EINFÜHRUNG
Die Reform des Sicherheitsrats erweist sich als einer der schwierigsten Teile der gesamten VN-Reform. Nicht nur deshalb, weil diese Reform einen der wichtigsten Reformschritte darstellt – schließlich kann der Sicherheitsrat als einziges Organ der Vereinten Nationen für alle Mitglieder bindende Entscheidungen treffen1 und Mitgliedsstaaten unter Umständen auffordern Maßnahmen auch durchzuführen2 – sondern auch, weil die Reform in die Zuständigkeit der Mitgliederstaaten selbst fällt. Aufgrund der politischen Gewichtigkeit sind bestimmte Teile der Reform besonders strittig. Die Arbeit soll sich allerdings mit den Zielen der Reform beschäftigen und damit, ob und wie eine Umsetzung nach den rechtlichen Grundlagen in Kapitel V der UNCharta und nach allgemeinen rechtlichen Prinzipien möglich ist.
Seit 1994 beschäftigt sich die „Open-ended Working Group on the Question of Equitable Representation on and Increase in the Membership of the Security Council and Other Matters related to the Security Council“ mit dem Thema der Sicherheitsratsreform. Sie präsentiert seitdem jährlich ihre Ergebnisse auf den Sitzungen der Generalversammlung. Einer dieser vorgelegten Reformpläne, der RAZALI-Plan von 1997, soll in dieser Arbeit ebenfalls vorgestellt und daraufhin untersucht werden, inwieweit er den zuvor analysierten Maßstäben für eine Reform entspricht.
Das Thema dieser Arbeit ist insofern sehr aktuell, als dass sich zur Zeit ein High Level Panel mit der Ausarbeitung eines Planes beschäftigt, der noch im Dezember diesen Jahres vorgelegt werden soll; mit einer Entscheidung ist also zu rechnen. Wurde doch in der Millenniums-Erklärung noch einmal der Beschluss gefasst, sich „verstärkt darum zu bemühen, eine umfassende Reform des Sicherheitsrats in allen Aspekten herbeizuführen“3.
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1 Art. 25 der UN-Charta
2 Art. 40 und 41 der der UN-Charta
3 Millenniums -Erklärung. <http://www.uno.de/sg/millennium/millenniumerklaerung.pdf>, S. 18, Stand: 12. Juli 2004
Inhaltverzeichnis
I. Einführung
II. Die Ziele der Reform
III. Maßstäbe und rechtliche Grundlagen für die Reform des Sicherheitsrats
III.1 Verbesserung der Arbeitsmethoden und Transparenz
III.1.1 General Transparency
III.1.2 Individual Transparency
III.1.3 Collective Transparency
III.2 Zusammensetzung des Rats
III.3 Beschlussfassung und Veto-Recht
IV. Zwischenergebnis
V. Konkret: Der Razali-Plan
VI. Ergebnis und Ausblick
Literaturverzeichnis
I. Einführung
Die Reform des Sicherheitsrats erweist sich als einer der schwierigsten Teile der gesamten VN-Reform. Nicht nur deshalb, weil diese Reform einen der wichtigsten Reformschritte darstellt – schließlich kann der Sicherheitsrat als einziges Organ der Vereinten Nationen für alle Mitglieder bindende Entscheidungen treffen[1] und Mitgliedsstaaten unter Umständen auffordern Maßnahmen auch durchzuführen[2] – sondern auch, weil die Reform in die Zuständigkeit der Mitgliederstaaten selbst fällt. Aufgrund der politischen Gewichtigkeit sind bestimmte Teile der Reform besonders strittig. Die Arbeit soll sich allerdings mit den Zielen der Reform beschäftigen und damit, ob und wie eine Umsetzung nach den rechtlichen Grundlagen in Kapitel V der UN-Charta und nach allgemeinen rechtlichen Prinzipien möglich ist.
