Die Studie beschäftigt sich mit der Fragestellung, inwieweit Rollatoren tatsächlich Stürze von Senior_innen verhindern helfen bzw. welche Fatkoren dazu beitragen, dass Nutzer_innen eines Rollators gleichwohl stürzen. Die Studie gibt auch Hinweise auf die Sturzfolgen.
Der Sturzprophylaxe wird in der Pflege ein hoher Stellenwert eingeräumt, weil bekannt ist, dass ältere Menschen – wie sie vorwiegend in Senioreneinrichtungen und in der ambulanten Pflege betreut werden – vermehrt stürzen. Um solche Stürze zu vermindern bzw. die Sturzfolgen zu reduzieren, werden Rollatoren verordnet, weil sich die Personen daran festhalten und abstützen können. Zudem ermöglichen die Rollatoren einen leichteren Transport z.B. der eingekauften Waren, weil sie sämtlich mit einem kleinen Korb ausgerüstet sind und die zwischen den Haltegriffen montierte Sitzgelegenheit die Möglichkeit gibt, sich zwischendurch hinsetzen und ausruhen zu können. Die beschriebenen Vorteile greifen allerdings längst nicht bei allen Nutzer/innen: in der ambulanten Versorgung stürzen Senior/innen immer wieder mit den Rollatoren und sie ziehen sich dabei mehr oder weniger schwere Verletzungen zu. Es war daher Ziel dieser Arbeit, zu untersuchen, wie viele Personen trotz Nutzung eines Rollators stürzen, herauszufinden, ob die gestürzten Personen sich im Vergleich zu den Personen, die nicht stürzten, unterscheiden und schließlich zu dokumentieren, welche Verletzungen sich die gestürzten Personen zuzogen.
Es wurden 168 Personen untersucht: 95 Personen nutzten den Rollator ohne damit zu stürzen, 73 Personen stürzten trotz Rollatornutzung. Zwei Beobachtungsbögen, die die aus der Literatur bekannten für das Sturzrisiko signifikanten Faktoren erfassten, dienten als systematisches Erhebungsinstrument. Die Erhebungsbögen wurden im Rahmen einer Hausarbeit an der Carl Remigius Medical School entwickelt; mit ihnen konnten alle Personen in folgenden Details untersucht werden: Demenz, Inkontinenz, Chair-Rise-Test, Kraftmessung, Sehfähigkeit, Sturzvorgeschichte, Angst und Substanzklassen der Priscus-Liste.
Inhalt
Zusammenfassung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Anhang
Glossar
1 Hinführung zum Thema
2 Aktueller Forschungsstand
2.1 hinsichtlich Sturzpathogenese
2.2 hinsichtlich gesundheitsökonomischer Bedeutung
3 Fragestellung
4 Methode
4.1 Der Erfassungsbogen A
4.1.1 Alter, BMI & Geschlecht
4.1.2 Demenzdiagnostik
4.1.3 Inkontinenzprofile
4.1.4 Chair-Rise-Test
4.1.5 Kraftmessung
4.1.6 Seheinschränkungen
4.1.7 Sturzvorgeschichte
4.1.8 Angst
4.1.9 Substanzklassen der Priscus-Liste
4.2 Der Erfassungsbogen B
4.2.1 Sturzort und Zeitpunkt des Sturzes
4.2.2 Sturzsituation
4.2.3 Sturzlokalisation
4.2.4 Ausmaß der Verletzungen
4.2.5 Sehfähigkeit
4.2.6 Technischer Zustand der Rollatoren
5 Ergebnisse
5.1 Das untersuchte Patientenkollektiv
5.1.1 Alter, BMI & Geschlecht
5.1.2 Demenzdiagnostik
5.1.3 Inkontinenzprofile
5.1.4 Chair-Rise-Test
5.1.5 Kraftmessung
5.1.6 Seheinschränkungen
5.1.7 Sturzvorgeschichte
5.1.8 Angst
5.1.9 Substanzklassen der Priscus-Liste
5.2 Ergebnisse zum Sturzgeschehen (Erhebungsbogen B)
5.2.1 Sturzorte und Zeitpunkt des Sturzes
5.2.2 Sturzsituation
5.2.3 Sturzlokalisation
5.2.4 Ausmaß der Verletzungen
5.2.5 Sehfähigkeit
5.2.6 Technischer Zustand der Rollatoren
6. Diskussion
6.1 Limitation der Studie
6.2 Bewertung der Ergebnisse
6.2.1 Sturzgeschehen
6.2.2 Unterschiede zwischen den Gruppen
7 Fazit und Ausblick
7.1 Zukünftige Forschung
7.2 Fazit für die Pflegepraxis
