementarer Faktoren. Hierzu zählt er vor allem die quantitative Erhebung von konditionellen und technisch- taktischen Fertigkeiten, wie auch die daraus resultierende qualitative Evaluation konditioneller, tak- tischer und technischer Leistungen. Zum Erlangen der erläuterten Ziele der Spielanalyse sind somit eine objektive Datenerfassung durch eigene sowie fremdgenerierte Spielbeobachtungen und eine qualitativ hochgradige Auswertung durch Experten von Nöten.
Wie werden diese Spielbeobachtungsdaten aber von wem genutzt? Folgende Erörterung einer Zielgruppendarstellung soll im Bezug auf das Sportspiel Fußball einen kurzen Anriss der Zielgruppen einer Spielbeobachtung geben.
2.3 Zielgruppendarstellung der Spielanalyse
Die Spielbeobachtung als Form der Leistungserfassung sowie der Analyse des Sportspiels dient für vielerlei Zielgruppen als grundlegende Basis einer Spiel-, Spielerprofil- und Mannschaftsdarstellung. Somit ist die Spielbeobachtung nicht nur Grundlage zur Wettkampf- vorbereitung und Trainingssteuerung für Trainerteam und Athleten, sondern gilt auch für Verbände, Ligen, Organisationen, aber auch Medien und Spielerberatern als Grundbaustein einer gezielten Darstellung von Leistungs-, Fähigkeits- und Spieldokumentationen. Folgend wird in Abbildung 2 (Abb.2) eine eigens erstellte Darstellung einen Überblick der einzelnen Zielgruppen im Sinne einer Spielbeobachtung illustriert. Der hier jedoch eingeschränkte Rahmen einer Abschlussarbeit lässt ein näheres Beleuchten jeder Zielgruppe nicht zu. Um den Fokus dieser Arbeit, welcher auf dem Iterationsprozess zwischen Trainer und Spielbeobachter respektive Analysten sowie der optimalen interpretativen qualitativen Spielanalyse liegt, nicht zu verwischen, soll im weiteren Verlauf lediglich die Hauptzielgruppe des Teams, respektive der Trainer sowie dessen Stakeholder betrachtet werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Eigene Darstellung eines Zielgruppenmodells der Spielbeobachtung
Aufgrund dieser Fokussierung auf die Zielgruppe des Trainers hinsichtlich einer Spielanalysedatenübermittlung gegenüber der Spieler im Sportspiel Fußball, soll folgend eine kurze Erläuterung des Terminus „ Trainer “ sowie seinem Aufgabenbereich zum besseren Verständnis vorgenommen werden.
Der Trainer18 wird in der Literatur aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Das sportwissenschaftliche Lexikon beschreibt den Trainer als „ Inhaber der Position, deren Kernfunktion die Aus ü bung des Steuerungsmandats f ü r Athleten im Training sowie die Planung von und die Betreuung w ä hrend Wettkampfteilnahmen ist ” (Sportwissenschaftliches Lexikon 2003, S. 602).
Versucht man eine Zusammenfassung der vielseitigen Definitionen verschiedener Autoren zu finden, wird deutlich, dass sich der Trainer als fachkundige, für seine Tätigkeit speziell aus- gebildete Person beschreiben lässt, der den Trainings- und Wettkampfbetrieb der Spieler bzw. Mannschaft hinsichtlich pädagogischer und technischer Schwerpunkte vorbereitet und betreut. Hierbei steht die Leistungssteigerung der einzelnen Spieler bzw. der Mannschaft im Vorder grund seiner Tätigkeit (vgl. Koch, W., 1991, S. 74; Schnabel, G. & Thiess, G., 1993, S. 857;
Claude, R., 1995, S. 51). Besonders im Profisport sind detaillierte Kenntnisse über eine fachlich fundierte Trainings- und Wettkampfplanung notwendig. Trainer sind demnach Spezialisten für die Leistungsoptimierung, mit dem Ziel einen Soll- Zustand zu erreichen. In Anlehnung an Schnabel & Thiess (1993) werden vom Trainer dazu Erfahrungen in der Beobachtung und Analyse des Trainings- und Wettkampfverhaltens für eine erfolgreiche Gestaltung ihrer Trainingsinhalte und Wettkampfvorbereitungen verlangt. Gerade in der deutschen Bundesliga sind die Trainer speziell durch den „Fußballlehrer“19 ausgebildet und müssen über ihre Qualifikation einen entsprechenden Nachweis ablegen.
