In Wirklichkeit und Wahrheit muss sich Wahrhaftigkeit zeigen, damit sie positive Wirkung entfaltet. Gebunden an Grundwerte hat sie sich dabei mit der dynamischen Entwicklung der Lebensumwelt immer wieder neu der kritischen Reflexion zu stellen, damit Angemessenheit des Handelns gewährleistet werden kann. Dies fordert die verantwortungsbewusst handelnde Person permanent heraus, hat sie doch die beständigen Grundwerte in einer Zeit grundlegender Umwälzungen vertretbar zu berücksichtigen und gleichzeitig Authentizität in einer sich verändernden Zeit zu zeigen. Hier verlässliche Personalität im Umgang mit anderen an den Tag zu legen, Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit zu sichern und Identität zu wahren erscheint als eine echte Gratwanderung.
Führungskräfte haben dabei einen erweiterten Gestaltungsfreiraum und sind gehalten, anderen gegenüber eine Vorbildfunktion einzunehmen. Hier Freiheit in Verantwortung wahrzunehmen wirkt sich schließlich auf das Betriebsklima und die Unternehmenskultur, letztlich auch auf die im Zusammenwirken erzielbaren Ergebnisse aus. Wer also in herausgehobener Funktion daran interessiert ist, langfristig wirksam Chancen zu nutzen, Herausforderungen zu meistern und Probleme zu lösen, der kommt nicht umhin, durch Bündelung von Kompetenzen und Stärken andere auf Augenhöhe mit einzubeziehen. Dies erscheint als langfristig zielführende Basis für erfolgreiche Mitgestaltung der sich vollziehenden Entwicklung.
Wer nur auf Macht setzt und dabei die eigenen Grenzen der Kompetenz sowie der Persönlichkeit vernachlässigt, muss sich daher nicht wundern, wenn gesetzte Ziele verfehlt werden, die Zwischenergebnisse auf dem Weg durch die Zeit darstellen. Führungskräfte werden aber am erzielten Erfolg gemessen – jenem Erfolg, der sich an der eingenommenen Position im Rahmen vorhandener Konkurrenz, den realisierten Ergebnissen, den bestehenden sozialen Beziehungen, aber auch an dem Grad der psychischen und physischen Gesundheit der Kooperierenden ablesen lässt. Freiheit erwächst bei verantwortungsbewusster Wahrnehmung von Wahrhaftigkeit durch die Befreiung von unvertretbaren Alternativen und durch die Konzentration auf die Lösung von zu bewältigenden Herausforderungen.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Annäherung an Wahrheit und Wahrhaftigkeit
- Wahrheit, Wirklichkeit, Wahrhaftigkeit und die begrenzte menschliche Erkenntnis
- Sich einrichten als pragmatische Scheinlösung aus Bequemlichkeit?
- Erforderliche Permanenz des Bemühens um das Verschieben der Grenzen der Erkenntnis als wissenschaftliche Aufgabe
- Fortschritt als Triebfeder für die Weitung des Einblicks und der Erkenntnis
- Wissenszuwachs als Quelle neuer Fragen und neuer Ausgangspunkte
Zeitbezogenheit der Erkenntnis und deren erforderliche Annahme
- Zeitbezogenheit der Erkenntnis und deren erforderliche Annahme als Zeichen realistischer Einschätzung menschlicher Möglichkeiten
- Realismus als ernst zu nehmende Perspektive gegen Resignation und Selbstüberschätzung
- Stufenweise Entwicklung als kulturell verankerte Errungenschaft
- Veränderte Betrachtung als Weitung des Blicks auf die Wirklichkeit
- Bestehende Barrieren und Zweifel als zu überwindende Herausforderungen
Wahrhaftigkeit, Freiheit und Verantwortung – ein komplexes Beziehungsgeflecht
- Bindung der Freiheit an Verantwortung als Notwendigkeit für verträgliches soziales Zusammenleben
- Verantwortete Freiheitsnutzung als Gestaltungselement für neue Wirklichkeiten
- Gratwanderung und kontextgebundene Abstriche als hinzunehmende Tatbestände
- Beharrung und Flexibilität als Schlüsselelement und Hilfestellung für die Verbreitung neuer Ansätze
- Neue Ansätze als offene Türen zu tieferer Erkenntnis von Wahrheit und Wirklichkeit
Zu ziehende Schlussfolgerungen und sich ergebende Konsequenzen
- Wahrhaftigkeit, Freiheit, Verantwortung und die individuelle Ebene
- Entwicklungsstand, Wahrhaftigkeit, Freiheit und Verantwortung
- Verantwortliches Handeln der gesellschaftlichen Eliten im Kontext des komplexen Beziehungsgeflechtes
- Rückbindung des Handelns zu ethisch-moralischen Grundüberzeugungen
- Wahrhaftigkeit als letztlich freimachende Kraft
im menschlichen Lebenslauf
Gesamtzusammenfassung
Ergänzende Hintergrundbeiträge
Anhang
Jede menschliche Erkenntnis ist auf dem Weg durch die Zeit Stückwerk, bis sie letztlich geborgen ist in der Fülle des Wissens, die sich im reflektierten Glauben ansatzweise erschließt.
Vorwort
Wahrhaftigkeit ist eine in Verantwortung zu nutzende freimachende Kraft. Sie eröffnet den Zugang zu Wahrheit und vertiefter Erkenntnis, den Zugang zum Mitmenschen und zur Fülle des Erfassbaren, das in wahrgenommener Verantwortung der Gesellschaft nutzbar zu machen ist. Sich der aufgeworfenen Thematik zuzuwenden resultiert aus der Notwendigkeit zu einem hinreichend reflektierten Handeln, das geeignet erscheint, wissenschaftliches und kulturelles Ethos zu begründen, zu stärken und abzusichern.
Wir wenden uns nachfolgend deshalb den mit der Thematik verbundenen Einzelaspekten zu, um ein Mehr an Klarheit zu erlangen, unser ernsthaftes Bemühen um verantwortungsbewusstes Agieren zu dokumentieren, der Wissenschaft, den Mitmenschen und der Gesellschaft zu dienen und letztlich im Hinblick auf unser Wirken Rechenschaft abzulegen. Insoweit wird die eingenommene Grundhaltung zur kritischen Überprüfung offenbar und damit gewissermaßen Bilanz hinsichtlich der Wertigkeit des professionellen Bemühens gezogen.
Unsere Auseinandersetzung geschieht in vier Abschnitten mit jeweils fünf Einzelbetrachtungen.
- Im ersten Abschnitt setzen wir uns mit der Annäherung an Wahrheit und Wahrhaftigkeit auseinander.
- Der zweite Abschnitt geht auf die Zeitbezogenheit der Erkenntnis und die Annahme dieser Tatsache ein.
- Mit dem vorletzten Abschnitt betrachten wir das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen Wahrhaftigkeit, Freiheit und Verantwortung und
- beim letzten Abschnitt beschäftigen wir uns mit jenen aus unseren Überlegungen zu ziehenden Schlussfolgerungen und Konsequenzen.
Bei aller kritischen Betrachtung bleiben naturgemäß Fragen offen. Immerhin dürfte die vorliegende Positionsbeschreibung zum Nachdenken und zur Hinterfragung der eigenen Grundausrichtung anregen. Sie sollte insoweit geeignet sein, eine positive Wirkung zu entfalten, soweit man der Aufforderung zur Seriosität zustimmt, die auf Wahrheit, Wahrhaftigkeit sowie Verantwortung setzt und Freiheit im Interesse des Einzelnen und der Gesellschaft im Rahmen menschlicher Erkenntnisfähigkeit nutzt.
Bilanz zu ziehen ist Abschluss und Aufbruch zugleich. Hier wir einerseits der erreichte Erkenntnisstand dokumentiert und damit andererseits ein neuer Ausgangspunkt geschaffen, der Fortschritt im positiven Sinne begünstigen soll. An dieser Stelle setzt die Aufgabe der Leserin oder des Lesers ein, aus den nachfolgenden Ausführungen weiterführende Überlegungen anzustellen und eigene Konsequenzen für das individuelle Denken und Handeln zu ziehen.
Letztlich zählt im Handeln die gleichzeitige Wahrung von Professionalität, Legalität und Legitimität innerhalb des bestehenden Kontextes. Dieser ist Zwischenstufe auf dem Weg in die Zukunft und fußt auf den Erkenntnissen der Vergangenheit. Ohne Rückbindung zur bestehenden Erkenntnis und gleichzeitige Offenheit gegenüber der noch unklaren und nur in Umrissen zu erahnenden künftigen Wirklichkeit wird sich wünschenswerter Fortschritt und angestrebte kulturelle Entwicklung kaum bewerkstelligen lassen. Beides sei jedem Leser und jeder Leserin gegönnt.
All Jenen, die mich im Rahmen meiner bisherigen wissenschaftlichen Arbeit durch ihren Rat und den mit ihnen gepflegten Meinungsaustausch bereichert haben, danke ich an dieser Stelle herzlich. Möge das vorliegende Resultat meiner dargestellten Überlegungen auch für andere eine erfrischende Quelle und eine echte Bereicherung sein.
Fürth, im Sommer 2017
Prof. Dr. mult. Alfons Maria Schmidt
Annäherung an Wahrheit und Wahrhaftigkeit
Wahrheit, Wirklichkeit, Wahrhaftigkeit und die begrenzte menschliche Erkenntnis
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Wahrheit, Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit stehen zueinander in einem komplexen Beziehungsverhältnis. Idealtypisch zeigt sich im Rahmen der wahrgenommenen Wirklichkeit die Wahrheit des Seins und Wahrhaftigkeit steht für die mit der ethischen Angemessenheit in Übereinstimmung stehende Verhaltensweisen des oder der Handelnden in der jeweils konkreten Wirklichkeit des Alltags.
Wirklichkeit wahrnehmen, Wahrheit suchen und Wahrhaftigkeit zeigen wird somit zu einer permanenten Herausforderung, zu einer im Zeitenlauf nie endenden Aufgabe. Denn unser Erkennen ist augenblicksbestimmt, wenn auch auf der Grundlage von Erkenntnissen aus der Vergangenheit – einer Vergangenheit, die unter anderen Bestimmungsfaktoren stand, Bestimmungsfaktoren, die deutlich von den Gegebenheiten in der Gegenwart abweichen.
So sind wir gehalten, uns mit dem Inhalt von Wahrheit, Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit auseinander zu setzen, die Begrenztheit menschlichen Erkenntnisvermögens zu beleuchten, betrachtete Begrifflichkeit und menschliche Begrenztheit im Zusammenhang zu betrachten und daraus für künftiges Handeln hilfreiche Schlussfolgerungen und letzten Endes Konsequenzen zu ziehen.
