Ist die Tatsache, dass homosexuelle Paare nur über Umwege ein Kind in Deutschland adoptieren können, eine durchdachte Regel oder Willkür? In diesem Essay werden Argumente dargelegt, die gegen das beschränkte Adoptionsrecht homosexueller Paare sprechen.
Ein Ehepaar kann ein Kind adoptieren. Eine Einzelperson kann ein Kind adoptieren. Ein neuer Partner kann bei Einverständnis beider leiblicher Elternteils das Stiefkind adoptieren. Voraussetzungen sind neben Geschäftsfähigkeit und einem Mindestalter von 25 Jahren eine persönliche Eignung. Auch wenn diese erfüllt sind, bleibt das Recht auf Adoption homosexuellen Paaren – zumindest in Deutschland – verwehrt (vgl. Bundesamt für Justiz).
Für eingeschränkte Toleranz gegenüber Homosexualität im Allgemeinen, aber auch konkret in Bezug auf das Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare sind neben religiösen Institutionen wie der römisch-katholischen Kirche auch führende Parteien, insbesondere die Christlich Demokratische Union, deutschlandweit bekannt. Weit verbreitete Ängste sind neben Auswirkungen auf die Entwicklung der eigenen Sexualität als auch der Geschlechteridentität auch Diskriminierung und die fehlende, aber dringend notwendige Unterstützung durch sowohl Mutter als auch Vater (vgl. Sielert in Haspel, 2000, S.50).
Es kann nicht bestritten werden, dass nicht nur Homosexuelle, sondern auch ihre Kinder im Alltag mit Benachteiligungen, aber auch verbalen und teilweise tätlichen Angriffen konfrontiert werden. Grund hierfür sind Vorurteile gegenüber den homosexuellen Eltern, wie der angebliche Männerhass lesbischer Frauen oder die Promiskuität schwuler Männer (vgl. ebd., S.45). Außerdem wird oft vermutet, dass Kinder dieselbe sexuelle Orientierung entwickeln wie ihre Eltern. “In der Studie von Rupp (2009) berichten die befragten Kinder zu 46% von erfahrenen diskriminierenden Erlebnissen“ (Nave-Herz, 2012, S.116). Da die meisten Homosexuellen in ihrem Leben Erfahrungen mit Intoleranz machen, ist diese Thematik nichts Neues. Allerdings muss an dieser Stelle berücksichtigt werden, dass das Augenmerk auf die Kinder gerichtet ist, die mit Zurückweisung und Benachteiligung anders umgehen als Erwachsene und möglicherweise in ihrer Selbstentfaltung gestört werden.
Ein weiterer Grund, der gegen ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare aufgeführt wird, ist, dass hinterfragt werden muss, ob Mutter und Mutter beziehungsweise Vater und Vater ein heterosexuelles Elterngespann ersetzen können.
Neben neun weiteren Kindergrundrechten wie beispielweise dem Recht auf Bildung, dem Recht auf Gesundheit sowie auf Privatsphäre und persönliche Ehre, gilt gemäß der UN-Kinderrechtskonvention auch ein Recht auf elterliche Fürsorge. Dieses Recht sieht vor, dass „Mutter und Vater gemeinsam für die Erziehung verantwortlich“ sind und das Kind „regelmäßig Kontakt zu beiden Eltern“ haben darf (Kreisjugendring München-Stadt, 2014).
Die klassische Rollenverteilung, sprich der Vater als Versorger und die Mutter als Bezugsperson für die Kinder, wurde im Laufe der Zeit immer mehr gelockert und besteht in modernen Familien kaum mehr. Beide Geschlechter beteiligen sich inzwischen aktiv an der Erziehung. Allerdings führen typisch männliche beziehungsweise weibliche Charakterzüge zur jeweiligen Übernahme bestimmter Aufgaben. Der Mann fungiert meist als Vorbild für den Sohn, beispielweise im handwerklichen oder sportlichen Bereich. Neben dem Schutz der Kinder ist der Mann häufig auch für das Setzen von Grenzen zuständig (vgl. Matzner, 2011). Die Verantwortung der Frau liegt traditionell betrachtet eher dabei, Kindern in schwierigen Lebensphasen emotional beizustehen.
Dass es teilweise zu Überschneidungen kommt, ist logisch. Dass aber die Fähigkeiten und Leistungen einer Mutter durch einen zweiten männlichen Elternteil, beziehungsweise die eines Vater durch einen zweiten weiblichen Elternteil ausgeübt werden können, scheint schwierig. Insbesondere eine ausgeprägte Vorstellung und Ausprägung einer Geschlechteridentität wird durch verschieden geschlechtliche Elternteile vermittelt und in ihrer Entwicklung unterstützt. In entscheidenden schwierigen Phasen und Ereignissen im Leben junger Menschen, besonders in der Pubertät, ist oft der Rat einer gleichgeschlechtlichen Bezugsperson gefragt.