7.3 Fazit für die Gesundheitspolitik
8 Literaturverzeichnis
9 Anlagen
Zusammenfassung
Der Sturzprophylaxe wird in der Pflege ein hoher Stellenwert eingeräumt, weil bekannt ist, dass ältere Menschen – wie sie vorwiegend in Senioreneinrichtungen und in der ambulanten Pflege betreut werden – vermehrt stürzen. Um solche Stürze zu vermindern bzw. die Sturzfolgen zu reduzieren, werden Rollatoren verordnet, weil sich die Personen daran festhalten und abstützen können. Zudem ermöglichen die Rollatoren einen leichteren Transport z.B. der eingekauften Waren, weil sie sämtlich mit einem kleinen Korb ausgerüstet sind und die zwischen den Haltegriffen montierte Sitzgelegenheit die Möglichkeit gibt, sich zwischendurch hinsetzen und ausruhen zu können. Die beschriebenen Vorteile greifen allerdings längst nicht bei allen Nutzer/innen: in der ambulanten Versorgung stürzen Senior/innen immer wieder mit den Rollatoren und sie ziehen sich dabei mehr oder weniger schwere Verletzungen zu. Es war daher Ziel dieser Arbeit, zu untersuchen, wie viele Personen trotz Nutzung eines Rollators stürzen, herauszufinden, ob die gestürzten Personen sich im Vergleich zu den Personen, die nicht stürzten, unterscheiden und schließlich zu dokumentieren, welche Verletzungen sich die gestürzten Personen zuzogen.
Es wurden 168 Personen untersucht: 95 Personen nutzten den Rollator ohne damit zu stürzen, 73 Personen stürzten trotz Rollatornutzung. Zwei Beobachtungsbögen, die die aus der Literatur bekannten für das Sturzrisiko signifikanten Faktoren erfassten, dienten als systematisches Erhebungsinstrument. Die Erhebungsbögen wurden im Rahmen einer Hausarbeit an der Carl Remigius Medical School entwickelt (Neander 2017); mit ihnen konnten alle Personen in folgenden Details untersucht werden: Demenz, Inkontinenz, Chair-Rise-Test, Kraftmessung, Sehfähigkeit, Sturzvorgeschichte, Angst und Substanzklassen der Priscus-Liste.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass jene Personen, die mit Rollator gestürzt waren, signifikant weniger Kraft in den Händen haben, der Chair-Rise-Test jedoch nur schwach signifikante Unterschiede offenbarte. Die Sehfähigkeit der gestürzten Personen scheint eingeschränkter zu sein, wobei die Datenlage hier keine eindeutig signifikanten Ergebnisse aufzeigen konnte. Interessanterweise ergaben sich in dieser Untersuchung Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen „Sauberkeit der Brillengläser“ und „Sturzhäufigkeit“, wobei die erhobenen Daten subjektiver Natur sind und deshalb nur eingeschränkt zu bewerten sind. Gut 31% der gestürzten Personen hatten in der Vergangenheit bereits Stürze erlebt, was nur für ca. 4% der anderen Patient/innen zutraf. Diese Tatsache erklärt, dass die Untersuchten der Sturzgruppe mehr Angst vor einem Sturz haben, auch wenn nur ein statistisch schwacher Zusammenhang nachgewiesen werden konnte. Aus methodischen Gründen konnte nicht geklärt werden, ob bestimmte Medikamente das Sturzgeschehen beeinflussen.
Die hier vorgestellte Untersuchung zeigt weiterhin auf, dass kein einziger Rollator voll funktionstüchtig war, so dass die Ergebnisse bzgl. der biometrischen und medizinischen Patientendaten nur eingeschränkt zu bewerten sind.
Die Schäden, die die Patient/innen durch die Stürze erlitten, waren weitgehend harmloser Natur (blaue Flecke etc.), in zwei Fällen kam es jedoch zu einer Oberschenkelhalsfraktur (ICD S 72.30) mit nachfolgender stationärer Behandlung und längeren Rehabilitationsmaßnahmen.
