Unternehmen sehen sich in immer kürzer werdenden Abständen gezwungen, auf Veränderungen ihrer internen und externen Umwelt mit intendierten Veränderungsprozessen zu reagieren. Obwohl das Bewusstsein vorhanden ist, dass Veränderungen im Unternehmen notwendig sind, begegnen die Verantwortlichen bei der Implementierung von Veränderungen immer wieder Problemen und Widerständen.
Die erfolgreiche Begleitung von Veränderungsprozessen erfordert einerseits besondere Fähigkeiten des Managements in seiner Rolle als Change-Manager und andererseits die Bereitschaft der Mitarbeiter, sich zu verändern und immer wieder neu zu orientieren. Inhalte dieses Buches befassen sich vorrangig mit den psychologischen Faktoren, die bei einer erfolgreichen Umsetzung von Veränderungsprozessen berücksichtigt werden sollten. Manager, die sich mit der Implementierung von Veränderungen im Unternehmen konfrontiert sehen, müssen Vorstellungen über den Verhaltensentwurf ihrer Mitarbeiter entwickeln, und verstehen, wie Veränderungsprozesse auf individueller und organisatorischer Ebene wirkungsvoll zu kombinieren sind.
Ein weiterer Bestandteil dieses Buches ist die Entwicklung eines Change-Kompetenz-Modells, das wichtige Kernkompetenzen einer Führungskraft in ihrer Rolle als Change-Manager herausstellt. Daraus ist ein Fragebogen zur Selbst- und Fremdeinschätzung der Führungskraft als Change-Manager abgeleitet. Vorhandene Stärken einer Führungskraft können erkannt, Entwicklungsmöglichkeiten identifiziert und geeignete Unterstützungs- und Qualifizierungsmaßnahmen ausgewählt werden.
Die Hypothese lautet, dass nur diejenigen Change-Manager erfolgreiche Veränderungsprozesse implementieren und aufrecht halten, die einerseits den neuen Aufgaben und damit verbundenen Kompetenzanforderungen gerecht werden und andererseits die psychologischen Auswirkungen auf die Mitarbeiter kennen und diese adäquat im Veränderungsprozess berücksichtigen, um motivatorischen Nebenkosten und sozialen Spätfolgen vorzubeugen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Ziel und Gegenstand der Arbeit
3 Unternehmen im Wandel
3.1 Grundlagen von Veränderungsprozessen
3.2 Phasen des Wandels
3.3 Klima ständiger Veränderungsbereitschaft
3.4 Rollen in Veränderungsprozessen
4 Führungskräfte als Change-Manager
4.1 Unternehmenskultur als Plattform für Veränderungsprozesse
4.2 Heimliche Spielregeln in Unternehmen
4.3 Anforderungen an die Führungsebene
4.3.1 Gestaltung von Rahmenbedingungen zur Beeinflussung emotionaler Veränderungsprozesse
4.3.2 Fordern und Fördern individueller Handlungskompetenz
4.3.3 Kommunikation als Basis in Veränderungsprozessen
4.3.4 Widerstand und Konfliktmanagement in Veränderungsprozessen
4.4 Die Führungskraft als Coach in Veränderungsprozessen
5 Psychologische Auswirkungen des Change‑Managements auf die Belegschaft
5.1 Die Bedeutung der Arbeitsmotivation und Identifikation in Zeiten der Veränderung
5.2 Ängste der Belegschaft
5.2.1 Veränderungen des Beziehungsnetzwerkes
5.2.2 Erfahrungs- und Machtverluste
5.3 Die Bedeutung der Lernbereitschaft in Zeiten der Veränderung
6 Reorganisation der Bayer AG
6.1 Ausgangssituation im Unternehmen
6.2 Veränderte Organisationsstruktur im Unternehmen
7 Betriebliche Fortbildung in Veränderungsprozessen
7.1 Phasen-Modell zur Unterstützung eines Change‑Management-Prozesses
7.2 Change-Kompetenz-Modell für Führungskräfte
7.3 Fragebogen zur Selbst-/Fremdeinschätzung des Change‑Managers
8 Möglichkeiten einer Unterstützungs- und Qualifizierungsberatung für Change‑Manager
9 Verallgemeinerung der Erkenntnisse und Perspektiven
10 Literaturverzeichnis
11 Anhang
1 Einleitung
Wandel ist für viele Unternehmen eine prägende Konstante der letzten Jahre geworden. Neue Anforderungen von Seiten des Marktes, sowie ein gewandeltes Selbstverständnis der Mitarbeiter, stellen die traditionellen Formen der Unternehmensführung in Frage. Durch die Globalisierung des Wettbewerbs sind viele Unternehmen gleich in zweifacher Hinsicht betroffen: Durch innovative Vorsprünge ausländischer Konkurrenten im Bereich zukunftsweisender Produkte, Technologien und Arbeitsformen einerseits, und kostengünstigeren Produktionsbedingungen in vielen asiatischen und osteuropäischen Ländern andererseits.
Die anhaltende Diskussion in Wissenschaft und Praxis über den Unternehmenswandel legt die Vermutung nahe, es handele sich um ein Phänomen, welches sich von früheren Entwicklungen grundlegend unterscheide. Dieses ist jedoch nicht der Fall, da sich bereits die ältere Managementliteratur in den dreißiger und vierziger Jahren mit dieser Problematik befasste[1]. Die heutige Situation unterscheidet sich von der damaligen durch die enorme Geschwindigkeit, mit der sich Veränderungen in der Gesellschaft und in Unternehmen vollziehen.
Unternehmen sehen sich in immer kürzer werdenden Abständen gezwungen, auf Veränderungen ihrer internen und externen Umwelt mit intendierten Gestaltungsprozessen zu reagieren. Dies fordert einerseits besondere Fähigkeiten des Managements in seiner Rolle als Change-Manager und andererseits die Bereitschaft der Mitarbeiter, sich zu verändern und immer wieder neu zu orientieren.
Auslöser für die Wahl des Themas ist der geplante und in der Umsetzungsphase befindliche, organisatorische Wandel innerhalb der Bayer AG. Verhaltensweisen von Management und Mitarbeitern in einem
Change-Management-Prozess spielen innerhalb dieses umfassenden Reorganisationsprozesses der Bayer AG eine bedeutende Rolle. In diesem Kontext findet die Auseinandersetzung der Thematik statt. Die Bearbeitung des Themas erfolgt mit der ganzheitlichen Perspektive, die Wechselwirkungen zwischen Individuen, Gruppen, Organisationen, Technologie und Zeit einzuschließen und Kommunikationsmuster, Wertestrukturen sowie Machtkonstellationen, zu berücksichtigen.
