Interessen lassen sich umso besser durchsetzen, je mehr Personen sich zusammenschließen, je besser die Gruppe organisiert ist und je mehr Einfluss und Geld sie hat. Deshalb schlossen sich schon im vorigen Jahrhundert Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Verbänden zusammen. Es entstanden Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Die Gewerkschaft ist ein Interessenverband der Arbeitnehmer, der sich mit der Wahrung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen gegenüber Arbeitgebern auseinandersetzt. Aufgaben sind dabei der Abschluss von Kollektivverträgen zur Regelung der Lohnhöhe, Arbeitszeit, Urlaub und Arbeitsbedingungen usw. Ein anderer Schwerpunkt sind die Tarifverhandlungen mit Arbeitgebern und Arbeitsgeberverbänden und auch die Organisation von Streiks als letztes Mittel. Ab 1860 kam es zu den ersten Zusammenschlüssen von Arbeitnehmern (Tabakarbeiterverein 1865, Verband deutscher Buchdrucker 1866). Diese Freien Gewerkschaften waren sozialistisch und klassenkämpferisch und fanden den politischen Rückhalt in den Sozialdemokratischen Arbeiterparteien. Die 1878 von Bismarck ins Leben gerufenen Sozialistengesetze verboten den Sozialdemokraten jede Tätigkeit außerhalb des Reichstages. 1890 wurden die Sozialistengesetze aufgehoben und die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands wurde gegründet. Ziel war eine einheitliche Leitung der gesamten Gewerkschaftsbewegung und eine Zentralisierung möglicher Streiks. 1892 fand der erste deutsche Gewerkschaftskongress in Halberstadt statt. 1919 wurde der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund gegründet. 1933 kam es dann jedoch zur gewaltsamen Auflösung der Gewerkschaften und zur Eingliederung in die „Deutsche Arbeitsfront“. 1949 wurde der überparteiliche, antikommunistische Deutsche Gewerkschaftsbund der Bundesrepublik Deutschland in München gegründet. Aufgrund der übernationalen Zusammenarbeit kam es 1973 zur Gründung des Europäischen Gewerkschaftsbundes. Im Gegenzug dazu entstand in der DDR der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB). Er diente als staatliches Organ und führte Maßnahmen und Grundsätze des Staates durch. 1989 entstanden nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Regime auch in Mittel und Osteuropa pluralistische Gewerkschaften. Am 30. September 1990 löste sich der FDGB auf und der DGB dehnte sein Organisationsgebiet auf die neuen Länder aus. [...]
Inhalt
1) Einführung
1.1) Historischer Überblick über die Gewerkschaften
1.2) Tarifverträge/Tarifverhandlungen
1.3) Ziel der Arbeit
2) Gewerkschaften in MOE
2.1) Gewerkschaften in MOE vor 1989
2.2) Probleme, Rahmenbedingungen und Faktoren während der Zeit des Umbruchs
2.3) Gewerkschaften in MOE nach 1989
3) Rolle und Wandel der Gewerkschaften am Beispiel DDR/Ostdeutschland
3.1) Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund in der ehemaligen DDR
3.2) 1990 – Die Wiedervereinigung als Wendepunkt der Gewerkschaften?!
3.3) Die Rolle der Gewerkschaften in Deutschland
damals – heute – Perspektiven: Ein Gespräch mit Hartmut
Löschner (ehem. Vorstandsmitglied der IG BCE)
3.3.1) Interview
4) Rolle und Wandel der Gewerkschaften am Beispiel Ungarn
4.1) Wirtschaftliche und soziale Grundlagen
4.2) Gewerkschaftslandschaft vor 1989
4.3) Der Umbruch (1989/1990)
4.4) Die Gewerkschaften in Ungarn heute – Perspektiven
5) Vergleich DDR/Ostdeutschland und Ungarn
5.1) Lage vor 1989
5.2) Entwicklung nach 1989
6) Abschluss
7) Literaturverzeichnis
1) Einführung
Interessen lassen sich umso besser durchsetzen, je mehr Personen sich zusammenschließen, je besser die Gruppe organisiert ist und je mehr Einfluss und Geld sie hat. Deshalb schlossen sich schon im vorigen Jahrhundert Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Verbänden zusammen. Es entstanden Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände.
