In der vorliegenden Untersuchung wird der Frage nachgegangen, inwiefern das Medium Fotografie in unserer Zeit mit den technologischen Möglichkeiten wie etwa der digitalen Bildbearbeitung neue Wahrnehmungsstrategien beim Betrachter evozieren bzw. herkömmliche Sehkonventionen irritieren kann. Diese These soll durch eine exemplarische Beschreibung von Andreas Gurskys Werk und in Bezugnahme auf ausgewählte kulturwissenschaftliche Diskurse entwickelt werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Wahrnehmung durch das Medium Fotografie
2.1 Kulturgeschichte der Fotografie
2.2 Mediengeschichte der Fotografie
3. Das Neue Sehen
3.1 Die Rodtschenko-Perspektive
3.2 Moholy-Nagys neue Lehre des Sehens
3.3 Hausmanns Lenkung des Blicks
4. Die technischen Bilder und die Rolle des Betrachters
5. Andreas Gurskys Neues Sehen
5.1 Anfänge (1980-1991) - Narrativität
5.2 Inszenierung von Realität (1992-1999) - Strukturierung
5.3 Mensch und globalisierte Welt (2000-2008) - Archivierung
6. Fazit
6.1 Wahrnehmung in Bezug auf Gurskys Werk
7. Bildanlage - Abbildungen für die Publikation entfernt -
Bibliographie
1. Einleitung
Genau genommen gibt es ja keine ‚Wahrnehmung’. Alles, was wir für wahr nehmen, bleibt doch nur ein Annehmen, eine Hypothese, die sich erst zu bewähren hat. Nur hat die menschliche Wahrnehmung in der vertrauten Umwelt so viele Überprüfungsmöglichkeiten, daß uns die fließenden Grenzen zwischen Sehen, Deuten und bloßem Raten noch viel weniger zum Bewusstsein kommen als im Falle des Bilderlesens.1
Was Ernst Gombrich (1909-2001), einer der einflussreichsten Theoretiker zum Thema Wahrnehmung und bildlicher Darstellung in der Kunst, hier beschreibt, veranschaulicht sehr gut die Komplexität, mit der dem Thema ‚Wahrnehmung durch das Medium Fotografie - Am Beispiel ausgewählter Fotografien von Andreas Gursky’ in dieser Arbeit begegnet werden soll.
Der Diskurs um das Medium Fotografie ist seit seiner Entstehung durch die Problematik gekennzeichnet, theoretische, ästhetische oder kulturkritische Parameter zu finden, die eine Diskussion über Fotografie überhaupt zuließen.2 In der Auseinandersetzung mit Fotografie werden für gewöhnlich immer wieder die großen Texte intellektuellen Rangs zitiert und repetiert. Zu den namenhaften Autoren, die sich theoretisch mit dem Medium zumeist in essayistischer Form in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auseinandersetzten, zählen insbesondere Siegfried Kracauer, Walter Benjamin, Gisèle Freud und Roland Barthes. Diese werden als paradigmatische Leittexte der wissenschaftlich vorherrschenden Diskurse um das Medium Fotografie angesehen. Unter Berücksichtigung dieser viel zitierten Texte soll in dieser Untersuchung aber auch im Rückgriff auf Autoren anderer Fachgebiete in erster Linie dem Thema ‚Wahrnehmung’ (durch das Medium Fotografie) nachgegangen werden. Die epistemologische Vorraussetzung dieser Untersuchung ist, dass es die Fotografie nicht gibt, sondern nur eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten des Mediums, dass von Anfang an einen „Zwitterstatus“ besaß und zwischen bürgerlicher Wissenschaft und bürgerlicher Kunst sich oszillierend in nahezu alle Bereiche des modernen Lebens Eingang verschaffte.3 Seit jeher war die zentrale Frage nach dem Fotografischen an der Fotografie die, ob sie gestaltet oder bloße Kopie des Realen ist. Es wird zu zeigen sein, inwiefern die Fotografie kein Substitut des Realen ist, sondern „ein eigenes System mit […] innewohnenden Regeln.“4
In der vorliegenden Untersuchung soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern das Medium Fotografie in unserer Zeit mit den technologischen Möglichkeiten wie etwa der digitalen Bildbearbeitung neue Wahrnehmungsstrategien beim Betrachter evozieren bzw. herkömmliche Sehkonventionen irritieren kann. Diese These soll durch eine exemplarische Beschreibung von Andreas Gurskys Werk und in Bezugnahme auf ausgewählte kulturwissenschaftliche Diskurse entwickelt werden. Auf dieser Grundlage kann die Schlussfolgerung erhoben werden, dass Gursky den Betrachter mit seinen Fotografien dazu einlädt „die Welt mit vollkommen anderen Augen [zu] sehen“5 und insbesondere mit seinen Fotografien der letzten zehn Jahre eine Art ‚Bilderarchiv’ geschaffen hat.
Unter den drei ausgewählten Bildaspekten Narrativität, Strukturierung und Archivierung werden die künstlerischen Fotografien unter Berücksichtigung ihrer ästhetischen, medialen und künstlerischen Qualität analysiert und dabei in Bezug gesetzt zu kultur-, kunst- und bildwissenschaftlichen Diskursen. Es wird dabei ersichtlich werden, dass Gurskys fotografisches Werk einem eigenen künstlerischen Konzept unterliegt und seine eigene Formsprache letztlich aufgrund seines „offenen Kunstwerkcharakters“6 dem Rezipienten eine neue „Weltdeutung“7 ermöglicht und somit auch die „Vorstellung der Vorstellung“8 von Welt und ihrer Ordnungsstruktur infrage zu stellen vermag.
Die Frage nach der Evokation neuer Wahrnehmungsstrategien soll sich dabei an insgesamt 14 ausgewählten künstlerischen Arbeiten des Fotografen Andreas Gursky entfalten, der wegen seiner für die Fotografie so ungewöhnlichen Großformate und seinem speziellen Einsatz der digitalen Technik zur ‚Konstruktion von Realität’9, für diese Fragestellung als ein prädestiniertes Beispiel zeitgenössischer Fotografie erschien.
Im zweiten Kapitel dieser Arbeit wird sich zunächst einleitend ausgewählten Fragen der Wahrnehmung durch das Medium gewidmet. Hierin sind im Rahmen zweier Unterkapitel zwei Exkurse zur ‚Kulturgeschichte’ und ‚Mediengeschichte der Fotografie’ mit inbegriffen. Hier werden Entwicklungen und Beispiele untersucht, die belegen, dass die Fotografie seit Anbeginn ihrer Entstehung die Fähigkeit besaß, sowohl individuelle, als auch kollektive Wahrnehmungsmuster zu prägen.
Im dritten Kapitel steht die fotografische Künstlerbewegung des Neuen Sehens, welche sich in den 1920er Jahren entwickelt hat, im Mittelpunkt der Betrachtung. In Bezug auf die medientheoretischen Überlegungen von Alexander Rodtschenko, László Moholy-Nagy und Raoul Hausmann soll dargelegt werden, wie der Begriff des Neuen Sehens sich in den aktuellen Diskursen konstituiert und welche Bedeutung ihm für die weitere Kunstentwicklung der Fotografie zugesprochen werden kann. Zu der Zeit des Neuen Sehens wird dem Medium Fotografie erstmalig eine bildnerische Qualität zugesprochen. So werden beispielsweise Normabweichungen in den Anfängen dieser ‚Neuen Fotografie’ nicht als Selbstzweck, sondern als Ausdrucksmittel praktiziert.10 Dies kann auch als Prämisse für Andreas Gurskys Arbeitsweise geltend gemacht werden. Die folgende Untersuchung wird anhand ausgewählter Beispielarbeiten Gurskys zeigen, dass sich in der künstlerischen Gestaltung ähnliche Prinzipien erkennen lassen, wie sie auch zur Zeit des Neuen Sehens Anwendung fanden. Zu diesem Zweck soll in den drei Unterkapiteln näher auf die Besonderheiten der ästhetischen Entwicklung der 1920er Jahre Zeit eingegangen werden. Dies soll genauer erfolgen am zeitgenössischen Beispiel von Rodtschenko, Moholy-Nagy und Hausmann, die durch unterschiedliche Arbeitsweisen zu umfangreichen Ergebnissen in der medientheoretischen Überlegung in Bezug auf die künstlerische Fotografie gelangt sind, welche das Medium in seiner Entwicklung als Kunstmedium virulent vorangetrieben haben.
In dem darauf folgenden Kapitel ‚Die technischen Bilder und die Rolle des Betrachters’, soll es um die Bedeutung der neuen digitalen Techniken für die Fotografie gehen. Die Sehgewohnheiten und Rezeptionsweisen werden mit der Möglichkeit der digitalen Bildbearbeitung erschüttert, was dazu führt, dass auch die Rollen des Betrachters, sowie des Operators11 neu definiert werden. Hierbei wird insbesondere Bezug genommen auf den Medientheoretiker und Philosophen Vilém Flusser und den rezeptionsästhetischen Ansatz des Kunstwissenschaftlers Wolfgang Kemp.
Im letzten Kapitel wird sich dem Thema ‚Wahrnehmung durch das Medium Fotografie’ über ausgewählte Arbeiten von Andreas Gursky angenähert, wobei zusätzlich versucht wird die künstlerische Entwicklung von Gursky nachzuvollziehen. In drei Unterkapiteln werden jeweils vier bis fünf Bilder exemplarisch unter je einem besonderen Aspekt der Narrativität, Strukturierung und Archivierung im Hinblick auf die unterschiedlichen Schaffensphasen des Künstlers untersucht. Dabei wird in jedem Kapitel nur ein Bild ausführlich analysiert, die restlichen drei bis vier unterstützen als Anschauungsmaterial die jeweiligen Thesen. Gursky, dessen Fotografien als Praktiken der Strukturierung und Archivierung von gesellschaftlichen Phänomenen begreifbar werden, entwickelt sich von einer frühen dokumentarischen Arbeitsweise über einen Formalismus, der einige Parallelen zum Neuen Sehen eines Rodschenkos oder Moholy-Nagys aufweist, hin zu einer modernen Abstraktion, die einer Beglaubigung der abgebildeten Lebenswirklichkeit jedoch auf ihre spezielle Weise treu bleibt.
