Die folgende Arbeit setzt sich zum Ziel, Formen des Widerstands und der Opposition sowie ihre Akteure an Oberschulen der SBZ/DDR von 1945 - 1961 zu nennen und darzustellen. Hierbei sollen die Motive und die Aktionen sowie deren Folgen chronologisch abgebildet und analysiert werden.
Der Untersuchungszeitraum dieser Arbeit setzt den Fokus auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis kurz nach dem Mauerbau. Die Wahl dieses Zeitraums hat mehrere Gründe. Zum einen würde es den textlichen und zeitlichen Rahmen einer Examensarbeit übersteigen, einen gesamten Überblick von 1945 bis 1989 zu geben. Zum anderen wandelten sich nach dem Mauerbau auch die Formen der Repression und die Art und Weise der Verfolgung gegenüber der politischen Gegnerschaft.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war die Bildungspolitik im Nachkriegsdeutschland grundsätzlich abhängig von den Militärregierungen. In den Augen der Alliierten waren der von den Nationalsozialisten hinterlassene Kastengeist, der Militarismus und der Nationalismus deutsche Eigenheiten, für die der elitäre Grundgedanke im deutschen Bildungswesen mit verantwortlich war. Sie mussten sich jedoch nicht nur mit diesen Hinterlassenschaften auseinandersetzen, sondern es innerhalb des deutschen Schul- und Bildungswesens bewerkstelligen, die Entnazifizierung, Umerziehung und Demokratisierung durchzuführen.
Für die tiefgreifenden strukturellen Veränderungen waren in erster Linie die eigenen Schultraditionen maßgebend. Aber auch Reformanhänger, die unter den Nationalsozialisten ihrer Stellung beraubt wurden, stellte man beim Wiederaufbau der Bildungsverwaltungen ein. In den fünf Ländern der sowjetischen Besatzungsmacht gelang es den neuen Machthabern „radikaldemokratische Bildungs- und Schulreformideen“ durchzusetzen. Hierbei ließen sich die Reformer auch von unverwirklichten Schulreformplänen aus der Weimarer Republik inspirieren
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Erkenntnisinteresse und Fragestellung
1.2 Forschungsstand
1.3 Quellenlage
1.4 Begriffsdefinition
2. Bildungspolitik und Bildungswesen in der SBZ/DDR bis zum Mauerbau
3. Widerstand und Opposition an den Oberschulen - ein Überblick
4. Widerstand und Opposition anhand von Fallbeispielen
4.1 Die Oberschule in Altenburg
4.2 Die Oberschule in Güstrow
4.3 Die Oberschule in Eisenberg
5. Staatliche Reaktionen
5.1 Partei- und Staatsapparat
5.2 Justiz
5.3 Schulen
6. Gesellschaftliche Reaktionen
6.1 Schüler und Lehrer
6.2 Angehörige
6.3 Medien
7. Langfristige Folgen
7.1 Betroffene
7.2 Juristische und gesellschaftliche Aufarbeitung
8. Fazit
9. Personenverzeichnis
10. Quellen- und Literaturverzeichnis
10.1 Quellen
10.1.1 Gedruckte Quellen
10.1.2 Ungedruckte Quellen
10.1.3 Elektronische Quellen
10.2 Literatur
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1 Erkenntnisinteresse und Fragestellung
„Wir waren alle starr. Obwohl uns bekannt war, dass die Todesstrafe im Februar 1950 von der Sowjetunion still und heimlich wieder eingeführt worden war, hatten wir mit einem derartig harten Urteil nicht gerechnet. Niko Ostermann war völlig geistesabwesend. Siegfried Flack blickte starr geradeaus. Achim Näther grinste leise vor sich hin.“[1]
Was Jörn-Ulrich Brödel in diesem Auszug aus einem Zeitzeugenbericht Jahrzehnte nach der Verurteilung niedergeschrieben hat, lässt ein bedrückendes Gefühl der Betroffenheit zurück. Nach eigenen Angaben saß er eine Reihe hinter den Hauptangeklagten. Er kam mit dem Leben davon und wurde zu 25 Jahren „Besserungsarbeitslager“ verurteilt.[2] Heute ist er neben Rudi Edling der letzte Überlebende einer kaum bekannten Widerstandsgruppe.[3]
Die Gruppenmitglieder Niko Ostermann, Siegfried Flack und Hans-Joachim Näther wurden am 13. September 1950 zum Tode verurteilt. Sie waren Schüler und Lehrer an einer Oberschule im ostthüringischen Altenburg. Was waren ihre Verbrechen, die ein solch drakonisches Strafmaß gerechtfertigt hätten?
Sie hatten „antidemokratisch[e]“ Flugblätter verteilt und den Buchstaben „F“ an Haustüren und Postkästen geklebt. Für die Ankläger waren damit Kontakte zu der als Spionageorganisation geltenden „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“[4] (KgU) nachgewiesen. Zudem hatten sie ein „antisowjetisches“ Gedicht verbreitet und wollten mit Hilfe eines selbstgebauten Senders eine „antisowjetische“ Radiosendung durchführen. Ihre Gnadengesuche wurden von der stalinistischen Justiz nicht erhört.[5] Sie wurden im Dezember 1950 in Moskau hingerichtet.[6]
Dieses Beispiel des frühen Widerstandes an Oberschulen gegen die politischen Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg ist nur eines von vielen aus der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Die folgende Arbeit setzt sich zum Ziel, weitere Formen des Widerstands und der Opposition sowie ihre Akteure an Oberschulen zu nennen und darzustellen. Hierbei sollen die Motive und die Aktionen sowie deren Folgen chronologisch abgebildet und analysiert werden.
Der Untersuchungszeitraum dieser Arbeit setzt den Fokus auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis kurz nach dem Mauerbau. Die Wahl dieses Zeitraums hat mehrere Gründe. Zum einen würde es den textlichen und zeitlichen Rahmen einer Examensarbeit übersteigen, einen gesamten Überblick von 1945 bis 1989 zu geben. Zum anderen wandelten sich nach dem Mauerbau auch die Formen der Repression und die Art und Weise der Verfolgung gegenüber der politischen Gegnerschaft.[7]
Um eine genauere Untersuchung der Widerstandsformen an den Oberschulen vornehmen zu können, ist es unabdingbar, zunächst die historischen Entwicklungen innerhalb des Bildungswesens und der Bildungspolitik darzustellen. Hierbei werden die unterschiedlichen Akteure in diesem Bereich vorgestellt und skizziert. Da im Rahmen dieser Arbeit ein Überblick über die Vorfälle an den Oberschulen gegeben wird, sollen daneben auch die vom Staatsapparat und der Bildungsadministration ausgehenden Repressalien zum Gegenstand der Betrachtung gemacht werden. Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit wird kein Bezug auf den Aspekt der frühkindlichen Erziehung und die Organisation der „Jungen Pioniere“ genommen.
Im nächsten Schritt wird ein chronologischer Überblick über die verschiedenen Widerstandsformen an den Oberschulen gegeben. Auf der Suche nach bislang noch unerforschten Fällen wurden zwei Zeitzeugengespräche mit Hans-Peter Freimark in Perleberg und mit Dieter Wagener in Pritzwalk durchgeführt.[8] Während des Gesprächs mit Dieter Wagener zeigte sich allerdings, dass die Ereignisse an der Oberschule in Pritzwalk keine Relevanz für die Fragestellung dieser Arbeit vorwiesen. Deshalb finden nur die Ergebnisse des Gesprächs mit Hans-Peter Freimark im Rahmen des Überblicks Erwähnung.
Beim chronologischen Überblick wird darauf Wert gelegt, dass eine Vielzahl an oppositionellen und widerständigen Handlungen von Schülern und Lehrern abgebildet wird. Gleichzeitig sollen auch die verschiedenen Repressionen und Strafmaße der Staatsgewalt aufgezeigt werden. Diese Arbeit beschränkt sich dabei auf bestimmte Schulen, um den Ereignissen ausreichend Platz einräumen zu können. Der in der Arbeit gegebene Überblick erhebt somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Im Anschluss werden drei Fallbeispiele genauer vorgestellt und analysiert. Bei der Untersuchung wurde nur der engere Kreis um die führenden Persönlichkeiten in den Blick genommen. Da sich in Altenburg und Eisenberg jeweils zwei Gruppen herausbildeten, wird der Fokus auf die Altenburger Oberschülergruppe um Jörn-Ulrich Brödel und die Eisenberger Oberschülergruppe um Thomas Ammer gelegt. Beide galten als führende Köpfe ihrer Gruppe. Um eine genauere Untersuchung der Reaktionen und Folgen zu ermöglichen, wurde sowohl mit Thomas Ammer als auch mit Jörn-Ulrich Brödel ein umfangreiches Zeitzeugengespräch durchgeführt.[9] Für die Gruppe an der Oberschule in Güstrow wurde neben einer schriftlichen Befragung Peter Moellers auch Akteneinsicht in der Außenstelle des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in Waldeck vorgenommen.
