Die Anfänge der Erziehung und Bildung „Schwachsinniger“ – Eine Einleitung
Wenn man die Geschichte der Lernbehindertenpädagogik betrachten möchte, so sollte man diese von der Geschichte der Geistigbehindertenpädagogik abgrenzen, was jedoch nicht so ganz einfach ist, da in den Anfängen ihrer Geschichte keine konkrete Abgrenzung zwischen Lernbehinderten und Geistigbehinderten vorgenommen wurde. Man hat fast bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts innerhalb der allgemein als lernbehindert Bezeichneten nicht zwischen geistig Behinderten und schlechten Schülern unterschieden. Begriffe wie „schwachsinnig“ oder „idiotisch“ wurden sowohl für schwer Geistigbehinderte als auch für weniger schwer intelligenzgeschädigte Kinder synonym verwendet. So greift die Geschichte der Lernbehindertenpädagogik sowohl in den Bereich der Geistigbehindertenpädagogik als auch in den Bereich der Volksschulpädagogik ein, denn ihre eigentliche Geschichte beginnt erst mit der Etablierung des Volksschulwesens. Dies wird sich im Verlauf der folgenden Arbeit auch feststellen lassen. Aber selbst innerhalb der Volksschule ist man nur bedingt in der Lage zwischen schlechten Schülern und Lernbehinderten zu unterscheiden, auch diese Grenze ist unscharf. Dem Problem der Diagnostik nimmt sich dann aber am Schluß meiner Arbeit Vinzenz Eduard Milde besonders an. Innerhalb meiner Arbeit werde ich auch allgemeine historische Rahmenbedingungen nicht außer Acht lassen, wie man im Inhaltsverzeichnis schon sehen konnte.
Inhaltsverzeichnis
1 Die Anfänge der Erziehung und Bildung „Schwachsinniger“ – Eine Einleitung
2 Das Zeitalter der Renaissance und des Humanismus (13. Jahrhundert bis 1600)
2. 1 Der Einfluß der Reformation auf die Entwicklung der Volksschule
2. 2 Die „Deutsche Schule“ und Peter Jordan aus Mainz
3 Das Zeitalter des Barock (17. Jahrhundert) – Intelligenzschwache Kinder und Jugendliche in der frühen Volksschulpädagogik bei Comenius (1592-1670)
4 Das Zeitalter des Pietismus (1675-1740) und der Aufklärung (18. Jahrhundert)
4. 1 Johann Ignaz von Felbiger (1724-1788)
4. 2 Vinzenz Eduard Milde (1777-1859)
5 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
1 Die Anfänge der Erziehung und Bildung „Schwachsinniger“ – Eine Einleitung
Wenn man die Geschichte der Lernbehindertenpädagogik betrachten möchte, so sollte man diese von der Geschichte der Geistigbehindertenpädagogik abgrenzen, was jedoch nicht so ganz einfach ist, da in den Anfängen ihrer Geschichte keine konkrete Abgrenzung zwischen Lernbehinderten und Geistigbehinderten vorgenommen wurde. Man hat fast bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts innerhalb der allgemein als lernbehindert Bezeichneten nicht zwischen geistig Behinderten und schlechten Schülern unterschieden. Begriffe wie „schwachsinnig“ oder „idiotisch“ wurden sowohl für schwer Geistigbehinderte als auch für weniger schwer intelligenzgeschädigte Kinder synonym verwendet. So greift die Geschichte der Lernbehindertenpädagogik sowohl in den Bereich der Geistigbehindertenpädagogik als auch in den Bereich der Volksschulpädagogik ein, denn ihre eigentliche Geschichte beginnt erst mit der Etablierung des Volksschulwesens. Dies wird sich im Verlauf der folgenden Arbeit auch feststellen lassen. Aber selbst innerhalb der Volksschule ist man nur bedingt in der Lage zwischen schlechten Schülern und Lernbehinderten zu unterscheiden, auch diese Grenze ist unscharf. Dem Problem der Diagnostik nimmt sich dann aber am Schluß meiner Arbeit Vinzenz Eduard Milde besonders an.
Innerhalb meiner Arbeit werde ich auch allgemeine historische Rahmenbedingungen nicht außer Acht lassen, wie man im Inhaltsverzeichnis schon sehen konnte.
2 Das Zeitalter der Renaissance und des Humanismus (13.Jahrhundert bis 1600)
In der Renaissance fanden Erneuerungsbewegungen in allen Lebensbereichen statt.
Man widmete sich zum Beispiel vor allem in der Kunst, der Literatur und auch in der Philosophie der griechisch und römischen Antike, entdeckte sie wieder und griff auf ihre geistigen Wurzeln zurück. Was sich natürlich auch in der abendländischen Bildung niederschlug. Auch sie war geprägt von der Abkehr vom religiös-scholastisch orientierten Weltbild und der Hinwendung zu Daseinsgenuß. Somit entwickelte sich erstmals auch ein Nationalbegriff, da sich einzelne Nationen profilierten und nationale Schriftsprachen entwickelten.
Von der Geistesbewegung des Humanismus wurden all diese Neuerungen schließlich übernommen und das neue Weltbild wissenschaftlich-pädagogischen Ausformungen unterzogen. Im Mittelpunkt stand dabei immer das Individuum und seine Selbstdarstellung. Ermöglicht durch die Entdeckung der Buchdruckerkunst, entwickelten sich philologische Einzelwissenschaften, welche sich unter anderem im Quellenstudium der Reformation und einem neuen Geschichtsverständnis begründeten.