Nach einer kurzen Einführung in die Biographie und das Werk Gurskys werden die Bilder in dem ersten Unterkapitel ‚Anfänge - Frühe Arbeiten (1980-1991)’ unter dem Aspekt des ‚Narrativen’ und Dokumentarischen untersucht. Hierbei wird deutlich, dass Gurskys Arbeitsweise in dieser Schaffensphase, die noch auf einer analogen Kameratechnik basiert, insbesondere im Einsatz und der Wahl der Perspektive eine große Ähnlichkeit mit der künstlerischen Praxis Alexander Rodtschenkos aufweist.
Im folgenden Unterkapitel ‚Inszenierung von Realität (1992-2000)’ wird ein Bild unter dem Aspekt der ‚Strukturierung’ untersucht, wobei Gurskys Arbeit mit der Digitaltechnik, die er bereits seit 1992 verwendet, im Vordergrund steht. Im letzten Unterkapitel ‚Mensch und globalisierte Welt (2000-2008)’ soll die Darstellung des Menschen in einer globalisierten Welt analysiert werden. Hierbei wird ein Bild aus seiner von 2000-2008 entstandenen Reihe „Enzyklopädie der Globalisierung“12 besonders unter dem Aspekt der ‚Archivierung’ untersucht. Letztlich wird in diesem Kapitel auch der Frage nachgegangen, inwiefern Gursky mit seinem Werk eine Art ‚Bildarchiv’ geschaffen hat, dessen gespeichertes (Bilder)Wissen ein kulturelles Gedächtnis konstituieren kann. Hierbei wird insbesondere Bezug genommen auf den wissenschaftlichen Diskurs, den das Ehepaar Jan und Aleida Assmann zu ‚kulturellen Erinnerung’ etabliert haben.
In einem Fazit wird durch die Zusammenführung und Konkretisierung der Untersuchungsergebnisse abschließend begründet, inwiefern Andreas Gursky mit dem Medium Fotografie und den Mitteln der digitalen Bildbearbeitung eine Veränderung der Wahrnehmungsstrategien des Betrachters evoziert und seine Bilder, aufgrund ihres ‚offenen Kunstwerkcharakters’ zur Konstitution eines kulturellen Gedächtnisses beitragen. In den Kapiteln zu Gursky und seinem Werk stütze ich mich sowohl auf Texte aus Ausstellungskatalogen als auch auf Fachzeitschriften, Zeitungsartikel und Interviews.13 Über Gursky wurde vor allem in der aktuellen Presse und im Zuge seiner Ausstellungen viel veröffentlicht. Eine (kunst)wissenschaftliche Forschung hat sich zu Gurskys fotografischem Werk allerdings noch nicht etabliert. Diese Arbeit steht in der Absicht einen Beitrag zu einer weiterführenden Forschung über Andreas Gurskys künstlerisches Schaffen zu leisten und eine interdisziplinär ausgerichtete Untersuchung zu dem Aspekt der ‚Wahrnehmung durch das Medium Fotografie’ anzuregen.
2. Wahrnehmung durch das Medium Fotografie
Jede Fotografie ist eine Art memento mori. Fotografieren bedeutet teilnehmen an der Sterblichkeit, Verletzlichkeit und Wandelbarkeit anderer Menschen (oder Dinge). Eben dadurch, dass sie diesen einen Moment herausgreifen und erstarren lassen, bezeugen alle Fotografien das unerbittliche Verfließen der Zeit.14
Die Fotografie hat wie kein anderes Medium die Wahrnehmung des Menschen beeinflusst, indem sie neue Vorstellungen von Wirklichkeit und ihrer Aufzeichnung begründete. Wenn im Weiteren von Wahrnehmung die Rede ist, so sind damit die über den Gesichtssinn aufgenommenen und ausgewerteten Informationen der Außenwelt im Zuge der menschlichen Kognition gemeint. Der Wahrnehmungsbegriff steht damit allgemein für das „Subjekt-Welt-Verhältnis“15. Mit Wirklichkeit wird die vom Menschen subjektiv wahrgenommene Lebenswirklichkeit bezeichnet, die sich im Wahrnehmungsprozess konstituiert oder besser gesagt ver-wirklicht. Diese umfasst sowohl Gegenstände der Außenwelt, als auch abstrakte Strukturen, die vom menschlichen Denken abhängen, wie auch soziale, ästhetische und historische Gegebenheiten.
Die Fotografie ist das erste Medium, dem aufgrund seiner apparativen Fähigkeiten unterstellt wurde, dass es die reale Welt aufzeichnen könne. Insbesondere zur Zeit der Entstehung der Fotografie wurde eine Gleichsetzung von Bild und Realität vorgenommen, welche einen entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmung des Menschen und auf seine Interpretation bildlicher Darstellung hatte. Die Etablierung der Fotografie als Kunst vollzog sich zunächst langsam und in unterschiedlichen Phasen, weshalb vorerst ein Blick zurück auf die Entstehungs- und Kulturgeschichte der Fotografie geworfen werden soll, um an ausgewählten Entwicklungsstadien zu illustrieren, inwiefern Fotografie im Zuge ihrer unterschiedlichen Nutzungszwecke die Wahrnehmung des Menschen beeinflusst hat. Danach wird der Versuch unternommen, Fotografie in ihrer Besonderheit als Medium zu klassifizieren und die wichtigsten Kunstströmungen der Fotografie zu skizzieren.
2.1 Kulturgeschichte der Fotografie
Die Malerei bietet der Fotografie einen Platz unter den schönen Künsten an.16
Die Anfänge der Geschichte der Fotografie sind vor allem durch drei Erfinderpersönlichkeiten geprägt worden: Joseph Nicéphoe Niépce, Louis Jacques Mandé Daguerre und W.H. Fox Talbot.17 Alle drei haben mit ihren Erfindungen dazu beigetragen, dass die Fotografie als „technologische Verknüpfung des optischen Prinzips der perspektivischen Wahrnehmungsweise mit dem chemischen Aufzeichnungsverfahren der empfindlichen fotografischen Schicht“18 entstehen konnte. Wer als erster die Erfindung gemacht hat, ist immer noch umstritten. Sie wird aber mehrheitlich mit dem Jahre 1826 datiert und dem Franzosen Niépce zugesprochen. Niépce war es in einem simplen Verfahren gelungen, Metallplatten lichtempfindlich zu machen. Diese Metallplatten mussten mehrere Stunden lang belichtet werden, damit sich etwas auf ihnen abzeichnete, was zunächst als Abbild der Wirklichkeit interpretiert wurde. Der Ausgangspunkt von Niépces Erfindung war die Suche nach einer chemischen Umsetzung des lithographischen Verfahrens. Damit baute er seine Erfindung auf Kategorien und Mitteln der Graphik auf.19 Daguerre war es gelungen, das Verfahren von Niépce weiterzuentwickeln, indem er Silberfolien mit Jod sensibilisierte. Mithilfe von Quecksilberdämpfen ließen sich so wesentlich schärfere Bilder in kürzerer Zeit erzeugen. Dieses Verfahren, bei dem die so genannten ‚Daquerreotypien’ hergestellt wurden, hatte aber immer noch den entscheidenden Nachteil, dass diese nicht kopierfähig waren jede einzelne Aufnahme war ein Unikat. 1839 kaufte die französische Akademie der Wissenschaft (nicht die Akademie der Schönen Künste!) das Verfahren an und präsentierte es als die ‚Daguerresche Erfindung’ der breiten Öffentlichkeit. Arago, der Sekretär der Akademie, dem es zu verdanken gewesen war, dass die Akademie die Erfindung erworben hatte, hielt eine pathetische Rede über diese neue Erfindung, welche Wissenschaft und Forschung auf der ganzen Welt bereichern sollte.
Das Verfahren war in seinen [Aragos] Augen ein Instrument, ein Hilfsmittel der wissenschaftlichen Arbeit von Astronomen, Botanikern und Archäologen. Delaroche, ein Maler von Schlachtenszenen, der zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt seines Ansehens stand, verließ die Sitzung mit den Worten: ‚Von heute an ist die Malerei tot’.20
Dieses Zitat Delaroches veranschaulicht sehr gut, dass sich das neue Medium von Beginn seiner Entstehung in Abgrenzung zur Malerei definierte. Zur gleichen Zeit entwickelte der Engländer W.H. Fox Talbot das Daguerresche Verfahren weiter und erfand das Negativ mit seinem Verfahren der Kalotypie. Damit war die ‚eigentliche’ Fotografie mit ihrem Negativ-Positiv-Verfahren geboren, welches ab 1840 die ersten Reproduktionen ermöglichte. Der technische Aspekt der Fotografie war seit jeher maßgeblich bestimmend für die Beziehung zwischen Bild und dargestelltem Objekt und wird in Bezug auf Andreas Gurskys Fotografien und die digitale Fotografie noch zu untersuchen sein.
Zur Zeit der fototechnischen Erfindung im frühen 19. Jahrhundert, welche den Grundstein für eine rasante technische Weiterentwicklung legte, wurde die Fotografie sowohl als Gotteslästerung21 verurteilt als auch als Instrument zur Entdeckung der Natur verteidigt. Die Trennung von wirklichen Dingen und ihren Abbildern, von Objekt und Repräsentation, war mit der Entwicklung der Perspektive in der Renaissance auf eine neue Ebene gehoben worden: Nun konnte die Welt zum (berechenbaren) Gegentand der zentralperspektivischen Betrachtung werden. Die Öffnung des zweidimensionalen Bildes auf den Tiefenraum war kontrollier- und konstruierbar geworden.
Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen für die Erfindung der Fotografie schon in einem vor der Erfindung der Fotografie ausgerichtetem ‚fotografischem Sehen’ angelegt war - oder, andersherum ausgedrückt: dass das ‚fotografische Sehen’ konstitutiv auf dem zentralperspektivischen Sehen der Renaissance aufbaut. Die Entstehung der Fotografie geht mit der Erfindung der Eisenbahn und einer rapide fortschreitenden Industrialisierung einher und kann in diesem Zusammenhang als eine Folge eines gesellschaftlichen Bedürfnisses nach einer Fixierung von Welt und somit als Gegensatz zu einer immer schneller werdenden und kaum noch verstehbaren Welt interpretiert werden. Aus der Fotografie erwuchs eine neue Bewusstseinsstruktur für den Betrachter, der die neuen Fotografien zunächst als enzyklopädische Bestandsaufnahme der Welt, beobachtende Welterkundung und rationale Weltinterpretation verstand.22 „Die Fotografie - jede Fotografie - scheint eine unschuldigere und deshalb genauere Beziehung zur sichtbaren Realität zu haben als andere mimetische Objekte.“23 Die Fotografie garantierte im Gegensatz zur Malerei eine mimetischere Naturbetrachtung, was dazu führte, dass ihr die Fähigkeit einer objektiven Darstellung der Wirklichkeit per se nachgesagt wurde. „Die chemische Fixierung auf einer Platte schiebt sich als eigentlicher Garant für die Objektivität zwischen den Fotografen und das Abgebildete […]. Die Bannung des Licht auf eine Platte wird als Selbstaufzeichnung der Natur aufgefasst.“24 Die ‚camera obscura’ wurde zunächst als eine Art neue Kopier- bzw. Sehmaschine gewertet, deren Zweck die bloße Abbildung ist. Dem Menschen selbst wurde bei diesem Abbildungsvorgang zunächst keine Bedeutung beigemessen. Es wurde nicht mitbedacht, dass der Mensch nicht nur bloßer Zuschauer des technischen Verfahrens ist, sondern auch derjenige, der neben anderen Entscheidungen zum Beispiel den Standpunkt und die Perspektive der Kamera bestimmt, und dass seine Auswahlkriterien einen maßgeblichen Anteil an dem Resultat der Fotografien haben. Deshalb galt dieses ‚fotografische Sehen’ im Vergleich zum menschlichen Sehsinn zunächst als „wissenschaftlich“, „objektiv“ und sogar als „demokratisch“25. In dem fotografischen Verfahren, so war die Annahme, wurde scheinbar alles mit derselben Aufmerksamkeit behandelt und (was noch viel wichtiger war) mithilfe eines Apparats, einer Technologie, welche der Sehfähigkeit des menschlichen Auges überlegen war. Die Fotografie als ein Verfahren, in dem das Licht mithilfe einer Apparatur ein Bild der Natur nachzeichnete, wurde zu einem „Wahrheit erzeugende[n] Automatismus [erklärt].“26 Die fotografische Technik wurde zum Garant für Objektivität und Wissenschaftlichkeit, mit der es möglich war, die Welt neu zu entdecken.
Weil sie etwas Unvergleichliches miteinander verglichen, waren die Vorkämpfer der Photographie sofort davon überzeugt, die große Überlegenheit der Photographie über die Fähigkeit des Auges läge gerade in jener spezifischen Geschwindigkeit, die es, dank der unbestechlichen Genauigkeit der Geräte, die weit entfernt war von der subjektiven und entstellenden Tätigkeit der Hand des Künstlers, der Photographie ermöglichte, die Bewegung mit der Genauigkeit und einem Detailreichtum festzuhalten und darzustellen, die der Blick natürlich nicht erreichen kann. Die Welt, die wie ein unbekannter Kontinent 'wiederentdeckt' wurde, erschien endlich in 'ihrer ganzen Wahrheit'.27
Anfänglich war die Fotografie aufgrund der hohen Kosten und des komplizierten Verfahrens zunächst nur der obersten Schicht des Bürgertums zugänglich. Mit einer erleichterten Technik jedoch, wie sie mit der ersten Handkamera Kodak-Nr.1 1888 von der Firma Eastman auf den Markt kam, wurde die Fotografie schnell der breiten Masse zugänglich, und es entstand in diesem Zuge die Amateurfotografie.28 Nun war es jedem möglich zu fotografieren, der nur den Auslöser betätigen konnte. Der berühmteste Werbeslogan von Kodak lautete: „Drücken Sie nur den Knopf, wir machen den Rest.“29 Das Foto war von nun an für alle zugänglich, Familienalben entstanden und schmückten selbst die einfachen Wohnungen der Arbeiter und Bauern. Fotografien waren in diesem Sinne zu einem Mittel zur Beglaubigung von Erfahrung und sozialer Erinnerung geworden. Von diesen Erfahrungen konnten Abbilder geschaffen werden, die man besitzen konnte wie „Souvenirs“.30
Das Familienalbum drückt die Wahrheit der sozialen Erinnerung aus. Nichts gleicht weniger der autistischen Suche nach der verlorenen Zeit, als diese kommentierten Darbietungen von Familienphotographien, Integrationsriten, denen die Familie ihre neuen Mitglieder unterwirft. Die Bilder der Vergangenheit, in chronologischer Ordnung, der „Vernunftordnung“ des gesellschaftlichen Gedächtnisses gereiht, beschwören und übermitteln die Erinnerung an Ereignisse, die der Bewahrung wert sind, da die Gruppe in den Monumenten ihrer früheren Einheit ein Moment der Einigung sieht oder, was auf dasselbe hinausläuft, weil sie aus ihrer Vergangenheit die Bestätigung der gegenwärtigen Einheit bezieht. Deshalb ist nichts geziemender, beruhigender und erbaulicher als ein Familienalbum […]. Die gemeinsame Vergangenheit oder, wenn man so will, der größte gemeinsame Nenner der Vergangenheit erscheint hier schon in der beinahe anmutigen Sauberkeit eine Grabmals, das treulich besucht wird.31
Im Sinne des Soziologen Pierre Bourdieus kann dem Medium Fotografie von daher eine identitätsstiftende Funktion zugesprochen werden, welche als soziale Gebrauchsweise der Fotografie an erster Stelle steht - Bourdieu nennt sie gleichsam die „archetypische Gebrauchsweise“.32 Die Fotografie leistet dabei einen wesentlichen Beitrag zur kommunikativen Selbstkonstruktion des modernen Menschen. Susan Sontag stellt ebenfalls fest, dass mit dem Aufkeimen der Amateurfotografie das Leben bildnerisch gestaltet wird, indem sich die Fotografierenden eine Wirklichkeit aneignen, die sich nicht am eigentlichen Leben misst, sondern an ihren Wunschbildern und Idealvorstellungen. Die Amateure suchen sich dabei ihre Sujets gemäß ihrer eigenen Geltungsbedürfnisse aus und vollziehen somit eine Vergesellschaftung durch die Bildung von Wahrnehmungsweisen und Vorlieben.33 Mit der Kamera versuchen die Amateure sich eine bessere, schönere Welt zu schaffen. Mit den Fotos, die tatsächliche, persönliche Erfahrungen abbilden, setzt sich der Mensch in eine selbst konstruierte Beziehung zur Welt, „[…] die wie Erkenntnis […] anmutet.“34 Die Kenntnis, die der Mensch von der Vergangenheit und von der Spannweite der Gegenwart besitzt, wird ihm durch das fotografische Bild vermittelt. Dass das Bild dabei selbst schon Deutung ist und ebenso Zeugnis darüber ablegt, wie und was der Einzelne sieht, anstatt nur Protokoll der Wirklichkeit zu sein, wird gerade zu Beginn der Entstehung kaum mitbedacht. Stattdessen wird eine Analogie von Realität und Bild angenommen, welche eine Abweichung zwischen perzeptuellem Bild und fotografischem, zweidimensionalem Bild der Kamera nicht mit berücksichtigt. Diese Direktschaltung forciert eine Wahrnehmung, welche Bild und Erfahrung unmittelbar aufeinander bezieht. Das Fotografieren kann dabei laut Sontag auch einer Verdrängung gleichkommen, indem man die Kamera zwischen sich und etwas Ungewöhnliches schiebt, sie kann zu einem „Abwehrmittel gegen Ängste“ oder zu einem „Instrument der Macht“ werden.35 Aufgrund der Direktschaltung zwischen Bild und Realität wird der Fotografie eine Wahrhaftigkeit nachgesagt, die implizieren würde, dass der Beweischarakter, die jeder Fotografie aufgrund ihrer indexikalischen Qualität zugesprochen wird, überall derselbe oder zumindest ein miteinander vergleichbarer wäre. Wenn sie aus ihrem Zusammenhang herausgelöst werden, sind Fotografien aber immer äquivok und ihre Konstruktion von Lebenswirklichkeit kann dadurch in Frage gestellt werden. Die Fotografie ist ihrem Wesen nach Stillstand, weil sie immer den Strom des Lebens unterbricht, indem sie einen kurzen Augenblick so fixiert, als sei er das Leben selbst. Begünstigt wird diese Direktschaltung durch die Suggestion einer Dreidimensionalität der zweidimensionalen Abbildung, die aber beispielsweise durch perspektivische Verfremdung oder Verzerrung des Raumes die visuelle Wahrnehmung des Betrachters durchaus zu irritieren vermag.36 Die Anwendung des fotografischen Mediums im privaten Bereich, ist nur ein Beispiel dafür, dass die Fotografie seit ihren frühen Anfängen die Fähigkeit besaß, sowohl individuelle als auch kollektive Wahrnehmungsmuster zu prägen.
Die Direktschaltung zwischen Bild und Realität wurde nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Bereich evoziert. Die Pressefotografie und der Bildjournalismus entstehen ab 1880. Damit finden Fotografien Einzug in die Zeitungen und Zeitschriften, und die Erfindung von so genannten ‚Halbtonklichees’ eröffnet dem Medium damit neue und bis dahin unbekannte Gebrauchsweisen. Die Halbtonbilder, die dabei entstehen, weisen neben Schwarz und Weiß auch viele differenzierte Grautöne (Halbtöne) im Gegensatz zu den früheren Bildern auf. „Das Bild verändert die Sehweise der Massen […]“37 und das öffentliche Foto ist damit erstmalig für eine breite Masse von Menschen zugänglich und avanciert so zum erstem ‚Massenmedium’. Auch dieser Umstand verändert die Funktion und Aussage des fotografischen Bildes in Bezug auf die menschliche Wahrnehmung.