Daran anknüpfend werden die staatlichen und gesellschaftlichen Reaktionen unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet und ausgewertet. Schlussendlich werden die langfristigen Folgen für die Betroffenen und die gesellschaftliche sowie juristische Aufarbeitung abgebildet.
Folgende Fragen sollen im Laufe der Arbeit beantwortet werden:
1. Wie gelang es der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), ihren Einfluss im Bildungssystem auszubauen und zu manifestieren? Welche Probleme traten hierbei auf?
2. Was waren die Auslöser und Motive für die Opposition und den Widerstand von Schülern und Lehrern an den Oberschulen? An welchen Vorbildern orientierten sie sich?
3. Welche Widerstandsformen wurden von den Gruppen oder Einzelnen ausgeübt? Was waren die Folgen ihres Handelns? Die folgenden Fragen beziehen sich ausschließlich auf die drei gewählten Fallbeispiele:
4. Welche Reaktionen erfolgten von dem Partei- und Staatsapparat, der Justiz und der Schule? Wie konnten die Widerstandsgruppen ausfindig gemacht und zerschlagen werden?
5. Wie reagierten die Mitschüler, Lehrer und Angehörigen? Wie wurde in den Medien in Ost und West über diese Fälle berichtet?
6. Was waren bzw. sind die langfristigen Folgen für die Betroffenen? Wie verlief die juristische und gesellschaftliche Aufarbeitung? Wie bewerten die Befragten diesen Prozess?
1.2 Forschungsstand
Widerstand und Opposition der vierziger und fünfziger Jahre in der SBZ/DDR waren über Jahrzehnte hinweg nicht Gegenstand forschenden Interesses in beiden deutschen Staaten. Der Historiker Karl Wilhelm Fricke betonte des Öfteren, dass über den Widerstand in den vierziger und fünfziger Jahren „nur wenig ..., zu wenig“ bekannt sei.[10] Erst 2011 erhob er auf einer Tagung der „Lagergemeinschaft Workuta / GULag“ den Vorwurf, dass man den frühen Widerstand vergessen und aus dem kollektiven Geschichtsbewusstsein verdrängt habe.[11]
Der Widerstand und die Opposition an den Oberschulen der SBZ/DDR ist ein bislang wenig erforschtes Thema. Während es in der DDR keinen Raum zur öffentlichen Diskussion gab und es zum Teil unter Strafe gestellt wurde, öffentlich über die Vorfälle zu sprechen, gab es in der Bundesrepublik eine „selbst gewählte Abstinenz“[12] gegenüber der Widerstands- und Oppositionsgeschichte in der DDR. Zwar wurde in der Anfangszeit häufig und ausführlich über den Widerstand von Jugendlichen berichtet, doch nach einiger Zeit ließ das öffentliche Interesse nach. Außerdem erschwerte der Mauerbau den Zugang zu Informationen und schränkte ihre Verifizierbarkeit stark ein. Die Abstinenz ging jedoch nicht nur aus der schmalen Material- und Quellenlage hervor, sondern war oftmals auch politisch motiviert. Wer sich dennoch mit diesem Thema befasste, bekam schnell den Ruf des „Kalten Kriegers“. Die Ausnahmen in der Forschung bildeten vor allem Karl Wilhelm Fricke und Hermann Weber.[13] Ersterer hatte durch mehrere Studien vor 1989 auf die grundsätzliche SED-Gegnerschaft der frühen DDR-Geschichte verwiesen.[14] Letzterer hat Opposition und Widerstand in der SBZ/DDR immer wieder versucht in den Fokus zu rücken und auf ihre kausale Bedingtheit aufmerksam gemacht.[15]
Einen grundlegenden Wandel der Forschungssituation bedingte der revolutionäre Umbruch in der DDR. Durch den Zugang zu den Archiven und einer breiten Quellenbasis konnten nun aktengestützte, wissenschaftlich fundierte Untersuchungen beginnen. Durch die Bildung der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur[16] in Deutschland“ im Jahre 1992 konnte auch widerständiges und oppositionelles Handeln stärker in den Fokus der Zeitgeschichtsforschung gerückt werden.[17]
Viele Vorfälle an den Oberschulen waren in den neunziger Jahren zum ersten Mal Gegenstand eines gesellschaftlichen Diskurses und wurden in Folge dessen untersucht. Nicht selten wurde der Anstoß zur Aufarbeitung in den Schulen selbst gegeben. Als Beispiel können Altenburg und Genthin genannt werden. In Altenburg hatte der Lehrer Wolfgang Enke 1990 mit mehreren Schülern der Karl-Marx-Oberschule im „Altenburger Wochenblatt“ verschiedene Artikel veröffentlicht, die unter Zuhilfenahme der ehemaligen Schüler Jörn-Ulrich Brödel sowie Gerhard Schmale, Anne-Marie Graupner und Dieter Grünwedel die Ereignisse aufarbeiteten. Damit wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der auch Jahre später noch neue Erkenntnisse hervorbrachte und weitere Forschungen einleitete.[18] Die Publikation mit dem Titel „Widerstand junger Liberaler an der Oberschule Genthin 1947-1949“ ist im Jahre 1999 erschienen. Hier haben Schüler des Bismarck-Gymnasiums in Genthin ein Forschungsprojekt unter Anleitung des Tutors Falk H. Schmidt mit umfangreicher Archivrecherche und Zeitzeugengesprächen durchgeführt. Entstanden ist eine valide, sorgfältig ausgearbeitete Arbeit, die die Vorgeschichte, den Verlauf und die Reaktionen der Staatsmacht umfassend darstellt. Die Ergebnisse reichten sie beim von der Körber-Stiftung ausgerichteten Wettbewerb des Bundespräsidenten zum Thema „Aufbegehren, Handeln, Verändern. Protest in der Geschichte“ ein und erhielten den ersten Preis.[19]
In dieser Arbeit nehmen insbesondere die Ereignisse an den Oberschulen in Altenburg und Eisenberg großen Raum ein. Eine umfassende Analyse der Ereignisse in Altenburg bietet der Historiker Enrico Heitzer in dem Werk „Einige greifen der Geschichte in die Speichen“. Die aus einer Magisterarbeit hervorgegangene Studie erschien im Jahr 2007 und zeichnet detailliert die Tätigkeiten der Gruppe, ihre Zerschlagung und die Verurteilungen der Oberschüler und Lehrer nach. Besonders eindrücklich ist die trotz der zum Teil schütteren Quellenlage minutiöse Rekonstruktion der Fakten. Allerdings ist der Autor hierbei nicht immer frei von Werturteilen und hätte – sofern möglich – den Zusammenschluss beider Gruppen und die Reaktionen der Sicherheitsorgane etwas näher beleuchten können.[20]
Das zweite, besonders hervorzuhebende Werk „Der Eisenberger Kreis“ stammt von dem Historiker Patrik von zur Mühlen und ist im Jahre 1995 mit der Unterstützung des Forschungsinstitutes der Friedrich-Ebert-Stiftung publiziert worden. Hier wurde sehr ausführlich und unter Einbeziehung der ehemaligen Gruppenmitglieder wissenschaftlich fundiert das Eisenberger Umfeld, die Methoden und Ziele der Gruppe, das Weiterwirken an der Universität Jena und die Zerschlagung durch die Staatssicherheit abgebildet. Jedoch wurde dem Autoren Einsicht in die Aktenbestände des Ministeriums für Staatssicherheit[21] (MfS) verweigert, weshalb nur ausgewählte Kopien mehrerer Zeitzeugen mit in die Untersuchung berücksichtigt werden konnten. Außerdem sind kleinere fachliche Mängel enthalten. So wird in dem Werk zum Beispiel behauptet, dass der Oberschüler Hermann Joseph Flade aus Olbernhau beim Flugblätterverteilen einem Polizisten eine geringfügige Verletzung an der Hand beigefügt hat und im Anschluss überwältigt wurde.[22] Tatsächlich aber verletzte Flade den Polizisten mit vier Stichen in den Arm und in den Rücken und konnte fliehen.[23]
Wie bereits erwähnt wurden mehrere Zeitzeugengespräche und eine schriftliche Befragung vom Verfasser durchgeführt. Durch das Interview mit dem ehemaligen Oberschüler Hans-Peter Freimark wurde ein bislang noch nicht in der Literatur erwähnter Vorfall an der Perleberger Oberschule I aus dem Jahre 1961 entdeckt. Dieser findet im chronologischen Überblick Erwähnung und wird dort näher beleuchtet.