Seit 1994 beschäftigt sich die „Open-ended Working Group on the Question of Equitable Representation on and Increase in the Membership of the Security Council and Other Matters related to the Security Council“ mit dem Thema der Sicherheitsratsreform. Sie präsentiert seitdem jährlich ihre Ergebnisse auf den Sitzungen der Generalversammlung. Einer dieser vorgelegten Reformpläne, der Razali-Plan von 1997, soll in dieser Arbeit ebenfalls vorgestellt und daraufhin untersucht werden, inwieweit er den zuvor analysierten Maßstäben für eine Reform entspricht.
Das Thema dieser Arbeit ist insofern sehr aktuell, als dass sich zur Zeit ein High Level Panel mit der Ausarbeitung eines Planes beschäftigt, der noch im Dezember diesen Jahres vorgelegt werden soll; mit einer Entscheidung ist also zu rechnen. Wurde doch in der Millenniums-Erklärung noch einmal der Beschluss gefasst, sich „verstärkt darum zu bemühen, eine umfassende Reform des Sicherheitsrats in allen Aspekten herbeizuführen“[3].
II. Die Ziele der Reform
There is “an urgent need to regain the confidence of states and of world public opinion – both by demonstrating [the Security Council’s] ability to deal effectively with the most difficult issues, and by becoming more broadly representative of the international community as a whole, as well as geopolitical realities of today”[4]
Kofi Annan betont in diesem Zitat, dass es, um das Vertrauen der Staaten und der Weltöffentlichkeit in den Sicherheitsrat wieder zu erlangen, wichtig ist, auf der einen Seite den Sicherheitsrat zu befähigen, auch schwierigste Themen effektiv behandeln zu können, und auf der anderen Seite den Sicherheitsrat im Hinblick auf die gesamte internationale Gemeinschaft und die veränderte geopolitische Lage – nach dem Ende des kalten Krieges – repräsentativer zu machen. Effektivität der Arbeit des Rats resümiert Art. 24 I der UN-Charta, in dem es heißt, dass ein „schnelles und wirksames Handeln“ der Vereinten Nationen gewährleistet sein muss. Effektivität heißt auch, dass der Sicherheitsrat fähig sein muss, seine ihm ebenfalls in Art. 24 I der UN-Charta auferlegten Pflichten, d.h. die Pflichten, die sich aus der „Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ ergeben, erfüllen zu können. Der Rat hat seit Beginn der neunziger Jahre, nach Ende des kalten Krieges, einen riesigen Schub in seiner Handlungsfähigkeit erfahren[5]. Der Anstieg der Anzahl der beschlossenen Resolutionen zeigt das Ende einer durch den Ost-West-Konflikt bedingten Blockade.[6] Diese Handlungsfähigkeit gilt es natürlich beizubehalten bzw. noch zu verbessern. Zur Diskussion steht hier die Reform des Veto-Rechts der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats[7], welche in Kapitel II.3 dieser Arbeit analysiert werden soll.
Annan nennt als zweite Notwendigkeit einer Reform eine gleichberechtigte Vertretung im Rat. Dieses Ziel würde eine Erweiterung des Sicherheitsrats bedingen. Im Gespräch ist, sowohl die ständige als auch die nichtständige Mitgliedschaft zu erhöhen. Während Reformvorschläge, die eine Erweiterung der ständigen Sitze vorsehen, relativ neu sind, gab es schon Ende der siebziger Jahre Reformbemühungen für neue nichtständige Sitze.[8] Bereits einmal in der UN-Geschichte wurde die Anzahl der nichtständigen Sitze in einem Charta-Änderungsverfahren nach Art. 108 der UN-Charta von zuvor sechs auf zehn Sitze erhöht. Die Änderung des Art. 23 der UN-Charta erfolgte 1965 auf Empfehlung der 28. Generalversammlung. Eine Charta-Änderung nach Art. 108 der UN-Charta stellt hohe Anforderungen: Eine Änderungsresolution muss von mindestens zwei Dritteln der Mitglieder der Generalversammlung angenommen und von einer Zweidrittelmehrheit der Mitglieder der Vereinten Nationen einschließlich aller ständiger Mitglieder des Sicherheitsrats ratifiziert werden. Das Verfahren wird noch schwieriger, wenn sich die Staaten einigen, bei der Erhöhung der ständigen Mitgliedschaft in zwei Schritten zu entscheiden, d.h. in einer ersten Runde über die Anzahl der zu erweiternden Sitze und in einer zweiten Runde über die konkreten Staaten, die ständige Mitglieder werden sollen, abstimmen wollen.
