Die Teilnehmer in der beruflichen Bildung bringen Wissen aus ihrer Praxis mit in den Unterricht. In einer Literaturrecherche wurde untersucht, in wieweit Aussagen von Autoren zutreffen, dass von Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Unterricht beigesteuerte neue Inhalte dazu beitragen. das Wissen der Lehrenden zu erweitern. Die Lehrerinnen und Lehrer lernen auch von den Teilnehmern. Diese Aussagen wurde in einer Stichprobe (N=167) von den Berufsschullehrerinnen und Lehrern an baden-württembergischen Berufsschulen untersucht. Das Ergebnis der Untersuchung zeigt auf, dass Lehrerinnen und Lehrer anerkennen, dass Sie von Schülerinnen und Schülern lernen können. Beim Entscheidungsprozess der Methodenwahl durch die Lehrenden, werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur im geringen Umfang mit einbezogen.
Der Unterrichtsprozess in der beruflichen Bildung sollte einen partizipativen Charakter aufweisen. Hierzu wird ein partizipatives Didaktikmodell auf der Grundlage der dialektischen Didaktik von Lothar Klingberg und des humanistischen Modells der „Themenzentrierten Interaktion“ von Ruth C. Cohn vorgestellt. Die Stärkung des Subjekts innerhalb der Gesellschaft, besonders im Beruf, steht im Vordergrund dieses Didaktikmodells.
Participants of vocational training often bring along their practical know-how and knowledge into the lesson. A literature research analyzed how far the statements of authors are true, that new contents given by the participants’ input can contribute to the extensions of their teachers’ knowledge. Teachers also benefit from their students. A random check (N=167) of active vocational school teachers in Baden-Württemberg demonstrates shows whether these statements are true or not. The result of this research shows that teachers are actually aware that they profit from their students’ knowledge. Nevertheless, students are less involved in the decision-making process with regard to the choice of methods.
However, the process of teaching in vocational education should have a clear participative character. For this purpose a didactic participative model is introduced. Basics of this mod-el are the “dialectic didactics” by Lothar Klingberg and the humanistic model of the “theme-centered interaction” of Ruth C. Cohn. The most important issue of this didactic participatory model that the human subject within the society should be strengthened espe-cially regarding his profession.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Dialektisch orientierte Didaktik (Lothar Klingberg)
2.1.1 Grundbegriffe
2.1.2 Didaktische Analyse des Lehrens
2.1.3 Heuristische Aspekte des Unterrichtsprozesses
2.2 Themenzentrierte Interaktion (TZI)
2.3 Das lehrende und lernende Subjekt
2.4 Subjektorientierung nach Klaus Holzkamp
3 Partizipatives Didaktikmodell
3.1 Erwachsenenbildner_in als Subjekt
3.2 Teilnehmer_in als Subjekt
3.3 Inhalt - „theoretische Aneignung der Welt“
3.4 Subjektfördernde Methoden
3.5 Störungen und Einflüsse der Umwelt im Unterricht
4 Evaluation
4.1 Erhebungsinstrumente
4.2 Auswertung
4.3 Ergebnisse
5 Fazit/Diskussion
Literaturverzeichnis
Anhang:Fragebogen.
Anschreiben Email
Auswertung SPSS
Zusammenfassung
Die Teilnehmer in der beruflichen Bildung bringen Wissen aus ihrer Praxis mit in den Unterricht. In einer Literaturrecherche wurde untersucht, in wieweit Aussagen von Autoren zutreffen, dass von Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Unterricht beigesteuerte neue Inhalte dazu beitragen. das Wissen der Lehrenden zu erweitern. Die Lehrerinnen und Lehrer lernen auch von den Teilnehmern. Diese Aussagen wurde in einer Stichprobe (N=167) von den Berufsschullehrerinnen und Lehrern an baden-württembergischen Berufsschulen untersucht. Das Ergebnis der Untersuchung zeigt auf, dass Lehrerinnen und Lehrer anerkennen, dass Sie von Schülerinnen und Schülern lernen können. Beim Entscheidungsprozess der Methodenwahl durch die Lehrenden, werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur im geringen Umfang mit einbezogen.
Der Unterrichtsprozess in der beruflichen Bildung sollte einen partizipativen Charakter aufweisen. Hierzu wird ein partizipatives Didaktikmodell auf der Grundlage der dialektischen Didaktik von Lothar Klingberg und des humanistischen Modells der „Themenzentrierten Interaktion“ von Ruth C. Cohn vorgestellt. Die Stärkung des Subjekts innerhalb der Gesellschaft, besonders im Beruf, steht im Vordergrund dieses Didaktikmodells.
Schlüsselwörter: Dialektik, Didaktik, Partizipation, Subjektorientierung, Subjektorientierte Erwachsenenbildung, Themenzentrierte Interaktion
Abstract
Participants of vocational training often bring along their practical know-how and knowledge into the lesson. A literature research analyzed how far the statements of authors are true, that new contents given by the participants’ input can contribute to the extensions of their teachers’ knowledge. Teachers also benefit from their students. A random check (N=167) of active vocational school teachers in Baden-Württemberg demonstrates shows whether these statements are true or not. The result of this research shows that teachers are actually aware that they profit from their students’ knowledge. Nevertheless, students are less involved in the decision-making process with regard to the choice of methods.
However, the process of teaching in vocational education should have a clear participative character. For this purpose a didactic participative model is introduced. Basics of this model are the “dialectic didactics” by Lothar Klingberg and the humanistic model of the “theme-centered interaction” of Ruth C. Cohn. The most important issue of this didactic participatory model that the human subject within the society should be strengthened especially regarding his profession.
Keywords: dialectic, didactics, participation, subject orientation, subject-oriented adult education, theme-centred interaction
Abbildungen:
Abbildung 1 Didaktische Dreieck
Abbildung 2 Didaktische Grundrelationen(Klingberg, 1986, S. 46)
Abbildung 3 TZI-Modell modifiziert nach Cohn
Abbildung 4 defensives und expansives Lernen modifiziert
Abbildung 5 Partizipatives Didaktikmodell
Abbildung 6 Inhalt und Methode
Abbildung 7 Teilnehmer_innen - Erwachsenenbildner_in - Inhalt
Abbildung 8 Teilnehmer_innen - Erwachsenenbildner_in - Methode
Abbildung 9 Verortung Werkstattunterricht
Abbildung 10 Kompetenzen im Werkstattunterricht
Abbildung 11 Prozentuale Verteilung der Berufsabschlüsse
Abbildung 12 Inhalte
Abbildung 13 Planung eines Unterrichts (eine Methode)
Abbildung 14 Planung eines Unterrichts (mehrere Methoden)
Abbildung 15 Veränderung im Unterrichtsverlauf
Abbildung 16 Veränderung der Methoden erfahrungsbedingt
Abbildung 17 Einfluss der Beziehungsebene Tln. - Lehrer_in
Abbildung 18 Bewertung der non-/verbalen Kommunikation
Tabellen:
Tabelle 1 Verweildauer im Beruf und Geschlecht
Tabelle 2 beruflicher Abschluss der Lehrkräfte
Abkürzungen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
In unserer Gesellschaft ist der Begriff „lernen“, besonders in der Debatte des Bologna-Prozesses und der Ergebnisse der PISA-Studien in Deutschland, zur „ersten Bürgerpflicht” (Faulstich, 2008a, S. 4) geworden. Im Diskurs der Erwachsenenbildung, unter dem Gesichtspunkt der beruflichen Bildung, wird sich mit den Formen des „Lebenslangen Lernens (LLL)“ in den Bildungseinrichtungen auseinandergesetzt. Dieses bildungspolitische Vorhaben ist im Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) auf EU-Ebene beschrieben (Kultusministerkonferenz).
In dem Prozess des lebenslangen Lernens treffen wir in Berufs- und Weiterbildungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit unterschiedlichem Wissen an. Im Sinne von transformatorischen Lernprozessen wird von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine Selbstreflexion ihres vorhandenen Wissens, bezogen auf ihre berufliche Praxis im täglichen Erleben vorgenommen (Gremmler-Fuhr, 2006, S. 21). In diesen Situationen bringen sie meiner Erfahrung nach immer wieder neues Praxiswissen in den Unterricht mit ein. Dies habe ich in meiner über zwanzigjährigen Tätigkeit als positiv erlebt. Die Beiträge der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ihrem beruflichen Alltag trugen zur Bereicherung des Unterrichts bei, so dass „die Schule“ sich nicht zu weit von der Praxis entfernt. Die Förderung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer stand für mich immer im Vordergrund. Das Ziel war, dass sie ihre Berufsausbildung erfolgreich absolvieren. Mein beruflicher Schwerpunkt lag immer in der beruflichen Weiterbildung und Fortbildung im Bereich des Gesundheitswesens. Diese Einrichtungen unterliegen einem besonderen ökonomischen Zwang.
Die Arbeitgeber erwarten in der Epoche des Spätkapitalismus, die einem ständigen Wandel unterliegt, dass der Arbeitnehmer sich zu einem allseitigen „flexiblen Menschen“ (Sennett, 2001, S. 95) entwickelt und sein Wissen für die tägliche Arbeit immer auf dem neuesten Stand hält. Nur dadurch wird ganz im Sinne des Neoliberalismus das Humankapital des Unternehmens ständig erneuert bzw. erhalten.
„Die Schulen und Bildungseinrichtungen müssen sich frei machen von fiktiven Normen der «gut funktionierenden Schule», von dem Anspruch alles richtig zu machen, von den Dogmen die sie heute spalten: [Die Schule] Sie muss freundlich sein und hart, ordentlich und schmuddelig, abschließbar gegen die Welt und offen zu ihr, allen Kindern, [Teilnehmern] das gleiche zumuten und einige anders behandeln können - weil verschiedene Kinder [Teilnehmer] zu verschiedenen Zeiten Verschiedenes brauchen, um sich gegenseitig zu ertragen.“ (Hentig von Hartmut, 1976, S. 18). Dazu gehört eine subjektbezogene Weiterbildung, die auf den essentiellen Ansprüchen jedes Menschen auf „Selbstverwirklichung und Achtung der Menschenwürde“ beruht (Tietgens, 1997, S. 33).