Als gesellschaftlich in Raum und Zeit eingebundene Individuen sind wir dabei nur bedingt in der Lage, dem bestehenden Kontext zu entfliehen und zu grundlegenden Erkenntnissen von dauerhaftem Wert zu kommen. Ungeachtet dessen erscheint eine Auseinandersetzung mit der aufgeworfenen Thematik dennoch sinnvoll, um das Bewusstsein zu schärfen, Möglichkeiten und Grenzen zu erkennen und im Rahmen des Möglichen dennoch verantwortungsbewusst zu agieren.
Wir begeben uns insoweit auf eine Reise, die personale Entwicklung zum Ziel hat und individuell mit Aufwand und gewisser Mühe verbunden ist. Dafür lässt sich ein erweiterter Horizont erhoffen, der seinerseits einen neuen, verbesserten künftigen Ausgangspunkt darstellt. Schließlich wäre Stillstand in einer Zeit dynamischer Veränderungen als Rückschritt zu werten. Dieser hätte letztlich zur Folge, dass Interpretationen und Lösungskonzepte immer weniger mit den aktuellen Erfordernissen in Übereinstimmung zu bringen wären.
In unserer Betrachtung stützen wir uns auf ein deskriptives, logisch sich ableitendes Vorgehen ohne nähere empirische Untermauerung. Dies erscheint angesichts der angestrebten erhöhten Klarheit und grundlegenden Orientierung vertretbar. Wichtig erscheint allerdings der Hinweis darauf, dass unser Vorstoß nur zu einem Zwischenergebnis führen kann und weiterführender Bemühungen bedarf. Sie sind uns allen aufgebürdet.
Wahrheit, Wirklichkeit, Wahrhaftigkeit
Wer die Wahrheit erfassen will, der wird bald darauf stoßen, dass diese sich komplex gestaltet und einer umfassenden Durchdringung entzieht. Sie wird aus individueller Sicht nicht zuletzt mittels bestehender Vorprägungen interpretiert und damit gedeutet. Wenn sich dabei eine Übereinstimmung der bestehenden Grundorientierung und der Interpretation des Wahrgenommenen ergibt, so erscheint dies zwangsläufig.
Dies kann allerdings auch als eine Verfälschung der objektiven Gegebenheiten, d.h. der Wirklichkeit, angesehen werden. Sie kann von einer marginalen Abweichung bis hin zu einer Scheinwirklichkeit reichen, die subjektiv als wahr erfasst, jedoch mit der bestehenden Wirklichkeit kaum noch Deckungsgleichheit aufweist. Subjektives für Wahr halten und objektive Wirklichkeit sind insoweit unterschiedliche Tatbestände, die aus Gründen eines angestrebten verantwortungsbewussten Agierens fortlaufend einer kritisch reflexiven Hinterfragung bedürfen.
Aus dem was subjektiv als Wahrheit erfasst wurde und der bestehenden individuellen, gesellschaftlich mitbestimmten Grundorientierung erwächst ein persönlich empfundener Handlungsauftrag, der die Person des Einzelnen kennzeichnet und sich darum bemüht, personale Identität zu stärken und im Handeln subjektiv geprägte Wahrhaftigkeit zu zeigen. Auch diese ist nicht einfach gleich zu setzen mit jener, von der Gesellschaft als solche anerkannte Wahrhaftigkeit.
Wahrheit, Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit lassen sich insoweit aus subjektiver und objektiver Sicht differenzieren und die dazwischen sich ausbreitende Diskrepanz kann als permanente Quelle für Missverständnissen und divergierende Einschätzungen angesehen werden. Abweichender Handlungsbedarf und unterschiedliche Prioritätensetzungen zeigen sich als Konsequenzen aus der jeweils individuellen, ohne hinreichende Reflexion stark subjektiv geprägten Wahrnehmung.
Damit wird Wahrheit, Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit zu einer immer wieder neuen Herausforderung für den Einzelnen, aber auch für soziale Gebilde, die bemüht sind, Individuen zu integrieren und unter ihnen ein friedvolles konstruktives Miteinander zu erreichen, das seinerseits dem Einzelnen erforderlichen Freiraum eröffnet, und gleichzeitig sowohl Maßstäbe setzt, als auch Sicherheit und Rückhalt bietet.
Begrenzte menschliche Erkenntnis
Wenn wir Wahrheit, Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit unter dem Aspekt der Begrenztheit menschlicher Erkenntnis und menschlichen Erkenntnisvermögens betrachten, so wird uns bewusst, dass heutige Einschätzungen zu bestehenden Gegebenheiten jeweils zeitgebunden und damit im Zeitablauf veränderungsmöglich und veränderungsnotwendig erscheinen. Denn die Augenblickseinschätzung fußt auf den im Entscheidungszeitpunkt vom Entscheidungsträger wahrgenommenen Informationen.
Ursache der Begrenztheit menschlicher Erkenntnis ist nicht zuletzt auch die Tatsache, dass jeder von uns in Zeit und Raum hineingeboren wurde, sich auf der Grundlage bestehender Wertmaßstäbe, Erkenntnisse, Rahmenbedingungen und Perspektiven entfaltet und kontextbeeinflusst Fragestellungen nachgeht, andere Spuren aber vernachlässigt. Begrenztheit ist hier nicht zuletzt dem Phänomen geschuldet, dass sich die Fülle des Wissens und der Erkenntnis, sowie der bestehenden Zusammenhänge für den Menschen angesichts der bestehenden Komplexität einer vollständigen Erfassung entziehen.
Auch die Grenzen menschlichen Aufnahme- und Verarbeitungsvermögens beschränken die individuelle Erfassbarkeit des Seienden, wie sich nicht zuletzt aus dem fortlaufenden Wandel eine Grenze des Leistbaren ergibt. Insoweit können wir von objektiv und subjektiv bestimmten Faktoren, die für Begrenztheit ausschlaggebend sind, sprechen und sind gehalten, subjektiv erlangte Positionen als Versuch einer Annäherung an das Bestehende zu betrachten.
In der bestehenden Begrenztheit ist die Gefahr einer Fehleinschätzung und Fehlinterpretation verborgen, wie auch ein Folgen falscher Spuren, unzureichender Reflexion und vorurteilsbehafteter Ausrichtung bei der Suche nach der Wahrheit. All dies lässt hinreichende Vorsicht geraten erscheinen, aber auch die Bereitschaft, bei neu auftauchenden Informationen die erlangte Einsicht einer erneuten Überprüfung zu unterziehen, um ein Fehlurteil auszuschließen.
Begrenztheit menschlicher Erkenntnis und menschlichen Erkenntnisvermögens setzt verantwortungsbewusst Handelnde insoweit unter fortdauernden Rechtfertigungszwang und Anpassungsdruck, zumindest sofern sich das für wahr erachtete Bild wandelt und die bestehende Wirklichkeit in einem veränderten und damit neuen Lichte erscheint. Begrenztheit menschlicher Erkenntnis ist insoweit eine Herausforderung und eine den Entscheidungsprozess überdauernde Aufgabe.
Betrachtete Begrifflichkeit und menschliche Begrenztheit
Wenn wir nun Wahrheit, Wirklichkeit, Wahrhaftigkeit und menschliche Begrenztheit im Zusammenhang betrachten, so wird uns zwangsläufig und unübersehbar bewusst, dass
- subjektiv erfasste und bewusst aufgenommene Wahrheit nicht zwangsläufig mit der objektiv bestehenden Wirklichkeit in voller Übereinstimmung steht,
- individuelle Entscheidungen und nachfolgende Handlungsweisen zwar in sich schlüssig und begründet erscheinen können, aber dennoch an der Angemessenheit und den Erfordernissen vorbei gehen können,
- insoweit kann und darf Wahrhaftigkeit sich nicht nur auf die gewonnene Überzeugung stützen, sondern muss immer auch die Möglichkeit der Fehleinschätzung in Erwägung ziehen und
- die Bereitschaft zeigen, durch aktives Bemühen um ein Höchstmaß an Gerechtigkeit Schaden abzuwenden und diesen notfalls im Rahmen des Möglichen zu korrigieren.
Fortbestand von Fehlentscheidungen ist letztlich für alle Betroffenen eine mehr oder weniger stark wahrgenommene Belastung. Besonders deutlich wird dies bei Fehlurteilen im Rahmen der Rechtspflege, aber auch im Rahmen von Verwaltungsakten, die nach rein formalen Gesichtspunkten und ohne hinreichende oder sachkundige Berücksichtigung des jeweilig Inhaltlichen, bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Professionalität, Legalität sowie Legitimität, erfolgen.
Unterschiedliche subjektive Wahrheiten und abweichend wahrgenommene Wirklichkeiten drängen danach, Ungereimtheiten der Einschätzung zu hinterfragen und Klärungen herbei zu führen. Sie drängen danach, ein Höchstmaß an Übereinstimmung anzustreben und dennoch haben wir anzuerkennen, dass auch dann noch die Gefahr des Irrtums sowie des Fehlurteils besteht.
Hier ringen der Wunsch nach Klarheit und Eindeutigkeit, sowie abschließender Entscheidung mit der Angemessenheit des Handels angesichts der real gegebenen, nicht immer umfassend erkennbaren oder durch voreingenommene Sichtweisen und Wertungen fehlinterpretierten objektiv gegebenen realen Wirklichkeit. Wahrhaftigkeit ist in diesem Zusammenhang zwar ein Indiz für verantwortliches Handeln, es kann aber nicht ausschließen, dass sich das Urteil auf falschen Grundlagen gebildet hat und insoweit falsch ist.
Dennoch haben wir anzuerkennen, dass immer wieder – ungeachtet des möglichen Fehlurteils – die Notwendigkeit zur Urteilsbildung und Entscheidung besteht und insoweit sowohl in getroffenen Entscheidungen, wie auch in der Verweigerung von Entscheidungen ein reales Schuldrisiko steckt, das zwar bekämpft werden kann und auch muss, aber kaum vollständig zu eliminieren ist. Wiederum zeigt sich hier die Permanenz der Herausforderung, die es anzunehmen gilt.
Schlussfolgerungen aus vorstehender Betrachtung
Als Schlussfolgerung aus vorstehender Betrachtung können wir eine Reihe von Faktoren ins Blickfeld rücken, die bei ethisch-moralischer Bindung des Handelns besondere Aufmerksamkeit verdienen. In erster Linie erscheinen nennenswert
- die Bereitschaft und der Antrieb zur Selbstreflexion, zur Prüfung alternativer Positionen und Berücksichtigung kreativer Bewältigungsstrategien,
- die Fähigkeit und Mühe, sich der Herausforderung der kritischen Prüfung fortlaufend zu stellen, sowie
- die nicht nachlassende Beharrlichkeit und das Durchhaltevermögen im jeweiligen Zeitablauf.
