Zwischen 1945 und 1990 wetteiferten zwei gesellschaftspolitische Systeme – Kommunismus und Kapitalismus – um die Vormachtstellung in der Welt. Noch heute sind beide Systeme existent, auch wenn der Kommunismus, dessen Anspruch es ist, das Kollektiv über den Einzelnen zu stellen und für einen helfenden Staat zu sorgen, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nur noch in vereinzelten Staaten zu finden ist.
Der Kapitalismus, der die persönliche Freiheit des Einzelnen als solch hohes Gut sieht, dass aus dessen Sicht „an alle gedacht ist, wenn [nur] jeder an sich denkt“, hat sich als gesellschaftspolitisches System bei dem Großteil der Staaten durchgesetzt.
Ein weiteres gesellschaftspolitisches System, welches weder dem Kapitalismus noch dem Kommunismus zugehörig ist, stellt der Kommunitarismus dar. In der vorliegenden Arbeit soll das System des Kommunitarismus durch Definition und Erarbeitung der Grundprinzipien vorgestellt sowie anhand von Beispielen aufgezeigt werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definition und Grundprinzipien des Kommunitarismus
3 Konkrete Beispiele des Kommunitarismus
4 Fazit
Quellenverzeichnis
1 Einleitung
Zwischen 1945 und 1990 wetteiferten zwei gesellschaftspolitische Systeme – Kommunismus und Kapitalismus – um die Vormachtstellung in der Welt. Noch heute sind beide Systeme existent, auch wenn der Kommunismus, dessen Anspruch es ist, das Kollektiv über den Einzelnen zu stellen und für einen helfenden Staat zu sorgen, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nur noch in vereinzelten Staaten zu finden ist.
Der Kapitalismus, der die persönliche Freiheit des Einzelnen als solch hohes Gut sieht, dass aus dessen Sicht „an alle gedacht ist, wenn [nur] jeder an sich denkt“, hat sich als gesellschaftspolitisches System bei dem Großteil der Staaten durchgesetzt.
Ein weiteres gesellschaftspolitisches System, welches weder dem Kapitalismus noch dem Kommunismus zugehörig ist, stellt der Kommunitarismus dar. In der vorliegenden Arbeit soll das System des Kommunitarismus durch Definition und Erarbeitung der Grundprinzipien vorgestellt sowie anhand von Beispielen aufgezeigt werden.
2 Definition und Grundprinzipien des Kommunitarismus
Bevor die Grundprinzipien des Kommunitarismus erläutert werden, soll zunächst anhand einer Definition geklärt werden, was der Kommunitarismus genau ist. Laut Duden ist der Kommunitarismus eine „gesellschaftspolitische Strömung, die besonders Gemeinsinn und soziale Tugenden in den Vordergrund stellt und eine am Gemeinwohl orientierte Erneuerung gesellschaftlicher Institutionen jenseits liberaler und staatlicher Programme anstrebt.“[1]
Durch diese Definition ist die Grundtendenz des Kommunitarismus treffend erklärt, auch wenn Definitionen durch die wichtigsten Vertreter des Kommunitarismus dieser Zeitepoche – z.B. M. WALZER oder A. ETZIONI – einen weitergefassten Rahmen haben.
Vordergründig richtet sich der Kommunitarismus ausschließlich gegen die Theorie des Liberalismus und der daraus resultierenden „Gerechtigkeitstheorie“ von J. RAWLS aus dem Jahre 1971.[2] Aufgrund der Befürchtung, der Liberalismus führe den Menschen zu einem Erfolgs- und Bereicherungsdenken, wodurch das ausschließliche Betonen das Privatinteresses, des Egoismus‘ und der individuellen Rechtsansprüche eine Zerstörung der menschlichen Gesellschaft zur Folge hat, sieht der Kommunitarismus die Lösung eines solchen Problems in der Rückbesinnung der Bürger auf die Verpflichtung und Solidarität in seiner Gemeinschaft.[3] Das Gute soll – anders als im Liberalismus – vor dem Richtigen stehen, was ein Leitgedenke des Kommunitarismus ist.