Diesbezüglich sind die heutigen Trainer stets gezwungen sich mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinanderzusetzen. Neben den oben genannten Themeninhalten, wird mittlerweile auch großen Wert auf die Spielbeobachtung gelegt. Aufgrund einer immer größeren Datenmenge generiert durch Datenanalyselieferanten wie der Firma IMPIRE AG 20, welche die Vereine mit Rohdaten aus den in der ersten und zweiten Bundesliga stattfindenden Spiele beliefern, stehen die Trainer einer schier unmöglichen Aufgabe hinsichtlich einer Bündelung dieser Daten gegenüber. Hinzu kommen überdies Erkenntnisse aus eigenen Gegner- und Spielbeobachtungen. Dem Trainer wird mithin eine dreifache Rolle zu teil:
- Er ist Auftraggeber der Datenerhebung
- Er ist Empfänger der Datenerhebung
- Er ist Vermittler der Daten
Diesem Prozess muss er in allen Schritten gerecht werden und versucht hinsichtlich der Erfüllung dieser Aufgaben autark vorzugehen. Er determiniert welche Daten er für sich, für seine Spieler und für seinen allgemeinen Trainerstab braucht, um diese anschließend zu erheben, zu bündeln, zu archivieren, zu interpretieren und zu veredeln. Da der Fokus dieser Arbeit auf einer Generierung eines Forschungsstandes hinsichtlich einer Bündelung, Nutzung und Vermittlung von Spielbeobachtungsdaten und -erkenntnissen liegt, soll sich folgend nur auf ebendiese Aufgaben des Trainers konzentriert werden.
2.1 Formen und Anwendungsfelder der Spielanalyse unter besonderer Berücksichtigung des Sportspiels Fußball
Zur Erhebung der für die Trainings- Wettkampfkopplung relevanten Spielbeobachtungsdaten, kann sich der Trainer verschiedener Rekrutierungskanäle bedienen. Hierbei ist sind vor allem die Methoden der Spielbeobachtung vor Ort („Livescouting“)21, die Datenerhebung in Ver- bindung mit einem Datenanalyselieferanten (Bsp.: Firma IMPIRE AG), oder der Datenanalyse durch Videostudien oft federführend. Meist verlaufen diese Erhebungstechniken jedoch orthogonal und ergänzend ab, statt von einander separat ab. Der Verein, respektive der Trainer, haben durch die Datenerhebung in Verbindung mit Datenanalyseherstellern die Möglichkeit, Rückschlüsse über ihre eigenen visuell erhoben Erkenntnisse, quasi ihr „Bauchgefühl“, durch Trackingdaten der Datenanalyselieferanten zu gewinnen, diese zu bestätigen oder gar zu berichtigen. Trackingdaten bestehen in dieser Verbindung aus einem System von Positionsdaten, wie Laufwerte, Laufdistanzen, Sprintwerte und -häufigkeiten sowie Aktionsdaten, darunter Pässe, Schüsse, Ballbesitzstatistiken und Tore u.a.22 Die Aufgabe des Trainers besteht nun darin diese zu bündeln. Hierbei empfehlen sich hermeneutische Verfahren sowie interpretative Interaktionsmuster, welche eine optimale Dateninterpretation für den Trainer gewährleisten. Zudem steht er vor der Problematik der alleinigen Interpretation dieser Daten und Spielstatistiken sowie dem optimalen Videotaktiktraining in Verbindung mit diesen Daten.23 Das Videotaktiktraining ist dabei eine effiziente Maßnahme zur Trainings- Wettkampfkopplung mit dem Ziel der Verbesserung und Steigerung des taktischen Verhaltens, zudem wird dies auch zur taktischen Ausbildung im Nachwuchsbereich eingesetzt. Dabei ist zu beachten, dass ein Einsatz von Videotaktiktraining keineswegs trivial und nur von den technischen Voraussetzungen abhängt, sondern vielmehr - eben wie bei jeder anderen Trainingsmethode - etliche Regeln beachtet und Entscheidungen getroffen werden müssen, die entweder wissenschaftlich begründet sind oder auf erfolgreichen Praxiserfahrungen beruhen (vgl. Dreckmann, Görsdorf & Lames, 2011).