Ohne Bereitschaft und Antrieb findet kaum Bewegung statt, ohne Fähigkeit und aufgewandte Mühe ebenso wenig. Ein Nachlassen lässt positive Ansätze verkümmern und punktuelle Korrekturen verlieren mit der Zeit an Relevanz und Angemessenheit. So muss im Endergebnis davon ausgegangen werden, dass der Einzelne gefordert ist, sich seiner Verantwortung fortlaufend zu stellen und daraus Konsequenzen für sein Denken und Handeln zu ziehen.
Fehlende Bereitschaft und Antrieb können vielfältige Ursachen haben und auch die Fähigkeit und Mühe können fehlen, sich der Aufgabe zuzuwenden. Damit erübrigt sich gegebenenfalls die Frage nach der Beharrlichkeit und dem Durchhaltevermögen. Es fehlt schließlich der Aufbruch, sowie das Wissen, das Können und das Wollen. Eingenommene Positionen sind dann unreflektiert und vorurteilsbestimmt und damit in der Gefahr, von den realen Gegebenheiten und Erfordernissen abzuweichen.
Zwar ist emotionale Befindlichkeit Teil menschlicher Existenz, doch im Rahmen der Sicherung der Angemessenheit der Einschätzungen und der Entscheidungen ist in erster Linie Rationalität und ein verantwortungsbewusster Umgang mit der Wirklichkeit gefordert. Einseitig emotionale Ausrichtung die nicht selten verknüpft ist mit dem Zeitgeist und dem Herdentrieb erweist sich hier kaum als hilfreich und lässt letztlich – wie in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts unverkennbar deutlich wurde – alle zu Verlierern werden.
Hier können wir unbesehen Querverbindungen ziehen zu den aktuellen politischen Tendenzen und Entwicklungen im Lande und darüber hinaus, der Sehnsucht nach einfachen Antworten, der einseitigen Wunschorientierung und der Ausblendung von Teilen der Wirklichkeit. Doch Träume als Zielvorstellungen ohne Berücksichtigung von realen Einflussfaktoren, Zusammenhängen und Verantwortlichkeiten als Maßstab zu verfolgen erscheint mehr als fragwürdig und ist insoweit abzulehnen.
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Wir können festhalten, dass Wahrheit sich objektiv, aber auch subjektiv präsentiert, nur die objektiven Gegebenheiten und Zusammenhänge die Wirklichkeit wiederspiegeln, die allerdings durch Menschen nicht vollständig zu erfassen und zu verarbeiten sind. Wahrhaftigkeit steht für die Übereinstimmung von Überzeugungen, Entscheidungen und Verhalten. Diese kann wohl auch gegeben sein, ohne dass eine Angemessenheit gegenüber der realen Wirklichkeit besteht.
Schuld daran ist die menschliche Unzulänglichkeit, die einerseits objektiv gegeben, andererseits auf individuelles Fehlverhalten bzw. unzureichende intellektuelle Fähigkeiten oder Faulheit zurückzuführen ist. Hier wird Bildung, Reflexion, Abwägen und Ringen zu einer zwingenden Notwendigkeit, um ein Auseinanderbrechen der Gesellschaft und damit zwangsläufig verbundene negative Konsequenzen zu verhindern.
Es gilt insoweit, die Zusammenhänge zu erfassen und angemessen zu berücksichtigen. Es gilt, im positiven Sinne und in Verantwortung Entwicklung mit zu gestalten, eine Entwicklung, die mitnimmt und nicht ausgrenzt, die legitime Interessen und Bedürfnisse berücksichtigt und insoweit Menschen ernst nimmt, auch wenn diese zunächst nicht nachvollziehbare Positionen einnehmen. Allerdings gelten weiterhin die Grenzen, die sich aus der Grundorientierung der Gesellschaft ergeben und die unmissverständlich im Grundgesetz der Bundesrepublik verankert sind.
In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass keine Toleranz gegenüber der Intoleranz und der Verletzung von Menschenrechten bestehen darf, dass permanentes Bemühen um Angemessenheit des Handelns einzufordern ist und dass im Zuge der sich ergebenden Entwicklung auch jene nicht zurückgelassen werden dürfen, die Probleme mit dem Verständnis der Gegebenheiten und der Zusammenhängen haben und von daher Abwehr- und Widerstandspositionen – gewissermaßen als subjektiv gerechtfertigt erscheinende Schutzmaßnahme gegenüber der unerwünschten Wirklichkeit – einnehmen.
Entscheidend ist hier, inwieweit seitens der Eliten die vorstehend skizzierten Aufgaben in geistiger Flexibilität angegangen, angenommen und erfolgreich gehandhabt werden, inwieweit es gelingt, den gesellschaftlichen Grundkonsens zu bewahren und damit die zwingende Voraussetzung für eine positive Entwicklung der Gesellschaft zu sichern.
Sich einrichten als pragmatische Scheinlösung aus Bequemlichkeit?
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Sich bequem einzurichten und mit den gegebenen Machtstrukturen und Einflüssen zu arrangieren zeigt sich heute als partiell verständliche, aber langfristig kaum entwicklungspolitisch erfolgversprechende Option zur Bewältigung der im Zusammenhang mit Wahrheit, Wirklichkeit, Wahrhaftigkeit und menschlicher Begrenztheit bestehenden Problematik. Bequemlichkeit ist hier vielmehr als eine unbefriedigende pragmatisch genutzte Scheinlösung einzuschätzen.
So macht es Sinn, das sich Einrichten als Handlungsmuster näher zu betrachten und einer kritischen Reflexion zu unterziehen, die bestehende Alternative dem gegenüber zu stellen, auf jene beim Einzelnen wirkenden verhaltensbestimmende Elemente einzugehen sowie subjektive und objektive Gegebenheiten und Auswirkungen zu beleuchten. Dies soll dazu dienen, den realen Wert eines sich Einrichtens zu erkennen und aus dieser gewonnenen Klarheit angemessenes künftiges Handeln zu bestimmen.
Mit dieser Betrachtung bewegen wir uns im Hier und Jetzt. Wir sind allerdings dazu aufgefordert, uns immer wieder neu unter Berücksichtigung der bestehenden Entwicklungen und Erkenntnisse selbst auf den Prüfstand zu stellen, Tatbestände, Positionen, Einflüsse und Perspektiven zu hinterfragen und unser Wirken unter Berücksichtigung ethisch-moralischer Kategorien vor uns selbst und anderen zu rechtfertigen.
Mit dieser Reflexion verbunden ist die Bestimmung unseres Selbstverständnisses und unseres Verhältnisses zu den Mitmenschen. Dies geschieht eingedenk der Tatsache, dass wir von anderen ebenso abhängig und auf sie angewiesen sind wie diese letztlich von uns. Sich einrichten und Entwicklungen einfach geschehen zu lassen wäre letztlich gleich zu setzen mit der Weigerung, einen Beitrag zur positiven Fortentwicklung des Bestehenden zu leisten und damit die gegenüber dem Gemeinwesen bestehend Mitverantwortung abzulehnen.
Wenden wir uns also der angesprochenen Themenstellung in der Hoffnung zu, durch ein Mehr an Erkenntnis individuelle Entwicklung zu befördern und damit für uns selbst und andere Gewinn zu schaffen, der stärkt, Hoffnung gibt und Zuversicht erwachsen lässt, der eine positive Grundausrichtung befördert und dadurch immer wieder neu den Aufbruch zu neuen Ufern begünstigt. Im Anstoß zum Mitdenken und zu weiterführenden Schritten liegt faktisch Perspektive, in Selbstgenügsamkeit Stillstand.
Sich im Bestehenden einzurichten als Handlungsmöglichkeit
Im Bestehenden sich einzurichten gilt als eine der bestehenden alternativen Handlungsmöglichkeiten. Sie ist gekennzeichnet durch den Tatbestand, einer Genügsamkeit gegenüber den Gegebenheiten und einem Hinnehmen der Zumutungen der Lebensumwelt. Sie ist verbunden mit dem Phänomen, dass das Verbesserungsstreben entfällt und damit eine Rückbindung zur vergangenheitsbestimmten Verhältnissen Priorität gewinnt.
Passivität mag möglicherweise durchaus bequem sein, hat aber den Nachteil, keine Spuren zu hinterlassen. Man ist Getriebener und nicht Treibender, mehr Erduldender als ein Gestaltender. Damit wird jener Teil menschlicher Bestimmung vernachlässigt, der sich mit Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung beschrieben ist. Er steht gleichberechtigt neben der Notwendigkeit zur Rückbindung zu sozialen Gebilden, die fordern und fördern, die Maßstäbe als Orientierungsgrößen, sowie Rückhalt und individuelle Sicherheit bieten.
Ist nicht das sich Einrichten Folgewirkung befürchteten repressiven Verhaltens von Mächtigeren bei unangepasster Positionierung? Ist es nicht Selbstbeschränkung und Leben auf Sparflamme und einer Verweigerung, den möglichen individuellen Beitrag zum Fortschritt zu leisten? Üblicherweise werden bei Angepassten vorstehende Fragen kaum bedacht und bleiben insoweit auch meist unbeantwortet.
Ungeachtet dessen haben wir, die wir uns unserer Mitverantwortung für das Gemeinwesen bewusst sind, darauf hinzuwirken, dass kein Stillstand in der Entwicklung erfolgt, damit wir uns nicht rückwärtsgewandt hinter den Erfordernissen der Gegenwart und Zukunft positionieren, Konkurrenz- und Zukunftsfähigkeit verlieren und damit die sich fortlaufend verändernde Zeit über uns hinweggeht.
Sich im Vertrauten einzurichten erscheint nicht grundlegend schlecht. Allerdings erscheint auch hier das rechte Maß an Beständigkeit und Aufbruch, an Ruhe und Engagement gefordert, das einen Gleichklang mit den Entwicklungen in der Lebensumwelt ermöglicht und damit dazu verhilft, in der gegebenen Zeit Akzente zu setzen und Beiträge zu leisten, die nicht nur für die jeweils betroffene Person einen Gewinn darstellen.