Dabei werden in Kapitel 3 Grundlagen von Veränderungsprozessen beschrieben und die Phasen des Wandels aufgeführt, in denen sich Mitarbeiter und Management mit unterschiedlichen Rollendefinitionen befinden. Es wird dargelegt, wie sich die Unternehmenskultur als wichtige Plattform im Veränderungsprozess einfügt. In Kapitel 4 werden die besonderen Anforderungen an die Führungskräfte als Change-Manager erörtert. Im Besonderen wird hierbei auf die Bedeutung der Kommunikation als Basis im Veränderungsprozess, sowie den Umgang mit Widerständen und Konflikten eingegangen. Das Kapitel 5 behandelt die psychologischen Auswirkungen des Change-Managements auf die Mitarbeiter. Im Mittelpunkt stehen dabei die Ängste, Erfahrungs- und Machtverluste der Mitarbeiter und die Bedeutung der Lernbereitschaft in Zeiten der Veränderung.
Der Umfang des Reorganisation der Bayer AG wird in Kapitel 6 beschrieben. In Kapitel 7 wird ein Change-Kompetenz-Modell dargestellt, welches auf die erforderlichen Kernkompetenzen von Führungskräften im Veränderungsprozess eingeht. Darauf aufbauend wurde ein Fragebogen zur Selbst-/ Fremdeinschätzung der Führungskraft als Change-Manager entwickelt. In Kapitel 8 werden Möglichkeiten einer Unterstützungs- und Qualifizierungsberatung abgeleitet. In Kapitel 9 werden die Erkenntnisse in einer Abschlussbetrachtung zusammengefasst.
2 Ziel und Gegenstand der Arbeit
Die bewusste Entscheidung einer Organisation, sich zu verändern ist immer auf zwei Bereiche ausgerichtet. Zum einen sind dies die sogenannten "Hardware Changes", damit sind beispielsweise Veränderungen der Organisationsstruktur gemeint. Zum anderen betrifft es die "Software Changes", das bedeutet die Veränderungen der Werte und Verhaltensweisen, der in einer Organisation tätigen Individuen.[2]
Gegenstand dieser Arbeit sind vorrangig die Software Changes. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Bedeutung des Faktors Mensch im Change-Management-Prozess unter verschiedenen Aspekten: der psychologischen Auswirkungen auf die Mitarbeiter einerseits und der Führungskräfte in ihrer Rolle als Change-Manager mit den besonderen Anforderungen an deren Change-Kompetenzen andererseits.
Obwohl das Bewusstsein vorhanden ist, dass Veränderungen im Unternehmen notwendig sind, begegnen die Verantwortlichen bei der Implementierung von Veränderungen immer wieder Problemen und Widerständen. Dies könnte darin begründet liegen, dass von Veränderungsprozessen in Unternehmen grundsätzlich immer auch Menschen betroffen sind, die scheinbar den Status Quo mehr schätzen als den Wandel, und daher entsprechenden Veränderungsinitiativen Widerstände entgegensetzen.
Es lässt sich vermuten, dass Veränderungen in Richtung mehr Effizienz und Produktivität dauerhaft und nachhaltiger wären, wenn sie von den in einem Unternehmen tätigen Menschen in deren Einstellungen, Werten und Verhalten nachvollzogen und gelebt werden. Dies lässt die Hypothese zu: Je effizienter die unternehmensinterne Kommunikation im Veränderungsprozess eingesetzt würde, desto geringer wäre der Widerstand der Mitarbeiter gegen das Veränderungsvorhaben. Es ist anzunehmen, dass Veränderungen immer einen Bezug zum Verhalten der Menschen, ihren Werten und Einstellungen haben. Manager, die sich mit der Aufgabe der Implementierung von Veränderungen im Unternehmen konfrontiert sehen, müssen daher sowohl Vorstellungen über den Verhaltensentwurf ihrer Mitarbeiter entwickeln, als auch verstehen, wie Veränderungsprozesse auf individueller und organisatorischer Ebene wirkungsvoll zu kombinieren sind.
Dies vorausgesetzt, lässt die Vermutung zu, dass sich die Aufgaben und Anforderungen an die Kompetenzen von Führungskräften im Vergleich von früher zu heute gewandelt haben. Die Hypothese lautet, dass nur diejenigen Change-Manager erfolgreiche Veränderungsprozesse implementieren werden, die den neuen Aufgaben und damit verbundenen Anforderungen gerecht werden.
Ein weiterer Gegenstand dieser Arbeit ist daher die Entwicklung eines Change-Kompetenz-Modells, das wichtige Kernkompetenzen einer Führungskraft in ihrer Rolle als Change-Manager herausstellt. Daraus wird ein Fragebogen zur Selbst-/Fremdeinschätzung der Führungskraft als Change-Manager abgeleitet. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen Ansatz zu bilden, vorhandene Stärken der Führungskraft weiter auszubauen und Entwicklungsmöglichkeiten zu identifizieren, um mit geeigneten Unterstützungs- und Qualifizierungsmaßnahmen die Führungskraft für die Umsetzung ihrer Rolle als Change-Manager im Veränderungsprozess zu stärken.
Die erarbeiteten Erkenntnisse aus Literaturstudien und Praxiserfahrung im Change-Management-Prozess sollen das Management sensibilisieren, ihren Fokus stärker auf den Faktor Human Resources zu richten, und mit den erforderlichen Change-Kompetenzen den Wandel in der geforderten Qualität, Zeit und Nachhaltigkeit umzusetzen.
3 Unternehmen im Wandel
Unterschiedliche Gründe können eine Rolle spielen, wenn sich Unternehmen mit der Notwendigkeit von Veränderungen auseinandersetzen. Es gibt heute keine Organisation, die von Veränderungen durch Einflüsse von Innen oder Außen ausgenommen bleibt.
Die ungeplanten, nicht beabsichtigten und weitestgehend unbemerkten Veränderungen eines Unternehmens sind nicht Gegenstand dieser Arbeit. Vielmehr geht es um den geplanten Wandel, den Mohr definiert als „eine bewusste Entscheidung einer Organisation, einen auf ihre Funktionsweise und das Verhalten der Organisationsmitglieder ausgerichteten Veränderungs-prozess durchzuführen, mit dem Ziel, das Effizienzniveau der Organisation zu verbessern.[3] “
Nach Ulrich steht der Ausdruck „Wandel“ in der deutschsprachigen Literatur auch für das amerikanische „Change“. Dies kann mit Veränderung übersetzt werden.[4] Sicherlich könnte zwischen diesen Begriffen noch unterschieden werden, doch bringt eine Unterscheidung keinen Mehrwert für diese Arbeit. Die drei Bezeichnungen Change-Management, Veränderungsmanagement und Wandel werden daher in dieser Arbeit synonym verwendet.