Das öffentliche Foto nährt die Illusion einer Teilhabe am Weltgeschehen. Da Fotografien aber wesentlich auch eine Bewertung der Welt sind, wird sie auch zu einem Instrument der Manipulation. Das Medium wird bald auch im Krieg oder von der Polizei für Fahndungszwecke eingesetzt.38
Sontag geht davon aus, dass das Fotografieren eine chronisch voyeuristische Beziehung zur Welt geschaffen hat und damit die Bedeutung aller Ereignisse einebnet. Gleichzeitig ist es, laut Sontag, ein Akt der „Nicht-Einmischung“, „ein stillschweigendes Zustimmen“, was sie in Bezug auf den Fotojournalismus zu der Schlussfolgerung kommen lässt, dass derjenige, der dokumentiert, nicht eingreifen könne und umgekehrt. Als ein frühes Beispiel dafür, dass in der Geschichte des Fotojournalismus auch Gegenteiliges der Fall war, kann der Fotojournalist Lewis W. Hine angeführt werden. Er nutzte seine Fotografien sozialkritisch und war bemüht, mithilfe seiner Fotos soziale Missstände und Ungerechtigkeiten aufzuzeigen.39 Bilddokumentationen dieser Art, die in eine bestimmte historische Situation eingebettet sind, können ein moralisches Gewissen stimulieren und gezielt (oder willkürlich) eingesetzt werden, um eine politische Situation zu verstärken. Die Voraussetzung für die Wahrnehmung des Bildes in seinem moralischen Kontext ist jedoch ein politisches Bewusstsein des Betrachters für die abgebildeten Ereignisse.40
Der Fotografie kam mit dem Einzug in die öffentlichen Printmedien eine immer größere, weltumspannende Rolle zu, die in ihrer massenhaften Verbreitung weitestgehend mit Aufklärung assoziiert wurde. Zunächst war die einzige Voraussetzung für die Veröffentlichung eines Fotos in den Zeitungen, dass das Bild scharf genug war, damit es als Illustration einer Geschichte dienen konnte. Dann veränderte sich, mit einer weiteren kontinuierlichen Verbesserung der Technik, die Bedeutung der Bilder, und der Schwerpunkt verlagerte sich auf den Inhalt des Bildes und darauf, welche Gefühle es erweckte.
Die Erfindung der Leica Kamera 1925 kam für die Arbeit des Berufsfotografen, aber auch für die des Künstlers beinahe einer Revolution gleich. Die Gründe dafür waren die Erfindung des 35-mm-Films, der erstmalig 36 rasche Aufnahmen ohne Unterbrechung hintereinander ermöglichte, und die Austauschbarkeit von Objektiven (erst seit 1930), die insbesondere neue ästhetische Möglichkeiten eröffnen.41
Seit ihrem ersten Auftreten wurde die Fotografie vorrangig als ein Hilfsmittel der Naturwissenschaft und nicht als eigenständige Kunst klassifiziert. Den Status als Kunstmedium erlang die Fotografie erst in voller Akzeptanz in den 1960er Jahren. Der englische Fotograf und Mediziner Peter Henry Emerson (1856-1936) hat als einer der ersten in mehreren theoretischen Schriften die Fotografie auf ihre künstlerischen Möglichkeiten hin untersucht.42 Emerson kommt in seiner ersten Abhandlung „Naturalistic Photography“ von 1889 zu dem Schluss, dass Fotografie Kunst sei, welche dem ästhetischen Geschmack allein dienen solle. In der dritten und überarbeiteten Auflage seines Werkes, welche zehn Jahre später erschienen, behauptete er das Gegenteil, nämlich dass Fotografie keine Kunst sei. Diese beiden konträren Aussagen beschreiben recht gut das Dilemma, in dem sich die Fotografie von Anfang an befand. Aufgrund ihrer apparativen Herstellung und ihrer damit einhergehenden Reproduzierbarkeit widerspricht sie scheinbar dem Kunstwerkcharakter der Einmaligkeit. Walter Benjamin stellt in seinem Kunstwerkaufsatz fest, dass der„Sinn für das Gleichartige in der Welt so gewachsen ist, daß sie es mittels der Reproduktion auch dem Einmaligen abgewinnt.“43 Walter Benjamin sah in der Entwicklung der Fotografie einen Ausgangspunkt für einen gesellschaftlichen und kulturellen Umbruch und unterstellte lediglich den allerersten Fotografien, die nicht reproduzierbar waren, das „Auratische“44 der alten Kunstwerke. Benjamin definiert die Fotografie zur Zeit ihrer Reproduzierbarkeit jedoch vor allem über ihren ‚politischen Aspekt’. Ausgehend von dem philosophischen Aspekt der Entfremdung des Menschen von seiner Umwelt, sieht er in der Fotografie ein Medium, das vorrangig zwischen dem Menschen und seiner Umwelt vermitteln kann und die Fähigkeit besitzt, die Wahrnehmung von Wirklichkeit umzustrukturieren. Benjamin legt sich nicht fest, ob die Fotografie als Kunst definiert werden kann. Für ihn ist der politische Aspekt des Mediums von größerer Bedeutung, dass nämlich die technische Reproduktion die Wahrnehmung von vergangener Zeit, und demnach auch von Geschichte verändern kann.45
Das Medium Fotografie kann als ein wandelbares Medium klassifiziert werden, welches die Fähigkeit besitzt, verschiedene Funktionen anzunehmen, je nachdem, was mit ihm bewirkt werden soll. In diesem Sinne wohnt dem Medium auch eine künstlerische Funktion inne, und es kann im Rahmen seiner technischen Möglichkeiten mit ihm Kunst produziert werden.46 Als technisches und ästhetisches Medium ist es für die verschiedensten Nutzungszwecke gleichermaßen zugänglich und kann dabei je nach Bereich unterschiedliche Funktionen übernehmen.
An der Geschichte der Fotografie (die hier nur grob skizziert werden konnte) wird erkennbar, dass das Medium in einem sehr weiten Maße genutzt wurde und immer noch wird. Darüber hinaus kann das Medium Fotografie in seiner künstlerischen Anwendung, aufgrund des vom Künstler selektierten Raum- und Zeitausschnittes und den Möglichkeiten der technischen Bildbearbeitung, individuelle wie kollektive Sehwahrnehmung und gesellschaftliche Bildergedächniskulturen47 prägen.
2.2 Mediengeschichte der Fotografie
Künstlerische Fotografie war dem populären Charakter des Mediums gegenüber immer schon argwöhnisch gewesen.48
Als Medium ist die Fotografie neben anderen Medien geeignet, Vorstellungen zu visualisieren und zu verbreiten. Darüber hinaus ist sie in der Lage einmal Festgehaltenes zu reproduzieren. Walter Benjamin hat sich ausführlich mit diesem Aspekt der Fotografie beschäftigt und setzt der Flüchtigkeit und Wiederholbarkeit in der Reproduktion die Einmaligkeit und Dauer eines Kunstwerks entgegen, das seine Fundierung in einem Ritual habe. Wenn man an die Kunstproduktion den Maßstab der Echtheit nicht mehr anlegen könne, wie im Falle der photographischen Platte, die eine große Anzahl von Abzügen ermöglicht und bei dem man von keinem ‚Original’ bzw. ‚echtem Abzug’ sprechen könne, dann tritt laut Benjamin anstelle der Fundierung auf das Ritual die Fundierung auf die Praxis der Politik. Die Rezeption erfolge entweder unter dem Aspekt des Kultwertes oder unter dem des Ausstellungswertes. „Mit der Emanzipation der einzelnen Kunstübungen aus dem Schoße des Rituals wachsen die Gelegenheiten zur Ausstellung ihrer Produkte.“49 Benjamins Feststellung, dass sich durch die Erfindung der Fotografie der Gesamtcharakter der Kunst verändert und das Gewicht immer mehr auf den Ausstellungswert verlagert, was insbesondere auf die Fotografie zutrifft, bedeutet für Benjamin, dass das Kunstwerk zu einem Gebilde mit ganz neuen Funktionen wird. In der Urzeit lag das Gewicht auf dem Kultwert und hatte die Funktion ein „Instrument der Magie“ zu sein. Demnach unterstellt Benjamin der Fotografie als Medium (und in seiner Fortführung dem Medium Film) im Gegensatz zu den vorherigen Medien, ein spezifisch ‚gesellschaftliches und politisches Kriterium’, welches unter anderem in der Kollektivrezeption begründet liegt. Es unterscheidet sich von allen anderen vorangegangenen Medien zusätzlich durch die Unterbrechung der Kopf-Hand-Einheit bei der Bildherstellung. Ein chemisch- physikalischer Prozess trägt dazu bei, dass Bilder erzeugt werden. Es wurde schon erwähnt, dass in dieser Besonderheit der Grund liegt, warum dem Medium die Fähigkeit zur Objektivität und naturgetreuen Nachahmung (Mimesis) nachgesagt wurde.
Es soll vorab angemerkt werden, dass in dieser Arbeit nur über einzelne, ausgewählte Aspekte des Mediums reflektiert werden kann, da das Medium Fotografie im Gesamten fast unüberblickbar geworden ist. In dieser Arbeit steht die konzeptuelle Fotografie in ihrem Gebrauch für die Kunst im Vordergrund.
Infolge seiner spezifischen Besonderheiten hat das Medium Fotografie eine eigene Mediengeschichte, welche durch die Vertreter des Mediums repräsentiert wird, die aus gesellschaftlichen oder beruflichen Gründen einen theoretischen Überbau für ihre Tätigkeit entwickelten.50 Auffassungen und Richtungen, die sich in der Auseinandersetzung mit dem Medium Fotografie herausbildeten, bedingten sich gegenseitig und orientierten sich oft entlang von Extremen.