Alternatives Handlungskonzept
Als alternatives Handlungskonzept steht dem die kritische Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten gegenüber. Diese setzt darauf, durch individuelles Handeln und Beeinflussen Veränderungen herbei zu führen, die sich als Verbesserungen gegenüber dem Bestehenden erweisen sollen. Dies ist eine durchaus hinreichende Legitimation für den Aufbruch, auch wenn sich der angestrebte mögliche Erfolg jeweils erst in der Zukunft zeigen dürfte.
Wie beim Beharren und Einordnen ergeben sich auch bei der Beeinflussung und dem Veränderungsstreben Gefahrenpotentiale. Dies macht es umso bedeutsamer, durch hinreichende Reflexion das Für und Wider der jeweilig bestehenden alternativen Positionen zu prüfen und aus der Abwägung heraus ein verantwortungsbewusstes Verhalten an den Tag zu legen, das im Rahmen des Möglichen die absehbaren Konsequenzen aufzeigt und absehbare Folgewirkungen abschätzt.
Offenheit gegenüber alternativen Vorgehensweisen steht hier dem kritiklosen Bestehen auf tradierten Konzepten gegenüber. Auch wenn das Neue nicht immer das Bessere darstellt, bietet doch die Bereitschaft für Entwicklung bei hinreichender kritischer Reflexion und ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein den Vorzug, eine mögliche Verbesserung zuzulassen und dadurch dem echten Fortschritt zu dienen.
Letztlich gilt es allerdings, an den Grundwerten festzuhalten, das Bewährte zu bewahren und dennoch gegenüber der Zukunft, sowie den sie prägenden Erfordernissen, Herausforderungen, Rahmenbedingungen aber auch Grenzen aufgeschlossen zu sein. Ohne fortlaufende Prüfung der eigenen Position, der ihr zugrundeliegenden Annahmen und Perspektiven wird dies nicht zielführend erfolgen können.
Das alternative Handlungskonzept setzt insoweit auf die Kraft des Geistes und nicht auf eine unkritisch übernommene Tradition. Sie setzt auf Anstrengung und stetes Bemühen und nicht auf die Abwicklung formal vorgegebener Vorgänge, auf die Einheit von Denken und Tun und nicht auf deren Trennung und eine Abschiebung der Verantwortung, welche nur kurzfristig Erleichterung bietet und längerfristig Nachteil schafft.
Verhaltensbestimmende Elemente
Eine nähere Betrachtung der verhaltensbestimmenden Elemente erscheint hier durchaus geboten, stößt aber angesichts der Differenziertheit der Individuen und der sie bestimmenden Faktoren auf deutliche Schwierigkeiten. Dennoch lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass
- die individuellen Anlagen und die sich ausprägende Grundorientierung für das personale Verhalten jeweils eine hohe Bedeutung besitzt,
- der vorhandene Zeitgeist und das konkret bestehende Umfeld nicht unmaßgeblichen Einfluss ausübt,
- der Stellenwert der Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung gegenüber der Rückbindung zu sozialen Gebilden ebenfalls zählt,
- persönliche Werte, Ziele und Interessen eine Zuneigung zu vermeintlicher Sicherheit oder zu erfolgreicher Fortentwicklung begünstigen.
Verhaltensbestimmende Elemente liegen insoweit einerseits in den verfügbaren Potentialen, der Einfluss ausübenden Historie und der Gegenwart, dem individuellen Sein, das sich in Auseinandersetzung mit anderen bildet und dem subjektiv bewerteten Sinn, der sich aus dem eigenen Tun oder Unterlassen auf der Grundlage von Werten, die als richtig und gerechtfertigt angenommen wurden, ergibt.
Neben dem Vorgenannten dürfen hier nicht die bestehenden Entfaltungsspielräume und Handlungsmöglichkeiten, aber auch die Erfolgswahrscheinlichkeit sowie der zu betreibende Aufwand vernachlässigt werden. Während die Entfaltungsspielräume und Handlungsmöglichkeiten das Aktionsfeld skizzieren, stellen die Erfolgswahrscheinlichkeit und der zu betreibende Aufwand auf den Prozess und das Ergebnis ab.
Idealtypisch ergibt sich ein erfolgsbegünstigendes Umfeld, hilfreich wirksame Rahmenbedingungen, sowie ein ausgeprägtes individuelles Streben, das ergebnisoffen darum bemüht ist, Verbesserungen herbei zu führen und dadurch Spuren zu hinterlassen, welche die eigene Existenz nicht einfach als Zufallsprodukt begreift, sondern als Teil einer evolutionären Entwicklung zum Besseren hin.
Die Differenziertheit der Individuen, die sich nur in ihrem konkreten Kontext begreifen lassen, erschwert es uns, auf der individuellen Ebene zu aussagekräftigen Prognosen zu kommen. Dennoch lassen sich entwicklungsbegünstigende, aber auch entwicklungsabwehrende Einflussfaktoren identifizieren, die allerdings durch punktuelle gravierende Ereignisse und Erlebnisse relativiert werden können.
Subjektive und objektive Gegebenheiten und Auswirkungen
Wenn wir unter Berücksichtigung des Vorstehenden die bestehenden Gegebenheiten und absehbaren Auswirkungen hinterfragen, so ist zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven zu differenzieren, wobei die umfassende Berücksichtigung des Objektiven sich dem Handelnden alleine schon aus Gründen der Komplexität des Bestehenden und der sich ergebenden Wechselwirkungen entzieht.
Wir sind hier gehalten, uns durch Intersubjektivität von der Ebene des Subjektiven zu lösen und uns in Richtung des Objektiven zu bewegen, auch wenn wir dieses nicht gänzlich erreichen werden. Auch nicht einfacher tun wir uns mit den subjektiven Gegebenheiten, da unser Erkennen des individuellen Seins ebenfalls begrenzt, damit das vorausschauende Durchdringen künftig bestehender Verhältnisse beschränkt und damit nur ansatzweise möglich ist.
Entscheidendes Moment für den bestmöglichen Umgang mit Wahrheit und Wirklichkeit und dem Verfolgen von individueller Wahrhaftigkeit in Verantwortung dürfte die fortlaufend erneute Selbstverpflichtung des Einzelnen und seine konkret wirksame Wertbindung sein. Sie zu bestimmen und an ihr festzuhalten ist essentiell für die konkrete Ausprägung der Individualität und des personalen Seins.
In der Praxis dürften sich hier immer wieder Prioritätsentscheidungen ergeben. Sie sind eine Konzession an die Begrenztheit des Menschen und seiner Möglichkeiten. Dies darf allerdings nicht als Rechtfertigung dafür gelten, die Dinge treiben zu lassen und sich wie ein Blatt auf dem Wasser dem Spiel der Kräfte zu überantworten. Individuelle Mitverantwortung wäre damit ausgeklammert und Schicksal als überragende Größe festgeschrieben.
Insoweit gilt es die Grenzen auszuloten und individuell Akzente zu setzen. Es gilt unter Anerkennung der dem Menschen gesetzten Grenzen und seiner Einordnung in Raum und Zeit Aktivität dort zu entfalten, wo diese sinnvoll und erfolgsträchtig erscheint oder aus Gründen der Stärkung wertbezogener Ausrichtung geboten ist. Nur der Vollständigkeit halber sei hier darauf verwiesen, dass auch die Wertorientierung einer fortlaufenden Überprüfung bedarf.
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Wir können also festhalten, dass Wahrheit sich objektiv, aber auch subjektiv präsentiert, nur die objektiven Gegebenheiten und Zusammenhänge die Wirklichkeit wiederspiegeln, die allerdings durch Menschen nicht vollständig zu erfassen und zu verarbeiten sind. Wahrhaftigkeit steht für die Übereinstimmung von Überzeugungen, Entscheidungen und Verhalten. Diese kann wohl auch gegeben sein, ohne dass eine Angemessenheit gegenüber der realen Wirklichkeit besteht.
Schuld daran ist die menschliche Unzulänglichkeit, die einerseits objektiv gegeben, andererseits auf individuelles Fehlverhalten bzw. unzureichende intellektuelle Fähigkeiten oder Faulheit zurückzuführen ist. Hier wird Bildung, Reflexion, Abwägen und Ringen zu einem zwingenden Erfordernis, um ein Auseinanderbrechen der Gesellschaft und damit zwangsläufig verbundene negative Konsequenzen zu verhindern.
Es gilt also, die Zusammenhänge zu erfassen und angemessen zu berücksichtigen. Es gilt, im positiven Sinne und in Verantwortung Entwicklung zu gestalten, die mitnimmt und nicht ausgrenzt, die legitime Interessen und Bedürfnisse berücksichtigt und insoweit Menschen ernst nimmt, auch wenn diese zunächst nicht nachvollziehbare Positionen einnehmen. Allerdings gelten fürderhin die Grenzen, die sich aus der Grundorientierung der Gesellschaft ergeben und die unmissverständlich im Grundgesetz verankert sind.
In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass keine Toleranz gegenüber der Intoleranz und der Verletzung von Menschenrechten bestehen darf, dass permanentes Bemühen um Angemessenheit des Handelns einzufordern ist und dass im Zuge der sich ergebenden Entwicklung auch jene mitzunehmen sind, die Probleme mit dem Verständnis der Gegebenheiten und der Zusammenhängen haben und von daher Abwehr- und Widerstandspositionen – gewissermaßen als subjektiv gerechtfertigt erscheinende Schutzmaßnahme gegenüber der unerwünschten Wirklichkeit – einnehmen.
Entscheidend erscheint hier, inwieweit seitens der Eliten die vorstehend skizzierten Aufgaben in geistiger Flexibilität angegangen, angenommen und erfolgreich gehandhabt werden, inwieweit es gelingt, den gesellschaftlichen Grundkonsens zu bewahren und damit die zwingende Voraussetzung für eine positive Entwicklung der Gesellschaft zu sichern. Eine davon abweichende Entwicklung würde letztlich sowohl auf individueller, gesellschaftlicher, aber auch internationaler Ebene zu unvertretbaren Zuständen führen, die es zu verhindern gilt.
Erforderliche Permanenz des Bemühens um das Verschieben der Grenzen der Erkenntnis als wissenschaftliche Aufgabe
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Wissenschaft ist um Erkenntnisfortschritt bemüht. Sie ist darauf hin angelegt, die heute vorhandenen Grenzen des Bekannten zu verschieben und aus neu gewonnenen Erkenntnissen ein höheres Maß an Durchdringung und Verstehen der realen Wirklichkeit zu ermöglichen. Angesichts menschlicher Unvollkommenheit ist dieses Bemühen allerdings jeweils Stückwerk und eine permanent bestehende Herausforderung, der sich zu stellen dem Wissenschaftler – und nicht nur ihm oder ihr – aufgebürdet ist.