Doppler und Lauterburg[5] beschreiben drei neue Rahmenbedingungen, die weitgehend über den Erfolg oder Misserfolg in Unternehmen entscheiden: Die Verknappung der Ressourcen Zeit und Geld, sowie die dramatische Steigerung der Komplexität. Schnelle technologische Entwicklungen auf den Gebieten der Mikroelektronik, der Informatik und Telekommunikation machen es möglich, Informationen zu kanalisieren und ohne Zeitverzug zu transportieren. Dies hat zur Beschleunigung der Geschäftsabläufe in Unternehmen geführt. Geschwindigkeit wird zum strategischen Erfolgsfaktor.
Die gesamte Wirtschaft steht unter einem gewaltigen Leistungs- und Veränderungsdruck. Mit ihr die Mitarbeiter und Führungskräfte einer Organisation. Ein Unternehmen, das überleben will, muss sich kurzfristig ändernden Bedingungen anpassen. Beispielhaft seien betriebliche Umstrukturierungen, rasche Produktinnovationen oder sich ändernde Kundenbedürfnisse genannt.
Durch die Verknappung der Ressource Geld werden Leistungs- und Kostenoptimierung zu bestimmenden Faktoren unternehmerischen Denkens und Handelns. Immer mehr Tätigkeiten können heute maschinell präziser und kostengünstiger verrichtet werden. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sind Unternehmen gezwungen, die Möglichkeiten der Rationalisierung und Automatisierung zu nutzen. In den letzten Jahren hat sich der Trend etabliert, Arbeitsplätze, die nicht automatisiert werden können, in Billiglohnländer zu exportieren. Aus der arbeitsmarktpolitischen Perspektive betrachtet, sinkt die Zahl der Arbeitsplätze kontinuierlich.
Der schnelle strukturelle und gesellschaftliche Wandel, bedingt zudem eine wachsende Komplexität der Arbeitsaufgaben. Durch eine alles umfassende Vernetzung, entwickeln technische, ökonomische, politische und gesellschaftliche Prozesse ihre Eigendynamik. Ein Folgeeffekt ist auch, dass das Führen von Mitarbeitern schwieriger geworden ist. Für viele Menschen vollziehen sich die Veränderungen zu schnell. Das rasche Tempo, das von den Märkten vorgegeben wird, entspricht nicht der Geschwindigkeit von nachhaltigen Verhaltensänderungen, die von den Menschen eingefordert werden, um sich den Change-Prozessen in Unternehmen aktiv zu stellen und die damit einhergehenden Herausforderungen zu meistern. Insbesondere Führungskräfte stehen vor Aufgaben, die neue Kenntnisse und Fähigkeiten von ihnen fordern.
Der Wandel in periodisch immer kürzer werdenden Zyklen oder als ständiger Prozess ist ein bestimmendes Thema erfolgreicher Unternehmen geworden. Um wettbewerbsfähig zu sein und zu bleiben, müssen verschiedene Voraussetzungen[6] geschaffen werden. Das Thema Kundenorientierung spielt hierbei eine wichtige Rolle. Dabei geht es um die Veränderung des Kräfteverhältnisses von Anbietern und Kunden: Es ist eine Veränderung vom Verkäufer- zum Käufermarkt festzustellen. Der Kunde erwartet, rasch und flexibel bedient zu werden. Er entscheidet, bei wem er kauft. Die Unternehmen müssen die Produktivität steigern und dabei die Qualitätsanforderungen erfüllen, um Kunden zu halten und neue zu gewinnen. Kostenoptimierung, Straffen der Produktpaletten, Reduktion von Administration und Vereinfachung von Arbeitsabläufen sollen die Wertschöpfung erhöhen.
Aus den beschriebenen Voraussetzungen lassen sich drei Besonderheiten des Wandels zusammenfassen: Diversität, Volatilität und Permanenz. Unternehmen stehen unterschiedlichen marktlichen und außermarktlichen Umfeldern, sowie verschiedenen Anspruchsgruppen gegenüber. Diese üben verschiedenartige und auch gegenläufige Einflüsse aus. Diversität ist das daraus resultierende Merkmal des Wandels. Mit Volatilität ist eine Verkürzung der Lebensdauer von Regelungen, Technologien, Produktzyklen, Angebots- und Nachfragestrukturen gemeint. Der Wandel wird in Unternehmen zu einem dauerhaften Prozess und zu einer Daueraufgabe für alle Beteiligten. Das entsprechende Merkmal des Wandels ist seine Permanenz.[7]
3.1 Grundlagen von Veränderungsprozessen
Führungskräften in Unternehmen stellt sich nicht mehr die Frage, ob sich das Unternehmen verändern sollte, sondern wie die notwendigen Veränderungen durchgeführt werden können, um eine große Änderungs- und Unterstützungsbereitschaft bei den Mitarbeitern zu erreichen. Hierzu sind Veränderungsstrategien entwickelt worden, die konzeptionelle Festsetzungen bezüglich der Interventionsziele, -ebenen, -intensität und -dauer beinhalten[8].
Staehle schlägt vor, die änderungshemmenden Kräfte durch ein Bündel von Maßnahmen einzudämmen oder die fördernden Kräfte zu verstärken. Als dritte Möglichkeit nennt er die Umkehr der Richtung einer Kraft. Ausgehend von intensiven Analysen der änderungshemmenden Kräfte soll versucht werden, die Abwehrreaktionen als solche zu entlarven und die dahinter verborgene Energie in änderungsfördernde Kräfte umzuwandeln.[9]
Drei generelle Strategietypen wurden bereits Ende der 60er Jahre von Chin und Benne unterschieden, um Veränderungen in sozialen Systemen zu bewirken.
Empirisch-rationale Strategien gehen von der Annahme rationalen Handelns und der Nutzenmaximierung des Individuums aus. Veränderungen werden dann von den Betroffenen akzeptiert, wenn sie über Ziele, Vorteile und Nutzen der Veränderung informiert werden und der Wandel rational gerechtfertigt werden kann.
Normativ-reedukativen Strategien liegt die Annahme zugrunde, dass Menschen im Wesentlichen von sozio-kulturellen und organisatorischen Normen geprägt sind. Handeln und Verhalten lassen sich danach nur ändern, wenn es gelingt, auf die Werte, Einstellungen und Normen der Menschen einzuwirken.