So folgte zum Beispiel der Auffassung, das photographische Bild müsse die Wirklichkeit möglichst genau und scharf abbilden (Robinson), die Theorie der partiellen Unschärfe (Emerson); die »Kunstphotographie«51 der Jahrhundertwende erzeugte als Gegenbewegung die »Photographie der Neuen Sachlichkeit«52 der zwanziger Jahre usw.[Es hat sich gezeigt, dass] immer wieder an schon in der Vergangenheit behandelten Tendenzen angeknüpft wird.53
Der Anknüpfung an schon behandelte Tendenzen wird im Verlauf dieser Arbeit in der Auseinandersetzung mit Gurskys Schaffen eine besondere Aufmerksamkeit zukommen, wobei Gurskys Arbeitsweise insbesondere in Beziehung zu der fotografischen Bewegung des Neuen Sehens gesetzt wird, die noch im Weiteren erläutert wird. Es soll jedoch zunächst eine Differenzierung zwischen konventioneller und konzeptioneller Fotografie vorgenommen werden, welche zur Eingrenzung des folgenden Themenbereichs hilfreich sein wird.
Unter konzeptionell soll die Art von Fotografie verstanden werden, die aus einem ‚geistigen, künstlerischen Einfall’ bzw. einem ‚Entwurf eines Werkes’ entspringt. Die konventionelle Fotografie hingegen bezeichnet die Handhabung des Mediums gemäß seines ‚Brauchs’ und seiner ‚Herkunft’. Die Konzeption, also der geistige, künstlerische Einfall, steht in dieser Untersuchung im Vordergrund, wobei auf die Konvention, die sich eher innerhalb des Mediums bemerkbar macht (indem die Fotografie zum Beispiel eine medienimmanente Sprache und eigene Beurteilungsmaßstäbe entwickelt) nur bedingt eingegangen wird. Die konventionelle und konzeptuelle Fotografie können in zwei unterschiedliche, zunächst zeitlich aufeinander folgende Entwicklungsstufen eingeteilt werden, wobei die erste Phase der Fotografie, welche circa die ersten hundert Jahre nach der Entdeckung des Mediums umfasst, die Phase der konventionellen Fotografie markiert und die konzeptuelle Fotografie erst in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts entsteht.54 Die konventionelle Fotografie bezieht ihre künstlerische Berechtigung zunächst aus den vorherrschenden Kunstströmungen. Zur Zeit ihrer Entstehung ist der erste Versuch, einen Stil der Fotografie zu begründen daher insbesondere an die Strömung des Naturalismus und an sein mimetisches Postulat geknüpft. Bis in die 1920er Jahre hinein wird die Fotografie von Malern als Hilfsmittel im Sinne von Handskizzen und Vorstudien konventionell gebraucht. Kraus bezeichnet diesen Umstand mit dem Begriff „Malerei nach [Vorlage der] Photographie“.
Erst in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts entsteht eine konzeptionelle Fotografie bzw. ein Konzeptualismus55, der von Rolf H. Kraus als „Kunst mit Photographie“ bezeichnet wird. In dieser Zeit, in der mit den neuen Verfahren und Materialen künstlerisch besonders frei experimentiert wird, kommt die Fotografie zum ersten Mal „konzeptionell zur Realisierung künstlerischer Vorstellungen und Vorhaben [zum Einsatz].“56 Um die Jahrhundertwende entstehen Kunstbewegungen, die das Medium in all seiner Vielseitigkeit nutzen, und somit wird die Fotografie zum „Avantgardeinstrument [schlechthin] - als ein von künstlerischen Traditionen unbelastetes, modernes Medium, das einer im Umbruch befindlichen Gegenwart adäquat erschien.“57 Der Konzeptualismus hatte, neben der Pop Art um Andy Warhol, die größte Bedeutung für die zukünftige Entwicklung der Fotografie in der Kunst. Das Foto etablierte sich dabei in verschiedenen künstlerischen Bewegungen wie der Straight Photography58 oder dem Neuen Sehen als Kunstobjekt, dessen maßgebliche Kriterien in „[der] formale[n], ‚grafische[n]’ Komposition eines Bildes, [der] Subjektivität der Sichtweise, [der] Qualität des (Original-) Abzugs und nicht [in dem] Wirklichkeitsbezug und Informationsgehalt der Aufnahmen“59 bestanden.
Um die Jahrhundertwende bemühten sich zunächst die Piktorialisten die konzeptuelle Kunstfotografie zu etablieren, indem sie versuchten alle dokumentarischen Eigenschaften wie Transparenz und Detailtreue der technischen Reproduktion auszumerzen und stattdessen ganz bewusst auf handwerklich-aufwändige Abzugsverfahren und Unschärfe zu setzen, um einen subjektiven, künstlerischen Ausdruck zu evozieren.60 Im Zuge der Avantgardebewegungen fand auch der Begriff des Dokumentarischen Ende der zwanziger Jahre des 20.Jahrhunderts Eingang in den fotografischen Diskurs. Die Bezeichnung galt keiner spezifischen Eigenschaft oder Funktion des Mediums Fotografie, sondern „einer spezifischen Motivwahl, einer spezifischen Ästhetik und nicht zuletzt einer spezifischen Haltung des Fotografen“61 Diese Definition bezieht sich allerdings auf die Kunstform dokumentarische Fotografie und muss von dem fotografischen Dokument, welches einen spezifischen Nutzen hat, wie beispielsweise ein Polizeifoto, abgegrenzt werden. Walker Evans, ein prominenter Vertreter der künstlerischen Dokumentarfotografie, konstatiert, dass Kunst per definitionem nutzlos sei und „[in] dieser Hinsicht […] Kunst niemals Dokument [ist], sie […] aber dessen Stil adaptieren [kann].“62 Evans prägte den Begriff documentary style mit der Intention, die Trennung zwischen Fotografie als Dokument (welches im 19.Jahrhundert noch ihre Wesensbestimmung war) und Fotografie als Kunst (im dokumentarischen Stil) genauer zu definieren. Die Kunstfotografie des documentary style entstand vor allem aus dem Wunsch der Künstlerfotografen, den gesellschaftlichen Wandel ihrer Zeit zu thematisieren und somit das Medium sowohl in seinen künstlerischen, als auch in seinen soziologischen Fähigkeiten zu nutzen, wobei mit letzterem die Fähigkeit des Mediums zur Veranschaulichung bestimmter gesellschaftlicher Themen gemeint ist.63 Die fotografische Ästhetik des dokumentarischen Stils unterscheidet sich von anderen Bewegungen der konzeptuellen Kunstfotografie insbesondere durch die Vorrangstellung des Motivs gegenüber der künstlerischen Originalität.
Gegen die schrägen Anschnitte, die Auf- und Untersichten, die zum Stilprinzip des Neuen Sehens zählten, setzten die Dokumentaristen die Frontalität der Aufnahme; im Unterschied zur Neuen Sachlichkeit, die Gegenstände fragmentiert, um ihre Oberflächentextur hervorzuheben, bevorzugten sie weite Bildausschnitte, die ein gleichzeitiges Erfassen vieler Details ermöglichte.64
Die Präsentation in der Serie sowie die Bezüge und Kontextualisierungen, die in der Anordnung erkennbar wurden, verliehen den Aufnahmen letztlich den dokumentarischen Wert. Als ein berühmtes Beispiel für die Realisierung von serieller Dokumentarfotografie kann das Ehepaar Bernd und Hilla Becher angeführt werden, dessen Schüler Andreas Gursky war. Es wird im Hauptteil dieser Arbeit noch weiter auf das Thema Dokumentarfotografie und die Arbeit der Bechers eingegangen, um zu zeigen, inwiefern sich Gursky unterschiedlichen Stilprinzipien des dokumentarischen Stils oder auch des Neuen Sehens bedient.
In den Anfängen des Neuen Sehens wird „[d]er eigentliche Prozeß, die eigentliche Kamera-Photographie […] interessanterweise in dieser ersten konzeptuellen Phase der ‚Kunst mit Photographie’ ausgespart.“65 Es entstehen das Fotogramm66 und die Fotomontage bzw. Fotocollage - beides Verfahren, die zunächst einmal die Technik der Kamera ausschließen. Dieses ‚Malen mit Licht’ funktioniert ohne Kamera, ebenso wie auch die Montage und Fotocollage kameralose Entdeckungen der konzeptuellen Fotografie sind. Auch Talbot hatte schon zu Zeiten der ersten Erprobung des Mediums Fotogramme erstellt, die er „photogenetic drawings“ nannte67. Und obwohl der Herstellungsprozess der Fotogramme der gleiche ist, unterscheidet sich der Zugriff von Man Ray und Moholy- Nagy von dem Talbots in seiner konzeptuellen Handhabung.
Die photogenetic drawings sind ein Ergebnis der Erprobungszeit des Mediums, das Fotogramm ist die erste Manifestation der konzeptuellen Photographie in der Kunst. Die Versuche Talbots haben ornamentalen Charakter, die »Lichtmalereien« von […] Man Ray und Moholy-Nagy hingegen elementare Qualitäten im Bereich der künstlerischen Abstraktion.68
Das Fotogramm ist besonders exemplarisch für die avantgardistische Epoche, da es die ganze Spannweite vom Drang nach Freiheit über den Anspruch auf Gestaltung der Wahrheit bis hin zur Anbetung der Technik umfasste, zugleich aber auch den unterschiedlichen Stil und Charakter des Künstlers enthielt und ermöglichte.69 Der Bereich der konzeptuellen Fotografie, der unter dem Begriff des Neuen Sehens bekannt geworden ist, und die damit einhergehende Mediendiskussion werden insbesondere von drei Künstlern gefördert, indem sie ihren Zugriff auf die Fotografie auf hohem Niveau diskutieren. Den medientheoretischen Überlegungen von Alexander Rodtschenko, László Moholy-Nagy und Raoul Hausmann ist das dritte Kapitel dieser Untersuchung gewidmet, da sie im Hauptteil dieser Arbeit in Bezug zu Andreas Gurskys konzeptueller Arbeit gesetzt werden.