Der Trainer und seinem Stab stehen eben darum vor der Aufgabe, was sie den Spielern wie vermitteln wollen. Zudem ist zu ergründen, welche Daten überhaupt in diesem Zusam- menhang für eine effiziente Kopplung von Training und Wettkampf in Frage kommen, ob und mit welchem Datenanalyseanbieter man als Trainer und/oder Verein kooperiert, und welchen Aggregatzustand diese Daten haben sollen. Er steht weiterhin vor der Frage, wem er diese Daten präsentiert, d.h. der gesamten Mannschaft, einzelner Mannschaftsgruppen oder gar zur individuellen Aufbereitung mit nur einem Spieler. Benötigt der Trainer dafür speziell aus- gebildete Experten, um diese Daten optimal zu übersetzen, zu nutzen und in das Training ein- fließen zu lassen oder kann er sich alleine befähigen, diese Daten zu interpretieren? Hier wird von der Scientific Community oft der Vorwurf erhoben, eine qualitative Spielbeobachtung und qualitative Forschungen seien im Hinblick auf den Prozess der Datenaufnahmen und an- schließender Interpretation nicht ausreichend nachvollziehbar. Hierbei bieten sich Verfahren der Hermeneutik 24 als hilfreicher Zwischenschritt an (vgl. Dreckmann & Görsdorf, 2009). Eine interpretative, qualitative Spielbeobachtung ist grundlegend eine Rekonstruktion und Reflektion von Spielereignissen und -interaktionen. Versucht man diese zu interpretieren, bietet es sich an, ähnlich wie bei der Hermeneutik, der Kunst der Textinterpretation, das Spiel in seiner Gesamtheit und seinen Prozessen zu sehen, da das Sportspiel wie eingangs erläutert, aus offenen und dynamischen Prozessen besteht. Diese dynamischen Prozesse bedingen die einzelne Aktion sowie den einzelnen Spieler und beeinflussen somit das Spielgeschehen im Gesamten. Die einzelne Interaktion eines Spieler beeinflusst wiederum das gesamt Spiel. Die Interpretation einer Szene kann mithin nicht losgelöst vom gesamten Kontext des Sportspiels betrachtet werden. Darüber hinaus kann kein abschließendes Verstehen und Isolieren von Spielprozessen geben, da das Verständnis immer relativ in Verbindung zum Spielkontext ge- sehen werden muss. Hauptaugenmerk einer Analyse muss demzufolge die Interpretation und Rekonstruktion der Handlungen der einzelne Sportspielsubjekte sein (vgl. Dreckmann & Görsdorf, 2009).
Fraglich ist dabei jedoch, wie Subjekthandeln im Sportspiel gedeutet werden kann, um dies für eine Erkenntnisgewinnung im Hinblick der Spielanalyse zu nutzen. Dreckmann und Görsdorf (2009) postulieren in ihrer Forschungsarbeit, Ansätzen des symbolischen oder auch interpretativen Interaktionismus zu folgen25. Dieser qualitativ- theoretische Ansatz legt sein Hauptaugenmerk auf die Deutung von Interaktionsprozessen, auf unmittelbar wechselseitig- orientierte Aktionen und versucht diesen einen subjektiven Sinn zuzuschreiben.
[...]
1 Das Spieler- Tracking kann im Fußball gleichbedeutend mit fixierender Verfolgung eines Objektes, in dem Fall Fußballspieler gesehen werden. Es ist eine Methode der automatisierten Bewegungsanalyse von Spielern auf Grundlage einer dafür vorgesehenen Erhebungssoftware in Verbindung mit Kameras oder einem Videobild. (vgl. Beetz, M. et al. (2009). ASPOGAMO: Automated Sports Games Analysis Models .
2 Verschiedene Tracking - Informationssysteme unterschiedlicher Anbieter. Zur näheren Vertiefung der Thematik der computergestützten Spielanalyse bietet sich die englischsprachige Literatur von Beetz, M., Kirchlechner, B., & Lames, M. (2005). Computerized real-time analysis of football games. IEEE Pervasive Computing, 4 (3), 33-39, an.
3 Nähere Erläuterung der Entwicklung der Spielbeobachtungssysteme in Kapitel 2.1.
4 Zur näheren Vertiefung und Auseinandersetzung mit dem hier genannten Datenanalyselieferanten empfiehlt sich folgende webbasierte Quelle: http://www.bundesligadatenbank.de
5 Hansen, G. & Lames, M. (2001). Die Qualitative Spielbeobachtung - Eine Beobachtungsvariante zur Trainings- und Wettkampfsteuerung im Spitzensport. Leistungssport 31 (1), 63-70.
6 Hansen, Gunnar (2003): Qualitative Spielbeobachtung. Methodologie, Konzeption und Implementation einer alternativen Spielbeobachtungsmethode am Beispiel Beachvolleyball. 1. Aufl. Köln: SPORT und BUCH Strauß
7 Dreckmann, C. & Görsdorf, K. (2009). Qualitative Spielbeobachtung 2.0 - Ein qualitativ-evaluatives Verfahren zur Verbesserung der Kommunikationsbedingungen im Handball unter dem Fokus der Generierung optimaler Vermittlungsstrategien f ü r taktische Informationen und einer Wirksamkeits ü berpr ü fung der Methode.