Mein Ziel ist, dies in einem didaktischen Modell abzubilden. In den 90er Jahren lernte ich in meiner Lehrerausbildung die dialektische Didaktik von Lothar Klingberg kennen. Er beschreibt die Dialektik zwischen Schüler-Lehrer und Inhalt-Methode (Klingberg, 1973). Dieses Modell wurde von Klingberg in den 70er Jahren an der Pädagogischen Hochschule in Potsdam, zurzeit der Deutschen Demokratische Republik (DDR), entwickelt. In seinen Ausführungen stand die Bildung des sozialistischen Menschen im Vordergrund. Besonders das Schüler-Lehrerverhältnis kann man mit dem Spannungsfeld zwischen Eltern und Kindern vergleichen. Mein Anliegen ist die Entwicklung des lernenden Subjekts und die Partizipation im Unterricht. Ruth Cohn entwickelte in der „Themenzentrierten Interaktion (TZI)“ ein Modell, das eine gleichwertige Interaktion zwischen der Person, der Gruppe und dem Thema als Grundlage der Kommunikation beschreibt. Das Ziel ist, das Lehren des Inhalts mit der Förderung der Persönlichkeit von Kindern, Studenten und Erwachsenen zu verbinden (Cohn, Ruth C. und Erfurt, Christina, 1993, S. Abstract). In den Aussagen von Ruth Cohn in dem Buch „TZI macht Schule“ stehen Wertschätzung und Empathie zwischen den Lehrenden und Lernenden im Vordergrund. Diese beiden Modelle werde ich in meiner partizipativen Didaktik verbinden.
Eine weitere Fragestellung meiner Arbeit ist, welche intrinsischen und extrinsischen Faktoren beim Lernen eine Rolle spielen. Im Bereich der Fortbildung ist zwischen der organisierten Fortbildung, (z.B. durch die Volkshochschulen zur Selbstbildung) und den betrieblichen Fortbildungen zu unterscheiden. Die betrieblichen Bildungseinrichtungen verkörpern zu einem „gewissen Grad sozial erlebte Nötigung“. Für die unteren Lohnschichten werden „Anpassungs-Fortbildungen“ angeboten, welche ausschließlich dazu dienen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an die betrieblichen Entwicklungen anzupassen oder sie ideologisch auf die neuen Managementziele einzuschwören (Meueler, 2009b, S. 154). Diese Fortbildungen werden in manchen Betrieben mit einem Bonussystem belohnt. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Lohnabhängigen einem ständigen Druck ausgesetzt werden. Ihr Besuch der Fortbildungen dient ausschließlich dem Erhalt der im Augenblick zugehörigen sozialen Schicht. Nur ein kleiner Teil kann dadurch eine persönliche finanzielle Wertschöpfung erreichen (ebd. S. 157). Die Lehrenden können nicht losgelöst von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen lehren. Wenn in einer Ausbildungsstätte Lehrgänge, subventioniert durch die Agentur für Arbeit, angeboten werden, stehen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer häufig existentielle Ängste vor Arbeitslosigkeit und Kürzungen des Arbeitslosengeldes im Vordergrund. Die Motivation ist sehr stark extrinsisch geprägt. Diese Art von Fortbildungen, in denen sich die Machtverhältnisse zwischen Kapital und Arbeit widerspiegeln, möchte ich mit den Sichtweisen des „expansiven Lernens“ von Holzkamp, Faulstich und Ludwig näher untersuchen.
In meinem partizipativen Didaktikmodell hat die subjektorientierte Didaktik Meuelers einen starken Einfluss. Mein pädagogisches Handeln ist geprägt durch eigene, nicht immer positive Lern- und Lehrererfahrungen aus vielfältigen Ausbildungen. Aus diesem Grund werde ich meine persönlichen Erfahrungen in der Pädagogik, Methodik und Didaktik in der „Ich“-Form verfassen. Meine Intention ist, es besser zu machen. Trotzdem bin ich nicht vor Fehlern gefeit. Meine Kritik, besonders der gesellschaftlichten Rahmenbedingungen ist sicher durch meine „linken“ politischen und gewerkschaftlichen Erfahrungen bis zum heutigen Tag bestimmt. Winkel beschreibt dies so: „Den perfekten Lehrer gibt es nicht; jeder hat Teil an einer déformation professionelle, keiner ist gegen die Gefahr gefeit, Schlechtes in seinem Beruf mitzuschleppen... Wir alle aber sind eingeladen, die Bildung unserer selbst zu betreiben.“ (Winkel, 1997, S. 178)
Die Hypothese meiner Arbeit:
Partizipative Lernprozesse im Unterricht zwischen Erwachsenenbildner und Teilnehmer können einen dialektischen Diskurs auslösen. Der Diskurs kann zu einem Wissenszuwachs bei allen Akteuren führen. Die Methoden zur Vermittlung von Inhalten verändern sich durch die Subjektorientierung und der verstärkten sozialen Interaktion der Teilnehmerinnen und Teilnehmer innerhalb der Gruppe und mit dem Lehrenden.
Meine Forschungsfrage:
Gibt es in der Literatur und in der quantitativen Befragung von Berufsschullehrerinnen und Berufschullehrern Indikatoren dafür, dass partizipative Prozesse bezogen auf neue Inhalte und Methodenwechsel bei den Lehrenden in der Erwachsenenbildung nachzuweisen sind?
2 Theoretische Grundlagen
In den theoretischen Grundlagen werden die wichtigsten Aussagen von Lothar Klingberg und Ruth Cohn dargestellt. Die beiden Modelle miteinander verknüpft stellen die Grundpfeiler meines Modells der partizipativen Didaktik dar. In den weiteren Ausführungen zur Subjektorientierung nehmen die subjektorientierte Erwachsenenbildung von Erhard Meueler und das expansive Lernen von Holzkamp einen hohen Stellenwert ein. Ruth Cohn hat in ihrem Modell die Behebung bzw. die Berücksichtigung von „Störungen“ im Unterricht als ein wichtiges Element gesehen. Rainer Winkel versucht in seiner kritisch-kommunikativen Didaktik das Beziehungsgeflecht zwischen Lehrenden und Lernenden unter dem Gesichtspunkt von Störungen in einem Modell zu erklären und daraus Lösungsansätze zu entwickeln.
2.1 Dialektisch orientierte Didaktik (Lothar Klingberg)
Lothar Klingberg wurde am 11. Januar 1926 in Rosenberg/Oberschlesien geboren und verstarb am 8. Juli 1999 in Brandenburg an der Havel (Jank und Meyer, 1991, S. 236).
Von 1940-45 besuchte er verschiedene Lehrerbildungsanstalten Brunneck, Patschkau u.a.. Anschließend musste Klingberg noch im Januar 1945 zum Kriegsdienst bei einem Dresdner Ausbildungsbataillon. Nach 39 Tagen Gefangenschaft bei Prag arbeitete er in einer Gärtnerei. Nach kurzer Zeit konnte er als sogenannter „Neulehrer“ an einer Grundschule bei Otterwitsch die Fächer Deutsch, Geschichte, Erdkunde und Musik unterrichten. Schon 1946 trat er freiwillig der SED und der FDJ bei. Ab Oktober 1948 absolvierte er ein Studium in Pädagogik, Geschichte und Musik an der Universität in Leipzig. Nach dem Staatsexamen 1951 wurde er Assistent bei Hugo Müller und promovierte 1956 mit dem Thema „Strukturprobleme der Unterrichtsstunde“. In seiner Habilitation 1962 untersuchte er die Dialektik von „Pädagogischer Führung und Selbständigkeit in der sozialistischen Schule“. Im Jahr 1964 wurde er zum ordentlichen Professor ernannt und folgte dann 1965 dem Ruf an die Pädagogische Hochschule Potsdam. Sein bekanntestes Buch ist die „Einführung in die Allgemeine Didaktik“. Er setzte sich nach 1990 kritisch mit der DDR-Pädagogik auseinander (Pudlat, 2008, S. 30). 1965 wurde Klingberg von der Pädagogischen Hochschule Karl Liebknecht in Potsdam berufen, den Lehrstuhl für Systemische Pädagogik und Allgemeine Didaktik zu übernehmen. Dort lehrte er bis zu seinem Tod (Meyer, 2011, S. 7).
In den 60er und 70er Jahren war die Didaktik eher als „Inhaltsdidaktik“ zu sehen. Klingberg hatte dagegen in der Deutschen Demokratischen Republik versucht, die Didaktik mehr als „Umsetzungs- und Prozessdidaktik“ zu sehen. Der Begriff der „Methodik“ schloss auch die Fragestellung der Umsetzung mit ein, welche in der Bundesrepublik eher unter den Begriffen „didaktische oder fachdidaktische“ Fragen abgehandelt wurden (Jank und Meyer, 1991, S. 239). In seinem Modell wurde die Frage nach der Methode in einem dialektischen Zusammenhang zum Unterrichtsinhalt dargestellt.
Ende der 70er Jahre war Lothar Klingberg bei den westdeutschen Didaktikern ein Geheimtipp. Klingberg versuchte, klare und eindeutige Definitionen und Relationen für die Unterrichtsmethodik zu formulieren.
1986 hatte Lothar Klingberg bei seinem ersten Vortrag in Westdeutschland in Oldenburg gesagt: „Die Schüler tragen Verantwortung für das Erfolgserlebnis ihres Lehrers“. Klingberg formulierte selber: „Im Unterrichtsprozess erschaffen Lehrer und Schüler gemeinsam den projektierten Unterrichtsinhalt auf ihre Weise neu“ (Jank und Meyer, 1991, S. 279; Klingberg, 1983).