Die vorsichtige Interpretation der hier erhobenen Daten gestattet meines Erachtens (m.E.) folgende Bewertung: möglicherweise kann es sinnvoll sein, vor Verordnung eines Rollators die Handkraft zu messen und ggfs. ein entsprechendes Training zu empfehlen; die Pflegenden sollten der Sauberkeit der Brillengläser der Klient/innen hohe Aufmerksamkeit schenken und diese anhalten, regelmäßig den Augenarzt aufzusuchen. Es wäre zudem interessant zu untersuchen, ob eine Kurzintervention nach erfolgtem Sturz durch einen Psychologen im Sinne (i.S.) einer „Traumatherapie“ den Betroffenen helfen könnte.
Die gesundheitsökonomische Bedeutung des Problems „Sturz“ lässt sich mit den hier vorgelegten „Fallzahlen“ nur unzureichend beschreiben. Pro Oberschenkelhalsfraktur wurden für das Jahr 2012 Gesamtkosten von 11.064 € für den Krankenhausaufenthalt veranschlagt (Müller, Borsi, Stracke, Stock & Stollenwerk 2015), die Rehabilitationskosten für eine stationäre Rehabilitation sind darin nicht enthalten. Unabhängig von diesen Kosten sind die psychosozialen Folgen eines solchen Sturzes in den ökonomischen Berechnungen nicht enthalten.
Schlüsselwörter: Sturzsyndrom, Rollator, Chair-Rise-Test, Kraftmessung, Sturzfolgen, Gesundheitsökonomie.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1: Veränderung der Alterspyramide
Abbildung 1.2: Pflegebedürftigkeit - ambulant vor stationär
Abbildung 2.1: Zur Pathogenese des Sturzsyndroms
Abbildung 5.1: Das untersuchte Patientenkollektiv
Abbildung 5.2: Altersverteilung Gruppe A und Gruppe B
Abbildung 5.3: Inkontinenzprofile im Vergleich
Abbildung 5.4: Der Chair-Rise-Test im Vergleich
Abbildung 5.5: Kraftmessungen, Korrelationen
Abbildung 5.6: Sehfähigkeit der Senior/innen
Abbildung 5.7: Augenarztbesuche
Abbildung 5.8: Wie hoch ist die Angst zu stürzen?
Abbildung 5.9: Substanzgruppen der Priscus-Liste
Abbildung 5.10: Sturzorte
Abbildung 5.11: Lokalisation der Verletzungen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2.1: Interne Faktoren der Sturzanamnese
Tabelle 2.2: Kosten einer Hüftfraktur
Tabelle 4.1: Kontinenzprofile
Tabelle 4.2: Normalwerte des Chair-Rise-Test
Tabelle 4.3: Normalwerte der Kraftmessung der Hand
Tabelle 4.4: Substanzklassen der PRISCUS-Liste
Tabelle 5.1: vorhergehende Sturzgeschehen
Tabelle 5.2: Sturzsituation
Tabelle 5.4: Schäden an den Rollatoren
Anhang
Anlage 01: Erhebungsbogen A
Anlage 02: Erhebungsbogen B
Glossar
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Hinführung zum Thema
Die Alterspyramide (Abbildung 1.1) zeigt deutlich, dass die Älteren und Betagten in unserer Gesellschaft zunehmen (BMFSFJ 2017): war die Zahl der Älteren und Hochbetagten 1950 nur als „Spitze“ einer Pyramide erkennbar, verändert sich deren Zahl über 2011 bis 2050 in starkem Maße, so dass die „Pyramide“ 2050 zu einer „Urne“[1] wandelt, da weniger Kinder geboren wurden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.1: Veränderung der Alterspyramide
Die sog. „Überalterung der Gesellschaft“ zwingt deshalb die Gesundheitspolitik zu wichtigen Gesundheitsreformen, wie sie z.B. im SGB XI, § 43 als gesundheitspolitischen Vorgaben mit „ambulant vor stationär“ festgeschrieben wurden. Die Zahlen sprechen für sich: von 2,5 Millionen Pflegebedürftigen werden 1,76 Millionen Personen zu Hause versorgt (durch Angehörige bzw. ambulante Pflegedienste). (Abbildung 1.2 aus BMFSFJ 2017)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.2: Pflegebedürftigkeit - ambulant vor stationär
Mit der politischen Vorgaben „ambulant vor stationär“ sollen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die erkrankten und / oder älteren Menschen in ihrer Häuslichkeit zu betreuen und stationäre Klinik- bzw. Altenheimaufenthalte so weit wie möglich zu vermeiden. Dieser gesundheitspolitische Ansatz entspringt nicht reiner Mildtätigkeit, sondern einfacher gesundheitsmathematischer Berechnungen: ambulante Versorgung ist günstiger, als stationäre Betreuung (Birkner & Pichlmaier 2008: 151), auch wenn detailliertere Berechnungen diese generelle Aussage zumindest problematisieren (Clausen 2012).