Es existiert kein Überblickswerk, das die Widerstandsformen an den Oberschulen der SBZ und DDR systematisch darstellt und detailliert über Motive, Aktionen und Folgen berichtetet. Im Rahmen der Literaturrecherche sind dem Verfasser nur zwei Aufsätze begegnet, die sich zum Ziel gesetzt haben, einen Überblick über die Aktivitäten an Oberschulen zu geben. Der erste Aufsatz, verfasst von Thomas Ammer selbst, ist im Jahre 1999 unter dem Titel „Widerstand an DDR-Oberschulen 1945 bis 1968“ erschienen. Der Autor gibt in diesem Aufsatz einen guten Einblick in die Motive, Ziele und Methoden des Widerstandes und ordnet diese in den historischen Kontext ein. Außerdem nennt er acht konkrete Beispiele und beschreibt die Gruppen an den Oberschulen in ihrer Zusammensetzung und in ihren Aktionsformen sowie die Folgen des Widerstandes. Allerdings ist die Darstellung von acht Oberschülergruppen trotz des Verweises auf weitere Vorgänge an Oberschulen im Verhältnis zur Gesamtanzahl von 33 Fällen im Zeitraum von 1945 bis 1968 überschaubar und eignet sich nur bedingt zur Gewinnung eines Überblicks.[24]
Ein weiterer Versuch eines Überblicks ist vom Historiker Henrik Bispinck in der Zeitschrift „Horch und Guck“ unternommen worden. Nachdem der Autor kurz die Konfliktpunkte an den Oberschulen schildert und hierbei insbesondere auf die Auseinandersetzungen zwischen Schülerselbstverwaltung und der Freien Deutschen Jugend (FDJ) eingeht, werden exemplarisch die Vorfälle in Rostock, Genthin, Schwerin, Storkow, Eisenberg und Altenburg und die Reaktionen der Staatsmacht dargestellt. Jedoch dient auch dieser, insgesamt nur sechs Seiten umfassende Aufsatz lediglich der Gewinnung eines kurzen Überblicks und erhebt nicht den Anspruch, eine umfassende Darstellung der Widerstandsformen an Oberschulen zu geben.[25]
Abschließend ist anzumerken, dass in manchen Publikationen die Neutralität nicht gewährleistet ist. Einige der verwendeten Bücher und Aufsätze sind – wie teilweise bereits aus den Titeln hervorgeht – von den Betroffenen selbst geschrieben worden. Es besteht hierbei die Gefahr, dass in den Publikationen trotz aller wissenschaftlichen Bemühungen in eine tendenziöse Darstellung der Ereignisse erfolgt und nicht wertfrei über das Geschehene berichtet wird.
1.3 Quellenlage
Aufgrund des geringen Forschungsstandes ist die Quellenlage zum Thema dieser Arbeit nicht sehr umfangreich. Durch eigene Recherchearbeit konnten dennoch drei Quellengruppen genutzt und ausgewertet werden.
Bei den gedruckten Quellen wurden für diese Arbeit Zeitungsartikel und Dokumente aus zwei Werken verwendet. Neben der Publikation von Gert Geißler, Falk Blask und Thomas Scholze „Schule: Streng vertraulich! Die Volksbildung der DDR in Dokumenten“[26] hat sich dabei insbesondere das Werk Peter Moellers „ Sie waren noch Schüler“[27] als hilfreich erwiesen. Darüber hinaus wurde die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik von 1949 mit einer Einleitung des Ministerpräsidenten Dr. Karl Steinhoff verwendet.[28]
Bei den ungedruckten Quellen sind vor allem die Kopien zu nennen, die dem Verfasser durch den Antrag auf Akteneinsicht in der Außenstelle des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in Waldeck zur Verfügung gestellt werden konnten. Diese beziehen sich auf die Vorfälle an der John-Brinckman-Schule in Güstrow und der Rostocker Stadtschule. Die Akten zur John-Brinckman-Schule ermöglichten eine genauere Rekonstruktion der Ereignisse und ein besseres Verständnis der staatlichen und gesellschaftlichen Reaktionen auf die Widerstandsformen. Die zur Verfügung gestellten Akten der Rostocker Stadtschule sind durchgesehen und geprüft worden. Es ließen sich allerdings keine Hinweise auf oppositionelle oder widerständige Handlungen finden. Sie konnten deshalb für diese Arbeit nicht verwendet werden. Darüber hinaus boten die angefertigten Protokolle der schriftlich befragten und interviewten Zeitzeugen eine große Fülle an Informationen. Außerdem erwiesen sich Quellen aus dem Privatarchiv Thomas Ammers als eine weitere nützliche Quellengruppe. Durch diese Zeitungsartikel und Akten des MfS zu der Eisenberger Widerstandsgruppe konnte ein Erkenntnisgewinn erzielt werden. Außerdem finden auch zur Verfügung gestellte Zeitungsartikel von Hans-Peter Freimark und Peter Moeller innerhalb dieser Arbeit Verwendung.[29]
Bei den digitalen Quellen bot das Internet Zugang zu weiteren Zeitungsartikeln. Hierbei wurde neben den Internetpräsenzen verschiedener Behörden, Stiftungen und Verlage auch auf das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt zur Digitalisierung und Volltexterschließung dreier Zeitungen der DDR („Neues Deutschland“, „Berliner Zeitung“ und „Neue Zeit“) zurückgegriffen. Zuletzt bot die Dokumentation „4 Schüler gegen Stalin“ von Steffen Lüddemann weitere Einblicke in das Schicksal der Altenburger Widerstandsgruppe.
1.4 Begriffsdefinition
„Die Geschichte der Diktatur der SED [ist] zugleich eine Geschichte von Opposition und Widerstand“[30], heißt es in dem Bericht der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ des 12. Deutschen Bundestages aus dem Jahr 1994. Um ein besseres Verständnis dieser Arbeit zu gewährleisten, sollen im Folgenden die Begriffe „Widerstand“ und „Opposition“ definiert werden. Hierbei wird sich insbesondere auf den Autor Ehrhart Neubert bezogen.
Prinzipiell werden die Erscheinungsformen beider Begriffe vom Historiker Martin Broszat unter dem Wort „Resistenz“ gegen das nationalsozialistische System zusammengefasst. Auch der Bericht der Enquete-Kommission verwendete diesen Begriff und orientierte sich bei der Definition an den Ausführungen Broszats. Dort heißt es, dass Resistenz „wirksame Abwehr, Begrenzung, Eindämmung der NS-Herrschaft oder ihres Anspruches, gleichgültig von welchen Motiven, Gründen und Kräften“ sei.[31] Jedoch ist hiermit noch keine Unterscheidung zwischen dem Begriffspaar gemacht worden. Für beide Begriffe gibt es keine gültige, allgemein anerkannte Definition. Im Kontext der SBZ und frühen DDR sind die einzelnen Verhaltensweisen bislang nur punktuell erforscht worden. Die Abgrenzung gestaltet sich als schwierig, da die Übergänge fließend sind.[32] Als geeignete Unterscheidungskriterien erweisen sich die gegebenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die Legalität der verwendeten Mittel.