Bei Macht- und Zwangsstrategien basiert die Durchsetzung von Veränderung auf Macht, die mittels ökonomischer, politischer oder sozialer Sanktionen ein bestimmtes Verhalten erzwingt. Greiner hat diese Veränderungsstrategien auf einem Macht-Kontinuum angeordnet.
Er unterscheidet:
- Einseitige Machtausübung, d. h. Veränderung durch Anordnung, Veränderung durch personellen Wechsel oder Veränderung durch Strukturänderung.
- Gemeinsame Machtausübung, d. h. Veränderung durch Gruppenentscheidung oder Veränderung durch Problemlösung in der Gruppe.
- Delegierte Machtausübung, d. h. Veränderung durch Falldiskussion oder Teilnehmergruppensitzungen.
Greiner kommt nach einer empirischen Analyse zu dem Schluss, dass der Ansatz der gemeinsamen Machtausübung am erfolgreichsten ist.[10]
Ferner werden die Strategien auch nach der Interventionsebene in der Hierarchie unterschieden. Eine Möglichkeit besteht darin, den Veränderungsprozess Top-Down zu starten. Eine weitere Möglichkeit liegt darin, ihn beim Mittleren Management zu starten und von dort aus sowohl höhere, als auch nachgelagerte Hierarchieebenen in den Prozess zu integrieren. Man nennt das “from middle both ways”. Die letzte Alternative besteht darin, mit den Maßnahmen auf der niedrigsten Hierarchieebene zu beginnen. Diese sollten sich dann bis in die Spitze des Unternehmens ausbreiten. Man bezeichnet das als Bottom up.[11]
In der Literatur besteht kein vollständiges Einvernehmen darüber, welcher Ansatz zum größeren Erfolg führt. Letztendlich dürfte die individuelle Ausgangssituation eines Unternehmens ausschlaggebend für die Entscheidung sein, welche der jeweiligen Strategie oder Strategiekombination eingesetzt wird. Einigkeit besteht jedoch zunehmend darüber, dass die von der Veränderung betroffenen Mitarbeiter im Unternehmen in den gesamten Prozess miteinbezogen werden müssen.
Den Wandel in einem Unternehmen zu vollziehen ist nicht nur Aufgabe der Führungskräfte. Mitarbeiter sind in großem Maße davon betroffen. Daher sollten sie über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, den Wandel als Aufgabe wahrzunehmen und an der Umsetzung mitzuwirken. Wenn diese Sichtweise von der Führung ernst genommen wird, muss Grundlagenwissen des Wandels Gegenstand der Change-Aktivitäten im Unternehmen sein.
Krüger bezeichnet den Wandlungsbedarf, die Wandlungsbereitschaft und die Wandlungsfähigkeit als Koordinaten des Wandels. Unternehmenswandel befindet sich im Spannungsfeld dieser drei Kategorien. Wandlungsbedarf meint das Ausmaß der sachlich notwendigen Veränderungen der Unternehmung, ihrer Teilbereiche und Mitglieder, sowie ihrer externen Verbindungen mit marktlichen und aussermarktlichen Anspruchsgruppen. Die subjektive Wahrnehmung des Wandels muss jedoch ebenfalls Berücksichtigung finden. Es ist wichtig, dass das unternehmerische Handeln durch das Merkmal des Vorantreibens statt des Getriebenwerdens gekennzeichnet ist. Der Prozess des Wandels kann unterschiedlichen Interessen und Zielen dienen. Dabei spielen die Machtverhältnisse in der Unternehmensspitze eine entscheidende Rolle.
Ein Schlüssel zu erfolgreichem Wandel ist die Wandlungsbereitschaft. Darunter versteht man die Einstellungen und das Verhalten aller am Wandlungsprozess beteiligten und betroffenen Personen und Organisationseinheiten gegenüber den Zielen und Maßnahmen des Wandels. Fehlende Wandlungsbereitschaft äußert sich häufig darin, dass notwendige Änderungen nicht akzeptiert werden. Es ist wichtig, ein Gefühl für die Dringlichkeit und Unabweisbarkeit des Wandels zu erzeugen. An der Wandlungsbereitschaft kann man erkennen, wer sich als Befürworter oder Gegner des Wandels verhält, bzw. wer unentschlossen ist.
Die Wandlungsfähigkeit bildet die dritte Kategorie, von der ein erfolgreicher Wandel abhängt. Die Wandlungsfähigkeit beschreibt, inwieweit geeignetes Wissen und Können beim Einzelnen bzw. bei einer Organisationseinheit oder der Unternehmung insgesamt vorhanden ist, um Wandlungsprozesse erfolgreich durchzuführen. Der Unternehmenserfolg wird zukünftig in großem Maße von der Wandlungsfähigkeit aller Mitarbeiterebenen geprägt werden. Das Wissen, Können und die Erfahrungen der Manager und ihrer Mitarbeiter bestimmen die personelle Wandlungsfähigkeit. Eine wichtige Voraussetzung dafür sind flexible und anpassungsfähige Strukturen und Prozesse im Unternehmen.[12]
3.2 Phasen des Wandels
„Einigkeit besteht in der Forschung darüber, dass organisatorischer Wandel als ein komplizierter Prozess verstanden werden muss. Dieser wird meist durch eine Abfolge von Phasen und Aktivitäten beschrieben.“[13]
Die meisten in der Literatur beschriebenen Phasenmodelle bauen auf dem Denkmodell von Lewin auf. Sein Modell lässt sich als Basismodell von Veränderungsprozessen in Organisationen bezeichnen. Er verweist auf die Wichtigkeit des Einstiegs, in dem die Veränderungsbereitschaft entwickelt werden muss, und auf die Notwendigkeit vertiefender Interventionen.
Lewin entwickelte die Feldtheorie, die menschliches Verhalten im Rahmen von psychologischen Kräftefeldern analysiert. Das psychologische Kräftefeld umfasst alle Kräfte, die das Verhalten eines Menschen beeinflussen bzw. verändern können. Jedes Verhalten stellt für ihn das Bemühen einer Person dar, in diesem Kräftefeld auftretende Spannungen zu reduzieren und damit den durch die Spannung gestörten Gleichgewichtszustand wieder herzustellen.[14] Nach Lewin existieren in jeder Situation Kräfte, die den Wandel fördern und solche, die ihn hemmen. Wenn die Summe der treibenden und widerstrebenden Kräfte gleich ist, besteht ein Gleichgewicht, welches den Status Quo beschreibt. Um überleben zu können, müssen Organisationen für ein Gleichgewicht dieser Kräfte sorgen. Dies wird in Abbildung 1 dargestellt.
