Die EU hat die Richtung für die Implementierung und Verwendung der e-Vergabe vorgegeben: Bis zum 01.07.2016 müssen alle „Mitgliedsstaaten [dafür] sorgen, dass (…) sämtliche (…) durchgeführten Auftragsvergaben unter Anwendung elektronischer Kommunikationsmittel (…) durchgeführt werden“ (Art. 19 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. Art. 92 Abs. 1 Vorschlag zur Richtlinie des Europäischen Parlament und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe aus dem Jahr 2011). Zwar sind bereits innerhalb dieses Artikels Ausnahmen dieses Grundsatzes beschrieben – z.B. Art. 19 Abs. 7 Satz 2, bei der die Verpflichtung aus Satz 1 nicht gilt, wenn Dateiformate zur Anwendung kommen müssten, die nicht in allen Mitgliedsstaaten verfügbar sind –; diese Ausnahmen werden jedoch die Notwendigkeit der flächendeckende Einführung der e-Vergabe – auch in Deutschland – bei öffentlichen Aufträgen nicht mindern. Schließlich wird der Bereich der e-Vergabe im Rahmen von e-Government regelmäßig als Schlüsselanwendung gesehen, gerade aufgrund der Vorteile der e-Vergabe, z.B. in Bezug auf Kostenreduzierung, Chancengleichheit, Verfahrensbeschleunigung, etc.
Aufgrund dieser Notwendigkeit soll in der vorliegenden Arbeit skizziert werden, welche rechtlichen Rahmenbedingungen derzeit in der Bundesrepublik bei der e-Vergabe vorliegen und die Frage geklärt werden, ob bereits heute ein vollständiger e-Vergabe Prozess in Deutschland rechtlich möglich ist. Weiterhin soll kurz erläutert werden, inwieweit die e-Vergabe bereits in der Praxis durchgeführt wird, anhand des Beispiels der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Rechtliche Rahmenbedingungen der e-Vergabe und der Stand der Umsetzung in der BaFin
3 Fazit
Quellenverzeichnis
1 Einleitung
Die EU hat die Richtung für die Implementierung und Verwendung der e-Vergabe vorgegeben: Bis zum 01.07.2016 müssen alle „Mitgliedsstaaten [dafür] sorgen, dass (…) sämtliche (…) durchgeführten Auftragsvergaben unter Anwendung elektronischer Kommunikationsmittel (…) durchgeführt werden“ (Art. 19 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. Art. 92 Abs. 1 Vorschlag zur Richtlinie des Europäischen Parlament und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe aus dem Jahr 2011).[1] Zwar sind bereits innerhalb dieses Artikels Ausnahmen dieses Grundsatzes beschrieben – z.B. Art. 19 Abs. 7 Satz 2, bei der die Verpflichtung aus Satz 1 nicht gilt, wenn Dateiformate zur Anwendung kommen müssten, die nicht in allen Mitgliedsstaaten verfügbar sind –; diese Ausnahmen werden jedoch die Notwendigkeit der flächendeckende Einführung der e-Vergabe – auch in Deutschland – bei öffentlichen Aufträgen nicht mindern.[2] Schließlich wird der Bereich der e-Vergabe im Rahmen von e-Government regelmäßig als Schlüsselanwendung gesehen, gerade aufgrund der Vorteile der e-Vergabe, z.B. in Bezug auf Kostenreduzierung, Chancengleichheit, Verfahrensbeschleunigung, etc.[3] [4]
Aufgrund dieser Notwendigkeit soll in der vorliegenden Arbeit skizziert werden, welche rechtlichen Rahmenbedingungen derzeit in der Bundesrepublik bei der e-Vergabe vorliegen und die Frage geklärt werden, ob bereits heute ein vollständiger e-Vergabe Prozess in Deutschland rechtlich möglich ist. Weiterhin soll kurz erläutert werden, inwieweit die e-Vergabe bereits in der Praxis durchgeführt wird, anhand des Beispiels der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
2 Rechtliche Rahmenbedingungen der e-Vergabe und der Stand der Umsetzung in der BaFin
Bevor jedoch auf die rechtlichen Rahmenbedingungen der e-Vergabe in Deutschland eingegangen werden soll, stellt sich zunächst die Frage, was genau unter der e-Vergabe zu verstehen ist. Die e-Vergabe ist dabei die vollumfängliche Unterstützung und Erleichterung des Vergabeverfahrens durch die moderne Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) und gliedert sich in die Phasen:
- Konzeption der e-Leistungsbeschreibung und der Verdingungsunterlagen
- Wahl des Vergabeverfahrens
- e-Bekanntmachung