2.1.1 Grundbegriffe
Klingberg beschreibt seine Didaktik in einem dialektischen Verhältnis. Zwei Grundrelationen zwischen Lehren und Lernen auf der einen Seite und zwischen Inhalt und Methode auf der anderen Seite stehen in einem dialektischen Spannungsfeld zueinander.
Der Begriff „Lehren“ ist immer bipolar zu sehen:
1. Inhalt und Methode
2. Dem Adressaten (Teilnehmer, Schüler, Studenten) und Lehrenden
(Klingberg, 1995, S. 37)
Dies wird in dem didaktischen Dreieck dargestellt.
Diese drei Elemente alleine reichen nicht dazu aus, das Unterrichtsgeschehen in der Gesamtheit abzubilden. Zur Kategorie Inhalt ist die Methode hinzuzufügen. Die kategorialen Bezüge zueinander sind:
Inhalt
Teilnehmer_innen Erwachsenenbildner_in
Abbildung 1 Didaktische Dreieck
– „der Bezug von Lehren auf Inhalt, von Inhalt auf Lehren,
– der Bezug von Lehren auf Lernen, von Lernen auf Lehren,
– der Bezug von Lehren auf Methode, von Methode auf Lehren,
– der Bezug von Lernen auf Methode, von Methode auf Lernen,
– der Bezug von Inhalt auf Methode, von Methode auf Inhalt“ (Klingberg, 1995, S. 39).
„Ohne expliziten Bezug auf das didaktische Dreieck, jedoch mit der gleichen Intention, die «Zelle» jeglichen Unterrichts, seine formale Grundstruktur, herauszuarbeiten, habe ich in den siebziger Jahren «didaktische Grundrelationen» beschrieben. Das Ergebnis war eine Quadrupelkonstruktion der Lehren-Lernen-Beziehung und der Inhalt-Methode-Relation“ (ebd., S. 88).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 Didaktische Grundrelationen(Klingberg, 1986, S. 46)
Die Linien a-d spiegeln wieder die Relationen, zwischen den Kategorien Lehren-Lernen, Inhalt - Methode (Hervorhebungen bei Klingberg) (Klingberg, 1986, S. 46).
Grundrelation 1
(Lehren - Lernen)
Sie ist das didaktische Grundverhältnis. Sie drückt aus: Jeglicher Unterricht vollzieht sich im Interdependenzverhältnis von Lehren und Lernen, in der sozialen Interaktion von Lehrenden und Lernenden.
Grundrelation 2
(Inhalt - Methode)
Die Inhalt-Methode-Relation bringt die Kategorie «Bildungsgut» in den didaktischen Konnex ein und den für die didaktische Fragestellung wesentlichen Aspekt der (methodischen) Präsentation des Unterrichtsinhalts.
Lehren und Lernen stehen für Klingberg in einem dialektischen Verhältnis zueinander. Sie sind in einer besonderen Art miteinander verbunden.
2.1.2 Didaktische Analyse des Lehrens
Die Tätigkeit der Lehrerin und des Lehrers im Unterricht wird als „Lehren“ bezeichnet. Lehren und Lernen sind Grundprozesse im didaktischen Handeln im Unterricht. Die didaktische Einheit zwischen Lehren und Lernen ist entscheidend davon abhängig, wie ausgeprägt die didaktische Fähigkeit des Lehrers ist. Zuerst soll das „Lehren“ näher betrachtet werden.
Das Lehren umfasst drei Dimensionen:
1. Vermittlung
2. Lernhilfe
3. Führung des Lernprozesses
Im Vordergrund steht zuerst das Vermitteln des Unterrichtsstoffes.
„ Der Lehrer soll also nicht nur Stoff vermitteln, sondern die Schüler das Lernen lehren “ (Hervorgehoben bei Klingberg). Der Lehrer soll den Schülern helfen, die Aneignung des Unterrichtsstoffes zu erlernen und ihm Wissen über notwendige Arbeitsmittel und Lernverfahren dazu anbieten. Die didaktische Führungsbestimmung des Lehrers besteht darin, den Lernprozess zielgerichtet zu führen (Klingberg, 1973, S. 214 f.).
Jeder Unterricht setzt eine soziale Interaktion zwischen Lernenden und Lehrenden voraus. Demzufolge kann man das Unterrichtsgeschehen aus der Sichtweise der Lehrenden und des Lernenden betrachten. Jede Seite besitzt besondere Spezifikationen, aber sie bilden zusammen eine Einheit. Die Funktion der Lehrerinnen und Lehrer besteht darin, den Lernprozess anzuregen, zu fördern und zu leiten. Die Lehrerinnen und Lehrer müssen sich in ihrer Unterrichtsvorbereitung überlegen, was sie dafür tun, dass der Lernende den Stoff sich aneignen kann.
„Zweifelsohne ist das Lehren in hohem Maße an die Sprache gebunden.“ Dies bedeutet aber nicht, dass das Lehren ausschließlich über die Sprache stattzufinden hat. Die sprachliche Ausdruckweise ist zu beachten und die sprachliche Belehrung soll in geschlossener Form, z.B. in der Form eines Vortrages, erfolgen.
Die Funktion des Lehrens hat eine „Ziel-Stoff-Relation. Die Festlegung des Zieles entscheidet, welche Inhalte vermittelt werden (Klingberg, 1973, S. 213 f.).
Lehren bedeutet, eine bestimmte Menge von Inhalten zu vermitteln. Die Lehre beruht auf kognitiven Aneignungsprozessen und ist prozessgesteuert. Der Lehrinhalt wird in einer didaktischen Logik prozesshaft vermittelt. „Lehren ist funktional und personal adressiert.“ Für die Didaktik ist die „Lehren-Lernen-Relation fundamental“. Lehren und Lernen stellen eine kategoriale Verbindung dar. Lehren ist immer adressatengerecht ausgerichtet. Durch die Anwendung bestimmter Methoden wird dieses didaktische Verhältnis qualifiziert. Lerninhalt und Methode stehen kategorial zueinander (Klingberg, 1995, S. 61-64).
Klingberg beschreibt das Lehren wie folgt:
„Der Lehrende stellt seinen Gegenstand dar (und dabei stellt er sich auch selbst dar); er präsentiert und demonstriert ihn, bearbeitet (strukturiert, akzentuiert und wertet!) ihn und vermittelt auf diese Weise Aneignungsprozesse. Lehren ist ein adressiertes Darstellen, ein Darstellen für andere.“ (ebd., S. 79)
Mit der geschichtlichen Veränderung vom reinen Lernen am Modell zu einem geplanten und zielgerichteten Unterrichten entwickelt sich die didaktische Fragestellung, wie der Lerngegenstand angeeignet wird. Es geht darum, Konzeptionen zu entwickeln, um einen bestimmten Stoff in didaktischen Kreisläufen und Zyklen zu vermitteln. (ebd., S. 81)
2.1.3 Heuristische Aspekte des Unterrichtsprozesses
„Das Wort «Heuristik» (griechisch; heuriska, heureka) bedeutet eigentlich «Erfindungskunst». In der Geschichte der Philosophie und der Pädagogik ist dies mit dem Namen des griechischen Philosophen Sokrates (470 bis 399) verbunden. Die sogenannte Sokratische Methode besteht darin, den Gesprächspartner durch Fragen in Widersprüche zu verstricken, diese aufzudecken und ihm zur Erkenntnis seiner Unwissenheit bzw. der Unvollkommenheit seines Wissens zu führen. Vertreter der «Sokratischen Methode» in der Epoche der klassischen bürgerlichen Pädagogik war Diesterweg (1790-1866). Bei Diesterweg ist die «Sokratische Methode» auf das engste mit dem Prinzip der Selbsttätigkeit verbunden. «Mensch sein heißt selbsttätig sein nach vernünftigen Zwecken». Diesterweg unterscheidet im Unterricht zwischen zwei Lehrweisen beziehungsweise Lehrwegen: die «dogmatische» und die heuristische (bzw. heuristisch-entwickelnde) Methode. Beim «dogmatischen Verfahren» handelt es sich um die Vermittlung fertigen Wissens, beim heuristischen dagegen sollen Lernende unter Leitung des Lehrenden selbst die Wahrheit finden (Klingberg, 1973, S. 158). Im Folgenden werden einige heuristische Aspekte vorgestellt.
„1. Sozialistisches Menschenbild“
„Die allseitig gebildete, schöpferische sozialistische Persönlichkeit ist Zielqualität jeder pädagogischen Arbeit.“
Die Ziele sollen auf alle Glieder der Gesellschaft ausgerichtet sein, es soll das „massenhafte Schöpfertum des Volkes“ erreicht werden. Das gesamte pädagogische Handeln, bezogen auf die Erstellung von Unterrichtsplänen und der „Unterrichtsführung“, sind die theoretischen Ausführungen von Marx, Engels und Lenin. Das „totale sozialistische Menschenbild“ ist bestimmend (Klingberg, 1973, S. 161). Nach der DDR-Definition ist das sozialistische Menschenbild humanistisch geprägt (Jank und Meyer, 1991, S. 247). Klingberg betont den Menschen als gesellschaftliches Wesen, das seine volle Entfaltung erst im Kollektiv findet. Entwickeln soll der Mensch sich allseitig, das heißt geistig und körperlich, Bedingung für diese schöpferische Entwicklung ist die Arbeit (Klingberg, 1973, S. 227). Kenntnisse über die Arbeitswelt finden ihren Niederschlag im Polytechnischen Unterricht der Oberschule.
„2. Schöpferisches Lehren“
Im Vordergrund der Didaktik stand die „schöpferische und sozialistische Heranbildung von Persönlichkeiten. Dazu gehört die wissenschaftliche Analyse der Wirkfaktoren im Unterricht. Die Einsetzung von bestimmten Methoden ist bereits „eine schöpferische Leistung“.
