Im Folgenden wird die These erörtet, ob unsere heutige Zeit, - das postmoderne Zeitalter - als eine isovalente Gesellschaft (wie es Mario Gmür beschreibt) gesehen werden kann. Als Fallbeispiel gilt hier der Prozess Kachelmann, der einst erfolgreiche Moderator und Journalist, der nach einem fallengelassenen Vergewaltigungsprozess seinen Status und seinen Ruf verlor.
Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete den Prozess als einen „der spektakulärsten Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik“. Für andere war es der Prozess des Jahres 2010 – der Fall „Jörg Kachelmann“. Jörg Kachelmann, ein damals immer sonnig, lustig und sympathisch wirkender Moderator, Journalist und Wetterfrosch. „Mr. Weatherman“ brachte Laune an die sonst oft schlechte Wetterfront, doch im Jahre 2010 zogen plötzlich tiefdunkle Wolken auf und dahinter entpuppte sich alles andere als „Mr. Weather-Sunshine“: Die Prozessakte „Kachelmann“ beginnt. Am 20. März 2010 wird Jörg Kachelmann bei seiner Rückkehr aus Kanada, er gehörte zum Team der ARD bei den Olympischen Spielen in Vancouver, auf dem Frankfurter Flughafen wegen des Verdachts der Vergewaltigung einer Frau festgenommen. Am 17. Mai 2010 erhebt die Mannheimer Staatsanwaltschaft eine Klage gegen Jörg Kachelmann wegen des Verdachts der besonders schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Ein Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls vom Landgericht Mannheim wird am 1. Juli 2010 zurückgewiesen. Ende Juli hebt das Oberlandesgericht Karlsruhe den Haftbefehl Kachelmanns auf. Die Begründung, es bestehe kein dringender Tatverdacht mehr. Am Ende schließlich spricht das Gericht Kachelmann am 31. Mai 2011 frei, aus Mangel an Beweisen. Der Vorwurf an Kachelmann, eigentlich doch nur einer von zahlreichen Fällen jener Art die täglich in den Gerichten unserer Bundesrepublik behandelt werden. Doch was macht genau diesen Fall so besonders? Was ist das grundlegendste Merkmal das diesen von all den anderen Fällen unterscheidet? Und vor allem wer machte ihn zu einem „der spektakulärsten Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik“? Wir waren es! Wir sorgten dafür, dass Kachelmann einen Freispruch „zweiter Klasse“ erfuhr. Die Gesellschaft, deren Interesse und der Wandel der Zeit – ein Zusammenspiel das Ruhm, Glanz und Würde geben und nehmen kann.
Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete den Prozess als einen „der spektakulärsten Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik“. Für andere war es der Prozess des Jahres 2010 – der Fall „Jörg Kachelmann“.
Jörg Kachelmann, ein damals immer sonnig, lustig und sympathisch wirkender Moderator, Journalist und Wetterfrosch. „Mr. Weatherman“ brachte Laune an die sonst oft schlechte Wetterfront, doch im Jahre 2010 zogen plötzlich tiefdunkle Wolken auf und dahinter entpuppte sich alles andere als „Mr. Weather-Sunshine“: Die Prozessakte „Kachelmann“ beginnt (vgl. Schulemann 2014).
Am 20. März 2010 wird Jörg Kachelmann bei seiner Rückkehr aus Kanada, er gehörte zum Team der ARD bei den Olympischen Spielen in Vancouver, auf dem Frankfurter Flughafen wegen des Verdachts der Vergewaltigung einer Frau festgenommen. Am 17. Mai 2010 erhebt die Mannheimer Staatsanwaltschaft eine Klage gegen Jörg Kachelmann wegen des Verdachts der besonders schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Ein Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls vom Landgericht Mannheim wird am 1. Juli 2010 zurückgewiesen. Ende Juli hebt das Oberlandesgericht Karlsruhe den Haftbefehl Kachelmanns auf. Die Begründung, es bestehe kein dringender Tatverdacht mehr. Am Ende schließlich spricht das Gericht Kachelmann am 31. Mai 2011 frei, aus Mangel an Beweisen (vgl. Schulemann 2014).
Der Vorwurf an Kachelmann, eigentlich doch nur einer von zahlreichen Fällen jener Art die täglich in den Gerichten unserer Bundesrepublik behandelt werden. Doch was macht genau diesen Fall so besonders? Was ist das grundlegendste Merkmal das diesen von all den anderen Fällen unterscheidet? Und vor allem wer machte ihn zu einem „der spektakulärsten Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik“? Wir waren es! Wir sorgten dafür, dass Kachelmann einen Freispruch „zweiter Klasse“ erfuhr. Die Gesellschaft, deren Interesse und der Wandel der Zeit – ein Zusammenspiel das Ruhm, Glanz und Würde geben und nehmen kann. Noch nie war es so einfach wie in unserem heutigen Zeitalter als Person des öffentlichen Lebens wahrgenommen zu werden. Scripted-Reality Soaps oder Castingshows, täglich wird ein neuer Möchtegern V.I.P. geboren. Skandalismus und Sensationsgeilheit sind nicht nur bei Medienschaffenden zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Denken wir aber überhaupt noch über die möglichen Folgen nach unserem absurden Streben nach? Ist es zu einer Selbstverständlichkeit geworden, Leben und Menschen durch unsere mediale Arbeit und unsere gesellschaftlichen Interessen zu zerstören? Die Akte Kachelmann macht es deutlich: „Das postmoderne Zeitalter als eine total isovalente Gesellschaft.“ Ein relevantes Thema, dessen kritische Auseinandersetzung ich mich auf den folgenden Seiten annehmen werde.