Die Betonung der ambulanten Versorgung der genannten Klientel zieht aber möglicherweise Probleme nach sich, die bisher nur ansatzweise angegangen wurden. So ist bekannt, das Seniorinnen und Senioren häufiger stürzen häufig und sich dabei teilweise schwerwiegende Verletzungen zu ziehen (vergl. Balzer 2012). Die benannte Problematik wurde vielfach untersucht, jedoch nahezu ausnahmslos in stationären Einrichtungen, die Goffmann „totale Institutionen“ nannte (Goffmann 1973). Es erstaunt, dass die (pflege)wissenschaftliche Forschung und der fachliche Diskurs[2] sich so auf die Institutionen bezieht, wurden doch 2012 mehr als doppelt so viele Personen in der ambulanten Pflege betreut, wie im stationären Setting. (Jacobs, Kuhlmey, Greß, Schwinger 2015). Zudem finden fast 90% der Stürze in sehr alltäglichen Situationen statt, welche sich in der Regel als Fortbewegungsfehler entpuppten. (Gardner 2000)
Im Kapitel 2 wird zunächst der aktuelle Forschungsstand zur Sturzproblematik älterer Menschen referiert, um einerseits die wesentlichen Faktoren, die das Sturzgeschehen begünstigen herauszuarbeiten und andererseits zu verdeutlichen, dass in den vorliegenden Untersuchungen der Fokus auf den stationären Bereich (Klinik, Altenheim) gelegt wurde und der ambulante Bereich vernachlässigt wurde. Das sich anschließende Kapitel 3 formuliert die für diese Arbeit wesentlichen Fragestellungen, die mit den in Kapitel 4 beschriebenen Methoden einer Klärung näher gebracht werden sollen. Die Untersuchung nutzt dazu zwei Erhebungsbögen, die in einer vorangegangenen wissenschaftlichen Hausarbeit (Neander 2017) erarbeitet wurden. Um die Erhebungsbögen bearbeiten zu können, wurde bei allen untersuchten Personen der Chair-Rise-Test und die Kraftmessung der Hände integriert. Kapitel 5 stellt die Ergebnisse im Detail vor, die dann in Kapitel 6 einer kritischen Bewertung unterzogen werden. Kapitel 7 fasst die Ergebnisse pointiert zusammen und formuliert Vorschläge, wie das begonnene Thema weiter bearbeitet werden kann bzw. welche direkten Schlussfolgerungen für die tägliche Praxis in der ambulanten Pflege aus den Ergebnissen gezogen werden können.
2 Aktueller Forschungsstand
Der aktuelle Forschungsstand wird zunächst hinsichtlich der Pathogenese des Sturzes beim älteren Menschen skizziert. Die Ausführungen dienen als Grundlage der in Kapitel 3 vorzustellenden Untersuchung. Anschließend wird auf die gesundheitsökonomische Bedeutung der Sturzproblematik kurz eingegangen, um die Bedeutung der hier bearbeiteten Fragestellung zu untermauern.
2.1 … hinsichtlich Sturzpathogenese
Das „ältere Personen“ leichter stürzen darf als allgemein bekanntes Faktum vorausgesetzt werden. In der Gerontologie wird zunehmend vom „Sturzsyndrom“ (Anders & Dapp 2008: 167 ff.) gesprochen, als multifaktorielle Geschehen problematisiert und intensiven Forschungsbemühungen unterzogen. Die Pathogenese des Syndroms zeigt die folgende Abbildung 2.1 (Anders & Dapp 2008: 168)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.1: Zur Pathogenese des Sturzsyndroms
Mit zunehmendem Alter nimmt die körperliche Aktivität ab, mit der Folge, dass es zu einem Muskelabbau und zu ansteigender Gebrechlichkeit (Frailty) und einhergehender Pflegebedürftigkeit kommt.