„3. Schöpferisches Lernen und Arbeiten der Schüler“
Die Schülerinnen und Schüler sollen nicht als Objekte betrachtet werden, sondern als Subjekte, welche auch als Mitgestalter und Mtgestalterinnen in pädagogische Prozessen wirken können. Dazu gehört „Sich-selbst-Formen“ und „An-sich-selbst-Arbeiten“. Entsprechende Methoden und Techniken sind zu vermitteln. Die Aufforderung zur Selbsttätigkeit steht im Vordergrund.
„4. Unterricht als schöpferische Begegnung zwischen Lehrern und Schülern“
„Die didaktische Meisterschaft des Lehrers erweist sich in seiner Fähigkeit, eine didaktische Situation optimal zu gestalten.“ Das wichtigste Anliegen ist die Ausprägung der Persönlichkeit der Lernenden zu fördern. Klingberg schreibt dazu, die Entfaltung des sozialistischen Menschenbildes sei über die Unterrichtsstunde hinaus zu beachten.
Durch die Didaktik und die Einsetzung von verschiedenen Methoden kann auch eine schöpferische Begegnung zwischen Lehrenden und Schülerinnen und Schülern entstehen, welche im Kern zu einer Persönlichkeitsentwicklung des Individuums führen sollte (Klingberg, 1973, S. 161 ff.). Mit „schöpferischem“ Lernen meint Klingberg, ein wechselseitiges Lernen von Lehrenden und Lernenden. Lehrende sind zugleich auch Lernende und umgekehrt.
„5. Soziologische Aspekte“
Unterricht ist ein sozialer Prozess. Es findet eine Erziehung des Kollektivs im Unterricht statt. Die Heranbildung des „Klassencharakters“ innerhalb der sozialistischen Gesellschaft steht im Vordergrund (ebd., S. 166-167). Dies kann heute eine Auseinandersetzung mit politisch-ideologischen Inhalten, der sozialen Funktion des einzelnen Subjekts und der gesellschaftlichen Teilhabe beinhalten.
Die Lehrerinnen und Lehrer sollen die produktiven Kräfte des Kollektivs [Gruppe oder Klasse] nutzen. Sie können daraus „pädagogisches Kapital“ schlagen, die pädagogische Wirkung des Kollektivs wird potenziert (ebd., S. 171). Soziales Lernen beinhaltet gemeinsames Arbeiten in der Gruppe. Dies ermöglicht Aufgaben kollektiv zu lösen, sich gemeinsam dasselbe Wissen anzueignen und von den Stärken der Anderen zu profitieren.
„6. Ästhetik des Unterrichts“
Klingberg schreibt 1973 zu der Ästhetik des Unterrichts, dass ästhetische Bildung und Erziehung ein integrierender Bestandteil der marxistisch-leninistischen Pädagogik und sozialistischen Erziehung ist. Die Aneignung der Welt ist im „höchstem Grad persönlichkeitsformend, weil sie den ganzen Menschen zu erfassen, zu «erschüttern» vermag“ (Klingberg, 1973, S. 173 ff.). Dazu gehört, Empfindungen und Emotionen im Unterricht anzusprechen, und damit das Urteilsvermögen zu bestimmten Sachverhalten zu fördern.
Diese damals auf die Formung des „sozialistischen Menschen“ ausgerichtete Pädagogik kann man heute auch unter anderen Gesichtspunkten „neu“ formulieren. Es ist heute notwendig, die Gedanken der freiheitliche demokratischen Grundordnung und die kritische Auseinandersetzung mit dem Verbrauch von Ressourcen in unserer Welt und das zurzeit überwiegend kapitalistische Wirtschaftssystem, mit den Schülerinnen und Schüler zu diskutieren. Das Ziel sollte sein, Lernende zum kritischen Denken anzuregen und zu befähigen, unsere Demokratie zu verteidigen und die Auswirkungen des kapitalistischen Wirtschaftssystems zu hinterfragen.
Auf die Lehrenden bezogen, formuliert Klingberg folgende Items:
Komponenten der „pädagogisch-ästhetische Ausstrahlung“ der Lehrerinnen und Lehrer sind:
– „pädagogisches Ethos
– sozialistisches Lehrer-Schüler-Verhältnis
– Wahrhaftigkeit des Lehrerwortes
– pädagogische Offenheit
– Stil und Ton
– sprachliche Kultur
– pädagogischer Takt
– äußere Erscheinung
– pädagogisches Formgefühl (richtige Relation zwischen Vertraulichkeit und Distanz)
– pädagogisches Maß («Angemessenheit» des pädagogischen Verhaltens und Reagierens)“ (ebd., S. 179).
Übertragen auf eine humanistische Erwachsenenbildung bedeutet dies, dass die Lehrerinnen und Lehrer ständig ihre eigene „ästhetische Ausstrahlung“ überprüfen sollen. Im wechselseitigen Prozess gilt dies selbstverständlich auch für das lernende Subjekt.
„7. Lehren und Lernen als didaktische Prinzipien“
- Die Tätigkeit von Lehrerinnen und Lehrern im Unterricht wird als Lehren bezeichnet.
- Lernen im Unterrichtsprozess ist das tätig werden der Schülerinnen und Schüler.
- „Lehren und Lernen bilden im Unterrichtsprozess eine dialektische Einheit.“
- Einheit von Lehren und Lernen steht in einem dialektischen Verhältnis zwischen der führenden Rolle der Lehrerin und des Lehrers und der Selbsttätigkeit der Schülerinnen und Schüler.
- „Lehren und Lernen bedingen sich wechselseitig“ (Klingberg, 1973, S. 181).
Jeder Unterricht setzt eine soziale Interaktion zwischen Lernenden und Lehrenden voraus. Demzufolge kann man das Unterrichtsgeschehen aus der Sichtweise der Lehrenden und Lernenden betrachten. Jede Seite besitzt besondere Spezifikationen, aber sie bilden zusammen eine Einheit. Die Funktion der Lehrerin und des Lehrers besteht darin, den Lernprozess anzuregen, zu fördern und zu leiten. Die Erwachsenenbildnerinnen und -bildner sollen sich in ihrer Unterrichtsvorbereitung überlegen, was sie dafür tun müssen, damit die Schülerinnen und Schüler sich den Stoff aneignen können.
Denken und Sprache stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang und wird von Marx als „unmittelbare Wirklichkeit des Gedankens“ bezeichnet (ebd., S. 191).
„ Der Lehrer soll also nicht nur Stoff vermitteln, sondern die Schüler das Lernen lehren “ (Hervorgehoben bei Klingberg). Die Lehrerinnen und Lehrer sollen den Schülerinnen und Schülern helfen, die Aneignung des Unterrichtsstoffes zu erlernen, ihnen Wissen über notwendige Arbeitsmittel und Lernverfahren anbieten. Die didaktische Führungsbestimmung der Lehrenden besteht darin, den Lernprozess zielgerichtet zu führen
(ebd., S. 214 ff.).
Die dialektische Dimension ist einerseits eine führende Rolle zu übernehmen. Die Lehrenden sollen den Lernprozess anregen, zielstrebig leiten und lenken (ebd., S. 221 f.).
„Der Schüler ist jedoch nicht passives Objekt der Einwirkungen des Lehrers, sondern wird unter bestimmten Bedingungen zum Subjekt seiner eigenen Entwicklung.“ Der Schüler wird zur Selbständigkeit angeleitet (ebd., S. 228), in dem der Praxisbezug hergestellt wird. Es „besteht ein notwendiger Zusammenhang zwischen Wissen und Können.“ Schülerinnen und Schüler entwickeln sich weiter um so stärker ihre eigene Lern- und Arbeitstätigkeit entwickelt ist (ebd., S. 230).
Systematik didaktischer Prinzipien ist:
– die Verbindung von Unterricht und produktiver Arbeit, Theorie und Praxis
– die Planmäßigkeit und Systematik des Unterrichts
– die fächerübergreifende Koordinierung des Unterrichts
– führende Rolle der Lehrerinnen und Lehrer
– die Selbsttätigkeit der Schülerinnen und Schüler
– die Fasslichkeit (didaktische Vereinfachung) des Unterrichts
– das individuelle Eingehen auf die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler
– die Anschaulichkeit des Unterrichts
– die Ergebnissicherung (Klingberg, 1973, S. 253, 263).
Reflexion:
Klingberg hat die sozialistische Erziehung auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus vorangestellt. Die Bildung des „idealen sozialistischen Menschen“ steht im Vordergrund seiner Theorie, die aber auf Idealen beruht. Dieses Ideal wurde im realen Sozialismus nicht verwirklicht. Klingbergs Position der freien Entfaltung der Persönlichkeit, die geistige und körperliche Entwicklung durch Arbeit ist heute immer noch aktuell. Die anderen heuristischen Aspekte haben auch für einen modernen Unterricht nicht an Exklusivität verloren. Kritisch ist die führende Rolle der Lehrenden zu hinterfragen. Klingberg schreibt ebenso, dass es die Selbsttätigkeit des Schülers zu entwickeln gilt. Meines Erachtens gehört dazu, dass die Lehrenden aus ihrer führenden Rolle zurücktreten und die Rolle des Lernbegleiters einnehmen. Dabei ist es immer noch notwendig, die Schülerinnen und Schüler soweit zu begleiten, dass sie am Thema bleiben. Der rote Faden ist im Verlauf des Unterrichts, auch bei Methoden des selbstorganisierten Lernens, von Seiten des Lehrenden einzuhalten und ggf. gegen zu steuern. Konsequent weiter gedacht, gehört zum Konzept der Selbsttätigkeit jedoch, dass Schülerinnen und Schüler Inhalte und Methoden des Unterrichts mit planen und mit gestalten können. Diesen Schritt hat Klingberg immer wieder in dem dialektischen Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer beschrieben, aber nicht in seinem Modell umgesetzt.