1.1) Historischer Überblick der Gewerkschaften
Die Gewerkschaft ist ein Interessenverband der Arbeitnehmer, der sich mit der Wahrung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen gegenüber Arbeitgebern auseinandersetzt. Aufgaben sind dabei der Abschluss von Kollektivverträgen zur Regelung der Lohnhöhe, Arbeitszeit, Urlaub und Arbeitsbedingungen usw. Ein anderer Schwerpunkt sind die Tarifverhandlungen mit Arbeitgebern und Arbeitsgeberverbänden und auch die Organisation von Streiks als letztes Mittel.
Ab 1860 kam es zu den ersten Zusammenschlüssen von Arbeitnehmern (Tabakarbeiterverein 1865, Verband deutscher Buchdrucker 1866). Diese Freien Gewerkschaften waren sozialistisch und klassenkämpferisch und fanden den politischen Rückhalt in den Sozialdemokratischen Arbeiterparteien. Die 1878 von Bismarck ins Leben gerufenen Sozialistengesetze verboten den Sozialdemokraten jede Tätigkeit außerhalb des Reichstages. 1890 wurden die Sozialistengesetze aufgehoben und die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands wurde gegründet. Ziel war eine einheitliche Leitung der gesamten Gewerkschaftsbewegung und eine Zentralisierung möglicher Streiks. 1892 fand der erste deutsche Gewerkschaftskongress in Halberstadt statt. 1919 wurde der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund gegründet.
1933 kam es dann jedoch zur gewaltsamen Auflösung der Gewerkschaften und zur Eingliederung in die „Deutsche Arbeitsfront“.
1949 wurde der überparteiliche, antikommunistische Deutsche Gewerkschaftsbund der Bundesrepublik Deutschland in München gegründet. Aufgrund der übernationalen Zusammenarbeit kam es 1973 zur Gründung des Europäischen Gewerkschaftsbundes.
Im Gegenzug dazu entstand in der DDR der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB). Er diente als staatliches Organ und führte Maßnahmen und Grundsätze des Staates durch. 1989 entstanden nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Regime auch in Mittel- und Osteuropa pluralistische Gewerkschaften. Am 30. September 1990 löste sich der FDGB auf und der DGB dehnte sein Organisationsgebiet auf die neuen Länder aus.
Er ist auch der größte Arbeitnehmerverband Deutschlands mit 7,3 Millionen Mitgliedern (Stand 31.12.2003). Diesem Dachverband gehören 8 Einzelgewerkschaften an, in denen jeweils die Arbeitnehmer gleicher oder verwandter Branchen zusammengeschlossen sind. Diese sind: IG Bauen-Agrar-Umwelt (Mitgliederanteil im DGB 6,3 %), IG Bergbau, Chemie, Energie (10,9 %), Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (3,5 %), IG Metall (34,3 %), Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (3,2 %), Gewerkschaft der Polizei (2,5 %), TRANSNET (3,8 %) und ver.di (35,5 %). Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di entstand im März 2001 aus der aufgelösten Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG), der IG Medien, der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen. ver.di ist die größte demokratische Einzelgewerkschaft der Welt.
1.2) Tarifverträge/Tarifverhandlungen
Verbände von Arbeitnehmern und Arbeitgebern vertreten deren Interessen, so dass bei Lohnabschlüssen nicht mehr der einzelne Arbeitnehmer mit dem einzelnen Arbeitgeber verhandelt, sondern die jeweiligen Verbände. Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände verhandeln zum Beispiel über Lohntarife, führen also Tarifverhandlungen um als deren Ergebnis Tarifverträge abzuschließen. Beide Parteien werden als Tarifpartner oder auch Sozialpartner bezeichnet.