Dies führt zur Notwendigkeit, im Rahmen wissenschaftlichen Handelns nicht dabei nachzulassen, in Freiheit und Verantwortung neue Wege zu gehen und aus der Vielfalt der Ideen und Ansätze in der Erkenntnis zu wachsen. Dies dient einerseits der vorübergehenden Befriedigung der individuellen Neugierde ebenso, wie der Erweiterung des Wissens und Könnens, dem Erkennen von Zusammenhängen und der Hilfe bei der angemessenen Gestaltung des künftigen Gemeinwesens.
Erforderliche Permanenz im Rahmen des Bemühens um das Verschieben der Grenzen der Erkenntnis steht insoweit immer für ein Hinterfragen des für allgemein wahr Erachteten. Es steht für die Herausforderung, sich nicht mit dem bestehenden Erkenntnisstand zufrieden zu geben und insoweit das Tradierte als Ausgangspunkt des individuellen Bemühens zu begreifen und nicht als Ende der Entwicklung.
Nachfolgend wenden wir uns der Wissenschaft und deren Aufgabe zu. Wir gehen sodann auf die zeit- und kontextgebundene Erkenntnis als Ausgangspunkt näher ein, betrachten die Zielperspektive, die Permanenz und die realistische Erwartung und thematisieren die Differenziertheit der Ansätze sowie die Erneuerung des Denkens als Lösung. Dies erscheint uns als ein realistischer Lösungsansatz der uns zu neuen weiter entwickelten Ausgangspunkten führt.
Unsere Auseinandersetzung soll uns dabei helfen, mehr zu erkennen und tiefer zu verstehen. Sie soll uns gleichzeitig ermutigen, uns unserer Verantwortung zu stellen und aus dem fortgesetzten Bemühen letztlich Gewinn zu ziehen – einen nicht nur individuellen Gewinn, sondern einen Gewinn auch für andere und unsere Gesellschaft. Damit dürften wir unserer Bestimmung als Mensch und Wissenschaftler gerecht werden und die uns anvertrauten Talente angemessen nutzen.
Wissenschaft und deren Aufgabe
Wissenschaft „ist der Inbegriff der Gesamtheit menschlichen Wissens der Erkenntnisse und Erfahrungen einer Zeitepoche, welches systematisch gesammelt, aufbewahrt, gelehrt und tradiert wird.“ (Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl., Mannheim, 1994) In ihr wird der Versuch unternommen, Gegebenheiten und Zusammenhänge zu ergründen und daraus Hilfestellungen für die Bewältigung des Lebens zu geben.
Angesichts der evolutionären Entwicklung und des Fortschritts in der Erkenntnis wäre ein Stillstand und ein Beharren auf einem früheren Erkenntnisstand ein kontraproduktives Unterfangen, da neuere Erkenntnisse nicht in den auf die Zukunft ausgerichteten Gestaltungsprozess in der Gegenwart einfließen würden. Mit der Entwicklung verbunden ist zwangsläufig
- das Zulassen von Erkenntnisfortschritt,
- die kritische Reflexion über neuere Erkenntnisse,
- das Prüfen alternativer Ansätze und Verknüpfungen, sowie ggf.
- die Revision bestehender tradierter Positionen.
Freiheit des Denkens, geistige Flexibilität und intellektuelle Leistungsfähigkeit sind hier entscheidende Voraussetzungen für Erkenntnisfortschritt, der seinerseits eine Vorstufe für die gesellschaftliche Entwicklung darstellt. Diese soll letztlich zu einer neuen Qualität des Lebens und zum tieferen Erfassen der bestehenden Wirklichkeit führen und damit dem Einzelnen und der Gemeinschaft Erleichterung schaffen.
Kennzeichnend für Wissenschaft ist die Vielfalt der Fragestellungen, Ansätze, Vorgehensweisen und Ergebnisinterpretationen. Sie sind als kontextgebundene Gegebenheiten zu begreifen und zu verstehen, also als Zwischenergebnisse auf dem Weg in die Zukunft. Damit sind die Erkenntnisse unvollkommen und entwicklungsbedürftig. Sie sind eine Momentaufnahme, die sich der umfassenden Wirklichkeit anzunähern versucht.
Eine Wissenschaft die rückwärtsgewandt aufgestellt ist und sich darum bemüht Ruhe und Gemächlichkeit zu bewahren, verliert ihren Wesenskern – das Streben um die Erweiterung der Erkenntnis, die nicht immer in bisherige Denkmuster passt und mit den vorhandenen Erwartungen von Entscheidungsträgern und Funktionsinhabern übereinstimmt. Dass sich aus dieser Tatsache Konflikte ergeben können, sei hier nur angedeutet.
Im Vordergrund stehen Werte wie Eindeutigkeit, Transparenz, Objektivität, Überprüfbarkeit, Verlässlichkeit, Offenheit und Redlichkeit, sowie Neuigkeit. Diese gelten als nicht aufgebbare Wesensmerkmale von Wissenschaft und sind gleichzeitig Qualitätsmerkmal und Legitimation für den erhobenen Anspruch auf wertschätzende Anerkennung und angemessene Berücksichtigung im Rahmen des sich vollziehenden Handelns.
Kontextgebundene Erkenntnis als Ausgangspunkt
Vorstehend haben wir die Kontextgebundenheit der Erkenntnis angesprochen. Sie stellt für uns auf der Grundlage des bestehenden Wissensbestandes den Ausgangspunkt für zukunftsgerichtete Bemühungen dar. Kontext steht hier für Zeit und Ort. Dahinter verbirgt sich nicht nur die Einordnung in den Zeitablauf, sondern auch der Bezug zur jeweiligen Kultur, die ihre spezifische sich verändernde Ausprägung besitzt. Damit erübrigt sich ein dauerhafter Absolutheitsanspruch. Er kann als obsolet betrachtet werden.
Wir sind also gehalten, uns des bislang erreichten Erkenntnisstandes zu vergewissern, bestehende Rahmenbedingungen und Herausforderungen in unsere Überlegungen einzubeziehen und mit der Perspektive auf die Zukunft hin nach angemessenen Antworten zu suchen, die in sich schlüssig und einsichtig sind, bei denen angesichts einer möglichen Bindung an bisherige Antworten und Lösungskonzepte eine vermittlungsnotwendige Einsicht möglicherweise allerdings erst noch geschaffen werden muss.
Sowohl bei den Bestimmungsfaktoren der Zeit wie denen der regionalen Kultur sind divergierende Wahrnehmungen und Interpretationen möglich, die den Konsens behindern. Da wird man nicht umhinkommen, rational begründete Antworten zu finden, die zwar die emotionale Seite des Menschen berücksichtigen, sich aber nicht von den Gefühlen leiten lassen, die in hohem Maße stimmungs- und einflussabhängig bestimmt sein können.
Kontextgebundene Aussage sind zwar gegenüber der umfassenderen Wirklichkeit beschränkt in ihrer Aussagekraft, dafür aber aussagekräftig hinsichtlich der zu Grunde gelegten Annahmen, der berücksichtigten Faktoren und Beziehungsverhältnisse, sowie der eingesetzten Methoden. Über die Nachvollziehbarkeit, die eine Überprüfung ermöglicht, lässt sich so der faktische Wert der vermittelten Erkenntnisse erschließen.
Damit stehen das fortlaufende Hinterfragen von Aussagen und die Sicherung der Intersubjektivität im Rampenlicht. Beides zu gewährleisten schafft Vertrauen und sichert Seriosität im Rahmen des Möglichen. Beides trägt aber auch dazu bei, sich nicht in Überheblichkeit abzusetzen und Erläuterungswünsche und kritische Anfragen – aus einer vermeintlichen Überlegenheit heraus – einfach abzutun.
Zielperspektive, Permanenz und realistische Erwartung
Als Zielperspektive ergibt sich insoweit der nie ganz sich erfüllende Wunsch, die Wirklichkeit in ihrer Komplexität zu durchdringen und zur Fülle des Wissens über die objektiven Gegebenheiten zu gelangen. Realistisch ist dem gegenüber, den heutigen Erkenntnisstand auszubauen und zu bereichern und aus dem Zugewinn an Wissen und Einsicht ein höheres Niveau der Evolution zu erreichen.
Umfassendes Wissen und Erkennen würde faktisch die göttliche Vollkommenheit – die bei uns Menschen nicht gegeben ist – voraussetzen. Insoweit bedarf es der Permanenz des Bemühens um Erkenntnisfortschritt, um die Kluft zwischen dem aktuellen Stand der Erkenntnis und der Fülle des Wissens und der Einsicht – auch unter Berücksichtigung der sich verändernden Herausforderungen, Rahmenbedingungen, Schwerpunktsetzungen und Notwendigkeiten – zu verringern.
Das globale Ziel zeigt sich beim einzelnen Handelnden in einer höchst individuellen Ausprägung. Er wird insoweit zum Sinnstifter, der sich durch das Bemühen um Intersubjektivität allerdings der Kritik und Überprüfbarkeit zu stellen hat. Dabei gilt, dass auch falsifizierte Annahmen einen Erkenntnisfortschritt darstellen und aus der Fülle der jeweiligen Überlegungen und Versuche sich durchaus wünschenswerte Entwicklung generieren lassen.
Wenn wir bei der Gewinnung von Erkenntnis fortlaufend auf dem Weg sind, so lassen sich Aussagen jeweils nur unter Vorbehalt und unter Berücksichtigung der zu Grunde liegenden Annahmen treffen, deren Angemessenheit es bei der Bewertung der Aussagen zu berücksichtigen gilt. Widrigenfalls wären Anfragen an die Seriosität des Vorgehens bzw. hinsichtlich der Begründung für die eingenommene Position zu stellen.
Realistisch erscheint da, dass nicht permanent alles in Frage gestellt werden kann und doch die Offenheit für eine Revision von Positionen geboten ist. Realistisch erscheint auch, dass der Mensch in seinen jeweiligen Möglichkeiten beschränkt ist, sich Fehler und Ermüdungserscheinungen einstellen und das praktizierte Handeln immer wieder hinter den heeren Zielen und Ansprüchen zurückbleibt.
Differenziertheit der Ansätze sowie die Erneuerung des Denkens
Immerhin hilft die Differenziertheit der Ansätze, um zu einer Erneuerung des Denkens zu kommen. Immer wieder neue Aufbrüche bereiten so den Boden für Wissensfortschritt und zunehmende Erfassung von Wahrheit und Wirklichkeit, für ein besseres Verständnis der Gegebenheiten und Zusammenhänge und damit für Nutzen stiftende Hilfen zur Bewältigung der sich fortlaufend ergebenden neuen Herausforderungen.