2.2 Themenzentrierte Interaktion (TZI)
Die Themenzentrierte Interaktion ist ein Modell, das eine gleichwertige Interaktion zwischen der Person, der Gruppe und dem Thema als Grundlage der Kommunikation beschreibt. Das Ziel ist, das Lehren des Inhalts mit der Förderung der Persönlichkeit von Kindern, Studierenden und Erwachsenen zu verbinden. Dieses Modell gehört zum gruppenpädagogischen Ansatz (Cohn, Ruth C. und Terfurth, Christina, 1993, S. Abstract).
Ruth C. Cohn war eine der bedeutendsten Vertreterinnen der Humanistischen Psychologie und Pädagogik. Sie wurde am 27.8.1912 in einer bürgerlichen, jüdischen Familie in Berlin geboren. Sie studierte 1931/32 Nationalökonomie und Psychologie in Heidelberg und Berlin. Anfang März 1933 flüchtete sie wegen des zunehmenden Naziterrors nach Zürich. 1933 - 1939 war sie im Hauptfach Psychologie an der Universität Zürich immatrikuliert. Zusätzlich belegte sie das klinische Fach Psychiatrie, das für die Ausbildung in der Psychoanalyse notwendig war. Ihre weiteren Fächer waren Literatur, Pädagogik, Philosophie und Theologie. Nach einer Tätigkeit von zwei Jahren als Psychologin in einer Psychiatrischen Klinik in St. Gallen emigrierte sie mit Mann und Tochter 1941 in die USA. 1944 legte sie den Master Degree als Diplom Psychologin an der Columbia University in New York ab. Ab 1946 arbeitete sie psychotherapeutisch in einer eigenen Praxis und orientierte sich immer mehr an der Erlebnistherapie. 1957 hielt sie die ersten Vorträge über die von ihr entwickelte Themenzentrierte Interaktion (Löhmer und Standhardt, 1992, S. 1-5).
1966 beschrieb sie in einen Traum von einer gleichseitigen Pyramide, in der sie bildlich die Grundlage ihrer Arbeit erkannte. In ihrer Arbeit mit Gruppen stellte sie vier Punkte in den Vordergrund.
„Diese Punkte sind:
- die Person, die sich selbst, den anderen und dem Thema zugewendet ist (= Ich);
- die Gruppenmitglieder, die durch die Zuwendung zum Thema und ihre Interaktion zur Gruppe werden: (= Wir);
- das Thema, die von der Gruppe behandelte Aufgabe (= Es);
- das Umfeld, das die Gruppe beeinflusst und von ihr beeinflusst wird – also die Umgebung im nächsten und weitesten Sinn (= Globe).“
Jede Gruppe wird durch die Gleichgewichtigkeit von ICH -WIR - ES und GLOBE definiert. Dieser Zustand wird als dynamische Balance bezeichnet. Zur Vereinfachung der Darstellung veränderte Cohn die Pyramide zu einem Dreieck, das sich in einer Kugel befindet.
1972 gründete Cohn Institutes for living – Learning (WILL-Europa) in Zürich.
1974 kehrte sie nach Hasliberg-Goldern in der Schweiz zurück.
Ruth C. Cohn verstarb am 30. Januar 2010 mit 97 Jahren in Düsseldorf (ebd., S. 1-5).
In der Grafik wird das Modell aus der Sicht der Lehrerin und des Lehrers dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 TZI-Modell modifiziert nach Cohn
Das Vierfaktoren Modell der TZI (Spielmann, 2014,S. 16)
Die Grafik könnte zur verständlicheren Darstellung auch als plastisches Modell in die Horizontale ausgerichtet sein. An jeder Spitze des Dreiecks befindet sich ein Gewicht mit den drei Bereichen „ES (Inhalt)“, „ICH“ und „WIR“. Diese Gewichte sind in einem Gleichgewicht zueinander zu halten, dass das Dreieck in der Waagrechten immer in einer „Dynamischen Balance“ ausgependelt wird. Störungen und Einflüsse von außen (Globe) und ein Ungleichgewicht der drei Pole könnten die Balance zum Kippen bringen.
Ruth C. Cohn beschrieb drei Axiome, Postulate und Hilfsregeln in der TZI. Ich zitiere im Folgenden zum größten Teil wörtlich, um in der Entwicklung meines eigenen Didaktikmodells so nah wie möglich am Urtext zu bleiben.
Axiome:
1. „Der Mensch ist eine psycho-biologische Einheit. Er ist auch Teil des Universums. Er ist darum autonom und interdependent. Autonomie (Eigenständigkeit) wächst mit dem Bewusstsein der Interdependenz (Allverbundenheit).
Der Mensch ist in der Gesellschaft verankert. Er besitzt Autonomie und lebt gleichzeitig in einem sozialen System, in dem er eine entsprechende Rolle einnimmt.
2. „Ehrfurcht gebührt allem Lebendigen und seinem Wachstum. Respekt vor dem Wachstum bedingt bewertende Entscheidungen. Das Humane ist wertvoll; inhumanes ist wertbedrohend“ (Cohn, 1997, S. 120).
In diesem Axiom steht die Verantwortung gegenüber der Natur und den anderen Menschen im Vordergrund. Grenzenloses Wachstum und die grenzenlose Entfaltung des Kapitalismus führt zur Ausbeutung der Natur und des Menschen.
3. „Freie Entscheidung geschieht innerhalb bedingender innerer und äußerer Grenzen. Erweiterung dieser Grenzen ist möglich.
Unser Maß an Freiheit ist, wenn wir gesund, intelligent, materiell gesichert und geistig gereift sind, größer, als wenn wir krank, beschränkt oder arm sind und unter Gewalt und mangelnder Reife leiden. Bewusstsein unserer universellen Interdependenz ist die Grundlage humaner Verantwortung“ (ebd., S. 120)..
Postulate:
1. „Sei dein eigener Chairman, der Chairman deiner selbst.
Das bedeutet:
1a.) sei dir deiner inneren Gegebenheiten und deiner Umwelt bewusst.
1b.) Nimm jede Situation als Angebot für deine Entscheidungen. Nimm und gib wie du es verantwortlich für dich selbst und andere willst.
2. Beachte Hindernisse auf deinem Weg, deine eigenen und die von anderen. Störungen haben Vorrang (ohne ihre Lösung wird Wachstum erschwert oder verhindert)“. (ebd., S. 120 ff.).
Ihre Hilfsregeln:
1. „Vertritt dich selbst in deinen Aussagen; sprich per «Ich» und nicht per «Wir» oder per «Mann».
2. Wenn du eine Frage stellst, sage, warum du fragst und was deine Frage für dich bedeutet. Sage dich selbst aus und vermeide das Interview.
3. Sei authentisch und selektiv in deinen Kommunikationen. Mache dir bewusst, was du denkst und fühlst, und wähle, was du sagst und tust.
4. Halte dich mit Interpretationen von anderen so lange wie möglich zurück. Sprich stattdessen deine persönlichen Reaktionen aus.
5. Sei zurückhaltend mit Verallgemeinerungen.
6. Wenn du etwas über das Benehmen oder die Charakteristik eines anderen Teilnehmers aussagst, sage auch, was es dir bedeutet, dass er so ist, wie er ist (d. h. wie du ihn siehst).
7. Seitengespräche haben Vorrang. Sie stören und sind meist wichtig. Sie würden nicht geschehen, wenn sie nicht wichtig wären (Vielleicht wollt ihr uns erzählen, was ihr miteinander sprecht?).
8. Nur einer zur gleichen Zeit bitte.
9. Wenn mehr als einer gleichzeitig sprechen will, verständigt euch in Stichworten, über was ihr zu sprechen beabsichtigt.
Die Regeln sind Hilfestellungen, die der Verwirklichung der Postulate dienen“ (Cohn, 1997, S. 124 ff.).
Reflexion
In langjähriger Erfahrung in der Arbeit mit Gruppen und Klassen konnte ich feststellen, dass durch die Anwendung des Modells TZI partizipative Prozesse auf dem Boden von Wertschätzung und Offenheit basierend, zu einem konstruktiven, sozialen Lernen führen. Die von ihr erstellten Postulate und Hilfsregeln geben den Rahmen für ein wertschätzendes Miteinander zwischen Lehrenden und Lernenden bzw. auch innerhalb der Gruppe der Lernenden. Cohn geht davon aus, dass die Dialektik zwischen Lehrenden und Lernenden durch die Wahrnehmung der Störungen jederzeit beseitigt werden kann. Meines Erachtens ist dies nicht immer möglich. Manche Konflikte in der beruflichen Ausbildung führen auch zur Auflösung des Ausbildungsvertrages.
Ihr Grundmodell beschreibt im Wesentlichen die Gruppenprozesse. Erst in ihren späteren Publikationen hat sie sich mit der Rolle der Lehrenden in der Schule beschäftigt. In ihrem Modell wird der Zusammenhang zwischen Inhalt und Methode nicht näher beschrieben.
Beim Einsatz der Methode und dem zu vermittelnden Inhalt ist gegenüber den Teilnehmern eine dynamische Balance herzustellen. Ich muss im Unterrichtsgeschehen alle Teilnehmer mitnehmen und versuchen, jedem die Möglichkeit zu geben, sich den Inhalt anzueignen. Dazu gehört auch im Sinne von Cohn eine „gewaltfreie Atmosphäre“.
2.3 Das lehrende und lernende Subjekt
„Subjektorientierung wird in Didaktikdiskursen als Ausdruck eines besonderen Interesses am Subjekt verstanden“ (Ludwig, 2005b, S. 75). Aus konstruktivistischer Sichtweise hat das Subjekt beim Lernen eine relative Autonomie, aber im Bezug auf die Umweltbedingungen wird dies zu wenig berücksichtigt (ebd., S. 76).