Opposition ist dadurch gekennzeichnet, dass die jeweiligen Akteure „auf Grundlage verbindlicher Normen und verbindlichen Rechts die Machtträger zur Einhaltung dieser Normen und Rechtssetzungen zu veranlassen suchten, um deren Macht zu begrenzen“.[33] Ein weiteres Merkmal ist, dass die Akteure „relativ offen, wenigstens zeitweilig und teilweise legal handelnd“ versuchten, ihre Gegnerschaft zum Ausdruck zu bringen.[34] Der Oppositionsbegriff aus westlicher Perspektive und Tradition ist jedoch nur bedingt auf die SBZ und DDR anwendbar, da sich „keine Opposition auf der Grundlage eines verfassungsmäßig beschriebenen und durch vereinbarte politische Verfahren gesicherten gesellschaftlichen Konsenses entfalten konnte“.[35] Der Oppositionsbegriff ist in diesem Verständnis an „die Existenz einer parlamentarischen Demokratie gebunden“.[36] So existierten in der Parteienlandschaft nach 1945 zwar unterschiedliche, demokratische Parteien, jedoch wurden diese in ihrer Entwicklung und ihrer Ausübung als Opposition schwer behindert und sahen sich zunehmend Repressionen ausgesetzt.[37]
Im Gegensatz zur Opposition konnte sich der Widerstand in der SBZ/DDR nicht in legalen Handlungsspielräumen bewegen. Primäres Ziel war die „Schwächung oder Beseitigung der SED-Macht und deren öffentliche Diskreditierung“. Er zeichnete sich weiterhin dadurch aus, dass seine Akteure ihre Handlungen nicht vor ihren Gegnern legitimieren mussten. Insofern war indirekte und direkte Gewalt nicht ausgeschlossen. Widerstand war somit offener und weitgehender in der Konfrontation mit dem vermeintlichen Gegner. Im Gegensatz zur Opposition musste keine Programmatik entwickelt werden: Sie war bereits in der „Aufhebung der SED-Macht“ impliziert.[38]
Neubert teilt Widerstand in vier verschiedene Typologien ein. Von Relevanz für diese Arbeit sind hierbei insbesondere drei Formen. Die erste Typologie war der sich entwickelnde Widerstand unterdrückter sozialer Milieus. Die Akteure stammten aus den politischen Parteien und Organisationen, den intellektuellen Milieus, den bürgerlichen Schichten und aus der Bauernschaft. Sie arbeiteten mit unterschiedlicher Intention gegen das System der SED und versuchten es zu schwächen. Als zweite Form ist der Widerstand einzelner Personen zu nennen. Die Aktionen dieser Akteure wurden konspirativ vorbereitet und durchgeführt. Dabei kam es teilweise auch zur Anwendung von Gewalt. Als Aktionsformen wurden oft das Herstellen und Verteilen von Flugblättern, Anbringen von Losungen und die Durchführungen kleinerer Sabotageakte gewählt. Diese Form des Widerstandes trat gehäuft zu Zeiten politisch angespannter Situationen auf. Oft waren die Auslöser hierfür der Verlust der sozialen, religiösen oder kulturellen Identität. Als letzte Form ist der Widerstand in Form von Flucht und Ausreise zu nennen. Hierbei wird zwischen der legalen Ausreise und der illegalen Flucht unterschieden. Im Rahmen dieser Arbeit ist insbesondere die illegale Flucht von Bedeutung.[39]
2. Bildungspolitik und Bildungswesen in der SBZ/DDR bis zum Mauerbau
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war die Bildungspolitik im Nachkriegsdeutschland grundsätzlich abhängig von den Militärregierungen. In den Augen der Alliierten waren der von den Nationalsozialisten hinterlassene Kastengeist, der Militarismus und der Nationalismus deutsche Eigenheiten, für die der elitäre Grundgedanke im deutschen Bildungswesen mit verantwortlich war. Sie mussten sich jedoch nicht nur mit diesen Hinterlassenschaften auseinandersetzen, sondern es innerhalb des deutschen Schul- und Bildungswesens bewerkstelligen, die Entnazifizierung, Umerziehung und Demokratisierung durchzuführen.[40]
Für die tiefgreifenden strukturellen Veränderungen waren in erster Linie die eigenen Schultraditionen maßgebend. Aber auch Reformanhänger, die unter den Nationalsozialisten ihrer Stellung beraubt wurden, stellte man beim Wiederaufbau der Bildungsverwaltungen ein.[41] In den fünf Ländern der sowjetischen Besatzungsmacht gelang es den neuen Machthabern „radikaldemokratische Bildungs- und Schulreformideen“ durchzusetzen. Hierbei ließen sich die Reformer auch von unverwirklichten Schulreformplänen aus der Weimarer Republik inspirieren.[42]
Walter Ulbricht[43] bekam schon im Mai 1945 von Marschall Georgi Konstantinowitsch Schukow den Vorschlag, eine Schulreform in die Wege zu leiten. Innerhalb der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland[44] (SMAD) wurde die Abteilung Volksbildung eingerichtet. Diese wurde im Folgenden mit der Aufgabe betraut, die kulturellen Bildungseinrichtungen und sämtliche Lehranstalten zu kontrollieren. Sie musste zur Aufnahme ihrer Tätigkeiten zuerst „mit dem Studium des Schulwesens“[45] in Deutschland beginnen. Am 27. Juni 1945 gründete sich auf Befehl der SMAD die Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung (DVV).[46] Diese Behörde war für die Koordination der Länderverwaltungen im Bildungssektor zuständig.[47]
Am 1. Oktober 1945 wurde trotz des Widerstandes von Landräten und Oberbürgermeistern der SBZ in den Schulen Ostdeutschlands das erste Schuljahr nach dem Krieg begonnen. Dabei war weder die Entnazifizierung des Personals an Schulen abgeschlossen noch war die Ausbildung der neuen Lehrer ausreichend fortgeschritten.[48] Schulpolitik bedeutete zunächst die Bewältigung der unmittelbaren Folgen des Krieges. Drei von vier Schulen hatten kaum Schäden durch den Krieg genommen und galten als nutzbar. Etwa 15 % galten als „leicht beschädigt“ und etwa 4 % waren total zerstört.[49]
In der Bildungsverwaltung besetzte die KPD Schlüsselpositionen mit eigenen Kadern. Zusammen mit der SPD veröffentlichte sie bereits im Oktober 1945 einen gemeinsamen Aufruf zur Schulreform. Diese Leitgedanken wurden auch im „Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule“[50] berücksichtigt, das im Mai/Juni 1946 von den Provinzial- und Länderverwaltungen beschlossen wurde.[51] Die tiefgreifenden Veränderungen beeinflussten das Bildungswesen der DDR noch nachhaltig bis in die sechziger Jahre.[52]
Programmatisch wurde sich im Gesetz an den Prinzipien der Weltlichkeit, der Einheitlichkeit, der Staatlichkeit und der Wissenschaftlichkeit orientiert. Diese Prinzipien bedeuteten für das deutsche Bildungswesen die Abschaffung des Religionsunterrichtes an staatlichen Schulen, die Einführung eines gemeinsamen Unterrichtes aller Kinder bis zur achten Klasse, Abschaffung von Privatschulen und die Aufhebung der Trennung in volkstümliche und wissenschaftliche Bildung. Außerdem kam es zu der Aufhebung der speziellen Mädchenbildung und zur Einführung einer obligatorischen Fremdsprache für alle Schüler.[53]
Das Gesetz sah zudem auch die Brechung des „bürgerlichen Bildungsprivilegs“ vor. In der konkreten Umsetzung bedeutete dies, dass anstelle des differenzierten Schulsystems eine einheitliche achtjährige gemeinsame Schule trat. Im Anschluss konnten Schüler die vierstufige Oberschule oder die dreistufige Berufsschule besuchen.[54] Die Oberschule orientierte sich an der deutschen Gymnasialtradition, wonach es einen neusprachlichen, einen mathematisch-naturwissenschaftlichen und einen altsprachlichen Zweig gab.[55] Zudem wurde eine Landschulreform in die Wege geleitet.[56] Darüber hinaus wurden an den Universitäten „Vorstudienanstalten“ gegründet[57] und mit der intensiven Förderung des Fern- und Abendstudiums begonnen.[58] Es war zu erkennen, dass die Übernahme von sowjetisch-sozialistischen Elementen im Schulsystem nicht nur eine Abkehr von der Bildungstradition im bürgerliche Sinne, sondern auch eine Ablehnung der reformpädagogischen Ideale bedeutete.[59]