Differenziertheit der Ansätze resultiert hier aus den jeweilig individuell Agierenden. Sie greifen Fragen auf, bemühen sich, ihre Neugierde zu befriedigen und erweitern damit den Blick auf die Dinge. Sie führen dazu, dass neue Blickrichtungen das bisherige Denken von Scheuklappen befreit und damit Entwicklungen ermöglicht sowie Stillstand vermieden wird. In der genutzten Freiheit und den damit verbundenen neuen Ansätzen liegt insoweit das Potential zur Überwindung des aktuell nicht mehr Hinreichenden.
Erneuerung des Denkens ist dabei kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck, nämlich zu dem Ziel, zu verbesserten Antworten auf bestehende Fragen zu kommen. Mag es auch anstrengend sein, den unterschiedlichen Ansätzen und Gedankengängen zu folgen, so liegt in dem Bemühen doch die Chance zu erweiterter Einsicht und tieferem Durchdringen der Gegebenheiten sowie der vorhandenen Perspektiven.
Eine Gleichschaltung wäre dem gegenüber als eine Verarmung im Denken zu charakterisieren und als eine vorschnelle Reduzierung der Anzahl der potentiell bestehenden Lösungsansätze. Sinnvoller erscheint da aus einer großen Vielfalt an Hand von Gütekriterien den zielführenden Weg auszuwählen und nachvollziehbar zu begründen, auch wenn man gezwungen ist, mit gewissen begrenzten Risiken in die Zukunft voran zu schreitet.
Differenziertheit der Ansätze und Erneuerung des Denkens ergänzen sich. Die Differenziertheit kann als Vorstufe und Begünstigung für die Erneuerung und Erweiterung des Denkens begriffen werden. Insoweit trägt Wissenschaft, sofern sie in ihrem Wesenskern angenommen wurde, dazu bei, über die verantwortungsbewusste Nutzung von Freiheit einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Fortschritt und zur kulturellen Entfaltung des Gemeinwesens zu leisten.
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
Wir können insoweit festhalten, dass Wahrheit sich objektiv, aber auch subjektiv präsentiert, die objektiven Gegebenheiten und Zusammenhänge die Wirklichkeit wiederspiegeln, welche allerdings durch Menschen in der Regel nicht vollständig zu erfassen und zu verarbeiten sind. Wahrhaftigkeit steht im Rahmen wissenschaftlichen Wirkens für die Übereinstimmung von Überzeugungen, Entscheidungen und Verhalten. Diese kann wohl auch gegeben sein, wenn keine Angemessenheit gegenüber der realen Wirklichkeit besteht.
Schuld daran ist die menschliche Unzulänglichkeit, die einerseits objektiv gegeben, andererseits auf individuelles Fehlverhalten bzw. unzureichende intellektuelle Fähigkeiten oder Trägheit zurückzuführen ist. Hier wird Bildung, Reflexion, Abwägen und Ringen zu einem zwingenden Erfordernis, um ein Auseinanderbrechen der Gesellschaft und damit zwangsläufig verbundene negative Konsequenzen zu verhindern.
Es gilt also, die Zusammenhänge zu erfassen und angemessen zu berücksichtigen. Es gilt, im positiven Sinne und in Verantwortung Entwicklung zu gestalten, die mitnimmt und nicht ausgrenzt, die legitime Interessen und Bedürfnisse berücksichtigt und insoweit Menschen ernst nimmt, auch wenn diese zunächst nicht nachvollziehbare Positionen einnehmen. Allerdings gelten weiterhin die Grenzen, die sich aus der Grundorientierung der Gesellschaft ergeben und die unmissverständlich im Grundgesetz verankert sind.
In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass keine Toleranz gegenüber der Intoleranz und der Verletzung von Menschenrechten bestehen darf, dass permanentes Bemühen um Angemessenheit des Handelns einzufordern ist und dass im Zuge der sich ergebenden Entwicklung auch jene mitzunehmen sind, die Probleme mit dem Verständnis der Gegebenheiten und der Zusammenhängen haben und von daher Abwehr- und Widerstandspositionen – gewissermaßen als subjektiv gerechtfertigt erscheinende Schutzmaßnahme gegenüber der unerwünschten Wirklichkeit – einnehmen.
Entscheidend ist hier schließlich, inwieweit seitens der Eliten die vorstehend skizzierten Aufgaben in geistiger Flexibilität angegangen, angenommen und erfolgreich gehandhabt werden, inwieweit es gelingt, den gesellschaftlichen Grundkonsens zu bewahren und damit die zwingende Voraussetzung für eine positive Entwicklung der Gesellschaft zu sichern. Eine davon abweichende Entwicklung würde sowohl individuell, gesellschaftlich, aber auch international zu unvertretbaren Zuständen führen, die es zu verhindern gilt.
Fortschritt als Triebfeder für die Weitung des Einblicks und der Erkenntnis
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Das einzig Beständige ist die Veränderung. Insoweit haben wir uns mit Fortschritt zu arrangieren, der im positiven Sinne gestaltet sein kann, sich aber auch zuweilen als Belastung zeigt. Fortschritt ist mithin ein zwiespältiges Phänomen, das allerdings von der Hoffnung auf Verbesserung genährt wird und sich dadurch beim Einzelnen als eine Triebfeder für aktives Handeln erweisen sollte.
Um die Perspektive einer Verbesserung der Verhältnisse aufrecht zu erhalten, sind wir veranlasst, Hoffnung nicht aufzugeben und durch aktives Bemühen eine Entwicklung zu befördern, die sich gegenüber heutigen Gegebenheiten positiv abhebt. Dies wird letztlich nur durch die Weitung des Einblicks in die Verhältnisse und Zusammenhänge und die Vertiefung der Erkenntnis möglich sein, sowie der daraus gezogenen Konsequenzen.
Nachfolgend wenden wir uns dem Inhalt von Fortschritt zu und betrachten das schillernde Phänomen. Wir gehen auf die Weitung des Wissens, des Einblicks und der Erkenntnis ein, thematisieren Fortschritt als Triebfeder und handlungsauslösende Option. Und betrachten schließlich abrundend die Annäherung an Wahrheit, Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit als Lohn für die aufgewandte Mühe.
Damit suchen wir zu erreichen, dass uns das Phänomen Fortschritt in ihrer Bedeutung und die mit ihm verbundenen Chancen als handlungsauslösende Momente bewusster werden. Wahrheit, Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit stehen schließlich in einer nicht unwesentlichen Beziehung zum Fortschritt, sei er nun positiv oder aber negativ.
So machen wir uns auf den Weg und tun dies im Bewusstsein der Kontextgebundenheit unseres Handelns. Gewonnene Einsicht wird damit zu einer Augenblickserscheinung auf dem Weg durch die Zeit, die von der Historie, den örtlichen Gegebenheiten und Verhältnissen, sowie den aktuellen Erwartungen mitgeprägt sind. Ungeachtet dessen erscheint möglich, auf der Grundlage der Reflexion eine relativ sichere Basis für die Mitgestaltung von Zukunft zu finden.
Fortschritt als schillernder Begriff
Fortschritt ist ein schillernder Begriff. Hinter ihm verstecken sich weiterentwickelte Verhältnisse. Er „bezeichnet (insoweit) eine – zumeist im positiven Sinne verstandene – Änderung eines Zustandes. Gegenbegriffe sind Rückschritt oder Stillstand. Fortschritt und Innovationen begünstigen einander.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Fortschritt) Doch die sich vollziehende Weiterentwicklung kann – wie bereits angedeutet – auch negative Vorzeichen aufweisen.
Daraus ist zu schlussfolgern, dass die Richtung und Ausprägung der Veränderung ausschlaggebende Bedeutung besitzt. Sie ist entscheidend dafür, ob der Fortschritt
- sich als Gewinn und Bereicherung erweist, das Leben erleichtert und hilfreich für dessen Bewältigung ist oder
- sich als Belastung zeigt und eine Erschwernis darstellt, deren Rechtfertigung zu hinterfragen ist.
Fortschritt im positiven Sinne schenkt uns Zuversicht und Vertrauen in das Kommende und die eigenen Fähigkeiten, mit den sich ergebenden Zumutungen angemessen umzugehen. Widrigenfalls würde sich mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit eine demotivierende Wirkung entfalten, die es zu vermeiden gilt. Es geht insoweit darum, durch Engagement dafür zu sorgen, dass im Rahmen des Möglichen sich Fortschritt als positives Phänomen zeigt.
Über die Weitung des Wissens, des Einblicks und der Erkenntnis erhöht sich die Anzahl der Handlungsoptionen. Die Entscheidungen stützen sich dann auf stärker fundierte Grundlagen und vermindern damit das Auftreten von Fehlentwicklungen. Insoweit gilt Wissen und Erkennen als hilfreiche Stütze für die vom Einzelnen auf das Positive hin zu beeinflussende Entwicklung, die allerdings auch von anderen, nur schwer beeinflussbaren Faktoren mitbestimmt wird.
So ist die im Fortschritt verankerte Hoffnung auf Besserung eine Mut machende Perspektive, die zur Aktivität einlädt. Sie setzt allerdings positive bisherige Erfahrungen und sich daraus ergebende Entwicklungserwartungen voraus. Die real sich ergebende Entwicklung kann aber deutlich davon abweichen und zur Frustration bei Enttäuschten führen. Rückzug oder Aufbruch könnten die letztendlichen Verhaltensfolgen sein.
Weitung des Wissens, des Einblicks und der Erkenntnis
Wenn wir auf die Weitung des Wissens, des Einblicks und der Erkenntnis blicken, so stecken dahinter sowohl eine Vermehrung der Optionen wie auch eine Erweiterung und Vertiefung der Begründung für das Verhalten. Dies bedeutet nicht zuletzt eine Erschließung von bisher Unbekanntem, wie auch eine stärkere Erfassung und Durchdringung von Zusammenhängen. Beides verändert individuell aber auch global das Denken und beeinflusst das resultierende Wirken.
Wir haben bei der Weitung und Vertiefung sowohl auf den quantitativen, wie auch auf den qualitativen Aspekt zu achten. In der Fülle liegt auch ein Schlüssel zu qualitativ höherer Einsicht. Dazu wird man allerdings ein Ordnung schaffendes Orientierungsraster benötigen, das hilft, Zusammenhänge zu erkennen und potentielle Auswirkungen von Tatbeständen zu erfassen. Dieses Orientierungsraster ist natürlich ebenfalls dem Wandel und der Fortentwicklung unterworfen.