Gleichgewicht
Treibende Kräfte widerstrebende Kräfte
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Organisation (interne Anlässe), z. B. fehlende Ressourcen, Angst vor
z. B. Humanisierung der Arbeit Unruhe, Kurzzeitorientierung
Abbildung 1: Gleichgewicht
Quelle: Staehle, 1999, S. 591 (leicht verändert)
Soll nun ein gegebener Gleichgewichtszustand zugunsten eines neuen verändert werden, müssen die im Status Quo herrschenden Kräfte verändert werden. Dieses geschieht nach dem Modell von Lewin in drei Phasen.[15]
Die erste Phase bezeichnet er als „Unfreezing“, d. h. Auftauen. Während dieser Phase sollen bestehende Verhaltensweisen und Gewohnheiten aufgetaut und bei den Mitarbeitern eine gewisse Veränderungsbereitschaft und -motivation erzeugt werden. Die zweite Phase bezeichnet er als „Moving“, d. h. Bewegung. Es erfolgt die Veränderung des alten Zustandes. Kennzeichnend für diese Phase ist die Vorgabe der Veränderungsrichtung, sowie Implementierung und Einführung neuer Verhaltensweisen[16]. Der Wandlungsprozess ist somit ein Übergang von einer Gleichgewichtssituation in eine andere. Üblicherweise ist nach dem Auftauen der alten Situation zunächst ein Leistungsabfall aufgrund der entstandenen Unruhe festzustellen. Erst wenn die fördernden Kräfte sich positiv auswirken und der Wandel abgeschlossen ist, kann die nächste Phase eingeleitet werden. Die dritte Phase bezeichnet Lewin als „Refreezing“, d. h. Wiedereinfrieren. Es geht darum, den neuen Gleichgewichtszustand einzufrieren. „Dieses Wiedereinfrieren ist jedoch nicht als ein starres Festschreiben von Neuerungen zu verstehen. Vielmehr stellt diese Phase den Ausgangspunkt für weitere Veränderungen und somit ein neues Auftauen und Ändern dar, was im Idealfall der lernenden Organisation in einen immerwährenden Verbesserungszirkel mündet.[17] “
Ein weiteres sehr ausführliches Modell stammt von Wilfried Krüger. Es beschreibt den Prozess tiefgreifenden und weitreichenden Wandels in einem Ablauf von fünf Phasen: Initialisierung, Konzipierung, Mobilisierung, Umsetzung, Verstetigung.[18]
In der Phase der Initialisierung wird die sachliche Notwendigkeit des Wandels geklärt, das heißt der Wandlungsbedarf wird festgestellt. Signale für Änderungsbedarfe werden beobachtet und bewertet. Dazu gehören Informationen über Verbesserungsmöglichkeiten der Unternehmensstrukturen
und -prozesse, einschließlich der Kommunikations- und Informationssysteme. Aus diesen Fakten wird der Wandlungsbedarf bestimmt. Bei einer Top-Down Vorgehensweise wird der Veränderungsprozess von der Unternehmensspitze durch Informationen, Anregungen und Impulse ausgelöst. In dieser Phase werden die Wandlungsträger aktiviert, das bedeutet, dass Kräftekonstellationen erkundet werden und die notwendige Überzeugungsarbeit im Management geleistet wird, um den Prozess in Gang zu bringen. Das Kräftefeld im Wandel besteht aus Vorantreibern, Gegnern und Unentschiedenen. Die Vorantreiber beeinflussen die Gegner und Unentschiedenen positiv. Es ist daher wichtig, sie zu identifizieren. Sie üben einen wesentlichen Einfluss auf den Verlauf und das Ergebnis des Wandlungsprozesses aus. Man bezeichnet sie als Wandlungsträger.
Im Rahmen der Konzipierungsphase werden die Wandlungsziele festgelegt. In den Wandlungszielen finden sich die Unternehmensziele wieder. Es ist wichtig, dass die Wandlungsziele präzise formuliert sind, um den Sinn und Zweck der Veränderung zu verstehen und zu erkennen, wann ein Ziel erreicht worden ist. Es wird beschrieben, welche Ergebnisse mit dem Wandel angestrebt werden. Bei der Formulierung der Ziele sind Rahmenbedingungen zu beachten, wie zum Beispiel Technologiesprünge, Gesetzesänderungen oder auch interne Gegebenheiten. Aus den Zielen leiten sich Wandlungsmaßnahmen ab, das heißt, es ist zu formulieren, welche konkreten Schritte geeignet sind, um die Veränderungen einzuleiten und umzusetzen. Der Kosten-Nutzen Aspekt spielt dabei eine entscheidende Rolle. Aus der Kombination von Zielen und Maßnahmen entsteht ein Wandlungskonzept.
In der Phase der Mobilisierung wird das Wandlungskonzept mit den Beteiligten und Betroffenen kommuniziert, damit diese sich auf die beabsichtigten Veränderungen einstellen können. In dieser Phase gilt es, Wandlungsbereitschaft zu erreichen, zu erhöhen und Willensbarrieren bei den Mitarbeitern zu überwinden. Nur wenn die geplanten Veränderungen auf Akzeptanz stoßen, wird die Bereitschaft gegeben sein, diese pro aktiv zu beeinflussen und mitzugestalten. Um Veränderungen erfolgreich durchführen zu können, ist neben der Wandlungsbereitschaft auch eine Wandlungsfähigkeit erforderlich. Das bedeutet, dass personelle, technische, organisatorische und zeitliche Ressourcen beachtet werden müssen. Über diese Rahmenbedingungen hinaus, müssen die notwendigen Handlungs-kompetenzen der Mitarbeiter entwickelt werden, damit Veränderungs-maßnahmen neben dem aktuellen Tagesgeschäft adäquat umgesetzt werden können.
In der Umsetzungsphase können nicht alle Vorhaben und Probleme gleichzeitig gelöst werden, daher ist es wichtig, Prioritäten zu setzen. Zeitkritische Probleme müssen vorrangig bearbeitet werden. Sachliche Abhängigkeiten, vorhandene Ressourcen und die Konsequenzen aus dem Wandlungsvorhaben für die Zukunft müssen beachtet werden. Mit der Realisierung der Umsetzungsschritte werden die Wandlungsbedarfe gedeckt, und die Wandlungsziele erreicht.