Medienopfersyndrom und die „isovalente“ Gesellschaft
Jörg Kachelmann ist nur ein Opferbeispiel im Blitzlichtgewitter der Medien. Auch Christian und Bettina Wulff, Karl Theodor zu Guttenberg und Ottfried Fischer sorgten allesamt für ein enormes Medienecho und wurden gleichzeitig sehr kontrovers diskutiert (vgl. Rothe 2013). So schnell Medien gerne Helden inszenieren, so einfach produzieren sie auch Psycho-Wracks. Oftmals scheint ein bloßes Gerücht oder wie im Fall Kachelmann eine erste Verdächtigung zu reichen, um die Reputation der Betroffenen dauerhaft zu schädigen. Sie alle sind zu Medienopfern geworden und leiden teils noch heute unter dem sogenannten Medienopfersyndrom (MOS).
Menschen, die von Paparazzi verfolgt werden, „Outing-Opfer, deren sexuelle Orientierung gegen ihren Willen bekannt wird, Opfer von Lügen-Kampagnen, vorverurteilte Verdächtige und Menschen, denen eine Rolle zugeteilt wird, die sie irgendwann nicht mehr spielen wollen“ (Titus 2010). All jene leiden an psychischen und sozialen Schäden, die durch eine skrupellose mediale Berichterstattung, ohne jeglicher Grenzen, ausgelöst werden. Jörg Kachelmann gehört zu der Kategorie der durch die Medien vorverurteilten Verdächtigen. „Journalisten sehen sich offenbar nicht (mehr) als kritische Begleiter der Justiz, sondern verhalten sich zunehmend wie die Kettenhunde einer oft willkürlichen Justiz, die immer recht haben möchte, koste es menschliche Existenzen, wie es wolle“, so Kachelmann (2012, S.123).
Doch wieso gelang dem Kachelmann Prozess so eine mediale Popularität?
Mario Gmür (2002, S.29), Psychiater und Medienopferexperte erklärt dies so: „Die mediale Fallhöhe ist ausschlaggebend für die Berichterstattung. Bei einem weniger Prominenten hätte es zum Zeitpunkt der Verhandlung eine Gerichtsberichterstattung gegeben oder auch nicht. Bei Kachelmann war das anders. Durch seine Dauerpräsenz am Bildschirm hat er sich eine besondere Prominenz erworben, die Begehrlichkeiten weckt. Außerdem fasziniert die Diskrepanz zwischen Schein und Sein, also dem Bild des Publikumslieblings, der er war, und der Kehrseite dessen. Wenn man hinter einem Engel einen Teufel aufdecken kann, ist das natürlich von großem Aufmerksamkeitswert.“
Es haben also nicht nur die Medien und Medienschaffenden Schuld daran, wenn ein weiteres hilfloses Medienopfer geboren und an den Pranger gestellt wird. Es ist auch die Gesellschaft des postmodernen Zeitalters, welche die mediale Berichterstattung in eine Sparte lenkt, die den Gelüsten der Gesellschaft nachkommen muss um diese zu befriedigen.
Eine „total isovalente Gesellschaft“ wie Gmür (2007, S. 16/17) sie beschreibt. Mit „Isovalenz“ meint er eine Beliebigkeit aller Werte – in der Gesellschaft werde es bald nicht mehr auf die Inhalte ankommen, sondern darauf, dass eine Nachricht von einer möglichst großen Öffentlichkeit wahrgenommen wird (vgl. Titus 2010). Eine „isovalente Gesellschaft“, folglich eine gleichwertige, ursprünglich gleichbedeutende Gesellschaft in dessen gleichwertigen Zeitalter die „Grenzen zwischen privater und öffentlicher Sphäre verwischt seien und somit Gefahren ethisch bedenklicher Enttarnungen in sich berge“ (Borchard-Tuch 2008).
Wir alle befinden uns in dieser „isovalenten Gesellschaft“, keiner von uns kann ihr entgehen. So gleichwertig sie ist, so gleichgültig gehen wir auch mit dem um was sie aus den Betroffenen macht: Opfer der Medienspektakel. Die Gelüste unserer heutigen Gesellschaft sind klar: wir wollen Skandale, Sensationen und unsere Höhepunkte sind die durch mediale Berichterstattung ausgelösten Zerstörungen von Existenzen. Erfüllt ein Medium diese, unsere Erwartungen, nicht, wird es nicht von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Oder würde die Schlagzeile „Wer hat Angst vor Jörg Kachelmann?“ etwa kein Interesse für mehr Input wecken? Ertappt!
Die Sphärentheorie – Schwachsinn!
Schlagzeilen, sie sind es die gelesen oder überlesen werden. Sie sind die Entscheidungskraft über die Aufmerksamkeit des Lesers. Sie entscheiden über Triumph, Erfolg oder Niederlage eines Blattes. Umso höher die erreichte Quote, umso besser. Auch im Fall Jörg Kachelmann schlug sich die Berichterstattung in den Verkaufszahlen diverser Klatsch-Tratsch Blätter nieder. Für die Bunte war Heft Nr. 23/2011 mit der Schlagzeile „Jörg Kachelmann: Freispruch, aber was wird aus ihr?“ mit knapp 350.000 Einzelverkäufen das am zweithäufigsten verkaufte Heft (vgl. Schröder 2011).
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- Quote paper
- Tobias Haas (Author), 2016, Medienopfer in der heutigen Gesellschaft und die sozialen Folgen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/372237
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