Erziehung und Unterricht wurden erstmals als Kunst betrachtet, die dem Kind entsprechen müsse. Diese Kunst beinhaltet für die Humanisten die Veredelung des Menschen durch die Bildung nach antiken Vorbildern, wodurch jeder Mensch seine weltimmanente Vollendung finden könne.
Speziell zur Behindertenpädagogik jedoch lassen sich in Renaissance und Humanismus keine Ansätze finden.
2. 1 Der Einfluß der Reformation auf die Entwicklung der Volksschule
Innerhalb der Reformationsbewegung ist das Verständnis von Erziehung und Bildung dann vor allem vom Bewußtsein persönlicher Verantwortlichkeit und subjektiver religiöser Entschiedenheit außerhalb traditioneller kirchlicher Bedingungen geprägt. Denn erstmals wird die Kirche als Heilinstitution in Frage gestellt.
Mit Berufung auf die Bibel liegt der Fokus auf der Gleichheit der Gläubigen, womit die damalige ständische Ordnung nahezu hinfällig und eine gewisse Autonomie im religiösen Bereich gefordert wird. Durch die Verwiesenheit jedes Einzelnen an das Wort Gottes kommt es zu einem Bedürfnis nach allgemeiner Volksbildung, aber nicht mehr nur in lateinischer, sondern in deutscher Sprache.
Individuelle Persönlichkeitsentfaltung in Familie und Arbeitswelt erlangt eine neue Wertschätzung. Arbeit wird als Berufung und Bewährung des Menschen im diesseitigen Dasein gesehen.
Nach Luther liegt das Ziel aller Erziehung in der Gotteskindschaft. Seine Forderung besteht darin, daß Kinder seliglich und nützlich erzogen werden sollten, um auf geistliche und weltliche Aufgaben vorbereitet zu sein. Wer nicht arbeite solle auch nicht essen und jeder habe sich in seiner Arbeit zu bewähren.
Dieser Ansatz fand auch bei Behinderten seine strikte Anwendung. Jene wurden in Verwahranstalten, anstelle von bisher landläufigem Betteln oder öffentlicher Zurschaustellung, ganz im Sinne Luthers, zur Arbeit angewiesen, was einen strikten Wandel in der bisherigen Fürsorge darstellte.
Allgemein machen die Reformatoren, durch theologische Beweisführung zur sündigen, geschädigten oder verderbten Menschennatur, deutlich, daß eine solche Menschennatur im Diesseits Läuterung und Bewährung bedürfe.
Melanchthon (1497-1560) gilt in dieser Zeit als Schöpfer und Neugestalter des protestantischen Gelehrtenschulwesens. Nach seinem Dafürhalten sollen Schulordnungen in Zukunft von Städten und Landesherren bestimmt werden.
Im Zuge der Gegenreformation wird das mittelalterliche Kirchen- und Glaubensverständnis dann schließlich grundlegend geläutert. Die katholische Schulbildung wird um humanistisches Bildungsgut erweitert und somit verbessert.
Zur Erziehung und Bildung Behinderter lassen sich jedoch auch hier nur wenige Beispiele finden. Eines wäre vielleicht die Hofmeistererziehung in wohlhabenden Familien, unter deren Nachwuchs sich wohl in Einzelfällen auch Behinderte haben finden lassen können.
2. 2 Die „Deutsche Schule“ und Peter Jordan aus Mainz
Die mit der Reformation im 16. Jahrhundert entstandene protestantische „Deutsche Schule“ stellt einen Gegensatz zur katholischen Latein- und Gelehrtenschule dar. Wie unter 2.1 bereits erwähnt, geht es hier um eine allgemeine Volksbildung für alle Gläubigen in deutscher Sprache.
Rechter Glaube sei bestimmt durch eine reine Lehre, was sich in der Bibel begründe, wer also lesen könne, sei auch in der Lage die reine Lehre aufzunehmen und recht zu glauben, wobei sich nicht mehr jeder seine eigenen Auslegungen machen solle.
Die „Deutsche Schule“ wird auch als Lese- und Katechismusschule bezeichnet, denn die Katechismen Luthers werden hier als „summa doctrinae“ vermittelt. Geleitet wurde eine solche Schule meist von einem Küster und beaufsichtigt von einem Pfarrherrn.
Aus Bedürfnissen des Handwerks und des Handels heraus, haben „Deutsche Schulen“ auch schon vor der Reformation bestanden. Sie erfahren nun aber durch diese ihre wichtige theologische Rechtfertigung, welche Voraussetzung für ihre größere Verbreitung ist. Ganz im Sinne Melanchthons sind sie Veranstaltungen der Städte, sogar in katholischen Ländern.
Da in diesen Schulen (und später auch in der Volksschule) alle Kinder gemeinsam, mit den unterschiedlichsten Begabungen, in sehr großen Klassen mit dem gleichen Ziel unterrichtet werden, sind Schwachbefähigte, Intelligenzschwache oder Lernschwache im Lernprozeß nun besonders auffällig und zum Problem geworden. Was wiederum zu Reflexionen über Hilfsmaßnahmen veranlaßte, wie man im Folgenden sehen wird.
Peter Jordan aus Mainz schreibt 1533 für die „Deutsche Schule“ das Buch „Leyenschul. Wie man künstlich und behend schreyben und lesen soll lernen“. Es gilt als die erste literarische Erscheinung auf dem Gebiet des Schwachsinnigenbildungswesens. Von großer Bedeutung hierbei ist, daß überhaupt schon an Lernschwache gedacht wurde und ihre Erschwernisse im Normalunterricht berücksichtigt werden sollten.
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