Einleitung
Die Anthropologie der Nahrung eröffnet ein Gebiet, dem kaum Grenzen gesetzt sind. Nahrung wird hier nicht primär als biologische Notwendigkeit im Überlebensprozess gesehen. Vielmehr sind es eine ganze Reihe von Komponenten und Dimensionen, in der man Nahrung betrachten kann. Ich lege für meine Betrachtung die Kategorisierung von Bell und Valentine zugrunde, die in ihrer Arbeit Consuming geographies vorgestellt wird. Dort wird Nahrung unter einigen verschiedenen Blickwinkeln gesehen, nämlich ausgehend von den Perspektiven Körper, Haushalt, Gemeinschaft, städtisches Umfeld, Region, Nation und Global. Die Betrachtung von Nahrung gibt innerhalb dieser verschiedenen Ebenen Aufschluss über Körperideale, Nahrung und deren Konsum in privater Sphäre, wo auch z. B. Tischsitten eine Rolle spielen, oder auch über politische Programme und Verteilungsprobleme, wenn Nahrung eine knappe Ressource darstellt. Nimmt man diese Aufteilung als Ausgangspunkt, sind in der Betrachtung eigentlich keine Grenzen gesetzt, wie weit der Einfluss gesehen werden kann, der von Nahrung ausgeht.
In dieser Arbeit soll es um die Kernthemen der regionalen und der nationalen Dimension gehen, wobei Berührungspunkte zu anderen Ebenen nicht ausgeschlossen sind und auch weitere Themen als die hier angesprochenen der Region und Nation zugeordnet werden können. So soll hier der Fokus eher auf der persönlichen und kollektiven Ebene von Region und Nation liegen als auf der politischen. Es soll dargestellt werden, welchen Einfluss die Nahrung auf die eigene und auf andere kulturelle Identitäten nehmen kann und inwiefern wir uns selbst durch Nahrung einer regionalen Identität zuordnen
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Nahrung und Konsum
2. Eingrenzung der Begriffe
2.1 Die Region
2.2 Die Nation
3. Die kulinarische Nation Großbritannien
4. Iranische Migranten in Großbritannien
Abschließende Zusammenfassung
Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Einleitung
Die Anthropologie der Nahrung eröffnet ein Gebiet, dem kaum Grenzen gesetzt sind. Nahrung wird hier nicht primär als biologische Notwendigkeit im Überlebensprozess gesehen. Vielmehr sind es eine ganze Reihe von Komponenten und Dimensionen, in der man Nahrung betrachten kann. Ich lege für meine Betrachtung die Kategorisierung von Bell und Valentine zugrunde, die in ihrer Arbeit Consuming geographies vorgestellt wird. Dort wird Nahrung unter einigen verschiedenen Blickwinkeln gesehen, nämlich ausgehend von den Perspektiven Körper, Haushalt, Gemeinschaft, städtisches Umfeld, Region, Nation und Global. Die Betrachtung von Nahrung gibt innerhalb dieser verschiedenen Ebenen Aufschluss über Körperideale, Nahrung und deren Konsum in privater Sphäre, wo auch z. B. Tischsitten eine Rolle spielen, oder auch über politische Programme und Verteilungsprobleme, wenn Nahrung eine knappe Ressource darstellt. Nimmt man diese Aufteilung als Ausgangspunkt, sind in der Betrachtung eigentlich keine Grenzen gesetzt, wie weit der Einfluss gesehen werden kann, der von Nahrung ausgeht.
In dieser Arbeit soll es um die Kernthemen der regionalen und der nationalen Dimension gehen, wobei Berührungspunkte zu anderen Ebenen nicht ausgeschlossen sind und auch weitere Themen als die hier angesprochenen der Region und Nation zugeordnet werden können. So soll hier der Fokus eher auf der persönlichen und kollektiven Ebene von Region und Nation liegen als auf der politischen. Es soll dargestellt werden, welchen Einfluss die Nahrung auf die eigene und auf andere kulturelle Identitäten nehmen kann und inwiefern wir uns selbst durch Nahrung einer regionalen Identität zuordnen.
1. Nahrung und Konsum
Nahrung hat neben dem Aspekt der biologischen Versorgung auch soziale, kulturelle, symbolische und sogar politische Bedeutungen. Sie ist in der Lage, unsere Identität und unsere Ethnizität aufzuzeigen (Harbottle 1997: 87). Nahrung und Konsum sind als kulturelle Faktoren zu sehen, die die soziale Position innerhalb der eigenen Identität markieren; sie zeigen Klasse und Status, Geschlecht und Alter (James 1997: 74). Nicht jede soziale Klasse hat Zugang zu verschiedenen Delikatessen und teuren Luxusprodukten, und das Geschlecht und das Alter bestimmen den jeweiligen Konsum. So ist der Alkoholkonsum erst ab einem gewissen Alter gesellschaftlich anerkannt und gewisse Speisen wie das größte Stück Fleisch sind dem Hausherrn vorbehalten. Bourdieu meint, dass Nahrung im Allgemeinen in der Lage ist, sehr viel über die Konsumenten auszusagen: „It may, also, more prosaically, indicate my social class and status“ (James 1997: 74).