Lernendes Subjekt
Jedes Subjekt hat eine Geschichte, bezogen auf sich selbst und innerhalb der Gesellschaft, die in der Gesamtheit das Individuum ausmacht (Pott, 2001, S. 67). Die Entwicklung des Subjekts ist immer in die augenblicklichen Herrschaftsverhältnisse eingebettet. Der Neoliberalismus innerhalb der Europäischen Union sieht den Bürger überwiegend als „Humankapital“. Die Schule und die Universitäten sollen sich dem Diktat der Wirtschaft unterwerfen. 1987 schreibt schon Klingberg, dass die „Entwicklung der Subjektposition“ immer stärker im gesellschaftswissenschaftlichen Diskurs ihren Niederschlag findet (Klingberg, 1987, S. 13). Marx schreibt dazu: „Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum inwohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“ (Marx, 1990, S. 6). Das lernende Subjekt sollte in der Lage sein, selber seine gesellschaftlichen Bedingungen zu reflektieren und daraus seine Schlüsse zu ziehen. Dazu ist eine umfassende Bildung im Sinne Humboldts notwendig. Das wahre Streben des menschlichen Geistes besteht darin, seine Welt zu verstehen und Neues zu entdecken (Humboldt, 2010, S. 236). In der kritischen Theorie basierend auf einer interessengeleiteten Gesellschaftstheorie, wird die Gesellschaft als Gesamtheit der tatsächlichen Verhältnisse beschrieben, die „die Menschen selbst produziert haben, und zwar geleitet von Werten und Bedürfnissen, die aber ihrerseits die Menschen bestimmen, jedoch auch von ihnen wieder verändert werden können“ (Horkheimer, 1992). Zur Veränderung gehört, Wissen zu vermitteln, wie unser kapitalistisches Wirtschaftssystem funktioniert und welche Rolle der einzelne Arbeitnehmer in diesem System der Lohnabhängigkeit spielt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden in allen Berufsausbildungen nach den Bildungsplänen des Staates in Gemeinschaftskunde bzw. Staatsbürgerkunde unterrichtet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Umschulungsmaßnahmen sind verpflichtet, die Maßnahmen der Agentur anzunehmen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden dadurch vom Subjekt zum Objekt. In Lebenskrisen ist häufig der Mensch sogleich Subjekt und Objekt. Als Objekt wird man von außen durch Fremdbestimmung, z. B. Beeinflussung durch staatliche Institutionen oder Betriebe. Die Fähigkeit der kritischen Auseinandersetzung wird dadurch meist massiv eingeschränkt (Meueler, 2009b, S. 138). Meuler geht davon aus, dass subjektorientierte Erwachsenenbildung „die Aneignung vorenthaltener Rechte, sozialer Erfahrungen und unbeachteter Fähigkeiten ermöglicht“ (ebd., S. 195). Der Entscheidungsspielraum der Lernenden „zu vergrößern und dem freien Willen (wieder) mehr Einfluss zukommen lassen“ (Arnold und Pachner, 2013, S. 22), sollte als Ziel in der Erwachsenbildung postuliert werden.
Unsere Staatsform lebt vom Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Die Notwendigkeit, sich innerhalb von Gewerkschaften, Berufsverbänden und Parteien aktiv zu beteiligen, wird in der Schule meistens nicht vermittelt. Neutral lernen die Schülerinnen und Schüler Fakten über Parteien und Gewerkschaften für die nächste Klausur auswendig, aber transformatorische Prozesse des lernenden Subjekts finden selten statt. Das hängt alleine von der Persönlichkeit des „lehrenden Subjekts“ ab.
Es bleibt immer in der Verantwortung des Lernenden, wieweit er bereit ist, sein Wissen zu reflektieren, zu erweitern oder einen Paradigmenwechsel vorzunehmen. Dies ist alleine die „Sache des Subjekts“! (Grotlüschen, 2005, S. 17)
Meueler beschreibt die Lernmöglichkeiten unter dem Blick des Subjekts unter folgenden Punkten:
1. „ Subjektorientierung“ beruht auf der Wertschätzung des Einzelnen. Das Subjekt ist in der Lage, sich mit seiner Lebenswelt auseinanderzusetzen und bei auftretenden Schwierigkeiten, diese selbst oder im Team zu lösen.
2. „ Subjektorientierte Erwachsenenbildung“ beruht auf der Einsicht, dass der Einzelne Wissen erwerben möchte. Gleichzeitig ist eine Skepsis gegenüber dem offiziellen Wissen zu erkennen. In dieser Auseinandersetzung kann das Subjekt sich selbst eine Meinung bilden und diese auch konstituieren.
3. „ Bildung ist machbar von denen die sich bilden“. Die Auseinandersetzung mit Bildung durch das Subjekt geschieht auf der Grundlage, sich ein besseres Leben zu ermöglichen und mehr Freiheit zu erlangen.
4. „ Selbstreflexion“ erfordert sein eigenes Ich auszubilden. Die Selbstaufklärung durch Beschaffung von Informationen aus verschiedenen Quellen führen dann zu einer eigenen Sichtweise und die Möglichkeit, einen eigenen Standpunkt in bestimmten politischen und gesellschaftlichen Fragen einzunehmen.
5. „Alltagsorientierte Erwachsenenbildung“ beinhaltet auch die Auseinandersetzung und Reflexion gesellschaftlicher Konflikte, wie die Arbeitskraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer maximal auszunützen, aber gleichzeitig auch die persönliche Gesunderhaltung im Sinne der Sozialhygiene, anzusprechen.
6. „ Tabuisierung der Arbeitswelt “ vermeiden bedeutet, die Selbstbehauptung des einzelnen Individuums zu beachten. Wenn z.B. ein Seminar zur Kommunikation im Team veranstaltet wird und dabei die prekären Zustände der Pflege auf der Station zur Sprache kommen, ist es die Aufgabe des Lehrenden, mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Lösungsansätze zu entwickeln, anstatt sich auf die theoretischen Inhalte eines Kommunikationsmodells zurückzuziehen.
Dabei ist die „ Verarbeitung lebenspraktisch erfahrener gesellschaftlicher Widersprüche “ unerlässlich. „ Jedes Nicht-Handeln bedeutet politisches Handeln” indem das Subjekt das Handeln anderen, z.B. dem Arbeitgeber überlässt. Nur wenn das Subjekt selber den Wunsch nach Veränderung erkennt, wird daraus ein politisches Handeln, um bezogen auf das oben genannte Beispiel, die Arbeitsbedingungen zu verändern.
7. Die Bedeutung der Kommunikation muss besonders betont werden. Innerhalb von Seminaren und Berufsausbildungen darf der Schüler nicht als Objekt wahrgenommen werden. In der Praxis sind dagegen immer noch alte tradierte Vorstellungen des Lehrerverhaltens zu erkennen. Der Prozess des Aushandelns von Inhalt und Methoden gemeinsam mit den Lernenden und der Dozentin oder des Dozenten findet viel zu selten statt.
8. Das „ soziale Deutungsmuster” ist auf das einzelne Subjekt des Lernenden auszurichten. Für ein subjektorientiertes Lehren sind die gesellschaftlichen Veränderungen der Teilnehmerzusammensetzung zu berücksichtigen. Die Heterogenität der Gruppe ist als ein bereicherndes Element zu sehen. Eine biografische Bildungsarbeit, in der die kulturellen und lebensgeschichtlichen Bedingungen ihren Niederschlag finden, ist in den Vordergrund zu stellen. Dazu gehört auch, das Wissen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus anderen Kulturkreisen mit einzubinden. Eine Pflegekraft mit islamischem Hintergrund kann besser auf die Bedürfnisse eines türkischstämmigen Patienten eingehen. Dieses Wissen ist zu stärken, als Ressource zu vermitteln und nicht als ein Hinderungsgrund in der Bildungsarbeit zu sehen.
9. „ Andere Lernprozesse” müssen initiiert werden. Spielerische, kooperative und eigenständige Lernformen, wie z.B. Werkstattunterricht, in dem unter anderem selbstentwickelte Spiele wie Memory, Domino oder Activty angeboten werden, führt zu einer größeren Motivation und Ausdauer im Bezug auf Aneignung von Lerninhalten (Meueler, 2009b, S. 164–174).
„Individuelles und kollektives Lernen inklusive kritischem Denken kann nur angestoßen werden, ohne dass es mit Sicherheit in eine bestimmte Richtung gelenkt werden könnte“ (ebd., S. 162).
Lehrendes Subjekt
Als lehrendes Subjekt fragt sich Rogers, „kann ich das Risiko einer Beziehung eingehen?“ Wenn ich wage, offen zu legen, dass ich mir auch Wissen mühsam angeeignet und den beruflichen Aufstieg erarbeitet habe, steige ich vom „Thron“ herunter und werde genauso ein lernendes Subjekt wie die Schülerinnen und Schüler (Rogers, 1984, S. 94 f.).
Der „Lehrer [wird] zum Akteur und zum Subjekt des Unterrichtsprozesses“ (Klingberg, 1987, S. 11). Um handelndes Subjekt gegenüber den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu werden, ist die eigene Biografiearbeit und die Reflexion der Lebenswelt der Lehrenden notwendig.
Dafür ist ein Nachdenken über sich selbst und über sein Handeln eine unumkehrbare Bedingung. Gleichzeitig muss die „Voreingenommenheit“ gegenüber den Schülerinnen und Schüler immer wieder kritisch hinterfragt werden (Neubert, 2000, S. 23).
„Wenn ich, du, wir in dieser Welt wichtig sind, ist unsere Aufgabe, einander kennen und miteinander kooperieren zu lernen und diese eine Welt, in der und durch die wir leben, zu pflegen anstatt sie zu zerstören“ (Cohn, 1997, S. 153).
Das selbstreflexive Lernen (Lehren) nach Neubert vollzieht sich auf drei Ebenen:
1. Erlebnis: Über seine Gefühle, Affekte, Empfindungen, Emotionen reflektieren. Was ärgert mich? Welche Wertvorstellungen habe ich?
2. Erfahrung: Die Reflexion der eigenen beruflichen und privaten Lebenserfahrung. Welche eigenen biografischen Erfahrungen prägen mein persönliches Deutungsmuster in meinem beruflichen Handeln?