Insoweit sind in der Gegenwart bestehende Einsichten und Erkenntnisse jeweils unter Berücksichtigung der bestehenden Rahmenbedingungen und zukunftsgerichteten Perspektiven auf ihre Wahrheit, also auf die Richtigkeit, Stimmigkeit und Angemessenheit hin, zu prüfen.
Wissen gibt Einblick und Einblick führt zur Erkenntnis. Insoweit ist in einem ersten Schritt Wissen zu erweitern um dadurch die Voraussetzung für einen tieferen Einblick zu schaffen. Wenn daraus Erkenntnis erwächst, so lässt sich dies als wünschenswerte Folge charakterisieren und letztlich als ein beim Beginn des Bemühens erhofftes Ziel. Erkenntnis stärkt nicht nur den Einblick. Sie lässt den Wunsch nach einer Erweiterung und Vertiefung des Wissens wachsen.
Insoweit sind neben der benannten logischen Reihenfolge auch Rückwirkungen zu konstatieren, die sich idealtypisch fruchtbringend auf das Verhalten auswirken. Verbunden ist die Aufnahme, Erweiterung und Vertiefung der Erkenntnis mit einer individuellen, sich entfaltenden Fortentwicklung personalen Seins, einem Wachsen im mündigen Erkennen und der sich daraus ergebenden gereiften Persönlichkeit.
Triebfeder als handlungsauslösende Option
Wissen, Einblick und Erkenntnis gelten als Triebfeder und handlungsauslösende Option, jedenfalls dann, wenn durch das Handeln eine wünschenswerte positive Entwicklung zu erzielen ist oder zumindest als erstrebenswert und wahrscheinlich erscheint. Damit tritt die Zukunftserwartung ins Blickfeld der Betrachtung und wird zu einem zentralen Kristallisationspunkt.
Diese Zukunftserwartung gestaltet sich erfahrungsbasiert und stark beeinflusst durch die konkret gegebenen Rahmenbedingungen, aber auch vom wahrgenommenen Handlungsbedarf.
- Aus den Erfahrungen heraus festigt sich schließlich eine vertrauens- oder misstrauensgeprägte Grundhaltung und
- bestehende Einflussgrößen erscheinen nicht unmaßgeblich für die Grenzen der Möglichkeiten und des faktisch Erreichbaren.
- Die Einschätzung der Notwendigkeit zu aktivem Handeln hängt schließlich an der individuellen Berührtheit vom jeweiligen Vorgang.
Von diesen Größen wird die Ausprägung der Neigung zum Handeln oder anders ausgedrückt die Kraft der Triebfeder bestimmt. Misstrauensgeprägte Grundhaltung, kontraproduktive Rahmenbedingungen und geringe Berührtheit schlagen sich insoweit nieder in einer allenfalls schwach ausgeprägten Neigung zum Handeln. Bei Vertrauenskultur, realen Gestaltungsmöglichkeiten und großem innerem Antrieb ist hingegen das Gegenteil zu erwarten.
Neben den handlungsauslösenden Effekten ist an dieser Stelle auch auf die handlungsvermeidenden Effekte hinzuweisen, z.B. auf die Furcht vor dem Neuen und Unbekannten. Es ist nicht einfach das Böse schlechthin, sondern enthält wie auch das Bekannte Chancen und Risiken, die es zu nutzen bzw. zu vermeiden gilt. Hier zählt die Zuversicht in die eigene Stärke und das Zutrauen in die vorhandene Fähigkeit die Herausforderung zu meistern.
Erfahrene Aufmunterung und Motivation durch andere und eine förderliche Grundstimmung können den individuellen Einsatz und das resultierende „in Bewegung halten“ der Entwicklung begünstigen. Doch dies ist – wie dem Betrachter sicherlich bewusst ist – ein weites Feld, das sich an dieser Stelle nicht erschöpfend darstellen und aufarbeiten lässt. Insoweit sei empfohlen, vorstehende Ausführungen in eigener Verantwortung zu ergänzen.
Annäherung an Wahrheit und Wirklichkeit als Lohn der aufgewandten Mühe
Ein mehr an Wissen, vertiefte Einsicht, sowie gewachsene Erkenntnis bieten uns die Möglichkeit zur Annäherung an Wahrheit und Wirklichkeit. Dies ist Lohn für aufgewandte Mühe. Wahrhaftigkeit ist damit verknüpft, sofern man die ethisch-moralische Verantwortung des mit Einsicht ausgestatteten Mitbürgers anerkennt und zu einer Handlungsmaxime erklärt. Er hat gegenüber den Anderen letztlich aus der Einsicht heraus eine begründete Vorbildfunktion einzunehmen und diesen gegenüber bei Bedarf Orientierung zu geben.
Der Begriff Annäherung muss uns bei realistischer Selbsteinschätzung sensibel und demütig machen. Denn die Fülle der Erkenntnis und das vollständige Durchdringen der sich fortlaufend verändernden Wirklichkeit werden uns nicht gelingen. So sind wir gefangen im permanenten Bemühen um Erweiterung, Entwicklung und Anpassung unseres Verstehens, sowie in der Weitung des Blicks über die bisher gegebenen Grenzen hinaus.
Im Erkennen der und in der Annäherung an Wahrheit, einem tieferen Erfassen der Wirklichkeit liegt punktuelle Befriedigung, die allerdings zumeist nicht von allzu langer Dauer ist. Denn vom Ende der erreichbaren Erkenntnis auszugehen ließe uns gegenüber anderen und der Entwicklung zurückfallen. Wir würden den Anschluss verlieren und letztlich im Abseits landen, von dem aus kaum ein sinnvoller Beitrag mehr geleistet werden kann.
Annäherung, Erfahrung des Erkenntnisfortschritts, daraus erwachsende Befriedigung und das Empfinden des Lohns für aufgewandte Mühe stehen insoweit in einem logischen Zusammenhang. Dem kann auch die Tatsache keinen Abbruch leisten, dass gegenläufig positionierte Macht zwar Schwierigkeiten schaffen kann, jedoch nicht eine Aufhebung des Wissens und der Erkenntnis.
Daher ist auf die individuelle Positionierung zu Wahrheit, Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit zu setzen und auf die daraus zu ziehenden Konsequenzen im persönlichen Handeln. Ggf. ergeben sich bei erlittener Behinderung und Ungerechtigkeit Erfolgsmöglichkeiten in neuen Aktionsfeldern, die nicht der behindernden Macht unterworfen sind. Dass dies einen Verlust für den bisherigen Aktionsrahmen darstellt, davon können wir dann unbesehen ausgehen.
Zusammenfassung, Reflexion, Ausblick
So können wir feststellen, dass Fortschritt, sofern sich dieser in eine positive Richtung bewegt und zu hilfreicher Erkenntnis führt, durch Weitung des Wissens, das klarere Erfassen der Wirklichkeit sowie der gegebenen Zusammenhänge eine innere Befriedigung schafft. Ein Nachlassen im Bemühen um Erkenntnis wäre angesichts der sich fortlaufend verändernden Wirklichkeit eher problematisch einzuschätzen.
Wenn wir vom individuellen Bemühen ausgehen, einen Beitrag für das Gemeinwohl zu leisten und durch das personale Wirken deutliche Spuren zu hinterlassen, so verbietet sich letztlich ein Ausruhen auf erlangten Erkenntnissen und erarbeiteten Verdiensten. Wir können schließlich in der Weiterentwicklung des Wissens und des Durchdingens der Wirklichkeit jene Triebkraft erkennen, die uns in Verbindung mit dem Bewusstsein notwendiger Mitverantwortung hilft, nicht stehen zu bleiben.
Lohn ist dann die erweiterte Erkenntnis und das bessere Verstehen der sich fortentwickelnden Gegebenheiten, sowie die subjektive Befriedigung aus der Tatsache, seinen Beitrag geleistet zu haben. Volkstümlich ausgedrückt gilt insoweit: „Ohne Fleiß kein Preis“. Für uns, die wir uns vom Grundsätzlichen her mit Grundfragen befassen ist daher die logische Schlussfolgerung die, dass ein Nachlassen im Bemühen um Erkenntnis letztlich nicht in Frage kommt zwingend.
Aus der Erkenntnis erwächst bei Bindung des Handelns an ethisch-moralische Maßstäbe die Verpflichtung, anderen die Brücke zu neuem Wissen und zu neuem Erkennen zu schaffen, sodass auch sie in höherem Maße in die Lage versetzt werden, kontextgebunden tiefer zu erfassen, ihre Persönlichkeit zu entfalten und daraus resultierend ihren individuellen Beitrag für das Gemeinwesen zu leisten.
Schließlich sind wir alle durch unterschiedliche Talente beschenkte und aufeinander angewiesene Mitglieder des Gemeinwesens, das uns Schutz und Sicherheit gewährt, aber auch Orientierung gibt. Fortschritt als Triebfeder und erweiterte Erkenntnis als erhaltener Lohn lassen sich aber nicht ohne aufgewandte Mühe erzielen. Insoweit ist ein sich verschließen gegenüber neuem Wissen und sich verändernder Wirklichkeit, gegen die Wahrhaftigkeit gerichtet, wenn wir das Wissen um die laufende Veränderung der Gegebenheiten und um den gesellschaftlichen Erkenntnisfortschritt unterstellen.
Abbildung 1:
Fortschritt als Triebfeder
Quelle: selbst erstellt
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wissenszuwachs als Quelle neuer Fragen und neuer Ausgangspunkte
Hinführung, Abgrenzung, Zielbestimmung
Wissenszuwachs und Innovationsfähigkeit sind in einer Zeit dynamischer Veränderungen eine stete Herausforderung und mit dem Erwerb von zusätzlicher Kompetenz sowie eines verbesserten Durchblickens hinsichtlich bestehender Zusammenhängen ergeben sich in aller Regel eine Fülle neuer Fragen und Einschätzungen. Diese Fragen zu beantworten und modifizierte Einschätzungen vorzunehmen ist dabei Kennzeichen des neuen Ausgangspunktes bei der Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten und sich abzeichnenden Perspektiven.
Wissenszuwachs lässt sich hier kennzeichnen als ein über die bisherige Erkenntnis hinausgehendes zusätzliches Wissen, ungeachtet dessen Relevanz für die zu leistenden Aufgaben. Insoweit wird Wissenszuwachs nicht in jedem Falle unmittelbare Auswirkungen auf das Verhalten zeitigen, aber dennoch mittelbar wirksam sein. Entscheidend erscheinen für das Wirksamwerden unmittelbarer Auswirkungen die Einschätzung der Bedeutsamkeit der Informationen und die jeweilig gewählte Prioritätensetzung.