Die Verstetigung ist eine Phase, die es im Idealfall ermöglichen soll, zukünftigem Wandlungsbedarf mit pro aktiver Gestaltung, statt mit reaktiver Anpassung zu begegnen. Die eingeführten Wandlungsergebnisse dürfen nicht durch den Rückfall in vorherige Verhaltensweisen unterlaufen werden. Die Aufgaben und Ziele für den eigenen Verantwortungsbereich und für jeden Mitarbeiter müssen so umgestellt sein, dass die Nachhaltigkeit der Ergebnisse erreicht wird. Die Abwicklung des Tagesgeschäftes und seine Optimierung müssen parallel bewältigt werden. Es muss in organisatorischer, personeller und führungstechnischer Hinsicht sichergestellt sein, dass die Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit der Mitarbeiter beibehalten wird.
Die Phasen des Wandels sollen aufzeigen, dass es nicht um die einmalige Bewältigung eines Wandlungsprogramms geht, sondern dass im Ergebnis eine lern- und wandlungsfähige Unternehmung entstehen soll.
3.3 Klima ständiger Veränderungsbereitschaft
Veränderungen müssen als Prozess verstanden werden, und nicht als abgeschlossener Zustand, den man nach einer Umsetzungsphase erreicht hat. Ein Klima ständiger Veränderungsbereitschaft kann erreicht werden, wenn Wandlungsaufgaben als Daueraufgaben verstanden werden. Im Unternehmen müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es ermöglichen, flexibel als Teil eines sich ändernden Systems, die anfallende Aufgabenvielfalt zuverlässig zu bewältigen und zu gestalten. Die im Kapitel 3.2 beschriebenen Wandlungsphasen der Mobilisierung und Umsetzung geben Anhaltspunkte für solche Regelungen. In der Verstetigungsphase müssen sowohl die Wandlungsergebnisse verankert, als auch die Wandlungsbereitschaft und
-fähigkeit gesichert werden. Aus der Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit heraus entsteht Wandlungserfahrung. Um den Umgang mit permanentem Wandel zu sichern, ist es wichtig, die Wandlungserfahrung zu erhalten und zu entwickeln. Prozesse permanenten Wandels sind stetige unternehmerische Lernprozesse.[19]
In der Praxis bedeutet das, dass Mitarbeiter das Bewusstsein entwickelt haben, das Wandlungsgeschäft in ihr Tagesgeschäft zu integrieren. Sie hinterfragen kontinuierlich ihre Arbeitsprozesse und überlegen, ob es Möglichkeiten der Optimierung gibt. Das Aufrechterhalten ständiger Veränderungsbereitschaft hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Es ist Aufgabe der Führungskräfte, mit ihren Verhaltensweisen gegenseitige Loyalität zu fördern. Permanente Rückmeldung an die Mitarbeiter über erreichte Ziele, sowie Anerkennung und Wertschätzung von erbrachten Leistungen und aufgezeigtem Verbesserungspotential, sind dabei essentiell. Im Bewusstsein der Mitarbeiter muss verankert sein, dass der Wandel keine Gefahr, sondern eine Chance bedeuten kann. Ein Klima ständiger Veränderungsbereitschaft kann bei den Mitarbeitern nur erreicht werden, wenn die Führungskraft als Vorbild und Promotor erlebt wird.
3.4 Rollen in Veränderungsprozessen
Bei der Durchführung von Veränderungsprozessen im Unternehmen sind eine Vielzahl von Personen beteiligt oder betroffen, die unterschiedliche Rollen in diesem Prozess einnehmen. Im Rahmen einer erfolgreichen Unternehmensveränderung ist es unabdingbar, die Schlüsselpersonen, die eine Implementierung positiv beeinflussen und vorantreiben, zu identifizieren und einzubeziehen. Ziel sollte es sein, möglichst viele Promotoren zu gewinnen. Je nach dem, welcher Art der Veränderungsbedarf ist und welche Auswirkungen dieser für den Einzelnen hat, wird es Führungskräfte und Mitarbeiter geben, die sich wandlungsfördernd und unterstützend verhalten, solche, die den Wandel blockieren, und solche, die sich unentschlossen verhalten. In einem Top-Down-Prozess wird der Wandlungsbedarf vom Top Management definiert. Das Top Management entwickelt ein Konzept, über das die Mitarbeiter informiert werden. Die Betroffenen versuchen Einfluss auf das Wandlungsgeschehen zu nehmen. Das Top Management reagiert auf diese Aktivitäten mit neuen Steuerungsmaßnahmen, um Kräfteverhältnisse gegebenenfalls wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Mitarbeiter und Management sollten sich als Schlüsselgruppen der Wandlungsaktivitäten begreifen, indem beide einen Beitrag zum erfolgreichen Veränderungsprozess leisten müssen.[20]
In der realen Unternehmenssituation sind die Rollen von Top Management, Mittelmanagement und Mitarbeitern im Veränderungs-prozess nicht immer eindeutig festgelegt. Es sind oft hierarchieübergreifende Koalitionen von Promotoren, Opponenten und Unentschlossenen zu erkennen. Die Befürworter des Wandels, sogenannte Promotoren, werden durch ihr Verhalten versuchen, sich aktiv an der positiven Entwicklung des Veränderungsprozesses zu beteiligen. Es gibt sie auf allen Hierarchieebenen. Den Gegenpol dazu bilden die Opponenten. Sie lehnen den Veränderungsprozess ab, verbreiten bisweilen negative Stimmungsbilder und blockieren. Eine Vielzahl der Betroffenen wird in der Regel zunächst unentschlossen sein. Promotoren und Opponenten versuchen allerdings in der Regel, weitere Mitstreiter für sich zu gewinnen. Das Kräftespiel findet zwischen Koalitionen von Promotoren und Opponenten statt. Diesen stehen, je nach Machtverhältnissen und Aufgabenbereichen, unterschiedliche Mittel der Verzögerung oder Beschleunigung des Veränderungsprozesses zur Verfügung.[21]
Das Top Management mit der Ebene des Vorstandes oder der Geschäftsführung, hat einen herausragenden Einfluss auf das Wandlungsgeschehen. Ein Wandlungsprozess hat nur dann Erfolg, wenn eine nachhaltige hierarchische Unterstützung sichergestellt ist. Er muss von der obersten Führungsebene mit getragen werden. Top Manager müssen als Promotoren des Wandels wirken. Ihnen sollte bewusst sein, dass sie mit ihrem Verhalten auch als Top-Vorbilder im Unternehmen beachtet werden.[22]
Das Top Management muss sich aktiv in den Veränderungsprozess einbringen, die Bedeutung von Einzelmaßnahmen für die strategischen Ziele des Unternehmens hervorheben, Visionen kommunizieren und bei der Ausarbeitung von Teillösungen im Dialog mit den Mitarbeitern stehen. Die Mitarbeiter ziehen mit, wenn ihnen das Gefühl vermittelt wird, dass die strategischen Ziele des Managements mit den operativen Zielen zur Verwirklichung des Wandels deckungsgleich sind.