Abgesehen von der großen Hürde einer Charta-Änderung stellt sich die Frage, ob eine gleichberechtigte Vertretung im Sicherheitsrat rechtlich überhaupt machbar ist. Kapitel II.2 soll sich mit dieser Problematik beschäftigen.
Als eines der Ziele der Reform lässt sich also die Glaubwürdigkeit und Legitimität der Arbeit des Rats festhalten. Dies könnte, wie beschrieben, durch eine effektivere Arbeit und eine gleichberechtigte Vertretung im Rat erreicht werden. Effektivität und Repräsentativität scheinen sich als Reformschritte jedoch schwer miteinander vereinbaren zu lassen, denn eine höhere Mitgliederzahl im Rat würde wahrscheinlich immer eine niedrigere Anzahl an Entscheidungen bedeuten. Demnach erscheint der zweite Teil der Reformpläne, nämlich die Verbesserung der Arbeitsmethoden und die Transparenz der Arbeit (Kapitel II.1 dieser Arbeit), umso wichtiger, besonders für Staaten, die nicht Mitglieder des Rats sind, denn je höher die Transparenz, desto größer die Möglichkeit für Nichtmitgliedsstaaten zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beizutragen. Ein weiteres Ziel in diesem Bereich ist, die Regeln der schon seit 1946 bestehenden und der gemäß Art. 30 der UN-Charta eingeführten vorläufigen Geschäftsordnung zu spezifizieren und eine endgültige Version zu entwerfen.[9]
III. Maßstäbe und rechtliche Grundlagen für die Reform des Sicherheitsrats
III.1 Verbesserung der Arbeitsmethoden und Transparenz
Die Verbesserung der Arbeitsmethoden und Transparenz ist der Teil der Reform, der im Namen der working group mit Other Matters betitelt und unter dem so genannten Cluster II behandelt wird. Es werden neue, bessere Verfahren aufgrund schon bestehender Normen vorgeschlagen, aber auch auf bessere Implementierung bestimmter Verfahren und Vorschriften verwiesen.
Wie bereits angedeutet stellt dieser Teil ein wichtiges Reformelement für viele Mitgliedsstaaten dar, da er Wege zur Mitgestaltung in der Arbeit des Rats auch für Nichtmitglieder eröffnet.[10] Außerdem soll mit den vorgeschlagenen Maßnahmen die Unterstützung und das Verständnis für Ratsentscheidungen bei der gesamten Mitgliedschaft gestärkt werden.[11] Die Reformvorschläge beziehen sich hier im Wesentlichen auf die Bereiche: general transparency, individual transparency und collective transparency.[12]
III.1.1 General Transparency
Die general transparency beschäftigt sich mit der verbesserten Verbreitung von Informationen über die Arbeit des Sicherheitsrats an alle Mitgliedsstaaten. Vollständige Information ist ein grundlegendes Element der Reformvorschläge, von denen bereits eine ganze Reihe umgesetzt werden konnten. So zum Beispiel die häufigere Abhaltung von offenen Sicherheitsrats-Meetings und briefings (des Präsidenten des Sicherheitsrats über informelle Konsultationen für alle Mitgliedsstaaten), die Veröffentlichung der Vorschau über das Arbeitsprogramm des Rats sowie ein neues System für die Berichterstattung des Sicherheitsrats an die Generalversammlung (gemäß Art. 24 III der UN-Charta).
Nach Regel 48 der vorläufigen Geschäftsordnung (GeschO) soll der Rat für gewöhnlich[13] öffentlich zusammentreffen. Da er sich seit Mitte der sechziger Jahre immer öfter in informellen Konsultationen traf, wuchs das allgemeine Anliegen nach (Wieder)Öffnung der Sitzungen.