Das Ziel des Bisherigen sollte es gewesen sein, einen Eindruck von der Entstehungsgeschichte und dem komplexen Netzwerk von unterschiedlichsten Formen der politischen, kulturellen und ästhetischen Gebrauchsstrategien zu vermitteln, in dem sich das Medium Fotografie entwickelt und dabei auch zur Entwicklung von Wahrnehmung beigetragen hat.
3. Das Neue Sehen
In einem bis dato undenkbaren Maße wird das Sehen, d.h die Wahrnehmung der Realität und ihres Bildes, die Herstellung und Präsentation des Bildes, der Kontakt zwischen dem Kunstwerk und seinem Rezipienten, zum Gegenstand der ästhetischen Produktion.70
Zu Beginn des 20.Jahrhunderts fanden viele Künstler, ausgehend von Alfred Stieglitz in Amerika, einen neuen Zugang zu der Fotografie. Die Fotografie wurde zu dieser Zeit als zur Kunstproduktion befähigtes Medium verteidigt, und wo dem Fotografen die Anerkennung als Künstler noch nicht zugestanden war, da wurde sie dringend gefordert. In den 1920er Jahren, als sich die Fotografie von der Malerei endgültig emanzipierte, entstand in Europa eine neuartige konzeptuelle Auseinandersetzung mit dem Medium Fotografie, welche retrospektiv unter dem Begriff des Neuen Sehens zusammengefasst werden kann.71 Das Besondere an diesen theoretischen Überlegungen über die Möglichkeiten der Kameraerprobung ist, dass sie von Künstlern verfasst wurden, die ihre Gedanken auf die künstlerische Anwendung des Mediums konzentrierten. Die Künstler dieser Zeit glaubten außerdem in dem Medium eine Möglichkeit zu erkennen, tradierte Sehgewohnheiten mithilfe der Fotografie zu verändern. Das Bewusstsein darüber, dass das neue Medium einen Einfluss auf die Wahrnehmung von Welt ausübt, war bereits in den Köpfen dieser Künstler verankert. Das Ziel dieser künstlerischen Bewegung war es, die Eigengesetzmäßigkeiten der Kamera weiter in Bezug auf einen künstlerischen Nutzen zu erproben. Beim Neuen Sehen stand das innovative Produzieren im konstruktivistischen Sinne im Vordergrund. Die Urbanisierung war zu dieser Zeit ungebremst fortgeschritten, die Maschinen akzeptiert, und mit den Wolkenkratzern prägten neue Architekturen das Stadtbild der Metropolen. So waren die bevorzugten Aufnahmestandorte der Fotografen auch die oberen Stockwerke der Häuser, die Dächer und Türme der Städte. „‚Das Zeitalter der Wolkenkratzer’ begann Ende des 19. Jahrhunderts und war für die kollektive Wahrnehmung keine Neuigkeit mehr.“72 Auch die so genannte ‚Teufelsperspektive’, bei der die Luftfotografien die genaue Vertikale suchen und bei der alle Tiefenlinien im Mittelpunkt der Erde konvergieren, war eine beliebte Perspektive, die erstmals von Nadar73 erprobt wurde. Andreas Gursky fotografiert ebenso bevorzugt aus dem Flugzeug, und die Perspektive ‚von oben nach unten’, bei dem sich das Panorama über die ganze Bildebene ausbreitet und die Horizontlinie aufhebt, gehört zu seinen favorisierten Blickwinkeln. Das Ziel des Neuen Sehens war es, neue Wahrnehmungsstrategien mit dem Medium Fotografie zu etablieren und dabei gleichzeitig eine höhere Beweglichkeit des Auges und eine Erweiterung des Gesichtskreises zu evozieren. Viele Befürworter und Kritiker des Neuen Sehens setzten die Funktion der neuen Sehweise mit ihrer Schockwirkung gleich. „Das Moment des Schocks, das von einer extremen Ansicht ausgeht, zwingt das Auge zu einer schnellen Orientierung.“74 Dieser Schockmoment, der allen Bildern des Neuen Sehens immanent war, wurde als künstlerisches Mittel eingesetzt, um den menschlichen Sehsinn strategisch herauszufordern. Hierin lag der Endzweck der künstlerischen Bewegung des Neuen Sehens, in welcher sich das Bedürfnis, die Sehtätigkeit herauszufordern, widerspiegelte. In den zwanziger Jahren wurde von fast jedem Fotografen das Thema Sehen und Wahrnehmung ganz direkt über die Wahl des Motives entwickelt, oft in der Darstellung von Augen. Alexander Rodtschenko entwarf beispielsweise Kinoplakate mit dem Leitmotiv des Auges für Dziga Vertovs Filme, und Man Ray eröffnete sein erstes Fotobuch 1934 mit dem Bild eines einzelnen Auges, umrahmt von zwei Tränen.
Alexander Rodtschenko, László Moholy-Nagy und Raoul Hausmann sind drei Künstler, die mit ihren Arbeiten rückblickend einen großen Einfluss auf die Kunstbewegung des Neuen Sehens ausübten. An ihnen sollen exemplarisch die Methoden und Ziele dieser fotokünstlerischen Praxis dargelegt werden. Die medientheoretischen Überlegungen dieser drei Künstler sollen im Folgenden kurz dargestellt werden, da sie und ihre Theorien nahezu alles, was der Begriff des Neuen Sehens impliziert, umfassen. Rodtschenko und Moholy- Nagy versuchten, jeder auf seine eigene Art, die Faktoren ‚Bewegung’ und ‚Zeit’ in die statische Fotografie zu integrieren. Rodtschenko konzentrierte sich dabei in erster Linie auf die Kameraführung und die Wahl der Perspektive. Moholy-Nagy ging es eher um die Ausnutzung der fotografischen Aufnahmetechnik, mit dessen Hilfe man „[d]ie Welt mit vollkommen anderen Augen sehen“ kann.75 Bei Hausmann stand stattdessen mehr das Produkt selbst, also das fotografische Bild, im Vordergrund und nicht der Akt des Fotografierens wie bei Rodtschenko und Moholy-Nagy.
Das Erstaunliche an der Medientheorie und -praxis aller drei Künstlern ist, dass sie dem Medium Fotografie erstmalig eine bildnerische Fähigkeit bzw. Qualität unterstellten, welche es zu überprüfen und zu nutzen galt. Es ist erkennbar, dass alle drei sehr ähnliche Ideen hatten, um die Fähigkeiten des Mediums in Bezug auf seine bildnerische Gestaltung und seine neuen Apperzeptionsweisen auszutesten. Es wird noch zu zeigen sein, dass Andreas Gursky auf ähnliche Art und Weise die bildnerischen Qualitäten des zeitgenössischen, ‚foto-graphischen’“76 Mediums nutzt.
3.1 Die Rodtschenko-Perspektive
Er hatte Bäume, Gesichter, arbeitende Menschen aus extremer Untersicht gezeigt, er hatte Demonstrationen, Passanten, Fabriken aus großer Höhe wiedergegeben, er hatte Szenen des Alltagslebens, der Arbeit, durch krasse horizontale oder diagonale Schnitte gezeigt.77
Alexander Michailowitsch Rodtschenko (*1891 in St.Petersburg †1956 in Moskau) erprobte die bildnerischen Möglichkeiten des Mediums, indem er sich insbesondere die Probleme der fotografischen Perspektive kreativ zu Eigen machte. Seine Theorie von der Neuen Fotografie hat einen enormen Beitrag zu einer veränderten Wahrnehmung durch das Medium Fotografie geleistet, indem er mit seiner künstlerischen Praxis alte Sehgewohnheiten strategisch versuchte zu durchbrechen und in seinen theoretischen Schriften die Wirkung von neuen, experimentellen Bildansichten auf die Wahrnehmung des Betrachters untersucht hat. Rodtschenko strebte eine technikgerechte Anwendung der Kamera an und wollte damit einen Bruch mit der künstlerischen Tradition der Fotografie als Medium der Abbildung herbeiführen. Das Training neuer, zeitgemäßer Apperzeptionsweisen war ihm ebenso ein Anliegen, wie die Erweiterung der Bildsemantik und des Informationsgehalts - etwa, indem er mehrere Ansichten seiner Motive darstellte. Die bestehenden Sehkonventionen, die durch das Medium Fotografie bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts sichtbar wurden, waren laut Rodtschenko überholt. Er forderte eine innovative und spielerische Erprobung der technischen Möglichkeiten. Die moderne Welt verlange, so Rodtschenko, nach neuen bildlichen Apperzeptionsweisen und demnach nach neuen Formen des bewussten Erfassens von Erlebnis-, Wahrnehmungs- und Denkinhalten. Die Möglichkeit mit Fotografie Wahrnehmung zu prägen, zu lenken und zu verändern wollte erprobt werden. Eine adäquate Umsetzung dieses Vorhabens sah Rodtschenko insbesondere in der Wahl der Perspektive. In den 1920er Jahren war die bald bekannte ‚Rodtschenko-Perspektive’ eine Provokation, ja, man könnte sogar behaupten, beinahe eine Revolution in der Debatte über fotoästhetische Fragen. Rodtschenko behauptete, dass [d]ie interessantesten Standpunkte der Gegenwart […] die Standpunkte von oben nach unten und von unten nach oben und ihre Diagonalen [sind].[…] In der Fotografie gibt es alte Standpunkte, Blickwinkel eines Menschen, der auf der Erde steht und geradeaus vor sich hinschaut oder, wie ich es nenne - >Bauchnabelaufnahmen<, den Apparat auf dem Bauch.78
Die Perspektive ‚von oben nach unten’ war eine der beliebtesten Perspektiven, die sich in der Zeit des Neuen Sehens sehr schnell als Stilmittel etablierte. Rodtschenko erkannte in den so genannten ‚Bauchnabelaufnahmen’( damit ist eine Perspektive aus der Horizontalen heraus gemeint), die gewohnte Wahrnehmungsperspektive, die vorherrschend von der Malerei beeinflusst wurde.