Der Nahrung kann nicht abgesprochen werden, dass sie eine große Macht besitzt, denn das Leben strukturiert sich quasi um sie herum. Ob nun Jäger- und Sammlergesellschaften auf Nahrungssuche gehen oder in unserem Kulturkreis Lohnarbeit dafür geleistet wird, sich seine Nahrung kaufen zu können, in jeder Gesellschaft dreht sich das Leben um die Nahrungsversorgung. Unser gesamtes Dasein wird von ihr gestaltet. Das geht vom täglichen Rhythmus der einzelnen Mahlzeiten über besondere Festessen bis hin zu den rites de passages, in denen der Übergang in eine neue Identität oft durch gewisse Nahrungsmittel dargestellt wird, so z. Bsp. der Hochzeitskuchen oder das letzte Abendmahl (Bell & Valentine 1997: 4). Der Zusatz der Nahrung bekräftigt die symbolischen Bedeutungen, die den Festen zugrunde liegen.
In diesem Zusammenhang darf auch die Praxis der Nahrungszubereitung nicht übersehen werden, denn nicht nur der Verzehr ist bedeutsam. Die Zubereitung hat die Funktion, die Konsumenten mit möglichst reichhaltiger Nahrung zu versorgen, aber auch zu erfreuen an einem besonders guten Geschmack; sozusagen „wie bei Muttern“. Und die Mutter ist auch traditionell diejenige in einer Familie, die diese Aufgabe innehat. Um die Familie optimal zu versorgen, ist ein großes Wissen nötig, das (oftmals mündlich) durch Vorfahren weitergegeben wurde. Dieses Wissen befähigt eine Person, eine Familie zu gründen und sie zu versorgen und stellt somit eine Schlüsselrolle in jeder Gesellschaft dar. Neue Technologien, die viel Zeit und Mühe bei der Nahrungszubereitung ersparen, lassen uns jedoch den symbolischen Gehalt der Zubereitungspraxis oft vergessen. Häufig wird Nahrung heute nur noch aufgenommen, um satt zu werden; der Bezug zum Essen hat sich grundlegend geändert, weil der ökonomische und biologische Gehalt den symbolischen Wert in den Hintergrund drängen. „Food […] carries less symbolic weight than in the past. It doesn’t signify the season, or the time of day, or the day of the week in quite the way it did, nor does it mark out the roles and relations between adults and children within formal meals.” (Bell & Valentine 1997: 5).
Festzustellen bleibt, dass Nahrung und Nahrungskonsum nicht nur als biologische Grundversorgung angesehen werden können. Vielmehr ist um die Nahrung herum ein komplexes Bedeutungssystem aufgebaut, das kulturelle, symbolische und soziale Komponenten aufweist. Nahrung gibt uns Aufschluss über die eigene und auch über andere Identitäten, denn „man ist, was man isst“.
Besonders der Aspekt der Identität soll im Folgenden genauer betrachtet werden, und zwar innerhalb der regionalen und der nationalen Dimension der Nahrung.
2. Eingrenzung der Begriffe
In dieser Arbeit soll es darum gehen, in welchem Ausmaß Region und Nation mit Nahrung verbunden sind. Dazu muss klar sein, wie die Begriffe benutzt werden, denn gerade die Region kann in vielerlei Hinsicht ein zusammenhängendes Gebiet darstellen: ländlich-städtisch, nördlich-südlich, Einteilung in Bundesländer oder Regionen mit gleichem sprachlichem Dialekt. Um Missverständnissen vorzubeugen sollen zuerst die zugrundeliegenden Begriffe in diesem Zusammenhang definiert werden.
2.1 Die Region
Grundsätzlich ist eine Region immer ein Produkt menschlicher und physikalischer Prozesse, die Kreation einer Region unterliegt sowohl physikalischen Unweltbedingungen als auch sozialen Aktionen, sie ist „a natural landscape and a peopled landscape“ (Bell & Valentine 1997: 153). In diesem Zusammenhang ist die Frage wichtig, wie bestimmte Regionen, ihre jeweiligen Küchen und kulturelle Identitäten miteinander in Verbindung stehen. Die Küche einer Region hängt stark von Umweltbedingungen ab. Am Beispiel Italien wird dies deutlich: das Land zieht sich über eine große Fläche hinweg von Norden nach Süden. Während in den fruchtbaren Alpenregionen Italiens eine üppige Almwirtschaft betrieben wird, herrscht in Sizilien der Fischfang vor, da die Region ansonsten relativ karg ist. Natürlich sind diese kulinarischen Regionen nicht starr voneinander getrennt, die Grenzen sind fließend. Auch in Deutschland sind, speziell im süddeutschen Raum, keine klaren Grenzen erkennbar. Viele Gerichte werden gleich zubereitet, haben aber andere Namen, oder sie haben dieselbe Bezeichnung, werden aber abgewandelt gekocht.
Die oben beschriebenen Regionen befinden sich innerhalb einer Nation. Kulinarische Regionen können jedoch auch durch mehrere Nationen verlaufen, wie etwa die im südlichen Mittelmeerraum angesiedelte mediterrane Küche. Innerhalb einer solchen Region, wo auf dieselbe Art und Weise Nahrung beschafft, zubereitet und konsumiert wird, liegt der Bevölkerung die gleiche kulturelle Identität zugrunde, da sie aus dem gleichen kulturellen Raum kommen, ungeachtet der unnatürlichen politischen Grenzen. Die Wichtigkeit der Zubereitung als kulturelle Praxis spielt auch hier eine Rolle, denn dieses kulturelle Erbe kann sogar Emotionen wie Patriotismus und Stolz auf die heimatliche Region hervorrufen (Bell & Valentine 1997: 152), genauso wie Rivalitäten anderen Regionen gegenüber (Bell & Valentine 1997: 159).
Wird also nachfolgend über eine Region gesprochen, ist damit immer die kulinarische Region gemeint.
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- Andrea Bernhardt (Autor), 2001, Regionale und nationale Dimension der Anthropologie der Nahrung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37424
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