3. Vernunft trägt dazu bei, meine „häufig verselbständigenden emotionalen und narrativen Erkenntnisprozesse“ zu bewerten und „inhaltlich und methodisch zu disziplinieren“ und mein Handeln ethisch auszurichten (Neubert, 2000, S. 26 f.).
Zur Förderung und Überprüfung von selbstreflexivem Lernen gehör,t ein eigenes Leitbild zu entwickeln und schriftlich zu fixieren. Das Leitbild soll nicht abgeheftet und im Schrank oder in einer Datei auf dem Computer verschwinden, sondern im Büro oder Arbeitszimmer greifbar oder aufgehängt sein. Fuhr empfiehlt den Praktikern, mutig zu sein, ihre eigene moralischen Standards über ein Leitbild gegenüber den Teilnehmerinnen und Teilnehmern offen zu legen (2011, S. 516).
Um eine höhere Sensibilität und Empathie gegenüber den Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu haben, ist immer wieder das eigene „kognitive Deutungsmuster zu differenzieren und zu transformieren“ (Malloy und Schüßler, 2013, S. 38). Dies sehe ich für die Lehrerinnen und Lehrer als eine ständige notwendige Herausforderung.
2.4 Subjektorientierung nach Klaus Holzkamp
„Der Mensch... muss sich mit der historischen Entstehung der gesellschaftlich-ökonomischen Lebensgewinnungsform auch seine «gesellschaftliche Natur» sozusagen als « subjektive Seite » der Ökonomie herausgebildet haben, so ist dies zunächst lediglich ein Postulat, wenn auch ein begründetes“ (Holzkamp, 1984, S. 31). „Wir können vielmehr den Wunsch, « für sich zu sein » , « das eigene Leben zu leben » für uns und andere als « voll legitim » anerkennen, indem wir gleichzeitig verdeutlichen, dass Vereinzelung als bestimmende Lebensweise unter den gegenwärtigen Verhältnissen gleichbedeutend mit Ausgeliefertheit und Angst ist und dass gesellschaftliche Verhältnisse, unter denen sich der Mensch auf der Grundlage gemeinsamer Verantwortlichkeit für das Ganze auch «in der Gesellschaft vereinzeln» (Marx), angstfrei und vertrauensvoll bei sich selbst zu Hause sein kann, erst noch in kollektiver Kraftentfaltung erkämpft sein wollen“ (Holzkamp, 1984, S. 40). Die Entscheidung des Handelns - Lernen soll in der Entscheidung des lernenden Subjekts liegen.
„Handeln im Vollsinn des Begriffs ist demnach die Lebenstätigkeit des Menschen, soweit er sich bewusst, «intentional» geplant o.ä., d.h. subjekthaft-aktiv auf ein Ziel bezieht, dabei «frei» und «begründet »sich für sein Tun und Lassen entscheidet, also auch für dessen Resultate und Konsequenzen verantwortlich ist. Damit ist nicht gemeint, dass jedes empirisch vorfindbare Handeln «durch und durch» frei, begründet, damit «rational» etc. ist, sondern dass allein auf menschliches Handeln die Frage nach dessen Begründetheit, Verantwortlichkeit etc. sinnvoll beziehbar ist“ (Holzkamp, 1986, S. 381).
Der Lehr-Lern-Kurzschluss
„Meine Kritik am »Lehrlernkurzschluss«, d. h. der Unterstellung, «Lehren» würde automatisch «Lernen» bei den Belehrten implizieren, das Subjekt der Lernprozesse der «Schüler» sei also eigentlich der «Lehrer», ist nicht primär „antiautoritär“ motiviert“. Vielmehr soll versucht werden, aufzuzeigen, dass die Vorstellung, man könne etwa durch Lehrpläne, Lehrstrategien, didaktische Zurüstungen die Lernprozesse eindeutig vorausplanen, eine Fiktion darstellt. Es ist nicht möglich, Bedingungen herstellen, unter denen den Betroffenen nichts anderes übrigbleibt, als in der gewünschten Weise zu lernen (Holzkamp, 2008, S. 31).
„Die Leitidee einer subjektwissenschaftlichen Didaktik ist es, den auf die alltägliche Handlungsproblematik, bezogenen Selbstverständigungsversuch des Lernenden so zu verstehen, zu unterstützen und zu begleiten, dass – bezogen auf das subjektive Lerninteresse - neue Handlungsoptionen entstehen und die subjektive Handlungsfähigkeit der am Bildungsprozess Beteiligten erweitert wird“ (Ludwig, 2003, S. 119).
Unterscheidung zwischen defensivem und expansivem Lernen
Der Lehrende hat die Aufgabe die Lernenden beim defensiven Lernen zu einem Perspektivwechsel, hin zu einem expansiven Lernen zu führen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 defensives und expansives Lernen modifiziert
(Subjektwissenschaftliche Begründungszusammenhänge – eTEACHiNG Wiki, 2014)
„«Expansives Lernen» ist ein Schlüsselbegriff der Lerntheorie Klaus Holzkamps. Der Lernende wird bei seiner Entfaltung in der «Expansivität» ausgehend vom Subjekt gesehen“ (Faulstich, 2008a, S. 5). Das expansive Lernen dient zur Erweiterung bzw. Erhöhung der Lebensqualität und das defensive Lernen dient lediglich zur Abwehr von Beeinträchtigungen und Bedrohungen. Dies kommt in schulischen und betrieblichen Lehr-/Lernverhältnisse vor (Holzkamp, 1995, S. 190, 193).
Bei defensiven Lernbegründungen fehlt die Förderung der „Selbstverständigung“. Es geht dabei nur um die Überwindung augenblicklicher Probleme und dazu werden Handlungsstrategien dem Lernenden an die Hand gegeben, oder er wird im Seminar diese selber erarbeiten. Dabei tritt schon die Frage nach der Trennschärfe zwischen defensivem und expansivem Lernen auf. Beim Lösen der Aufgabe, die einen defensiven Charakter aufweisen, werden gleichzeitig auch Strategien erlernt, die dann auch auf andere Situationen angewendet werden können und damit Elemente des expansiven Lernens sind (Ludwig, 2005a, S. 331).
„Zentral bleibt jedoch der Anspruch, Gesellschaft und Individuum in einer wechselseitigen Austauschrelation zu fassen, so dass Lernende beispielsweise beim virtuellen Lernen auf ihre Lerninhalte Einfluss nehmen können und Lehrende auf organisationale und gesellschaftliche Anforderungen, beispielsweise Beschäftigungsfähigkeit, verweisen können“ (Grotlüschen, 2005, S. 22). Während der Ausbildung sehen die Teilnehmer nur die Beschäftigungsfähigkeit im Vordergrund. Die Auseinandersetzung mit ihren Arbeitsbedingungen und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen finden zumeist nicht statt.
Sollen wir im täglichen Handeln nur expansive Lerngründe fördern und die defensiven Lerngründe „transparent“ darstellen, dass diese sich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern erschließen? Holzkamp fordert, dass eine Umkehr von defensivem zu expansivem Lernen erfolgen soll (Ludwig, 2005a, S. 331).
Das Ziel der subjektwissenschaftlichen Didaktik sollte auf expansivem Lernen liegen. Diese Didaktik beinhaltet eine Selbstverständigung der Lernenden gegenüber gesellschaftlichen und biographischen Lernbehinderungen und deren Überwindung mit dem Ziel erweiterter gesellschaftlicher Teilhabe (Ludwig, Education permanente Zürich: Schweizerischer Verband für Weiterbildung, S. 3).
„Um diesem Dilemma zu entkommen, ist es zunächst erforderlich, Arbeitsbedingungen und Kommunikationsformen zu schaffen, innerhalb derer die wirklichen Lerninteressen der Betroffenen systematisch geäußert und berücksichtigt werden können. Als interessantes Konzept erwähne ich in diesem Zusammenhang das Prinzip des «partizipativen Lernens», wie es von der in Berkeley lehrenden Sozialanthropologin Jean Lave entwickelt und erprobt wurde.“ Zu partizipativem Lernen gehören die Änderung der Kommunikationsformen, der „Angebots-Charakter“ von Vermittlung von Inhalten und die Darstellung der Gründe der Lehrenden. Alternativen zu Methode und Inhalten die die Lernenden einbringen, sind zu berücksichtigen und zu akzeptieren (Holzkamp, 2008, S. 31 f.).
Zu einem erfolgreichen Lernen im eigenen Interesse gehört „Unbedrohtheit, Entlastetheit, Unbedrängtheit, Vertrauen und vor allem Ruhe“ (Holzkamp, 1995, S. 485). Ergänzend gehört ein gutes Lernklima in der Klasse bzw. Seminargruppe dazu. Außerdem sollen die Räumlichkeiten freundlich, hell, mit angenehmen Temperaturen im Sommer und ohne Lärmbeeinträchtigung (Straßenlärm, Zuglärm) gestaltet sein.