Gleichzeitig soll der Mensch bei Notlangen aber nicht nach dem Staat und seinen Sozialprogrammen rufen. Ihm soll aufgrund einer ausgeprägten Selbstorganisation der Gemeinschaft durch die zu Verfügung stehenden Personen und Mitteln geholfen werden. Ein positiver Effekt dieser Form der Hilfe soll auch sein, dass die betroffene Person nach der Erlangung der Hilfe eine höhere Motivation verspürt, selbst anderen zu helfen. Anstatt des Staates wird die Hilfe durch (ehrenamtlich) engagierte Menschen aus der Familie oder Nachbarschaft geleistet, die selbst einen Platz in der Gesellschaft haben. Daher ist ein weiteres Grundprinzip des Kommunitarismus, dass „jedes Mitglied der Gemeinschaft (...) allen gegenüber etwas [schuldet], und die Gemeinschaft schuldet jedem ihrer Mitglieder etwas“, sodass der Kommunitarismus für eine Balance von individuellen Rechten und sozialen Pflichten eintritt.[4]
Der Kommunitarismus kritisiert sowohl liberale wie auch staatliche Programme – wie z.B. einen aufgeblähten Wohlfahrtsstaat – und lehnt daher sowohl den Weg des Kapitalismus wie auch den des Kommunismus ab. Aus diesem Grund wird der Kommunitarismus oftmals als der „Dritte Weg“ bezeichnet.[5] In diesem Weg sollen zivilgesellschaftlicher Elemente, wie z.B. auch Nicht-Regierungsorganisationen, Verbände, Gewerkschaften, Religionsgemeinschaften, Vereine und Nachbarschaften gestärkt werden.[6] Schlagworte sind hierbei Begriffe wie Gemeinschaft, Bürgerbeteiligung, Bürgerstaat, aktive Partizipation und Ehrenamt.
Vertreter des Kommunitarismus verschweigen jedoch nicht, dass für das Gelingen der kommunitaristischen Idee auch Grundvoraussetzungen innerhalb der Gesellschaft gegeben sein müssen. So sind nach A. ETZIONI fünf Punkte für eine funktionierende Gesellschaft notwendig:
- ein Netz herzlicher Beziehungen
- ein einfacher und offener Zugang
- gegenseitiges Kommunizieren und Verstehen
- Dialog und Feedback sowie
- die gemeinsame Erinnerung / eine geteilte Geschichte.[7]
Ohne diese Charakterzüge – die durch die Erziehung in Kindergärten, Schulen und Universitäten erlernt werden können – und diesem gesellschaftlichen Hintergrund ist ein funktionierendes kommunitaristisches System nicht einführbar.
3 Konkrete Beispiele des Kommunitarismus
Da der Kommunitarismus in seiner heutigen Form seinen Ausgangspunkt in den USA hatte, erscheint es nicht ungewöhnlich, dass eine Vielzahl von Beispielen des Kommunitarismus dort zu finden sind.[8]
Ein konkretes Beispiel kommunitaristischer Hilfsform erläuterte A. ETZIONI an der Organisation der Notfallambulanzen in der Stadt Seattle. Dort trainierte das Rote Kreuz 400.000 Bürger, damit diese bei einer Herzattacke eines Arbeitskollegen oder Nachbarn helfen können, bis die normale Ambulanz eintrifft. Aufgrund dieser ehrenamtlichen Tätigkeit spart der Staat 18 Millionen Dollar im Jahr ein.[9] Hieraus wird ein Grundziel des Kommunitarismus erkennbar: Staatliche Tätigkeiten und Ausgaben sollen dort wegfallen, wo die Gemeinschaft der Bürger diese Leistungen gleichwertig erfüllen können. Gleichzeitig wird eine weitere Grundvoraussetzung bzw. eine Grenze des Kommunitarismus deutlich: In einem kommunitaristischen System braucht es eine gewisse Mindestanzahl an Bürgern in der Gemeinschaft. Denn würden sich in Seattle z.B. nur 100 Bürger als Notfallhelfer ausbilden lassen, wäre eine flächendeckende Ausgabenerfüllung durch die Gemeinschaft nicht möglich.
Aber auch in Europa sind kommunitaristische Ansätze zu erkennen. In der dänischen Hauptstadt Kopenhagen hat sich 1971 eine autonome Kommune namens "Christiania" gegründet.[10] In der ca. 1.000 Einwohner starken Kommune werden Entscheidungen durch alle Bürger in Versammlungen und dem Plenum (Fællesmøde) getroffen. Ziel ist der Aufbau einer sich selbst verwaltenden Gesellschaft, in der sich jeder frei in Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft entfalten kann. Aus diesem Grund wird auch die Kindererziehung einschließlich der Kindergärten – ganz nach der Theorie des Kommunitarismus – durch die Gemeinschaft dieser Kommune vollzogen.