- Online-Zurverfügungstellung der e-Leistungsbeschreibung und Verdingungsunterlagen
- Einreichung elektronsicher Angebote
- e-Angebotsprüfung sowie –wertung und
- e-Information über die Vergabe sowie den Umgang mit Rügen auf elektronischem Wege.[5]
Während sich vor 2009 die Möglichkeit der e-Vergabe in Deutschland einzig auf die Formfreiheit der Angebote beschränkte – siehe z.B. § 21 Abs. 1 Satz 1 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A) a.F.: „Der Auftraggeber legt fest, in welcher Form die Angebote einzureichen sind“ – ist seit 2009 zumindest für die Vergabe von (Dienst-)Leistungen nach der VOL/A sowie der VOL/A-EG und von Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung nach der Sektorenverordnung (SektVO) ein ausschließlich elektronisch abzuwickelndes Vergabeverfahren möglich.[6]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Rechtspyramide des Vergaberechts[7]
Die Bestimmungen des § 5 VOL/A sowie des § 5 VOL/A-EG, die beide das Verfahren für eine dynamische e-Vergabe rechtlich regeln, müssen jedoch im Zusammenhang mit den §§ 11-13 VOL/A sowie den §§ 13-16 VOL/A-EG gesehen werden, die weitere rechtliche Anforderung an die e-Vergabe vorschreiben.[8]
So sind nach § 13 Abs. 1 VOL/A-EG (§ 11 Abs. 1 VOL/A) die Auftraggeber verpflichtet, in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen anzugeben, über welche Kommunikationswege die Informationen übermittelt werden können. Hierbei sind jedoch alle Kommunikationswege, also Post, Telekopie, direkt, elektronisch oder durch eine Kombination dieser Mittel, grundsätzlich gleichwertig zu betrachten, so dass gesetzlich keinem Kommunikationswege ein Vorgang eingeräumt wird, auch nicht der e-Vergabe.[9] Gleichwohl müssen nach § 13 Abs. 2 Satz 2 VOL/A-EG (§ 11 Abs. 2 Satz 2 VOL/A) die für die e-Vergabe zu verwendenden Programme und ihre technischen Merkmale
- allgemein zugänglich,
- kompatibel mit allgemein verbreiteten Erzeugnissen der IKT und
- nichtdiskriminierend sein.
Weiterhin müssen Aufträge im Rahmen der e-Vergabe, die ohne Medienbruch alleinig in Internetportalen bekannt gemacht werden können, zentral über die Suchfunktion von www.bund.de ermittelt werden – nach § 12 Abs. 1 Satz 2 VOL/A –, wenn für die Aufträge die VOL/A Anwendung findet. Bei Aufträgen der VOL/A-EG bietet sich die Online-Version des Amtes für Veröffentlichungen der EU an, die „Tenders Electronic Daily“ (TED).[10]
Zuletzt müssen die Regelung des § 16 Abs. 1 und 2 VOL/A-EG (§ 13 Abs. 1 VOL-EG) bzgl. der Unterzeichnung der Angebote sowie der Unversehrtheit/Vertraulichkeit der Angebote beachtet werden. Elektronisch übermittelte Angebote müssen mit einer „fortgeschrittenen elektronischen Signatur“ und den Anforderungen der Auftraggeber oder einer „qualifizierten elektronischen Signatur“ versehen sein; nur in solchen Fällen ist rechtlich die Authentifizierung und die Integrität des e-Angebot gewährleistet. Für die Definition der beiden Signaturbegriffe ist § 2 Nr. 2 und Nr. 3 Signaturgesetz (SigG) einschlägig. Bei einer „fortgeschrittenen elektronischen Signatur“ kann der Auftraggeber weitere technische Anforderungen an die Signatur stellen, da nur eine qualifizierte elektronische Signatur im Rechtsverkehr die gleiche Wirkung hat wie eine handschriftliche Unterschrift (vgl. § 6 Abs. 2 SigG, § 126 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch).[11]
Weiterhin haben die Auftraggeber die Unversehrtheit und Vertraulichkeit der Angebote – also auch der elektronisch übermittelten Angebote – zu gewährleisten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Verfahrensschritte bei der e-Vergabe nach § 5 VOL/A[12]
Zu beachten ist, dass es für Vergabeverfahren der VOB/A sowie der VOF (Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen) keine vergleichbare Regelung für eine
e-Vergabe gibt. Begründet wird dies mit dem Umstand, dass ein solches e-Vergabe Verfahren sich nicht für Aufträge eignet, bei denen keine Standardisierung der zu beschaffenden Leistung möglich ist.[13]
[...]