Neu auftretende Fragen lassen bewusstwerdende Lücken im Wissen und Verstehen erkennen, die nach einer Klärung rufen und eine Schließung einfordern. So stoßen wir im Zuge der Entwicklung auf eine neue Informationsebene vor, die sich im laufenden Zeitabschnitt als Ausgangspunkt beim Bemühen um weiteren Erkenntnisfortschritt zeigt. Dieser sich vollziehende Prozess wird durch die menschliche Eigenschaft der Neugierde begünstigt.
So betrachten wir nachfolgend Wissenszuwachs als Öffnung der Tür in eine neue Wirklichkeit, befassen uns mit neuen Fragen als Konsequenz aus erweiterter Erkenntnis, befassen uns mit der erlangten Erkenntnis als neuem Ausgangspunkt und wenden uns der Befriedigung als Nebenziel menschlichen Strebens zu. Damit hoffen wir einen Beitrag zu einem Mehr an Klarheit zu leisten.
Unsere Überlegungen sind kontextgebunden. Sie bewegen sich mithin in unserer Zeit und in unserem regionalen Raum. Damit steht fest, dass diese Überlegungen keinen Allgemeingültigkeitsanspruch erheben können, aber geeignet sind, über das Dargestellte hinaus das Denken anzuregen. Es liegt insoweit letztlich in der Hand jedes Einzelnen, aus den nachfolgenden Überlegungen individuell Schlussfolgerungen zu ziehen und angemessen erscheinende Konsequenzen zu ziehen.
Wissenszuwachs als Öffnung der Tür in eine neue Wirklichkeit
Mit dem Wissenszuwachs öffnet sich für Diejenigen, die mit offenen Augen durch die Welt gehen, immer wieder die Tür in eine neue, zum Teil überraschende Wirklichkeit, in der zu agieren und auf die zu reagieren ist. Diese Öffnung zeigt sich dem Einzelnen sowohl als aufgeladene Last, wie auch als erlebte Lust.
- Als Last kann die Notwendigkeit zur Auseinandersetzung mit der Veränderung und dem Neuen empfunden werden, zumal wenn eine ausgeprägte Angst vor Veränderungen und geringes Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten zur Bewältigung bestehen.
- Lust und Glücksgefühl zeigt sich dem gegenüber als Resultat bei der Bewältigung der Herausforderung und angesichts der individuell sich vollziehenden positiven Entwicklung.
Das Öffnen der Tür zum bislang Unbekannten geschieht eingebunden in die gesellschaftliche Entwicklung und beeinflusst vom Zeitgeist. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit, die von Globalisierung und Dynamik geprägt ist erscheint das sich Einlassen auf die Zumutungen der Wissensgesellschaft als unverzichtbares Muss. Es eröffnet letztlich die Chance zur Teilhabe und zum Hinterlassen von hilfreichen Beiträgen im Zeitenlauf.
Neue Einsichten und Erkenntnis, sowie veränderte Gegebenheiten sind sodann Teil einer neuen Wirklichkeit, die sich ihrerseits dynamisch entwickelt. Insoweit können wir von Evolution ausgehen, welche Chancen bietet, aber auch Risiken beinhaltet. Neue Wirklichkeit stützt sich naturgemäß auf das Etablierte und stellt Anforderungen im Hinblick auf die sich noch einstellenden Zukunft.
Da können wir uns nie ganz sicher sein, ob wir den angemessenen Weg beschritten haben, um zum gewünschten Ziel zu gelangen. Uns helfen allerdings eine hinreichende Reflexion von Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft und eigener Person und eine eingehende Folgenabschätzung bei den beabsichtigten und letztlich zu treffenden Maßnahmen. Mit der sich ergebenden Ungewissheit werden wir allerdings auch künftig leben müssen.
Neue Wirklichkeit wie auch Gegenwart beinhaltet Chancen und Risiken, so wie dies sich auch in der Vergangenheit darstellte. Vom Einzelnen wird hier – ggf. in Abstimmung mit anderen – letztlich eruiert, welche Chancen und Risiken erkannt, welche Möglichkeiten genutzt und welche potentiellen Probleme angegangen werden sollen. Zuweilen erschließen sich allerdings erst in der Zukunft nähere Hintergründe und resultierende Auswirkungen.
Neue Fragen als Konsequenz aus erweiterter Erkenntnis
Wir können heute feststellen, dass neu auftretende Fragen sich als Konsequenz aus der erweiterten Erkenntnis ergeben und im sich ergebenden Aufbruch zu neuen Ufern ein hohes Maß an Ungewissheit steckt. Neue Fragen und Blickrichtungen sind dabei – wie bereits angedeutet – nicht immer bequem. Sie sprengen zuweilen bestehende etablierte Denkkategorien und machen nicht selten die Anpassung von lieb gewordenen Verhaltensmustern erforderlich.
Dabei ergeben sich aus der Verknüpfung etablierter und neu erlangter Informationen neue Blickrichtungen auf die bestehenden Situationen, Problematiken und Herausforderungen. Alleine aus dieser veränderten Erkenntnislage tun sich neue Alternativen und Perspektiven auf, die aus einer ausweglosen Situation Optionen erkennen und aus der Verbindung bislang unverbundener Tatbestände Lösungsalternativen aufscheinen lassen.
Neue Fragen erwachsen einerseits aus den hinzutretenden Informationen, aus deren Verknüpfung mit bisherigem Wissen, der daraus gezogenen Erkenntnisse, aber auch aus den neu aufscheinenden, zum Teil bislang für unmöglich gehaltenen Möglichkeiten. Diese im Vorfeld nicht aufgetauchten und nicht ins Bewusstsein getretenen Fragen können durchaus den Schlüssel für die Bewältigung der Herausforderungen und für Wissens- und Erkenntnisfortschritt in sich bergen.
Ein Blick auf Kinder macht uns dessen bewusst, dass über Fragen und deren Beantwortung individuelle Entwicklung und personale Selbstentfaltung geschieht. Dies gilt auch für das fortgeschrittene Alter, denn wir alle sind dazu berufen, dazu zu lernen und uns bis zum Ende unseres irdischen Lebens weiter zu entfalten. Wenn sich die auftretenden Fragen aus der erweiterten Erkenntnis ergeben, so sind diese weniger Bedrohung, als eine dem Einzelnen und der Gesellschaft dargebotene Chance.
Beim Einzelnen ist hier allerdings die Bereitschaft erforderlich, sich den Fragen zuzuwenden und sich um deren Beantwortung im Rahmen des Möglichen zu bemühen. Hemmend wirken sich hier allerdings die mehr oder weniger stark ausgeprägten Vorurteile aus, die geeignet sind, ein Überschreiten bisher als feststehend angenommener, jedoch objektiv nicht mehr haltbarer Annahmen zu verhindern.
Erlangte Erkenntnis als neuer Ausgangspunkt
Wenn wir hier von einem neuen Ausgangspunkt aufgrund der erlangten Erkenntnis sprechen, so ist dieser angesichts des stärker ausgeprägten Wissens und des tieferen Durchdringens der Wirklichkeit gegenüber der Vergangenheit auf einem erhöhten Niveau angesiedelt, soweit die intellektuelle Leistungsfähigkeit besteht, das Wissen und das Durchdringen zu verarbeiten und im zukunftsgestaltenden Handeln zu nutzen.
Der Ausgangspunkt stellt hier das Fundament für einen neu beginnenden Zeitabschnitt dar. Im Prozess der Entwicklung wird sich dieser durch wiederum neue Erkenntnisse verändern und beim folgenden Zeitabschnitt einen veränderten neuen Ausgangspunkt schaffen. Das Neue des Ausgangspunktes bezieht sich dabei jeweils auf den Zeitpunkt der Betrachtung. Aus längerfristiger Sicht ergibt sich, dass die Dinge im Fluss sind und Veränderung das letztlich einzig Beständige darstellt.
In diesem Zusammenhang ist noch keine Aussage darüber möglich, inwieweit der jeweilige individuelle oder gesellschaftliche Ausgangspunkt übereinstimmt mit dem gegebenen professionellen Instrumentarium, der Legalität und den aus Verantwortung zu berücksichtigenden ethisch-moralischen Kategorien. Wir können insoweit festhalten, dass Professionalität, Legalität und Legitimität als handlungstheoretische Verantwortungsstufen zusammen gehören und gemeinsam der Beachtung und Berücksichtigung bedürfen.
So bedarf auch der jeweilige Ausgangspunkt am Beginn eines Prozesses der hinreichenden Reflexion, um nicht innerhalb des Prozesses, quasi aus Sachzwang, vor nur noch unvertretbar erscheinende Optionen gestellt zu werden, die weder den Forderungen der Professionalität, der Legalität und der Legitimität gerecht werden. Dies gilt es bereits im Vorfeld soweit möglich mit zu bedenken.
Erlangte Erkenntnis als neuer Ausgangspunkt verhilft uns jeweils dazu, im Einklang mit der sich vollziehenden Entwicklung unserer Lebensumwelt zu stehen. Wenn sich dies als Aufgabe und Herausforderung gestaltet, so ist dies ein Kennzeichen von Lebendigkeit und deutet darauf hin, dass der Prozess des individuellen irdischen Lebens noch nicht zu Ende gegangen und abgeschlossen ist, mithin noch etwas von uns fordert.
Befriedigung menschlichen Strebens als fernes Ziel
Realistisch betrachtet, erscheint die Befriedigung des menschlichen Strebens nach umfassendem Verstehen als ein fernes, nie ganz erreichtes Ziel. Diese Ferne liegt einerseits an der Begrenztheit menschlichen Vermögens und andererseits an den aus der Dynamik der Entwicklung resultierenden laufenden Veränderungen, welche das Ende der permanent erforderlichen Fortschreibung verhindern.
Befriedigung menschlichen Strebens kann insoweit nur punktuell erfahren werden. Ihre Wirksamkeit verblasst naturgemäß im Zeitablauf, auch wenn bisher erzielte Erfolge und erbrachte Leistungen anzuerkennen sind. Momentane kurzfristig sich ergebende Befriedigung und vollständig umfassende Befriedigung sind insoweit zu differenzieren. Die Erstere skizziert ein Teilziel auf dem Weg zur letztlichen Fülle der – wie bereits angedeutet – nie ganz zu erreichenden Erkenntnis.
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- Arbeit zitieren
- Prof. Dr. mult. Alfons Maria Schmidt (Autor:in), 2017, Wahrhaftigkeit. Eine in Verantwortung zu nutzende, freimachende Kraft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/371962
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