Zahlreiche Studien benennen sogenannte interne und externe Faktoren, die das Sturzrisiko älterer Menschen erhöhen. Die internen Faktoren (z.B. Kognition [Demenz], Ausscheidung [Inkontinenz], Flüssigkeitsmangel, Bewegungseinschränkungen, Erkrankungen, die mit Ohnmacht einhergehen, Sehbeeinträchtigung, Sturzvorgeschichte, Angst, gebeugte Körperhaltung, Hörschwäche, Psychopharmaka, Antihypertonika, Antiarrhythmika, Diuretika, Medikamente der PRISCUS-Liste, Schmerzen und Ernährung) sind in zahlreichen Untersuchungen weitgehend ebenso nachgewiesen und belegt, wie die sog. externen Faktoren: z.B. Transfersituation, Gehen in schlecht beleuchtenden Gängen, Ausrutschen auf Fußböden, Hilfsmittel (z.B. Bettgitter), locker sitzendes Schuhwerk, Teppichkanten und Fixierungsmaßnahmen. (Tideiksaar 2008; Balzer 2012) Der Zusammenhang zwischen einzelnen internen und externen Faktoren ist nicht gänzlich geklärt: So konnte festgestellt werden, dass sich die Sturzhäufigkeit zwischen Personen, die Opioide einnahmen und jenen, die keine Opiode benötigten, nicht unterschieden. Auch das Frakturrisiko unterschied sich nicht (Krebs, Paudel, Taylor, Bauer, Fink, Lane u.a. 2016).
In nur wenigen Untersuchungen wurde der Frage nachgegangen, inwieweit Rollatoren Stürze verhindern helfen. 2004 wurde eine Studie veröffentlicht, die belegt, dass 25% der Stürze innerhalb der Klinik trotz Einsatz eines Rollators, eines Delta-Rades oder eines Gehstocks passierten (Renteln-Kruse & Krause 2004). Eine große Übersichtsarbeit aus dem Jahre 1995 (Charron, Kirby & MacLeod 1995) zeigt zudem sehr eindeutig, dass es zu erheblichen Verletzungen und sogar zu Todesfolgen beim Einsatz von Rollatoren kam.
Nach Balzer u.a. (Balzer 2013) besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen den in Tabelle 2.1 genannten internen Faktoren und einem Sturzrisiko. Die in der Literatur häufig benannten externen Faktoren spielen beim Sturzgeschehen keine nennenswerte Rolle.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2.1: Interne Faktoren der Sturzanamnese
2.2 … hinsichtlich gesundheitsökonomischer Bedeutung
Unterschiedliche Untersuchungen beziffern das Sturzrisiko für ältere Menschen auf 25-50% mit mehr oder weniger gravierenden gesundheitlichen Schäden (Gostynskia, Ajdacic-Grossa, Gutzwillera, Michelb & Herrmann 1999, vgl. Übersicht: Balzer, Bremer, Schramm, Lühmann & Raspe 2012). In absoluten Zahlen sind etwa 115.000 Menschen betroffen, wobei es in 90 % der Fälle über 65-jährige trifft. (Wildner 2001, Hoffmann 2006, Icks 2007)
Das Robert-Koch-Institut (RKI) wies bereits 2009 (Maschewsky-Schneider, Klärs, Ryl, Sewöster, Starker & Saß 2009) darauf hin, dass „eine sturzbedingte Hüftfraktur (…) die Lebenserwartung erheblich beeinflussen (könne), ohne dass dies unmittelbar aus der dokumentierten Todesursache ablesbar ist. So liegt beispielsweise die Einjahresmortalität nach Hüftfraktur aktuellen Studien zufolge zwischen 20% und 30% (Haleem, Lutchman, Mayahi, Grice & Parker 2008).“
Die volkswirtschaftlichen Folgen der Stürze sind beachtlich, wenn gleich dazu nur wenige deutsche Untersuchungen publiziert wurden. Die veröffentlichten Daten aus internationalen Untersuchungen sind nicht vergleichbar, weil die Berechnungen sehr unterschiedlich erfolgten: Einige Untersuchungen beschäftigen sich mit den direkten, tangiblen(*) Kosten (medizinische [Kliniksaufenthalt, OP-Kosten etc.] und nichtmedizinische [z.B. Kosten für Krankentransport]), andere Studien wiederum mit den indirekten Kosten, die z.B. die Kosten für Fehltage im Arbeitsleben o.ä. entstehen (Balzer, Bremer, Schramm, Lühmann, Raspe 2012). Eine systematische Literaturübersicht über 32 Studien wurden von Heinrich (Heinrich, Rapp, Rissmann, Becker & König 2010) veröffentlicht. Die Analyse dieser Studien (die zumeist die Kosten für die ambulante Pflege nicht mit einbezogen) zeigt, dass die sturzassoziierten Kosten 2,2 – 3,7% des Gesamtaufwands der Gesundheitskosten betrugen bzw. 0,23 – 0,29% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das BIP betrug in Deutschland im Jahr 2014 2.915,7 Milliarden Euro (Statistische Bundesamt 2015).