Zusammenfassend kann also nicht außer Acht gelassen werden, dass sich Kinder „in dieser Familienform in einer sehr schwierigen gesellschaftlichen Ausnahme- und Randposition, die ihnen spezifische Bewältigungsstrategien abverlangt“ befinden (Nave-Herz, 2012, S.116). Doch nicht nur die Kinder homosexueller Eltern sind potentielle Opfer von Mobbingattacken. Besonders zu Schulzeiten stellen beispielweise auch Übergewicht oder ein Mangel an Markenkleidung weitaus verbreitetere Gründe für Benachteiligungen dar. Im Gegensatz zu vielen Kindern mit traditionellem familiärem Hintergrund werden Kinder gleichgeschlechtlicher Paare meist bewusst und ausreichend auf mögliche Konfrontationen mit Mobbing vorbereitet und können sich Widerstandsfähigkeit aneignen (vgl. Sielert in Haspel, 2000, S.52). „Die betreffenden Kinder könnten aufgrund ihrer Erfahrungen sowohl eine höhere Durchsetzungsfähigkeit als auch ein höheres Selbstwertgefühl entwickeln“ (Rupp, 2009, S.298).
Außerdem steigt die Akzeptanz gegenüber homosexuellen Paaren bereits seit Jahren. Umso mehr sollte es sich der Staat also zur Aufgabe machen, die Konstellation Vater-Vater-Kind oder Mutter-Mutter-Kind als zu einem offiziell anerkannten familiären Konstrukt zuzulassen.
Erwähnenswert ist, dass die These, dass Kinder in diesen Familien selbst prädestiniert für Homosexualität seien, längst anhand amerikanischer Untersuchungen widerlegt wurde (vgl. Nave-Herz, 2012, S.117). „Dabei ist anzumerken, dass Unterschiede in den Rahmenbedingungen des Aufwachsens sich als Folge der spezifischen Rollendefinition ergeben oder aus der geringen Akzeptanz der Regenbogenfamilien in der Gesellschaft erwachsen können“ (Rupp, 2009, S.294). Um sicherzustellen, dass das Kind Vorbilder beider Geschlechter hat, achtet ein Großteil gleichgeschlechtlicher Eltern trotzdem darauf, dass andersgeschlechtliche Ansprechpartner vorhanden sind (vgl. ebd.). Somit ist die Angst, dass eine fehlende weibliche beziehungsweise männliche Bezugsperson die Findung der Geschlechteridentität negativ beeinflusst, weitgehend unbegründet.
Doch nicht nur durch die Widerlegung der Argumente der Gegenposition sollte deutlich werden, dass ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare überfällig ist. Denn „aus sozialwissenschaftlich-empirischer Perspektive“ kann die Aussage, „dass homosexuelle Eltern zur Betreuung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen genauso gut imstande sind wie heterosexuelle Eltern als weitgehend gesichert gelten“ (Sielert in Haspel, 2000, S.53).
Allerdings führt „die fehlende Anerkennung einer homosexuellen Lebensgemeinschaft vergleichbar mit der heterosexuellen Ehe (…) dazu, dass die realen Lebensverhältnisse rechtlich nicht so weit abgesichert werden können, um dem Kind die größtmögliche Sicherheit zu bieten“, denn diese Kinder haben „formal nur einen sorgeberechtigten Elternteil“ (Sielert in Haspel, 2000, S.59). Umso mehr ist eine vollkommene Gleichstellung der homosexuellen Lebensgemeinschaft mit der heterosexuellen Ehe notwendig. Diese würde nicht nur das Adoptionsverfahren in Deutschland beeinflussen, sondern auch die gesellschaftliche Stellung Homosexueller eventuell endlich verbessern und längst überholte Vorurteile aus dem Weg schaffen. Gemäß Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland hat zwar „jeder das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit“, eine vollständige Akzeptanz wie bei gleichgeschlechtlichen Paaren wurde allerdings noch nicht erreicht.
Zu betonen ist an dieser Stelle des Weiteren, dass die Entscheidung für ein Kind bei einer Adoption, insbesondere durch ein gleichgeschlechtliches Paar, in der Regel gut durchdacht und keineswegs willkürlich ist. Die Schritte, die bis zu einer Adoption notwendig sind, wie das Stellen eines Antrags, das Aufsetzen einer Bewerbung, das Sammeln vieler Unterlagen wie ärztlicher Atteste und Führungszeugnisse, das Offenlegen der eigenen Finanzen sowie das äußerst komplexe Eignungsverfahren, sind aufwendig und langwierig (vgl. Fasen).
Wer sich trotz des Aufwands für die Annahme eines Kindes entscheidet, nimmt bewusst die Verantwortung für die Erziehung auf sich. Der Sinn einer Adoption ist vorwiegend, dem Kind mehr Aufmerksamkeit und Geborgenheit als in einer Einrichtung für elternlose Kinder und Jugendliche, sowie ein intaktes Familienleben zu bieten. Eine Verweigerung des Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare bedeutet, dass weniger Plätze geboten werden. Ob es einem Heranwachsenden in einem Waisenheim besser geht, beziehungsweise ob er oder sie besser gefördert wird als in einer Familie mit zwei Vätern oder zwei Müttern, ist fraglich.
Betrachtet man die letzten 20 Jahre, erkennt man, dass zwischen 1993 und 2013, abgesehen von einem kurzweiligen Aufschwung in den Jahren 2010 und 2011, die Anzahl der Adoptionen in Deutschland kontinuierlich gesunken ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Statistisches Bundesamt, 2014)
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- Citation du texte
- Hannah Jost (Auteur), 2015, Adoptionsrecht homosexueller Paare. Eine durchdachte Regelung oder Willkür?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/373565
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