Soweit das Top Management nur aus einer Person besteht oder elementare Fähigkeiten durch einzelne Spitzenführungskräfte nicht abgedeckt sind, empfiehlt Krüger eine temporäre Erweiterung des Top Managements während des Veränderungsprozesses. So können einzelne Manager der zweiten und dritten Ebene für eine bestimmte Zeit in ein erweitertes Top Management Team aufgenommen werden[23]. Durch die Nutzung dieser spezifischen Fähigkeiten fühlen die Manager sich anerkannt, profitieren von der entgegengebrachten Wertschätzung und werden eine positive Multiplikatoren-wirkung bei ihren Mitarbeitern erreichen.
Das Mittlere Management befindet sich im Spannungsfeld der Erwartungshaltung des Top Managements, zeitlicher Rahmenbedingungen und den Erwartungen und Ängsten der Mitarbeiter. Es entsteht eine sogenannte „Sandwichposition“ zwischen Top Management und Mitarbeitern. Das Mittlere Management hat die Aufgabe, die unternehmerische Notwendigkeit für Veränderungen und die damit einhergehenden Risiken mit den persönlichen Bedürfnissen der Mitarbeiter nach Orientierung und Stabilität zu verknüpfen. Eine wichtige Voraussetzung, diese schwierige Rolle zu übernehmen und umzusetzen, sind klare strategische Vorgaben und die Information über Ziele und Auswirkungen der angestrebten Veränderung.
Die traditionelle Arbeitsteilung zwischen Top- und Mittelmanagement bestand bisher darin, dass Top Manager für das „Bewegen“ und Führungskräfte des Mittleren Managements für das „Umsetzen“ verantwortlich waren. Die Rolle des Mittelmanagements verändert sich, aus den umsetzungsorientierten Managern werden bewegende Veränderungsmanager.
Um Unternehmensveränderungen erfolgreich durchzuführen, ist das konstruktive Zusammenspiel aller Betroffenen und Beteiligten essentiell. Das Top Management als oberster Promotor ist dafür zuständig, Visionen glaubhaft zu vermitteln. Das Mittlere Management ist gefordert, Ziele in konkrete Aufgaben umzusetzen. Oft versuchen Führungskräfte des Mittleren Managements, aus Gründen der Überlastung, Veränderungen durch Anweisungen und mit Härte durchzuziehen. Damit wird allerdings oft das Commitment der Mitarbeiter aufs Spiel gesetzt. Den Mitarbeitern muss die Notwendigkeit des Veränderungsprozesses glaubhaft vermittelt werden, damit sie den Nutzen erkennen und ihre Bereitschaft einbringen, einen Beitrag zu leisten. Management und Mitarbeiter kommen nicht umhin, sich die Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen, die sie benötigen, um den Anforderungen im Veränderungsprozess gerecht zu werden.
4 Führungskräfte als Change-Manager
Reorganisationsprozesse als Change-Manager zu begleiten, stellt Führungskräfte vor neue Herausforderungen. Sie managen die aktuellen Prozesse und sind darüber hinaus für die Umstrukturierung ihrer Organisationseinheit verantwortlich. Dies erfordert hohes Engagement in der Planung, Steuerung, Kommunikation und Führung, sowie Sensibilität im Umgang mit Mitarbeitern.[24]
Führungskräfte in ihrer Rolle als Change-Manager, auch als Veränderungsmanager bezeichnet, haben die Aufgabe, menschliche Change-Ressourcen zu erkennen und zu nutzen. Sie müssen geeignete Rahmenbedingungen gestalten, damit Promotoren des Wandels zum richtigen Zeitpunkt Höchstleistungen erbringen können. Opponenten und Unentschlossene müssen in geeigneter Weise für die Änderung ihrer Denkrichtung sensibilisiert werden. Das Erkennen von Barrieren, die als Spiegelbild mangelnder Akzeptanz entstehen können, erfordert höchste Sensibilität. Die Akzeptanz-Hürde kann sich auf den Veränderungsprozess als solchen beziehen oder auf nicht geklärte Rahmenbedingungen.
Bezogen auf die Priorität und den Abstraktionsgrad bei der Klärung und Festlegung bestimmter Rahmenbedingungen, gibt es bisweilen unterschiedliche Sichtweisen von Mitarbeitern und Vorgesetzten. Hoher Krankenstand, hohe Fluktuation, Intrigen, herbeigeführte Pannen und Konflikte, sowie vorsätzlich zurückgehaltene wichtige Informationen, können Indikatoren für mangelnde Akzeptanz sein. Es ist eine originäre Führungsaufgabe, Widerstände zu erkennen und deren Ursachen zu beheben. Eine Führungskraft, die sich den Mitarbeitern gegenüber in ihren Aussagen verbindlich zeigt, Bedenken klärt, organisatorische Defizite ausräumt, Emotionen ernst nimmt und damit umzugehen vermag, wird nicht nur ihrer Rolle als Change-Manager gerecht, sondern schafft darüber hinaus auch die Voraussetzungen für einen positiven Verlauf des Veränderungsprozesses. Die rechtzeitige Einbindung der Mitarbeiter in den Prozess ist die Basis für Akzeptanz und bindet Ressourcen, die zu einem späteren Zeitpunkt durch geringere Qualifizierungskosten wieder eingespart werden können. Veränderungsmanager müssen die anstehenden Veränderungen transparent darstellen und auch begründen können, weshalb der Status Quo keine akzeptable Grundlage für die künftig anzustrebende Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens darstellt. Die Mitarbeiter müssen nachvollziehen können, dass die Vorteile des Neuen deren Nachteile überwiegen. Wenn Veränderungsprozesse in Gang gebracht werden, muss sich ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess anschließen, in den sich jeder mit seinen Möglichkeiten einbringen sollte.
In der Unternehmenspraxis zeigt sich oft, dass es für viele Führungskräfte schwierig ist, den Rollenwechsel vom Manager hergebrachter Prägung zum Change-Manager zu erkennen, nachzuvollziehen und in gelebtes Verhalten umzusetzen. Es werden häufig Machtverlust und Nichterfüllbarkeit der veränderten Anforderungen befürchtet. Daher ist es wichtig, Veränderungsprozesse zu verstehen und die Möglichkeiten, sowie die Grenzen eigener Einflussnahme und eigener Handlungsspielräume realistisch einzuschätzen.