Auch in Deutschland wurde versucht, das bürgerliche Engagement zu stärken, also ein Grundprinzip des Kommunitarismus einzuführen. So wurden in 32 verschiedenen Standorten „Seniorenbüros“ eingerichtet. Tätig werden sollten die Seniorenbüros in den drei Aufgabenbereichen
- nachberufliche Tätigkeitsfelder und ehrenamtliches Engagement,
- Selbsthilfeaktivitäten und –gruppen sowie
- Einbindung älterer Menschen in Nachbarschaft und Beziehungsnetze.[11]
Ziel der Büros war es, durch aktive, engagierte Senioren Hilfsangebote an hilfsbedürftige Senioren in Form von z.B. Besuchsdiente für vereinsamte und pflegebedürftige Ältere, selbstorganisierte Altenclubs und Beratungsangebote für Senioren zu erzeugen. Auch in diesem Beispiel wurden ehrenamtliche Strukturen eingerichtet, die bei konsequenter Ausrichtung dieser Idee die Notwendigkeit staatlicher Leistungen im Bereich der Seniorenförderung reduzieren würde.
4 Fazit
Nachdem die Grundprinzipien der gesellschaftspolitischen Strömung des Kommunitarismus erläutert wurde und Beispiele für kommunitaristische Maßnahmen aufgezeigt wurden, soll als Fazit und Schlusswort der wichtigste Punkt nochmals hervorgehoben werden, damit eine (kommunitaristische) Gesellschaft funktionieren kann. Der Kommunitarismus kann in der Theorie – wie auch bei allen anderen gesellschaftspolitischen Systemen – zu einer besseren Gesellschaft führen. Entscheidend dafür, dass der Kommunitarismus dieses Ziel auch erreichen kann, bleibt aber immer eins: der Mensch.
[...]
[1] Siehe: URL: http://www.duden.de/rechtschreibung/Kommunitarismus, abgerufen am 01.02.2014 um 14:00 Uhr
[2] Vgl. Teepe, Ralf: Kommunitarismus und Ökonomische Theorie der Politik, 1998, S. 1
[3] Vgl. URL: http://www.soziologie.phil.uni-erlangen.de/archiv/files/lehre/Eingrenzun%20der%20Individualisierung%20-%20Kommunitarismus.pdf, abgerufen am 01.02.2014 um 14:35 Uhr
[4] Siehe Vorländer, Hans: Dritter Weg und Kommunitarismus, In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 16-17/2001), URL: http://www.bpb.de/apuz/26319/dritter-weg-und-kommunitarismus?p=all, abgerufen am 01.02.2014 um 14:45 Uhr
[5] Siehe Vorländer, Hans: Dritter Weg und Kommunitarismus, In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 16-17/2001), URL: http://www.bpb.de/apuz/26319/dritter-weg-und-kommunitarismus?p=all, abgerufen am 01.02.2014 um 14:45 Uhr
[6] Vgl. URL: http://www.soziologie.phil.uni-erlangen.de/archiv/files/lehre/Eingrenzun%20der%20Individualisierung%20-%20Kommunitarismus.pdf, abgerufen am 01.02.2014 um 14:35 Uhr
[7] Siehe: URL: http://www.quartiersforschung.de/index.php/seite/seminarblog/teil_7_quartier_und_grassroots_von_kommunitarismus_new_urbanism_und_christi/, abgerufen am 01.02.2014 um 15:00 Uhr
[8] Vgl. Brugger, Winfried: Liberalismus, Pluralismus, Kommunitarismus, 1.Auflage 1999, S. 253
[9] Siehe: URL: http://www.humanistische-aktion.de/komtaris.htm, In: Der Spiegel (10/1996), abgerufen am 02.02.2014 um 13:30 Uhr
[10] Siehe: URL: http://www.quartiersforschung.de/index.php/seite/seminarblog/teil_7_quartier_und_grassroots_von_kommunitarismus_new_urbanism_und_christi/, abgerufen am 01.02.2014 um 15:00 Uhr
[11] Siehe: Barth, Stephan: Das Konzept der Bürgergesellschaft – Eine Herausforderung für die Sozialarbeit?, 1998, S. 11, URL: http://www.stephan-barth.de/Homepage-Aufsaetze/Kommunitarismus.pdf, abgerufen am 02.02.2014 um 14:05 Uhr
- Quote paper
- Brank Anders Wernersson (Author), 2014, Die Grundprinzipien des Kommunitarismus an konkreten Beispielen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/373746
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