[1] Siehe: URL: http://ec.europa.eu/internal_market/publicprocurement/docs/modernising_rules/COM2011_896_de.pdf, abgerufen am 01.05.2014 um 11:15 Uhr
[2] Siehe: URL: http://ec.europa.eu/internal_market/publicprocurement/docs/modernising_rules/COM2011_896_de.pdf, abgerufen am 01.05.2014 um 11:15 Uhr
[3] Siehe: URL: http://www.bundesanzeiger-verlag.de/vergabe/e-vergabe.html, abgerufen am 01.05.2014 um 12:00 Uhr
[4] Siehe: Noch, Rainer: Vergaberecht kompakt, Handbuch für die Praxis, 4.Auflage 2008, S. 153-154
[5] Siehe: Noch, Rainer: Vergaberecht kompakt, Handbuch für die Praxis, 4.Auflage 2008, S. 152, 156-157
[6] Die Unterscheidung der Vergabe von (Dienst-)Leistungen nach VOL/A oder VOL/A-EG richtet sich nach Schwellenwerten, die durch die EU festgelegt werden. Aufträge oberhalb eines bestimmten Schwellenwertes fallen in den Anwendungsbereich der EU-Richtlinie 2014/24/EU, so dass in diesen Fällen die VOL/A-EG die rechtliche Grundlage für die Vergabe darstellt. Die derzeit aktuellen Schwellenwerte hat die EU in ihrer Richtlinie vom 26.02.2014 festgelegt, siehe: URL: http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/P-R/richtlinie-vergabe-oeffentlicher-auftraege,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf, abgerufen am 01.05.2014 um 12:25 Uhr
[7] Siehe: URL: http://cms.ihksaarland.de/ihk-saarland/Integrale?MODULE=Frontend.Media&ACTION=ViewMediaObject&Media.PK=1431&Media.Object.ObjectType=full, abgerufen am 01.05.2014 um 13:20 Uhr
[8] Vgl.: Hölzl, Franz Josef, in: Kommentar zur VOL/A, Hrsg.: Kulartz, Hans-Peter/Marx, Fridhelm/Portz, Norbert/Prieß, Hans-Jochaim, 3.Auflage, § 5, Rn. 1 sowie § 5 EG, Rn. 2
[9] Vgl.: Verfürth, Frank, in: Kommentar zur VOL/A, Hrsg.: Kulartz, Hans-Peter/Marx, Fridhelm/Portz, Norbert/Prieß, Hans-Jochaim, 3.Auflage, § 13 EG, Rn. 4
[10] Vgl.: Rechten, Stephan, in: Kommentar zur VOL/A, Hrsg.: Kulartz, Hans-Peter/Marx, Fridhelm/Portz, Norbert/Prieß, Hans-Jochaim, 3.Auflage, § 15 EG, Rn. 75
[11] Vgl.: Rechten, Stephan/ Verfürth, Frank, in: Kommentar zur VOL/A, Hrsg.: Kulartz, Hans-Peter/Marx, Fridhelm/Portz, Norbert/Prieß, Hans-Jochaim, 3.Auflage, § 13, Rn. 26
[12] Vgl.: Amelung, Steffen, in: Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen VOL/A, Kommentar, Hrsg.: Müller-Wrede Malte, 3.Auflage, § 5, Rn. 11, 26
[13] Vgl.: Amelung, Steffen, in: Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen VOL/A, Kommentar, Hrsg.: Müller-Wrede Malte, 3.Auflage, § 5 EG, Rn. 4
- Quote paper
- Brank Anders Wernersson (Author), 2014, Rechtliche Rahmenbedingungen der e-Vergabe, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/373748
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