Das größte Problem neben der Verringerung der Landschulen[60] war der flächendeckende Mangel an Lehrpersonal. Da fast 75 % der Lehrer Mitglieder der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) gewesen waren,[61] konnten sie nicht im weiteren Schuldienst verbleiben. Diesem Mangel wurde vor allem versucht durch Schnellkurse für die sogenannten „Neulehrer“ entgegenzuwirken.[62] Eine Folge dieser Entwicklung war die soziale Öffnung des Lehrerberufes.[63]
Die häufig nur über wenige Wochen angebotenen Schnellkurse konnten die Neulehrer fachlich und pädagogisch nur bedingt auf den Berufsalltag vorbereiten. Dies war ein essentielles Problem für die Schulen. Besonders der Unterricht an den Oberschulen war betroffen und wies zum Teil große Mängel auf.[64] Im Jahre 1949 waren bereits mehr als zwei Drittel aller Stellen an den Grund- und Oberschulen mit Neulehrern besetzt.[65] Jedoch stellten die Vertreter der Schulverwaltungen bald selbst fest, dass die Neulehrer ebenso der „Umerziehung“ bedurften wie die Schüler, die sie umerziehen sollten. Dies ist nicht verwunderlich, bedenkt man, dass der Großteil der Neulehrer 20 bis 28 Jahre alt war und die Jugend im Dritten Reich erlebt hatte.[66]
Gerade auf Betreiben der SMAD wurde die Entnazifizierung der Lehrer in den ersten Jahren sehr sorgfältig durchgeführt.[67] Allerdings wurden die Bestimmungen zur Entnazifizierung nach 1947 gelockert. Für einige der zuvor entlassenen Lehrer war es sogar möglich, wieder an die Schule zurückzukehren. Zu diesem Schritt entschieden sich die neuen Machthaber, weil sich nicht nur der quantitative, sondern auch der qualitative Mangel bemerkbar machte. Zu viele NS-belastete Gymnasiallehrer waren in die Westzonen geflohen oder durch die Entnazifizierung vom Schuldienst suspendiert worden. Auch waren viele männliche Lehrkräfte im Krieg gefallen.[68]
Der begrenzt zugelassene Pluralismus und die Berücksichtigung von reformpädagogischen Kräften bei der Entwicklung von Erziehungskonzepten wichen im Herbst 1947 dem neuen Kurs der SED.[69] Diese war 1946 aus der Vereinigung der SPD und der KPD hervorgegangen.[70] Ihre Bildungspolitiker bestanden in der Folgezeit darauf, den Einfluss der Partei in der Bildungs- und Jugendarbeit auszubauen und zu verstärken.[71] Ab 1948 nahmen auch die Möglichkeiten der SED zu, ihre Interessen im Bildungswesen durchzusetzen.[72] In den Jahren 1947-1952 entwickelte sie sich immer mehr zu einer Partei nach sowjetischem Vorbild, die sich in ihrem Selbstverständnis als „Avantgarde der Arbeiterklasse“ sah und im Vergleich zu 1946 einen tiefgreifenden Wandel hinsichtlich ihres Charakters und ihrer Struktur vollzogen hatte.[73]
Aus der DVV ging im Herbst 1949 das Ministerium für Volksbildung der DDR hervor. Die Zuständigkeiten des Ministeriums beschränkten sich im Wesentlichen auf das allgemeinbildende Schulwesen. Die ehemaligen Zuständigkeitsbereiche der DVV, wie z.B. die Universitäten, die Hoch- und Fachschulen, das Kultur und Verlagswesen, die Berufsausbildung und die betriebliche Erwachsenenqualifizierung, wurden ausgegliedert und anderen Fachministerien unterstellt. Da in der Anfangszeit die politisch-administrativen Verhältnisse recht unklar waren und die Mitarbeiter über wenig Erfahrung verfügten, arbeiteten die Schulverwaltungen eher provisorisch und undurchsichtig. Vor diesem Hintergrund zeigten Schulen, insbesondere Oberschulen, ein sehr „uneinheitliches Bild“.[74] Von SED-Funktionäre wurden sie als „Horte der Reaktion gebrandmarkt, in denen fortschrittliche Lehrer und Schüler an den Rand gedrängt würden“.[75]
Ein weiterer gewichtiger Akteur in der Erziehung und Bildung war die FDJ. Dieser Jugendverband wurde 1946 gegründet. Die Kommunisten unter Erich Honecker[76] hatten hierbei entscheidenden Einfluss.[77] Die FDJ war im Rahmen der Jugendpolitik der KPD/SED der „institutionalisierte Ausdruck“[78] jener politischen Akteure und von enormer Bedeutung für die Zeit nach dem Krieg.[79] Sie wurde wegen ihrer Funktion und ihres Einflusses auf den späteren Werdegang[80] auch als „zweites Erziehungssystem in den Schulen“ bezeichnet.[81]
Obwohl Erich Honecker auf dem I. Parlament der FDJ 1946 noch von der Pflicht gesprochen hatte, „den überparteilichen Charakter unserer Organisation wie unseren eigenen Augapfel zu hüten“[82], wandelte sich die FDJ zum Anfang der fünfziger Jahre zu einer „Massenorganisation der SED“.[83] Die Christlich Demokratische Union (CDU) und die Liberal-Demokratische Partei (LDP) zogen im Zuge dieser Entwicklung bereits im Januar 1948 ihre Vertreter aus dem Zentralrat der FDJ ab.[84]
Die Mitglieder SED und der FDJ ließen sich mit fortschreitender Zeit an allen staatlichen Bildungsinstitutionen nieder und versuchten ihren Einfluss auszubauen.[85] Dies gestaltete sich als schwierig, da der Prozess von der fehlenden Kenntnis der SED-Funktionäre über die Etablierung von Parteistrukturen an Universitäten und Hochschulen gekennzeichnet war. Auch mit der konkreten Arbeit innerhalb dieser Institutionen hatten sie wenig Erfahrung.[86] Bei der Ausweitung des Einflussbereiches wurden zum Teil heftige Konflikte ausgelöst.[87] An den Universitäten trat ihnen eine offene studentische Opposition gegenüber, deren Vertreter auch über die Universität hinaus wirkten und öffentlich Kritik hinsichtlich der politischen Entwicklungen äußerten. Als Beispiele hierfür seien der Berliner Germanistikstudent Manfred Klein und der Leipziger Germanistikstudent Wolfgang Natonek genannt. Beide wurden nach ihren Verhaftungen[88] von sowjetischen Militärtribunalen zu jeweils 25 Jahren Zuchthaus verurteilt.[89] Ein bekannter Fall aus Rostock war die Verhaftung des Rostocker Jurastudenten Arno Esch und weiterer zahlreicher Gleichgesinnter im Oktober 1949 durch die sowjetische Geheimpolizei. Der junge Befürworter des Liberalismus hatte sich für die LDP engagiert,[90] war als Hochschulreferent im Landesverband der LDP tätig und schrieb eine Reihe von kritischen Artikeln in liberalen Zeitungen.[91] Damit war er der SED ein Dorn im Auge. Nach seiner Verhaftung wurde Arno Esch in Schwerin durch ein sowjetisches Militärtribunal zum Tode verurteilt und am 24. Juli 1951 in Moskau hingerichtet. Fünf weitere Mitangeklagte erlitten dasselbe Schicksal während der Rest hohe Zuchthausstrafen erhielt.[92]