Eine genauere Analyse der tangiblen(*) Kosten liefern Fachinger, Schöpke und Helten (2015) mit der folgenden Kostenaufstellung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2.2: Kosten einer Hüftfraktur
Wie bedeutsam die gesundheitsökonomische Bedeutung der „Bewegung“ bzw. des „Bewegungsmangels“ älterer Menschen ist, wird u.a. daran deutlich, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zusammen mit den Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) seit 2016 die Kampagne „AltagsTrainingsProgramm – Alltag in Bewegung mit 60plus“ (ATP) gestartet hat. Grundlage dieser Kampagne sind die im Infoblatt vom 30.09.2016 zusammengestellten Fakten, nach denen u.a. Personen zwischen 60 – 69 nur 18 Prozent, die über 70jährigen sogar nur 14 Prozent der WHO empfohlenen körperlichen Aktivität von 2,5 h / d erreichen und somit die gesundheitsfördernden Effekte der Bewegung nicht zum Tragen kommen. (BZgA 2016).
Die enormen sturzassoziierten Kosten sagen freilich nichts über die persönlichen Einbußen derer aus, die durch einen Sturz kurzfristig oder dauerhaft beeinträchtigt sind. Sie werden als „intangible(*) Kosten“ bezeichnet.
3 Fragestellung
Die bisherigen Ausführungen zeigen deutlich, dass es einen „weißen Fleck“ in den Überlegungen zu einer sinnvollen Prophylaxe von Stürzen in unterschiedlichen Seetings gibt: die stationär untergebrachten Personen sind ausführlich untersucht, auch wenn die hier diskutierte Rollatorproblematik kaum thematisiert wird. Die ambulant betreuten Senior/innen wurden bisher nicht untersucht. Mit den in der wissenschaftlichen Projektarbeit (Neander 2017) entwickelten Erhebungsbögen, sollen folgenden Fragestellungen nachgegangen werden.
Wieviele Stürze müssen unter welchen Bedingungen im ambulanten Pflegedienst erfasst werden und welche Verletzungen zogen sich die gestürzten Personen zu?
Unterscheiden sich die Gruppe der Gestürzten, hinsichtlich interner und externer Faktoren, von der Personengruppe, die zwar einen Rollator nutzten, aber in dem Beobachtungszeitraum nicht stürzten?
[...]
[1] Die Begriffe „Pyramide“ oder „Urne“ gehen auf den Bevölkerungswissenschaftler Friedrich Burgdörfer (Burgdörfer 1932) zurück. Sie werden – trotz des nationalsozialistischen Hintergrundes des Autors auch heute noch genutzt.
[2] Diskurs hier verstanden i.S. von Foucault, der den Begriff Diskurs „als Praktiken (behandelt wissen will), die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen.“ (Foucault 1981, vgl. Foucault 1974) Ohne diese Definition im Rahmen dieser Arbeit weiter ausführen zu können, möchte ich darauf verweisen, dass eben das Thema „Sturz“ bisher nicht systematisch i.S. von Foucault behandelt wird.
- Citar trabajo
- Klaus-Dieter Neander (Autor), 2017, Sturzgefahr Rollator. Verhindern Rollatoren Stürze bei älteren Menschen?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/374273
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