Reflexion
Holzkamp beschreibt die Schule historisch gesehen als ein Machtinstrument, in dem durch Überwachung, „Frage-Antwort-Bewertung“ und Prüfungen überwiegend defensives Lernen erfolgt. Mittlerweile hat sich die Schule gewandelt. Projektarbeit und Teilnehmerorientierung sind Methoden, die in der modernen Schule zur Anwendung kommen. Er beschreibt, dass nur „episodenhaft und unprogrammgemäß“ expansive Lernphasen zu erkennen sind (Holzkamp 1995, S. 494). In seinem Bild des idealisierten Subjekts wird das „eigentliche und natürliche Lerninteresse von einer anonymen äußeren Macht unterdrückt“. Er stellt ausschließlich den „disziplinierenden und deformierenden Charakter der Schule“ in den Mittelpunkt. Teilnehmer in der Erwachsenenbildung brauchen nach meinen Erfahrungen klare Regeln und Vorgaben innerhalb von Seminaren und Ausbildungen als Orientierungshilfe. Die verschärfte Darstellung von defensivem Lernen verdeutlicht die Notwendigkeit außerhalb von vorgebenden Rahmenplänen die gesellschaftlichen Machtverhältnisse unter dem Diktat des Kapitalismus mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu diskutieren. Alle Akteure in der beruflichen Bildung versuchen auf das staatliche Bildungssystem ihren Einfluss geltend zu machen. Dieses Verhalten verstärkt den defensiven Charakter der beruflichen Bildung. Gleichzeitig werden Lehrende zu Objekten der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Stärkung der Subjektivität der Lehrenden ist eine Voraussetzung zu expansivem Lernen. Expansives Lernen in der beruflichen Bildung befähigt Lehrende und Lernende, sich mit Zwängen im beruflichen Alltag auseinanderzusetzen, diese zu reflektieren und Möglichkeiten zu finden, sie zu mildern oder aufzulösen.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer müssen dazu ermutigt werden, sich mit dem Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit auseinanderzusetzen und eine eigene Meinung zu bilden (Holzbrecher und Holtappels 1999, S. 142–144).
3 Partizipatives Didaktikmodell
Klingberg hatte in seinen letzten Publikationen immer mehr die Subjektförderung und den partizipativen Gedanken aufgenommen. „Damit ist gesagt, dass Lehrende und Lernende Akteure, Subjekte des Unterrichtsprozesses sind, das sie in gemeinsamer Tätigkeit, die Verantwortung und Entscheidung einschließt, den Unterrichtsprozess gestalten“ (Klingberg, 2005, S. 61).
Die Grundlage des Partizipativen Didaktikmodells ist die dialektisch orientierte Didaktik von Lothar Klingberg, modifiziert auf der humanistischen Grundlage der Themenzentrierten Interaktion von Ruth Cohn. Im Fokus steht die Förderung von Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Subjekt und der partizipative Gedanke, in welchem Lernende und Lehrende in der Erwachsenenbildung gemeinsam die Lerninhalte und die Methoden im Unterrichtsgeschehen festlegen. Die Subjektorientierung basiert auf den theoretischen Grundlagen von Holzkamp, Faulstich, Ludwig und Meueler. Diese Gedanken werden in den einzelnen Abschnitten „Teilnehmer_in und Erwachsenenbildner_in“ näher ausgeführt. Unterricht wird immer von internen und externen Störungen beeinflusst. Die theoretischen Grundlagen dazu sind die kritische-kommunikative Didaktik von Rainer Winkel und die Ausführungen zu Störungen in der Themenzentrierten Interaktion (TZI) von Ruth Cohn.
Die Möglichkeit der Öffnung des Unterrichts, indem die Schülerinnen und Schüler über Inhalt und Methode mitbestimmen können, setzt eine soziale Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden voraus. Eine dynamische Balance zwischen Inhalt bzw. Aufgaben (ES), den Lernenden (WIR) und Lehrenden (ICH) ist herzustellen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 Partizipatives Didaktikmodell
Bei der Unterrichtsvorbereitung ist nach einer didaktischen Reduktion des Inhaltes, die Methodenwahl zu treffen. Methode und Inhalt stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander. „Es gibt eine didaktisch relevante Wechselwirkung zwischen inhaltlichen und methodisch/medialen Aspekten“ (Lehner, 2013, S. 6).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6 Inhalt und Methode
“Für das Verständnis der didaktischen Logik ist die Inhalt-Methode-Beziehung von weitreichender Bedeutung. Die didaktische Fragestellung darf nicht auf eine oder andere Seite dieses Verhältnisses verkürzt werden: Eine «Inhaltsdidaktik» ist ebenso wenig wie eine «Prozessdidaktik» oder verkürzte «Methodik» geeignet, den ganzen kategorialen Zusammenhang zu erfassen. Wichtig ist, das korrelative Verhältnis der Kategorien «Inhalt» und «Methode» herauszuarbeiten, die ganze Dialektik dieser reichen Kategorienpolarität“, zu vermitteln (Klingberg, 1995, S. 40).
„«Dynamische Balance» ist ein Kerngedanke der TZI. Damit ist die Aufgabe gemeint, innerhalb des existentiellen Paradoxons (biologische Einheit und zugleich sozial-kosmischer Anteil zu sein) immer wieder Balance herzustellen: Balance zwischen dem Ich [Erwachsenenbildner_in] - Wir [Teilnehmer_innen] - Es [Inhalt - Methode] Faktoren der Gruppe, Balance zwischen physischen, emotionalen, intellektuellen und spirituellen Bedürfnissen und Wünschen, Balance zwischen Geben und Empfinden, Hören und Sprechen, Aktivität und Ruhe etc.“ In der Balance ist auch die jeweilige Ausgangslage des lernenden Subjekts bezogen auf Inhalt und Methode zu berücksichtigen (Cohn, 1997, S. 161).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7 Teilnehmer_innen - Erwachsenenbildner_in - Inhalt
Die Erwachsenenbildnerin oder der Erwachsenenbildner stellt den Lernenden den Unterrichtsinhalt vor. Eine dynamische Balance kann nur dann hergestellt werden, wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit haben, den Inhalt in einem demokratischen Prozess festzulegen. Sie bringen ihre eigenen beruflichen Erfahrungen in das Unterrichtsgeschehen mit ein. Hierbei kommen partizipative Prozesse in Gang, die Lehrenden lernen auch von den Lernenden und können ihr Wissen, bezogen auf die berufliche Praxis, erweitern. Dieser Prozess findet in bisher publizierten didaktischen Modellen zu wenig Beachtung. Einzelne Autoren erwähnen nur, dass der Unterricht gemeinsam gestaltet wird.
„Lehrer tun gut daran, von ihren Schülern und durch ihre Schüler zu lernen“ (Cohn, 1997, S. 170).
„Im Unterrichtsprozess erschaffen Lehrer und Schüler gemeinsam den projektierten Unterrichtsinhalt auf ihre Weise neu“ (Jank und Meyer, 1991, S. 279). „Damit ist gesagt, dass Lehrende und Lernende Akteure, Subjekte des Unterrichtsprozesses sind, dass sie in gemeinsamer Tätigkeit, die Verantwortung und Entscheidung einschließt, den Unterrichtsprozess gestalten“ (Klingberg, 2005, S. 61). Die Lehrerinnen und Lehrer sollen die produktiven Kräfte des Kollektivs nutzen. Sie können daraus „pädagogisches Kapital“ schlagen und die pädagogische Wirkung des Kollektivs wird potenziert (Klingberg, 1973, S. 171).
Ich selber soll mich immer wieder überprüfen, ob meine geplanten Inhalte und Methoden auf die“ interessierten Subjekte“ ausgerichtet sind. Immer wieder soll ich bereit sein, ausgerichtet auf die Zielgruppe, die Lerninhalte neu zu inszenieren (Meueler, 2009b, S. 191).
Die „Dynamische Balance“ ist ebenfalls bei der Methodenwahl mit den Teilnehmern herzustellen. Dazu ist es aber notwendig, den Teilnehmern Grundlagen der didaktischen Kompetenz zu vermitteln.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8 Teilnehmer_innen - Erwachsenenbildner_in - Methode
Verstehen und Lernen gehören „unverwechselbar“ zusammen. Dafür entscheidend ist die Methoden- und Medienwahl (Lehner, 2013, S. 6).
Die „äußere Seite“ des Unterrichts ist das, was beim Hospitieren im Unterricht sichtbar zu Tage tritt. Wie ist die Beziehung zwischen „Lehrer und Schüler“? Wie werden Inhalte des Unterrichts vermittelt? Dies kann durch darbietenden Unterricht, durch Schülerarbeit oder in einem gemeinsamen Unterrichtsgespräch erfolgen. Unter der „inneren Seite“ wird die angewandte Methode verstanden. Der „innere Gang“ bzw. der rote Faden kennzeichnet, in welcher Logik und Reihenfolge der Stoff vermittelt wird. Es muss „eine Einheit zwischen dem methodischen Vorgehen und Unterrichtsmitteln“ bestehen (Klingberg, 1973, S. 290 ff.).
Insbesondere in der Ausgestaltung der Unterrichtsprozesse ist der Bildungsbegriff zu erweitern. „Dies verweist auf die Notwendigkeit eines Bildungsbegriffs in dem Beziehungs- und Kooperationsfähigkeit, Empathie und wechselseitige Verantwortungsfähigkeit als wesentliche Dimensionen entwickelt werden. Zentral ist hierbei die Weiterführung des Lernweges im Erwachsenenalter, unabhängig von schulischen Positionierungen, jedoch ohne diese auszublenden“ (Zimmermann, 2013, S. 70).
Die Rahmenbedingungen wie Ausbildungs- und Prüfungsordnungen, Schulordnungen und Bildungspläne können partizipative Prozesse auch einengen. Besonders in der beruflichen Bildung steht der Facharbeiterbrief oder das Diplom im Vordergrund. Lehrende und Lernende arbeiten gemeinsam in erster Linie an dem Ziel, einen guten Bildungsabschluss zu erreichen. Dabei kommt die Förderung des einzelnen lernenden Subjekts aus Zeitgründen leider meistens zu kurz. Ruth Cohn führt dazu aus: „Wenn wir nicht akzeptieren, wie Ort, Zeit (Vergangenheit und Zukunft), Zusammenstellung der Gruppen (soziale Schicht, Geschlecht, Alter, Bildung usw.) und die Themenwahl jede Gruppeninteraktion beeinflussen, werden inadäquate Gruppenstrukturen den Vertrauenspegel senken und die Prozesse behindern oder schädigen“ (Cohn, 1993, S. 147).
[...]
- Citation du texte
- Jürgen Mohrbacher (Auteur), 2015, Ein partizipatives Didaktikmodell. Eine Weiterentwicklung der dialektisch orientierten Didaktik von Lothar Klingberg bezogen auf die berufliche Bildung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375261
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