Vorrangiges Ziel der SED im Hochschulwesen war es, bürgerliche Professoren als Unterstützer zu gewinnen, die Ausbildung parteikonformer Eliten zu gewährleisten und die FDJ als einzige Organisation unter den Studenten zu etablieren. Ab 1951 wurden die Strukturen des Studiums zum Teil tiefgreifend verändert. Dazu wurde beispielsweise, zentralen Vorgaben entsprechend, für jedes Fach ein Studienplan aufgestellt und ein „gesellschaftswissenschaftliches Grundstudium“ implementiert, das für alle Studenten verpflichtend war. Außerdem wurden Seminargruppen eingerichtet, die als „festgefügte Kollektive“ von der FDJ kontrolliert wurden. Trotz des induzierten Wandels konnten die Ziele bis zum Ende der fünfziger Jahre nur bedingt erfüllt werden. Gerade in diese Phase fällt auch die Abwanderung und Flucht vieler Dozenten und Studenten an den Universitäten. Insgesamt kann festgehalten werden, dass sich im Hochschulwesen der SBZ/DDR am längsten eine deutliche Ablehnung gegenüber der „politisch-ideologischen Gleichschaltung“[93] zeigte. Diese ging sowohl von den Professoren als auch von Studenten aus[94] und änderte sich erst in den sechziger Jahren durch den politisch instruierten Wandel der Hochschullehrerschaft in eine um, die Worte Walter Ulbrichts aufzugreifen, „sozialistische Menschengemeinschaft“.[95]
Für die FDJ als Institution, die den Sozialisationsprozess von jungen Menschen ideologisch begleiten und beeinflussen wollte, war das Arbeiten mit Schülern naturgemäß von großer Bedeutung. Auch hier gab es in der Anfangszeit heftige Widerstände. Gerade die an den Oberschulen gegründeten „demokratischen Schülerräte“ verneinten Kooperationen mit der FDJ. Rückendeckung bekamen sie hierbei von dem Großteil der Oberschullehrer. Nachdem 1948 die Schülerräte abgeschafft und die FDJ zum „alleinigen Repräsentationsorgan“ der Schüler erklärt worden waren, änderte sich das Kräfteverhältnis an den Oberschulen.[96] Die Rufe nach der Mitverwaltung von Schülern wurden durch das „Vertretungsmonopol der FDJ erstickt“.[97] Schüler, die sich weiterhin widersetzten, mussten mit Repressalien rechnen. Es kam zu Schulverweisen und zu langjährigen Haftstrafen.[98] Besonders betroffen waren im Zuge dieser Entwicklungen Mitglieder der Jungen Gemeinde.[99]
Für den weiteren Bildungsweg spielte die FDJ eine wichtige Rolle. So war die Mitgliedschaft in ihr ein vorteilhaftes Kriterium bei der Zulassung zum Abitur und zum eventuell daran anknüpfenden Studium. Auch die Anzahl der Mitglieder wuchs mit der Zeit an. Im Schuljahr 1948/49 bestanden mindestens 20 % der Oberschülerschaft Thüringens, Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsens und Sachsen-Anhalts sowie 50 % der Oberschülerschaft Brandenburgs aus FDJ Mitgliedern.[100]
Eine weitere Zielstellung der SED war es, den Anteil von Arbeiter- und Bauernkindern an den Oberschulen zu erhöhen und Chancengleichheit herzustellen. Mit „Instrumenten der Gegenprivilegierung“[101], wie der Bevorzugung von Arbeiter- und Bauernkindern und der sozialen Quotierung beim Zugang zu den Schulen und Hochschulen, ist dies sowohl an den Oberschulen als auch im Hochschulwesen gelungen.[102] Kinder, deren Eltern bei der SED oder der Armee beschäftigt waren, wurden bei diesen Verfahren der Arbeiterklasse zugerechnet.[103] Zusätzlich verstärkt wurde dieser Prozess durch die aktive Werbung für Arbeiterkinder beispielsweise in Zeitungen[104] und der Errichtung von Arbeiter- und Bauernfakultäten an den Hochschulen. Mit Hilfe dieser Instrumente konnte sich der Anteil der Arbeiter- und Bauernkinder an Oberschulen von 19 % im Jahre 1945/46 auf 36 % im Jahr 1949/50 beinah verdoppeln. Im Jahre 1954/55 waren es bereits 49 %.[105]
Die hierdurch entstehende soziale Öffnung wurde allerdings nicht von allen gesellschaftlichen Schichten begrüßt. Insbesondere die bürgerliche Intelligenz begann aufzubegehren, bedeutete doch eine Überprivilegierung der Arbeiter- und Bauernkinder gleichzeitig eine Benachteiligung der Kinder von Gymnasiallehrern, Ärzten oder Richtern. Ihnen wurde der Weg zu den Oberschulen und Hochschulen oft deutlich erschwert oder gar unmöglich gemacht. Auch Kinder, deren Eltern eine kirchliche Bindung hatten, waren hiervon betroffen.[106]
In der Lehrerschaft an den Oberschulen war es für die Bildungsadministration schwierig Fuß zu fassen. Es gab nicht nur Vorbehalte gegen das Einheitsschulsystem und der damit nicht möglichen Binnendifferenzierung bis zur 8. Klasse oder gegen die „Atheismus-Propaganda“. Auch die Tatsache, dass die FDJ zunehmend in den Schulalltag einzog oder dass Arbeiter- und Bauernkinder mit allen Mitteln bevorzugt wurden, sorgte in den Lehrerzimmern für Unmut. Die große Mehrheit dieser Berufsgruppe war im Kaiserreich sozialisiert worden und stand den „egalitären Optionen“ des neuen Systems ebenso kritisch gegenüber wie den „ideologischen Okkupationsintentionen“. Gleichzeitig zeichnete sich an dieser Stelle ein zweiter Konflikt ab. Auf der einen Seite stellte die Bildungsadministration hohe Ansprüche in den Sprachen und Naturwissenschaften, war also abhängig vom Alt-Lehrerbestand und konnte sie nicht einfach mit Neulehrern ersetzen. Auf der anderen Seite brauchte sie jedoch auch die Unterstützung und den Zuspruch dieser Berufsgruppe, um den gewünschten bildungspolitischen und gesellschaftlichen Wandel zu vollziehen.[107]
Um der Lage Herr zu werden, fasste man den Entschluss, eine Doppelstrategie zu fahren. Zwischen 1950-1953 wurden flächendeckend alle Oberschulen der DDR überprüft. Bei diesen Überprüfungen[108] wurden nicht nur Parteizugehörigkeit oder die politisch-ideologische Überzeugung festgehalten, sondern auch „mit oft erstaunlich neutraler Fachbegrifflichkeit“ die Kompetenz der untersuchten Lehrkraft begutachtet und eingeschätzt. Gleichzeitig wurden auch die Qualifikationen der „eigenen“ Neulehrer kritisch hinterfragt und Unzulänglichkeiten offengelegt. Hierbei wurde bewusst in Kauf genommen, dass diese Untersuchungen auch einen einschüchternden und disziplinierenden Charakter hatten. Gleichwohl wurden in der Phase der „Sowjetisierung“ des Bildungssystems nach Protesten aus der Ärzteschaft und technischen Intelligenz auch Zugeständnisse vor dem 17. Juni 1953[109] Zugeständnisse gemacht. Diese sollten der massenhaften Abwanderung der eben genannten Gruppen und die der Universitäts- und Oberschullehrer entgegenwirken.[110] Trotz dieser Bemühungen gab es im gesamten Untersuchungszeitraum eine größere Anzahl von Lehrern an allgemeinbildenden Schulen, die die sog. Republikflucht begingen. Ihre Zahl wird auf ca. 20.000 Lehrer im Zeitraum 1945 bis 1961 geschätzt.[111]
Seit Beginn der fünfziger Jahre durchlief das Schulsystem in der DDR eine „Experimentierphase“. Diese Phase war mit dem neuen Schulgesetz vom 2. Dezember 1959 vorläufig beendet, bevor sie mit dem Gesetz über das „einheitliche sozialistische Bildungssystem“ vom 25. Februar 1965 endgültig abgeschlossen wurde. Eine der wohl größten Veränderung der Schullandschaft zu Beginn des Jahrzehnts war die Einführung der sogenannten „Zehnklassenschule“. Dieser anfänglich nicht vorgesehene Schultyp wurde 1950 eingeführt, hieß ab 1956 „Mittelschule“ und wurde 1959 in „allgemein bildende polytechnische Oberschule“ (POS) umbenannt. Die Einführung des „polytechnischen Unterrichts“ im Schuljahr 1958/59 war eine weitere Neuerung im Bildungswesen der DDR.[112] Im Sinne marxistischer Ideen wurde in der polytechnischen Bildung eine Verknüpfung zwischen Bildung und Arbeitswelt ermöglicht. Dies galt als Kerncharakteristikum der sozialistischen Schule.[113] Ausgangspunkt für diesen Wandel war die zeitgleich stattfindende Schulreform innerhalb der Sowjetunion.[114] Mit diesen Schritten war die „Wende zur Sowjetpädagogik“ fast vollständig vollendet.[115]