Einige wichtige Erkenntnisse in Veränderungsprozessen haben Doppler und Lauterburg für Change-Manager zusammengefasst. Veränderung muss als Normalzustand verstanden werden, weil in der heutigen Zeit der Wandel das einzige ist, was tatsächlich Bestand haben wird. Jede Veränderung ist nach ihrem Verständnis die Auswirkung von Kraftfeldern. Wenn es zeitweise einen stabilen Zustand gibt, ist dies die Folge von sich gegenseitig aufhebenden Kräften. Kräfte der Beharrung und der Veränderung finden ihre Motivatoren in Geld, Macht, Anerkennung und Selbstverwirklichung. Wer als Change-Manager erkennt und versteht, welche Kräfte wirken, kann darauf steuernd Einfluss nehmen. Notwendige Entwicklungen müssen hierfür rechtzeitig erkannt, konsequent gefördert und sozial verträglich gestaltet werden. Die Schlüssel zur Einflussnahme heißen Glaubwürdigkeit und Vertrauen. In Zeiten der Technisierung, Informationsflut und einer anonymen Grossorganisation erhalten die Personifizierung und die Individualisierung der Führung, als wesentliche Voraussetzungen für die Identifikation des einzelnen mit den Zielen der Organisation, eine ganz neue Bedeutung.[25]
4.1 Unternehmenskultur als Plattform für Veränderungsprozesse
Unternehmenskultur ist die gelebte Unternehmensphilosophie in einem Unternehmen. Führungskräfte auf allen Ebenen sind entscheidende Multiplikatoren und personelle Repräsentanten für dieses gelebte Werteraster von formellen und informellen Regeln im Unternehmen. Die persönliche Philosophie und das Menschenbild der Führungskräfte als Change-Manager werden auf das Unternehmen übertragen und sind auch in deren Abwesenheit wirksam. Sie sorgen als Kultur-Multiplikatoren für die ständige Verbreitung und Festigung vorhandener Kulturelemente. Häufig wird gegenüber neuen Mitarbeitern und Führungskräften, die eine unterschiedliche Werthaltung und Kulturvorstellung vertreten, Ablehnung entstehen oder sogar ein „Feindbild“ aufgebaut.
Doppler und Lauterburg definieren Kultur „als die Summe der Überzeugungen, die eine Gruppe, ein Volk oder eine Gemeinschaft im Laufe ihrer Geschichte entwickelt hat, um mit den Problemen der internen Integration sowie der externen Anpassung fertig zu werden. Sie ist die Summe der Regeln, die so gut funktionieren, dass sie zu ungeschriebenen Gesetzen werden und jeder nachfolgenden Generation als die richtige Art des Denkens, Fühlens und des Handelns weitergegeben werden.“[26]
In der Praxis zeigen sich die Merkmale firmenspezifischer Unternehmenskultur an der Art, wie man miteinander kommuniziert und kooperiert, wie man Probleme löst oder gar Konflikte aufarbeitet, wie man den Menschen ganzheitlich in seiner individuellen Situation ernst nimmt, ihn beteiligt, und wie man im Unternehmen lernt oder zu lernen erlaubt.
Die sieben Unternehmenskulturbereiche Führungskultur, Mitarbeiterkultur, Partnerkultur, Produkt- und Dienstleistungskultur, Unternehmensprofilkultur, Visionskultur und die Lernkultur bilden nach Hülshoff in ihrer spezifischen Ausprägung die Unternehmenskultur[27]. Dabei handelt es sich nicht um einen unveränderlichen Zustand, sondern um Prozess und Ergebnis zugleich. Sie befindet sich in einem Regelkreis, in dem der aus sieben Kulturbereichen angestoßene Prozess das Ergebnis - und das Ergebnis wiederum den Prozess beeinflusst. Eine Unternehmenskultur zu verändern bedeutet nach Hülshoff Veränderungsprozesse in den sieben Kulturbereichen zu initiieren und zu begleiten[28]. Umgekehrt wirken sich Veränderungsprozesse in Unternehmen auch auf die Unternehmenskultur aus. Die Unternehmenskultur ist gleichzeitig ein Indikator für einen positiven oder negativen Verlauf des Veränderungsprozesses. Daher ist es zwingend notwendig, die bestehende Kultur bei der Planung des Veränderungsprozesses zu berücksichtigen. Es muss analysiert werden, wie die Unternehmenskultur in den Subkulturen ausgeprägt ist, um eine adäquate Strategie zur Umsetzung von Veränderungen zu entwickeln. Gerade in Zeiten der Ressourcenknappheit ist ein ganzheitlicher Blickwinkel wichtig, um in einzelnen Unternehmenskulturbereichen zielgerichtet zu handeln.
[...]
[1] Mohr, 1997, S. 3.
[2] Mohr, 1997, S. 32.
[3] Mohr, 1997, S. 31.
[4] Mohr, 1997, S. 29.
[5] Vgl. Doppler / Lauterburg, 2000, S. 21-29.
[6] Vgl. Doppler / Lauterburg, 2000, S. 47f.
[7] Vgl. Krüger, 2000, S. 39.
[8] Vgl. Staehle, 1999, S. 934.
[9] Vgl. Staehle, 1999, S. 592.
[10] Vgl. Staehle, 1999, S. 937-942.
[11] Vgl. Staehle, 1999, S. 935.
[12] Vgl. Krüger, 2000, S. 19 - 22.
[13] Mohr, 1997, S. 72.
[14] Vgl. Staehle, 1999, S. 591.
[15] Vgl. Staehle, 1999, S. 593.
[16] Vgl. Mohr, 1997, S. 74.
[17] Mohr, 1997, S. 75.
[18] Vgl. Krüger, 2000, S. 58 - 68.
[19] Vgl. Krüger, 2000, S. 203.
[20] Vgl. Krüger, 2000, S. 224.
[21] Vgl. Krüger, 2000, S. 225.
[22] Vgl. Krüger, 2000, S. 26.
[23] Vgl. Krüger, 2000, S. 173.
[24] Vgl. Doppler / Lauterburg, 2000, S. 30.
[25] Vgl. Doppler / Lauterburg, 2000, S. 62 - 64.
[26] Doppler / Lauterburg, 2000, S. 54.
[27] Hülshoff, WSB-Baustein-Vorlesung 22. – 24.03.2001
[28] Hülshoff, WSB-Baustein-Vorlesung 22. – 24.03.2001
- Citation du texte
- Diplom Pädagogin Heike Scheuven (Auteur), 2003, Anforderungen an die Kompetenzen von Führungskräften als Change-Manager im Reorganisationsprozess der Bayer AG, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37407
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