Im Gegenzug zum Einzelarbeitsvertrag regelt der Tarifvertrag nicht nur Bedingungen zwischen einzelnen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, sondern die Lohn- und Arbeitsbedingungen eines ganzen Wirtschaftszweiges für einen festgelegten Zeitraum. Tarifverträge werden zwischen der Gewerkschaft eines bestimmten Wirtschaftszweiges (z.B. IG BCE) und dem entsprechenden Arbeitgeberverband abgeschlossen. Es gibt vier verschiedene Tarifvertragsarten:
Der Lohn- und Gehaltstarifvertrag regelt die Mindestlöhne und Gehälter für die verschiedenen Lohngruppen und die Ausbildungsvergütung für Auszubildende.
Der Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrag regelt die Art der Entlohnung und die Anforderungen an die einzelnen Lohngruppen.
Der Manteltarifvertrag regelt die allgemeinen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses wie Arbeitszeit, Urlaub, Zeit und Art der Lohnzahlung und Kündigung.
Der Sondertarifvertrag regelt besondere Fragen wie z.B. Rationalisierungsschutz oder die Gewährung vermögenswirksamer Leistungen.
Die vereinbarten Bedingungen sind Mindestbedingungen oder Mindestentgelte, die nicht unterschritten werden dürfen. Die Zahlung übertariflicher Löhne ist zulässig.
1.3) Ziel der Arbeit
Ziel der Arbeit ist es, die Gewerkschaften der Länder Ungarn und der DDR bzw. Ostdeutschland vor, während und nach der Transformation zu analysieren und zu vergleichen. Die Gewerkschaften sind ein interessantes Analyseobjekt der Transformation, da sie die einzigen sozialen Massenorganisationen sind, die die Umbrüche von 1989/90 überlebt haben. Ich will in dieser Arbeit herausfinden, wie die Gewerkschaften mit den Veränderungen der Transformation umgegangen sind und welche Folgen zu erkennen sind. Die mögliche Orientierung gen Westen soll betrachtet werden. In wie weit orientiert sich Ungarn an den westlichen Ländern? Haben die Mitglieder der Gewerkschaft in der ehemaligen DDR den Umbruch und die Eingliederung bzw. Anpassung in das ‚neue Deutschland’ positiv erlebt und ‚überlebt’? Welchen Stellenwert haben die Gewerkschaften in den jeweiligen Ländern heute?
2) Gewerkschaften in Mittel- und Osteuropa
2.1) Gewerkschaften in Mittel- und Osteuropa vor 1989
In den ehemaligen sozialistischen Ländern wurden alle grundlegenden Entscheidungen von der Parteiführung der Kommunistischen Parteien getroffen, die weitgehend mit den Regierungen der Länder identisch waren. Danach kamen die verschiedenen gesellschaftlichen Massenorganisationen. Dazu gehörten die Gewerkschaft, der kommunistische Jugendverband, der Frauenverband und die nationale Front. Diese Massenorganisationen dienten der Partei als Transmissionsriemen (Übermittler oder Vermittler) zwischen den Staatsorganen und dem Volk. Die Arbeitnehmer sollten dadurch motiviert und mobilisiert werden und ihre Loyalität gegenüber dem System sollte gefestigt werden. Die Gewerkschaften waren auch verantwortlich für die Verteilung spezieller Leistungen an ihre Mitglieder auf Betriebsebene, so zum Beispiel für die Verteilung von Kindergarten- oder Ferienplätzen. Die Gewerkschaften in den mittel- und osteuropäischen Ländern waren zentralistisch organisiert und hatten das Vertretungsmonopol inne, da es sich um Einheitsgewerkschaften handelte.
Etwa 90% der Beschäftigten in allen mittel- und osteuropäischen Ländern waren in Gewerkschaften organisiert. Es herrschte ein indirekter Zwang. Es wurde erwartet, dass man Mitglied der Gewerkschaft ist, denn wenn nicht, bedeutete dies eine politische Entgegenwirkung zum System. Die Mitgliedschaft brachte den Arbeitnehmern viele soziale Vorteile, wobei eine Nicht-Mitgliedschaft von politischer Bedeutung war.