Der Einführung polytechnischer Schulen zum Ende der fünfziger Jahre lagen eher staatsökonomische als ideologische Ursachen zu Grunde. Die „Berufslenkung“ sollte der schwierigen Lage auf dem Arbeitsmarkt entgegenwirken. Die sich an die POS angliedernde zweijährige „Erweiterte Oberschule“ (EOS) war der direkte Weg zum Abitur und damit das Pendant zur gymnasialen Oberstufe in der Bundesrepublik Deutschland. Allerdings wurde der Zugang zur EOS stark beschränkt, da er sich ausschließlich an dem Bedarf der Hochschulen orientierte. Bei der sogenannten „Delegierung“ der Schüler spielten die ökonomische Verwertung, soziale Herkunft, gesellschaftliche Betätigung und staatsbürgerliche Haltung eine größere Rolle als die persönlichen Stärken und Eignungen der Heranwachsenden. Im Durchschnitt waren es nur zwei bis drei Schüler pro Klasse, die das Recht hatten, an die EOS zu gehen. Auch hier kam es zu einer Privilegierung von Kindern aus Arbeiter- und Bauernfamilien.[116]
3. Widerstand und Opposition an den Oberschulen – ein Überblick
Wittenberge
Einer der ersten dokumentierten Vorfälle war der Prozess in der Stadt Brandenburg gegen 29 Jugendliche aus Wittenberge im Februar 1946. Die Angeklagten waren etwa 15 Jahre alt und lehnten die entstehende FDJ entschieden ab. Darüber hinaus wollten sie eine eigene Jugendorganisation der LDP bilden.[117] Die Lehrlinge und Oberschüler verweigerten auch den Eintritt in die Antifaschistische Jugendgruppe, weil sie von dem ehemaligen Führer der Hitlerjugend Werner Boost geleitet werden sollte. Es gab einige wenige Zusammenkünfte zwischen den Mitgliedern. Sie hatten zu keinem Zeitpunkt militante oder reaktionäre Absichten. Obwohl sie sich nur oppositionell betätigten, wurden die Jugendlichen Ende des Jahres 1945 im Auftrag der sowjetischen Behörden von der deutschen Polizei verhaftet und fanden sich später in den Vernehmungsräumen des Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten[118] (NKWD[119] ) wieder.[120]
In einem Notizbuch des Schülers Horst Neuendorf wurden die Worte „Knallerbsen“ und „Tischfeuerwerk“ gefunden. Man fand auch ein verschlüsseltes Alphabet, welches für Mitteilungen an Mädchen in der Schule gedacht war. Schnell wurde aus diesen Worten und dem vermeintlichen Verschlüsselungsversuchen der Vorwurf erhoben, Mitglied einer illegalen Organisation zu sein. Für Neuendorf[121] folgten daraufhin mehrere, äußerst brutal geführte Verhöre.[122] Das sowjetische Militärtribunal verurteilte neun der 29 Angeklagten zum Tode. Drei der Todesurteile wurden vollstreckt. Gegen die restlichen Angeklagten wurden Freiheitsstrafen verhängt. Neun von ihnen starben im Speziallager Sachsenhausen.[123]
Potsdam
Zu Repressionen führte auch der friedliche Protest der Potsdamer Oberschüler der Einstein-Schule bei der Demonstration zum 1. Mai 1946. Die sowjetische Besatzungsmacht hatte den 1. Mai „als Jubeltag für die demokratische Erneuerung Deutschlands“ festgelegt und erwartete von sämtlichen Schulen eine geschlossene Teilnahme.[124] Während einige Schüler der oberen Klassen der Veranstaltung völlig fernblieben, entschieden sich andere unter den Teilnehmenden, an den Revers ihrer Jacken andersfarbige Blumen zu tragen. Verordnet waren rote Nelken. Sie entschieden sich jedoch, weiße Nelken zu tragen und wollten damit ihre Unzufriedenheit gegenüber der Politik der SED und gegen die Vereinigung von KPD und SPD zum Ausdruck bringen.[125] An der Aktion beteiligten sich insgesamt 32 Schüler. Es wurde kurz darauf allen Trägern der weißen Nelken angedroht, dass sie von der Schule verwiesen werden. Um den Worten auch Taten folgen zu lassen, wurde auf der Schulkonferenz am 7. Mai 1946 die Relegation von fünf Schülern beschlossen. Des Weiteren wurden neun Jugendliche festgenommen und vom MWD verhört. Unter ihnen waren sechs Oberschüler der Einstein-Schule. Drei von ihnen blieben ohne Verurteilung und wurden später entlassen. Die anderen erhielten mehrere Jahre Speziallager-Haft. Der Konflikt an der Einstein-Schule eskalierte, nachdem sich im weiteren Verlauf mehrere Klassen weigerten, vom Gegenwartskunde-Lehrer Peter Wefers unterrichtet zu werden. Er galt als großer Verfechter der SED. Die Schule wurde schließlich geschlossen. Im Juni 1950 flohen 25 Schüler und zwei Lehrer nach West-Berlin.[126]
Genthin
In der Schulchronik der Genthiner Oberschule in Sachsen-Anhalt lassen sich bereits Ende 1946 erste Vorbereitungen zur Gründung einer Schülervertretung (SV) finden. Diese war in der Kleinstadt in der Zeit nach dem Krieg vor allem damit beschäftigt, die materielle Not der Schüler zu lindern. Sie hatten zudem auch ihre eigene Schülerzeitung, „Das Sprachrohr“, herausgegeben.[127] In diesem Organ hatte sich die SV 1948 „gegen jede Einmischung irgend welcher [sic!] parteipolitischer Bestrebungen ausgesprochen, um eine ungehinderte Arbeit der SV zu ermöglichen.“[128]
Dies führte schnell zu Konflikten mit der FDJ. Diese versuchte sich in den folgenden Monaten die Schachgruppe, den Chor und die Theatergruppe einzuverleiben und Namensänderungen durchzuführen. Von allen drei Gruppen wurde dies abgelehnt. Auch seitens der Besatzungsmacht wurde in Person des Kulturoffiziers der sowjetischen Kommandantur Druck ausgeübt. Er kam häufig an die Schule und nahm auch an den Sitzungen der SV teil. Zugespitzt hatte sich der Konflikt nach dem 7. November 1947. Am Jahrestag der Oktoberrevolution beanstandeten die Mitglieder der SV die rote Beflaggung der Schule und forderten, dass dies am 1. Mai des Folgejahres nicht wieder passieren dürfe. In den Aussprachen mit dem Schulleiter, den Lehrern und dem Kulturoffizier setzten sich die Schüler letztlich durch. Dies hatten sie vor allem der Unterstützung des Schulleiters zu verdanken, der auch im Lehrerkollegium immer wieder betonte, wie wichtig es sei, demokratisches Denken bei Schülern zu fördern. Auch der Versuch, über die SED-Schulgruppe Einfluss auf das Gremium der SV auszuüben, scheiterte am vehementen Widerstand der Lehrerkonferenz.[129]
Dem stetig wachsenden Druck von Seiten der FDJ und SED ausgesetzt, entschieden sich die Mitglieder nun – obwohl selbst mehrheitlich der LDP angehörend – reihenweise der FDJ beizutreten. Man stand nun nicht mehr in direkter Konfrontation mit der FDJ und konnte sie dadurch unterwandern. Darüber hinaus vernetzten sie sich mit Vertretungen anderer Schulen. Hierzu schickte man eigene Schüler in andere Orte, um Erfahrungsberichte einzuholen und weiterzugeben. Von den Lehrern wurde dieses Vorhaben mitgetragen und unterstützt. Über den Kreisjugendreferenten der LDP konnten sie auch Kontakte nach Westberlin herstellen und somit Zugang zur LDP-Jugendzeitschrift „Wegweiser“ bekommen. Diese verteilten sie auch an ihrer Schule. Ihren eigenen Angaben zufolge, war ihnen dabei nicht bewusst, dass das Verteilen der Zeitschrift verboten war.[130]
Im Juli verließ Hansjochen Kochheim nach bestandenem Abitur die Schule. Er war der führende Kopf der Gruppe. Trotz vorbildlichen Gutachtens erhielt er keinen Studienplatz und war in seiner späteren Tätigkeit bei der LDP weiterhin Repressionen von der sowjetischen Kommandantur ausgesetzt. Mit Protest und einer Resolution gegen eine Verordnung der DVV, in der die Zulassungsbedingungen zum Studium nach sozialen Kriterien vorgesehen war, brachte die SV nun auch die Landesvertretung, den Innenminister, den Volksbildungsminister und die Zentralverwaltung in Berlin gegen sich auf. Diese sahen die in ihren Augen reaktionären Forderungen als Politikum und entschieden sich, mit aller Härte dagegen vorzugehen. Was als Protest von Oberschülern anfing, entwickelte nun eine starke Eigendynamik mit politischer Brisanz.[131]