Nimm die Kunstgeschichte oder die Geschichte der Malerei, und du siehst, dass alle Bilder mit unbedeutenden Ausnahmen entweder vom Bauchnabel aus oder aus der Augenhöhe gemalt sind…Schau dir die frühen mit Fotos illustrierten Zeitschriften an - dort siehst du genau das Gleiche. Nur in den letzten Jahren begegnen dir manchmal andere Aufnahmestandpunkte[…].79
Walter Benjamin führt den Umstand, dass die abgebildete Welt in der Malerei und Fotografie zunächst vorrangig aus der Horizontalen heraus betrachtet und dargestellt wurde, auf vorherrschende Sehgewohnheiten zurück, die sich im Zuge der Industrialisierung veränderten. Es eröffneten sich dadurch wieder neue Wahrnehmungsmöglichkeiten, begünstigt durch die Entstehung neuer Verkehrsmittel und die ‚moderne’ Erfahrung von Pluralisierung und Beschleunigung.
Rodtschenkos Interesse gilt dabei vordergründig dem Bild an sich, der Fläche und seiner Struktur, die er mithilfe der Perspektivwahl versucht neu zu gestalten. Er macht deutlich, dass die Darstellungsweise dem Dargestellten übergeordnet und das ‚Wie’ der fotografischen Aufnahme somit wichtiger als das ‚Was’ ist.
Es muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß es unnütz ist, dafür zu kämpfen, was darzustellen ist […], [die Revolution in der Fotografie besteht darin] daß die fotografierte Tatsache dank ihrer Qualität (dem Wie der Aufnahme) mit all ihrer fotografischen Spezifik von so starker und unverhoffter Wirkung sein soll, daß sie nicht nur mit der Malerei konkurrieren kann, sondern einem jeden ein neues vollendetes Hilfsmittel aufzeigen kann, die Welt der heutigen Menschheit in Wissenschaft, Technik und Lebensweise zu entdecken.80
Die Aufgabe der Formkonstruktion, die Erzeugung einer Fläche und Tiefenstruktur im Bild, ist hierbei ausschlaggebender als die inhaltliche Aussage der Fotografie. Das Auge wird dabei nicht nur auf der ganzen Fläche in Bewegung gehalten, weil die erleichternden Schemata orthogonaler Weltsicht wegfallen, es wird ihm auch die zusätzliche, neue Aufgabe aufgebürdet, eine Tiefenstruktur zu realisieren. Diese Tiefenstruktur ergibt sich nun eben nicht aus der Spannung zwischen Bildoberfläche und illusionistischer Tiefe, sondern muss ihre Spannung gleichsam selbst erzeugen. Sie ist demnach aktive Fläche und Tiefe zugleich und lässt sich somit auch mit der Malerei messen. Rodtschenko ist der Ansicht gewesen, dass der Standort des Fotografen den größten Beitrag leisten kann, diese Aufgaben zu erfüllen und somit die Wahrnehmungskonventionen zu irritieren. Auch wenn die Nutzung der neuen technologischen Möglichkeiten durchaus erwünscht war, so hing die Fotografie der ungewohnten Standpunkte im Sinne Rodtschenkos weniger von der Technik als vielmehr von dem raumzeitlichen Verhalten des Fotografen zu seinen Objekten ab (Bildanlage Nr. 1).81
[...]
1 Vgl. Gombrich, Ernst: Das forschende Auge. Frankfurt/M. 1994,S.15.
2 Vgl. Wolf, Herta: Diskurse der Fotografie: Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters. Frankfurt/M. 2002, S.11.
3 Vgl. Ebd., S. 14.
4 Vgl. Wolf, Herta: Diskurse der Fotografie: Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters. Frankfurt/M. 2002, S. 15.
5 Dies ist im Sinne László Moholy-Nagys zu verstehen, dessen medientheoretische Überlegungen noch eingehender in Kapitel 3.2 erläutert werden.
6 Umberto Eco hat den Begriff des ‚offenen Kunstwerks’ etabliert. Hierauf wird in Kapitel 6.1 noch ausführlicher eingegangen.
7 Georg Wilhelm Friedrich Hegel geht davon aus, dass die Kunst die Aufgabe einer ‚Weltdeutung’ in Relation zur menschlichen Kultur übernimmt. Hierzu ausführlicher in Kapitel 6.1.
8 Laut Hegel vermittelt sich in der Kunst eine Welt-Anschauung. Kunst sei dabei nicht einfache Abbildung der Welt/Natur, sondern sie gibt eine ‚Vorstellung der Vorstellung’ wieder. Vgl. auch: Gethmann-Siefert, Annemarie: Einführung in die Ästhetik. München 1995, S.213.
9 Gursky nutzt die digitale Bildbearbeitung vor allem, um gestalterische Formalisierungen des fotografischen Bildes vorzunehmen. Dies wird noch eingehend in Kapitel 5.2 behandelt.
10 Vgl. Kemp, Wolfgang: Foto-Essays. Zur Geschichte und Theorie der Fotografie, München, 1978, S.83.
11 Roland Barthes prägte den Begriff des operators. Er ist synonymisch für den Fotografen zu verstehen. Vgl. Barthes, Roland: Die Helle Kammer. Bemerkungen zur Photografie. Frankfurt am Main 1985.
12 Etwas zum Titel „Enzyklopädie“, ob dies nun von Gursky stammt und was es damit weiter auf sich haben könnte.
13 Hier seien nur einige Beispiele genannt: Art, Kunstforum International, Kunstbulletin, Monopol u.a.
14 Vgl. Sontag, Susann: Über Fotografie. Frankfurt/M. 1980, S.21.
15 Vgl. Nünning, Ansgar (Hrsg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze - Personen - Grundbegriffe. Stuttgart 2004, Wahrnehmung: S.689.
16 Illustration des Fotografen Nadar, 1859.
17 Vgl. Hämmerle, Patricia A.: Schattenriss der Zeit. Fotografie und Wirklichkeit. Zürich 1996, S.103.
18 Vgl. Busch, Bernd: Belichtete Welt. Eine Wahrnehmungsgeschichte der Fotografie. Frankfurt/M 1995, S. 8.
19 Vgl. Kemp, Wolfgang: Foto-Essays. Zur Geschichte und Theorie der Fotografie. München 2006, S.17.
20 Vgl. Debray, Régis: Jenseits der Bilder. Rodenbach 1999, S. 277.
21 Das ‚fotografische Abbilden der Wirklichkeit’ wurde anfangs insbesondere von Anhängern der katholischen Kirche als Blasphemie verurteilt, weil der Mensch diesen nicht befugt erschien ‚Gottes Werk’ auf andere Weise zu kopieren als mit der Malerei, die im Gegensatz zur Fotografie als ‚Geschenk Gottes’ interpretiert wurde. Vgl. hierzu auch Busch (1995) und Kemp (2006).
22 Vgl. Hämmerle, Patricia A.: Schattenriss der Zeit. Fotografie und Wirklichkeit. Zürich 1996, S.104 ff.
23 Vgl. Sontag, Susan: Über Fotografie, Frankfurt/M. 1980, S.12.
24 Vgl. Hämmerle, Patricia A.: Schattenriss der Zeit. Fotografie und Wirklichkeit. Zürich 1996, S.119.
25 Vgl. Sontag, Susan: Über Fotografie, Frankfurt/M. 1980, S. 139.
26 Vgl. Busch, Bernd: Belichtete Welt. Eine Wahrnehmungsgeschichte der Fotografie. Frankfurt/M. 1995, S.21.
27 Vgl. Virilio, Paul: Die Sehmaschine. München 1989, S.58.
28 Mit der Verbreitung der Amateurfotografie entsteht auch ein neuer Industriezweig in Form von Fotolaboren, die sich auf die Entwicklung von Negativen spezialisieren.
29 Vgl. Debray, Régis: Jenseits der Bilder. Rodenbach 1999, S. 279.
30 Vgl. Sontag, Susan: Über Fotografie. Frankfurt/M. 1980, S.16.
31 Vgl. Bourdieu,Pierre: Eine illegitime Kunst. Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie. Frankfurt/M. 1983, S. 42f.
32 Vgl. Ebd., S. 46.
33 Vgl. Busch, Bernd: Blick zurück nach vorn. In: Sprengel Museum Hannover (Hrsg.): Fotovision. Projekt Fotografie nach 150 Jahren. Hannover 1988, S. 249.
34 Vgl. Sontag, Susan: Über Fotografie. Frankfurt/M. 1980, S.10.
35 Vgl. Ebd., S.14.
36 Die gezielte Irritation der visuellen Wahrnehmung durch perspektivische Verfremdung wird am Beispiel von Alexander Rodtschenko in Kapitel 3.1 und in Bezug auf Gurskys Arbeitsweise noch eingehender erläutert.
37 Vgl. Freud, Gisele: Photographie und Gesellschaft. Reinbek 1979, S.117.
38 Vgl. Ebd., S.153.
39 Zwischen 1908-1914 fotografierte der Amerikaner Lewis W. Hine Kinder, die über zwölf Stunden täglich in Fabriken und auf Feldern arbeiten mussten. Das Resultat seiner Veröffentlichung dieser Bilddokumentation war eine Änderung der Gesetze über Kinderarbeit.
40 Vgl. Sontag, Susan: Über Fotografie. Frankfurt/M. 1980, S.23ff.
41 Aus Deutschland wurde der freie Fotojournalismus mit Beginn der Machtübernahme von Hitler verbannt. Frankreich wurde zum fotojournalistischem Zentrum, in dem sich wichtige Fotografen wie Andrei Friedmann (alias Robert Capa), André Kertész, Henri Cartier-Bresson und andere trafen und in einer liberalen Tradition in dem ersten modernen Fotomagazin ‚Vu’ die Informationsverbreitung aller wichtigen Ereignisse der ganzen Welt auf der finanziellen Basis der Werbung verfolgten, welches später in seinen Prinzipien von Life und anderen Magazinen (wie z.B. Time) übernommen wurde.
42 Vgl. die Werke: ‘Naturalistic Photography’, ‘The death of naturalistic photography’ oder ‘Mea Culpa’.
43 Vgl. Benjamin, Walter: „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“, in: Ders.: Medienästhetische Schriften. Frankfurt/M. 2002, S. 354.