2.2) Probleme, Rahmenbedingungen und Faktoren während der Zeit des Umbruchs
Der Transformationsprozess ging in allen mittel-osteuropäischen Ländern mit einem schockartigen Einbruch der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einher. Durch diese gleichzeitige wirtschaftliche und politische Transformation veränderten sich auch die Bedingungen für die Gewerkschaften. Gewerkschaften dienten jetzt nicht mehr als Transmissionsriemen für die Kommunistischen Parteien, sondern als autonome Interessenvertretung der Arbeitnehmer. Die Gewerkschaften waren nun nicht mehr staatlich gesichert und mussten sich neu organisieren. Ziel der wirtschaftlichen Transformation wurde die Marktwirtschaft als wohlstandsversprechendes Modell. Die mittel-osteuropäischen Länder orientierten sich also am westlichen Vorbild, so dass es zum Institutionenimport kam. Beachtet wurde dabei jedoch nicht, dass in den mittel-osteuropäischen Ländern diesen Institutionen die inhaltliche und funktionale Grundlage fehlte. Die Institutionen wurden zur Bearbeitung spezifischer Probleme gegründet, die typisch für jene Länder sind, aus denen sie importiert wurden. Nachdem die Institutionen importiert waren, konnten sie demnach nicht die entsprechenden Anforderungen erfüllen.
Geprägt ist das Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Gesellschaft durch einen hohen Ansehensverlust seitens der Gewerkschaften aufgrund ihrer früheren Funktion als Transmissionsriemen. Die Menschen sind von dem „alten“ System enttäuscht und treten dem „neuen“ System kritisch gegenüber, da sie sich in ihm noch nicht zu Hause fühlen. Der Wertewandel vollzieht sich innerhalb der Gesellschaft sehr langsam. Es herrscht ein weit verbreitetes Misstrauen gegenüber staatlichen und öffentlichen Organen, so auch gegenüber den Gewerkschaften. Die Gewerkschaften stehen nun vor dem Problem, keinen eindeutigen Vertretungsauftrag hinsichtlich der Interessen ihrer Mitglieder zu besitzen.
2.3) Gewerkschaften in Mittel- und Osteuropa nach 1989
Nach 1989 wurde nun der drastische Mitgliederverlust zum Hauptproblem. Manche Gewerkschaften haben innerhalb weniger Jahre bis zu 50 % ihrer Mitglieder verloren. Das schwächte die Gewerkschaftsposition auch im Rahmen der nationalen Tarifverhandlungen.
Mit Ausnahme von Solidarnosc[1] in Polen gab es bis 1990 keine unabhängige Gewerkschaft, da die entsprechen Länder nur einen Gewerkschaftsbund hatten, der der regierenden Partei gleichgeschaltet war. Nach der Wende bildeten sich in allen Ländern neue Gewerkschaften heraus. Diese Gewerkschaften verfügten über wenig finanzielle Mittel und mussten sich erst eine organisatorische Basis schaffen. Außerdem wirkten noch die alten Gewerkschaften, denen ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung standen, mit. Sie mussten sich jedoch an die neuen politischen Rahmenbedingungen anpassen. So entstanden in allen Ländern (mit Ausnahme Lettland[2]) bi- oder multipolare Gewerkschaftswelten.
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[1] 1980 Gründung der unabhängigen Gewerkschaft „Solidarität“ in Polen unter der Führung von Lech Walesa; Es gelangen wirtschaftliche Verbesserungen und eine freiere Informationspolitik; 1981 wurde die „Solidarität“ verboten, wirkte aber trotz aller Verfolgungen im Untergrund weiter; Für seine Bemühungen um sozialen Ausgleich wurde Arbeitsführer Lech Walesa 1983 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet
[2] in Lettland dominiert eine Gewerkschaft die Organisationslandschaft
- Citar trabajo
- Carolin Seidel (Autor), 2005, Die Rolle der Gewerkschaften vor, während und nach der Transformation in Mittelosteuropa am Beispiel Ostdeutschland und Ungarn, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37229
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