8 Im englischsprachigen Raum wird die Methode als Qualitative Game Analysis bezeichnet.
9 Moving Picture Expert Group. Video- und Audiokompressionsstandard der International Organization for Standardization
10 Camera Enabled Sports game Analysis and PResentation
11 Zum tieferen Verständnis dieser Thematik empfiehlt sich hier die Literatur von Beetz, M., Kirchlechner, B., & Fischer, F. (2004c). Interpretation and processing of position data for the empirical study of the behavior of simulation league robocup teams. In KI 2004 Workshop.
12 Automated Sports Game Analysis Models
13 Zur näheren Vertiefung und Auseinandersetzung mit dem hier genannten Datenanalyselieferanten empfiehlt sich folgende webbasierte Quelle: http://www.bundesligadatenbank.de
14 Bewegungs- und Positionsprofile, welche technisch- taktische sowie physische Trackingdaten wiedergeben. Literatur hierzu: Beetz, M. et al. (2009). ASPOGAMOAutomated Sports Games Analysis Models. In: International Journal of Computer Science in Sport. Volume 8/Edition 1
15 Zur Vertiefung des Themas des Trait-Paradigma im Sport empfiehlt sich die Literatur von Prokop, I. (1994) Unterscheiden sich Ausdauersportler/innen und Freizeitsportler/innen in den Pers ö nlichkeitsmerkmalen Extraversion und Introversion, Leistungsorientierung und Selbstdisziplin. 13-14. Norderstedt: Grin
16 Vgl. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-79723343.html. Zugriff am 20.August 2012
17 Hierzu beispielsweise die Literatur „ Qualitative Spielbeobachtung “ von Hansen, 2003 sowie „ Spielbeobachtung 2.0 “ von Görsdorf & Dreckmann, 2009. Auf beide Forschungsansätze soll im weiteren Verlauf der Arbeit näher eingegangen werden.
18 Im Fußballbereich wird der Beruf des Trainers auf internationaler Ebene mit dem Begriff „ Coach “ umschrieben. Dieser Begriff wird in erster Linie im angloamerikanischen Raum verwendet (vgl. Bisanz 1992, S.3f), findet aber im Zuge der Anglisierung der deutschen Sprache auch immer mehr Verwendung im deutschsprachigen Raum
19 Der DFB erkannte schon sehr früh die Notwendigkeit einer Trainerausbildung für den deutschen Fußball, um eine Verbesserung des Spielniveaus in den Vereins- und Nationalmannschaften zu erreichen. Daher bemühte er sich um eine umfassende Ausbildung seiner Trainer. Der Grundstein für diese kontinuierliche Trainerausbildung im deutschen Fußball wurde 1947 in Köln gelegt, 1957 durch den Bund Deutscher Fußballlehrer (BDFL) untermauert und ist bis heute Grundvoraussetzung für den Trainer einer Lizenzmannschaft in der deutschen Fußball Bundesliga.
20 Zur Entwicklung und Etablierung der Datengenerierung in der ersten und zweiten Bundesliga siehe Kapitel
21 Nähere Erläuterung der Spielbeobachtungsverfahren siehe Kapitel 2.6.
22 Zum näheren Verständnis der Trackingdaten Abb. 1 in Kapitel 2.1.
23 Diese Frage, ob dem Trainer ein speziell ausgebildeter Kreis an Daten- und Videoanalysten zur Seite gestellt werden sollten oder ob gar eine gezielte Trainerausbildung hinsichtlich der Interpretation einer Datenfülle vollzogen werden sollte, wird im weiteren Verlauf der Arbeit behandelt.
24 Als Grundlagenliteratur zum Thema der Hermeneutik und zum besseren Verständnis dieses Textinterpretationsparadigmas empfiehlt sich Danner, H. (1979). Methoden geisteswissenschaftlicher P ä dagogik. Einf ü hrung in Hermeneutik, Ph ä nomenologie und Dialektik. München, Basel: Reinhardt.
25 Zur Vertiefung des Themas des Symbolischen Interaktionismus empfiehlt sich die Literatur von Joas, H. (1988). Symbolischer Interaktionismus. K ö lner Zeitschrift f ü r Soziologie und Sozialpsychologie, 40, 417-445. und Blumer, H. (1969). Symbolic Interactionism: Perspective and Method. Englewood Cliffs: Prentice-Hall sowie zu Thema des weiterentwickelten Interpretativen Interaktionismus: Denzin, N. (1989). Interpretative Interactionism. London, Thousand Oaks, New Dehli: Sage.
- Citation du texte
- Kristian Walter (Auteur), 2012, Blackbox Bundesligaprofi. Zum Umgang der Trainer mit Analysesystemen im Profifußball auf Grundlage der Qualitativen Spielbeobachtung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375370
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