44 Vgl. Ebd. zum Begriff der „Aura“: S. 351ff.
45 Auf den politischen Aspekt bei Benjamin wird noch ausführlicher in Kapitel 4 eingegangen.
46 Vgl. Kraus, Rolf H.: Photographie als Medium. Berlin 1995, S. 16 ff.
47 Auf Jan und Alaida Assmanns kulturwissenschaftliche Theorie zum „kulturellen Gedächtnis“ wird in Kapitel 5.3 näher eingegangen.
48 Vgl. Campany, David: Kunst und Fotografie. Berlin 2005, S.17.
49 Vgl. Benjamin, Walter: „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (1936/1939)“, in: Ders. (Hrsg.): Medienästhetische Schriften. Frankfurt/M. 2002, S.361.
50 Vgl. Kraus, Rolf H.: Photographie als Medium. Berlin 1995, Thesen 1-3.
51 „Typisch für diese fotografische Stilepoche [der Kunstfotografie] zwischen Ende des 19. Jahrhunderts bis ca. 1920 waren die Edeldruckverfahren, mit denen die Fotografen ähnliche Bildstrukturen erzeugten, wie sie in der Malerei und der Zeichnung üblich waren; damit sollte die Fotografie zur Kunst erhoben werden (d.h. dem damaligen Kunstanspruch genügen). Die Kunstfotografen wehrten sich gegen die plumpen Atelierfotografien und die zufälligen Reisebilder. Sie strebten an, Stimmungen zu erzeugen sowie die >Schönheit< wahrzunehmen und dies in harmonisch gestaltete Fotos umzusetzen. Fotografen wie Heinrich Kühn, Robert Demachy sowie die Gebrüder Hofmeister schufen Genreszenen, pittoreske Landschaftsaufnahmen und Fotos in impressionistischer Manier die das Bild dieser Epoche mitprägten.“ Zitiert aus: Freier, Felix: DuMont’s Lexikon der Fotografie. Köln 1992, S.203f.
52 Die Neue Sachlichkeit ist eine Stilrichtung „[…] der Malerei und Fotografie, die sich nach 1920 als Gegenbewegung zu den Abstraktionen der Kubisten und Expressionisten und den fotografischen Experimenten von [z.B.] László Moholy-Nagy […] verstand und wieder nach einer >Eigengesetzlichkeit der Dingwelt< suchte (Magischer Realismus).“ Ein namhafter Vertreter dieser Stilrichtung ist August Sanders mit seinen Porträtfotos. Zitiert aus: Freier, Felix: DuMont’s Lexikon der Fotografie: Technik - Geschichte - Kunst. Köln 1992, S.244.
53 Vgl. Kraus, Rolf H.: Photographie als Medium. Berlin 1995, S.31.
54 Vgl. Kraus, Rolf H.: Photographie als Medium. Berlin 1995, S.49.
55 Der Begriff Konzeptualismus wurde eher im Rückblick verwendet und bezieht sich auf eine Kunst die Ideen, Untersuchungen und Definitionen an die erste Stelle setzen wollte. Vgl. hierzu auch: Campany, David: Kunst und Fotografie. Berlin 2005.
56 Vgl. Kraus, Rolf H.: Photographie als Medium. Berlin 1995, S. 58.
57 Vgl. Holschbach, Susanne: „Im Zweifel für die Wirklichkeit - zu Begriff und Geschichte dokumentarischer Fotografie“, in: Schneider, Sigrid/Grebe, Stefanie: Wirklich wahr! Realitätsversprechen von Fotografien. Ostfildern-Ruit 2004, S.25.
58 „Straight Photography [ist eine] Stilbezeichnung für eine direkte, unmittelbare, geradlinige (engl.: straight) Fotografie in Amerika. Wer >straight < fotografierte,wollte in seinen Bildern die Wirklichkeit nicht verklären und manipulieren, sondern fühlte sich der >Wahrheit< des Aufnahmegegenstands verpflichtet. Diese als neu angesehene fotografische Sichtweise wurde zur Ablösung der oft romantisierenden Kunstfotografie ab etwa 1915 von Edward Steichen und Alfred Stieglitz formuliert. Es erschien demzufolge notwendig die Bilder mit Edeldruckverfahren der Malerei anzugleichen, um den Kunstanspruch der Fotografie zu behaupten. Als Vorreiter dieser neuen Sichtweise gilt Paul Strand. Das Streben nach Realität der Abbildung schloß eine subjektive Verdichtung allerdings nicht aus. Sie führte einerseits zu den gegenständlichen Abstrahierungen eines Edward Weston um 1930, fand Parallelen in der Neuen Sachlichkeit, entwickelte sich jedoch auch zu einem dokumentarischen, nüchternen Stil […].“ Zitiert aus: Freier, Felix: DuMont’s Lexikon der Fotografie. Köln 1992, S.325f.
59 Vgl. Holschbach, Susanne: „Im Zweifel für die Wirklichkeit - zu Begriff und Geschichte dokumentarischer Fotografie“, in: Schneider, Sigrid/Grebe, Stefanie: Wirklich wahr! Realitätsversprechen von Fotografien. Ostfildern-Ruit 2004, S.24.
60 Vgl. Holschbach, Susanne: „Im Zweifel für die Wirklichkeit - zu Begriff und Geschichte dokumentarischer Fotografie“, in: Schneider, Sigrid/Grebe, Stefanie: Wirklich wahr! Realitätsversprechen von Fotografien. Ostfildern-Ruit 2004, S.24ff.
61 Vgl. Ebd., S.22f.
62 Vgl. Evans, Walker in einem Interview mit Katz, Leslie, in: Art in America, Bd.59, Nr.2, 1971, S.87.
63 Als Beispiele hierfür können August Sanders ‚Menschen des 20.Jahrhunderts’, Berenice Abbotts ‚Changing New York’ und Walker Evans ‚fotografische Studien zur urbanen Alltagskultur’ angeführt werden.
64 Vgl. Holschbach, Susanne: „Im Zweifel für die Wirklichkeit - zu Begriff und Geschichte dokumentarischer Fotografie“, in: Schneider, Sigrid/Grebe, Stefanie: Wirklich wahr! Realitätsversprechen von Fotografien. Ostfildern-Ruit 2004, S.26.
65 Vgl. Kraus, Rolf H.: Photographie als Medium. Berlin 1995, S. 58.
66 Ein Fotogramm ist ein auf lichtempfindlichem Papier angeordnetes Objekt, welches sich bei der Entwicklung als weiße Textur auf schwarzem Grund abzeichnet. Sowohl László Moholy-Nagy als auch Man Ray, Christian Schad und El Lissitzky hatten diese Technik bei der Arbeit in der Dunkelkammer entdeckt. Man Ray nannte sie Rayogramme und ergänzte sie jeweils mit einem Titel. Moholy-Nagys Fotogramme erhielten meist keinen Titel und waren Kompositionen aus vielen Elementen, welche die zentralen Themen seiner Kunst zur Geltung brachten: Licht und Transparenz.
67 In seinem Werk „The pencil of Nature” bildete Talbot diese Fotogramme ab und beschrieb ihren Herstellungsprozess folgendermaßen: „Die Blätter usw. wurden auf einem gut getrocknetem Papier ausgebreitet, mit einer Glasplatte bedeckt, die sie fest niederpreßte, und dann in die Sonne gestellt; wenn das Papier dunkel wurde, wurde das Ganze in den Schatten gebracht, und nachdem die Objekte vom Papier entfernt worden waren, stellte sich heraus, daß sie ihre Abbilder sehr genau und in wunderschönen Abdrücken oder Umrissen auf ihm hinterlassen hatten.“ Zitiert aus: Kemp, Wolfgang: Theorie der Fotografie (mehrbändig 1-3, 1839-1980), München, 1979: Talbot: Der Stift der Natur.
68 Vgl. Kraus, Rolf H.: Photographie als Medium. Berlin 1995, S.55.
69 Vgl. Passuth, Kristina: „Fotoauge: Die Fotografien”, in: Ders. : Moholy-Nagy. Budapest 1982, S. 42.
70 Vgl. Kemp, Wolfgang: Foto-Essays: zur Geschichte und Theorie der Fotografie. München 2006, S.64.
71 Vgl. Kraus, Rolf/ Kemp,Wolfgang und Frizot, Michel.
72 Vgl. Frizot, Michel: Neue Geschichte der Fotografie. Köln 1998, S.388.
73 Nadar, eigentlich Gaspard-Félix Tournachon (1820-1910) war ein französischer Fotograf und Luftschiffer der in den sechziger Jahren des 19.Jahrhunderts einen Schraubenluftballon konstruierte, aus dem er die ersten fotografischen Luftaufnahmen machte.
74 Kemp, Wolfgang: Foto-Essays. Zur Geschichte und Theorie der Fotografie. München 1978, S.94.
75 Vgl. Kraus, Rolf H.: Photographie als Medium. Berlin 1995, S.61 ff.
76 Der Zusatz graphisch soll hier schon die Unterordnung der gegenwärtigen, digitalen Fotografie unter die Grafik andeuten. Weitere Erläuterungen folgen im Kapitel 2.3.
77 Kemp, Wolfgang: Foto-Essays. Zur Geschichte und Theorie der Fotografie, München, 1978, S.51.
78 Vgl. Rosalinde Sartori/Herbert Rogge: Sowjetische Fotografie 1928-1932. München 1975, S. 105;118.
79 Vgl. Rosalinde Sartori/Herbert Rogge: Sowjetische Fotografie 1928-1932. München 1975, S.112.
80 Vgl. Ebd, S. 112.
81 Vgl. Kraus, Rolf H.: Photographie als Medium. 10 Thesen zur konventionellen und konzeptuellen Photographie, Osterfildern, 1995, S.63ff.
- Citation du texte
- Katharina Rose (Auteur), 2010, Wahrnehmung durch das Medium Fotografie. Die Fotografien von Andreas Gursky, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/374638
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