III.1.2 Individual Transparency
Die individual transparency soll besonders betroffenen Mitgliedsstaaten einen höheren Status einräumen. Diese Forderung bezieht sich auf die Vorgaben in Art. 31 der UN-Charta und der Regel 37 der GeschO. Nichtmitglieder des Sicherheitsrats sollen gemäß dieser Normen eingeladen werden, auch an informellen Konsultationen des Rats teilzunehmen, wenn der Sicherheitsrat befindet, dass die jeweiligen Staaten besonders betroffen sind. Diese Forderung ist ein Beispiel für die Aufforderung zur besseren Implementierung schon vorhandener Normen (Art. 31 wie auch Art. 32 der UN-Charta, der sich auf die Teilnahme von Streitparteien an Erörterungen des Sicherheitsrats bezieht). Der Wortlaut des Art. 31 der UN-Charta, „kann“ teilnehmen, zeigt aber auch, dass Mitglieder kein uneingeschränktes Recht zur Teilnahme haben.[14]
III.1.3 Collective Transparency
Die collective transparency hat das Ziel, bessere Zusammenarbeit mit Gruppen von interessierten Mitgliedsstaaten zu ermöglichen. Art. 44 der UN-Charta stellt fest, der Rat solle „ein Mitglied auf dessen Wunsch einladen, an seinen Beschlüssen über den Einsatz von Kontingenten der Streitkräfte dieses Mitglieds teilzunehmen“. Da Art. 44 auf peace enforcement operations unter Kap. VII und auf Entscheidungen, die sich auf den ersten Einsatz von Truppen beziehen, eingegrenzt ist und außerdem nur zutrifft, wenn Gruppen dem Sicherheitsrat unter Art. 43 I der UN-Charta zur Verfügung gestellt wurden, äußerten einige betroffene Staaten den Wunsch nach „meaningful participation in decision-making by those members whose nationals are in the crossfire of the conflicts over which the Council is deliberating“[15] Nach den Ausführungen Stodieks kommt auch der Brahimi-Bericht zu dem Schluss, dass Mandate unklar formuliert sind, d.h. dass
[...]
[1] Art. 25 der UN-Charta
[2] Art. 40 und 41 der der UN-Charta
[3] Millenniums-Erklärung. <http://www.uno.de/sg/millennium/millenniumerklaerung.pdf>,
S. 18, Stand: 12. Juli 2004
[4] Eröffnungsrede Kofi Annans zum 7th Plenary Meeting der Generalversammlung (23 September 2003, 58th Session) A/58/PV.7 S. 3
[5] Müller Joachim (Hrsg.) Reforming the United Nations. New Initiatives and Past Effort. The Hague, 1997, S. I/187.
[6] Mit insgesamt 646 Resolutionen zwischen 1946 und 1989 lag der Jahresdurchschnitt in dieser Zeit bei knapp fünfzehn Resolutionen. Schon 1990 stieg die Zahl der verabschiedenen Resolutionen im Sicherheitsrat auf 37 und 1993 lag sie sogar bei 93. Quelle: Bruha, Thomas und Markus Krajewski. Funktionswandel des Sicherheitsrats als Verfassungsproblem. In: Vereinte Nationen 1/1998. Zum Vergleich: 2003 verabschiedete der Sicherheitsrat 66 Resolutionen, <http://www.un.org/Docs/sc/unsc_resolutions03.html> Stand: 12. Juli. 2004.
[7] Das Veto-Recht ergibt sich aus Art. 27 III der UN-Charta
[8] Winkelmann, Ingo. Bringing the Security Council into a New Era, in: Yearbook of United Nations Law, Vol. 1, 1997, S. 40f.
[9] Punkt VI des Annex VII des Berichtes der Working Group 2003, Suppl. No. 47 (A/57/47)
[10] Winkelmann, S. 51
[11] Razali-Plan. Press Release GA/9228, Punkt 9.
[12] Einteilung nach Winkelmann
[13] „unless it decides otherwise …“ R. 48 GeschO
[14] Winkelmann, S. 54
[15] zitiert nach Winkelmann, S. 55
- Citar trabajo
- Susanne Busch (Autor), 2004, Die Reform des UN Sicherheitrat, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37400
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