Als erste Reaktion wurde der Schulleiter strafversetzt und die Schule umfassend untersucht. Die SV wurde im Januar 1949 durch die sowjetische Kommandantur aufgelöst. Im August und September desselben Jahres wurde die von den Behörden konstruierte „Gruppe Kochheim“ und einige weitere Jugendliche durch den MWD verhaftet. Man brachte sie zuerst in Untersuchungshaft nach Halle in den sog. „Roten Ochsen“. Im Januar 1950 wurden die sieben Jugendlichen, darunter vier Oberschüler, von einem sowjetischen Militärgericht wegen „Spionage, illegaler Gruppenbildung und antisowjetischer Hetze“ für schuldig befunden und zu insgesamt 170 Jahren Haft verurteilt. Kochheim musste als einziger seine Strafe in einem sibirischen Arbeitslager verbüßen.[132]
Rostock
Auch an der Großen Stadtschule in Rostock wurde in diesem Zeitraum ein Gremium des Schülerrates eingerichtet. Hier war insbesondere der Schüler Per Jönsson aktiv. Er war Mitglied der LDP, sehr interessiert an der politischen Arbeit und wurde später auch zum Vorsitzenden des Gremiums gewählt. Der Schülerrat setzte sich für verbilligte Karten bei Theaterbesuchen, niedrigere Preise im Lokalverkehr oder die Beschaffung von preiswerten Unterrichtsmaterialien ein. Zudem waren die Schüler auch bei Lehrerbesprechungen anwesend und konnten ihre Stimmen geltend machen, wenn es um die aus ihrer Sicht willkürliche Durchsetzung von Disziplinarmaßnahmen gegen Schüler ging.[133]
Neben Jönsson traten auch viele andere Schüler in die LDP ein. Deshalb hatte es die FDJ bis 1949 sehr schwer, sich an der Großen Stadtschule zu etablieren. Dies war für den Landesvorstand der FDJ, die Ministerien in Schwerin und die Funktionäre der SED ein Problem, das gelöst werden musste. Der Volksbildungs- und Jugendminister in Mecklenburg-Vorpommern Gottfried Grünberg forderte deshalb, „dass in den Schülerräten nur die fortschrittlichsten Schüler sitzen dürften.“ Aus seiner Sicht konnten „fortschrittliche“ Schüler nur in der FDJ aktiv sein. Der Schülerrat sollte demnach aufgelöst und per Dekret von der FDJ übernommen werden. Jönsson und seine Mitstreiter erhoben massive Einwände, da sie in der Durchführung eine klare Missachtung der Grundregeln von Demokratie sahen. Sie fertigten Flugblätter an und schrieben Artikel für die Wandzeitung der Schule. Auch die „Norddeutsche Zeitung“ erfuhr von den Plänen und griff das Thema auf. Sie stellte sich auf die Seite der Schüler.[134]
Auf einer Kundgebung in der Aula der Schule wurde Jönsson vom Jugendminister Grünberg als „Pestbeule!, Giftpilz!, Parasit!, Westspion!“ beschimpft. Der Minister sorgte umgehend dafür, dass der Schülerrat aufgelöst wurde. Kurz darauf folgten Verhaftungen durch den MWD. Jönsson wurde im Anschluss nach Neubrandenburg zwangsumgesiedelt. Zu Pfingsten 1950 fasste er den Entschluss, die DDR zu verlassen und nach Westberlin zu fliehen.[135]
Dresden
An der Oberschule Dresden-Nord kam es im Jahre 1949 zu tiefgreifenden Veränderungen im Schulalltag. Nachdem die neu eingesetzte, der SED angehörende Schulleiterin Marianne Wirthgen starken Druck auf die Schüler ausübte, traten viele von ihnen der FDJ bei. Die Freunde um den Schüler Joachim Petzold waren politisch sehr interessiert und standen der doppelten Staatsgründung ablehnend gegenüber. Dennoch wurden sie aufgefordert, am großen Fackelzug zur Gründung der DDR in Berlin teilzunehmen. Nur wenige von ihnen nahmen folgten dieser Aufforderung. Ebenso schwierig und von Diskussionen geprägt war ihr Verhältnis zur Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. Hierzu gab es auch eine Debatte zwischen den Schülern Hermann Hammer und Petzold mit der Schulleiterin.[136]
Als Hammer auf einer späteren Versammlung versuchte die Schüler und Lehrer, die der CDU und der LDP angehörten, von seinem Standpunkt zu überzeugen, gab es eine Untersuchung des Vorfalls. Da diese Versammlung nur Mitglieder zweier Parteien berücksichtigte, wurde dies als „Verstoß gegen die Prinzipien der Nationalen Front und als eine gegen die SED-Schulgruppe gerichtete Maßnahme empfunden.“ Als einige Schulräte aus Dresden den Fall untersuchten und Hammer die Frage stellten, warum er keine Mitglieder der SED eingeladen hatte, erwiderte er, „man möge ihm die Antwort ersparen.“ Dieser Vorfall wurde nicht weiter gemeldet und hatte für Hammer keine Folgen. Der anwesende FDJ-Sekretär, der Mitglied der SED war, lobte sogar Hammers Bemühungen, sich im Austausch mit anderen eine Meinung zu bilden.[137]
[...]
[1] Brödel, Jörn Ulrich: Zeitzeugenbericht. Hamburg 1998. In: Neudecker, Josef: Vom frühen Widerstand in Ostthüringen gegen die kommunistische Diktatur in der SBZ und DDR. Langwaden 2004, S. 99-142. Hier S. 127.
[2] Vgl. ebenda.
[3] Vgl. Protokoll des Gesprächs mit Jörn-Ulrich Brödel. Hamburg 10.02.2017, S. 18.
[4] Die 1948 gegründete KgU war eine antikommunistische Organisation in der DDR mit Sitz in Westberlin. Die Organisation sammelte vor allem Informationen über verschleppte und vermisste Personen, verarbeitete diese und leitete sie weiter. Sie wurde maßgeblich von US-amerikanischen Geheimdiensten finanziert. Ab dem Sommer 1949 startete die KgU die „F-Kampagne“. Es wurde dazu aufgerufen, überall in der SBZ den Buchstaben „F“ auf Mauern, Straßen und Gebäuden anzubringen. Das „F“ stand hierbei für „Freiheit“ und „Feindschaft dem System“. Vgl. Heitzer, Enrico: Opposition und Widerstand in der Sowjetischen Besatzungszone und frühen DDR. Erfurt 2015, S. 50 f.
[5] Vgl. Heitzer, Enrico: „Einige greifen der Geschichte in die Speichen.“ Jugendlicher Widerstand in Altenburg/Thüringen 1948 bis 1950. Berlin 2007, S. 82, 90 f., 167 f., 188.
[6] Vgl. Enke, Wolfgang: Hans-Joachim Näther. In: Fricke, Karl Wilhelm/Steinbach, Peter/Tuchel, Johannes (Hrsg.): Opposition und Widerstand in der DDR. München 2002, S. 124-129. Hier S. 129.
[7] Vgl. Kowalczuk, Ilko-Sascha: Die 101 wichtigsten Fragen. DDR. München 2009, S. 121.
[8] Zum Zeitzeugeninterview und weiteren Literaturangaben siehe Mrotzek, Fred: Das zeitgeschichtliche Erinnerungsinterview. In: Müller, Werner/Pätzold, Horst (Hrsg.): Lebensläufe im Schatten der Macht. Zeitzeugeninterviews aus dem Norden der DDR. Schwerin 2000, S. 17-28.
[9] Weitere Informationen zu den Zeitzeugen sind im Personenverzeichnis angegeben.
[10] Vgl. Kowalczuk, Ilko-Sascha: Geist im Dienste der Macht. Hochschulpolitik in der SBZ/DDR 1945 bis 1961. Berlin 2003, S. 448.
[11] Vgl. Fricke, Karl Wilhelm: Der frühe Widerstand in der SBZ/DDR. In: Wiemers, Gerald (Hrsg.): Der frühe Widerstand in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands SBZ/DDR. Leipzig 2012, S. 25-39. Hier S. 25.
[12] Fricke, Karl Wilhelm: Widerstand und Opposition in den vierziger und fünfziger Jahren. In: Eppelmann, Rainer/Faulenbach, Bernd/Mählert, Ulrich: Bilanz und Perspektive der DDR-Forschung. Paderborn 2003, S. 153-159. Hier S. 153.
[13] Vgl. Fri>
[14] Hier vor allem vgl. Fricke, Karl Wilhelm: Selbstbehauptung und Widerstand in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Bonn 1964 und vgl. Fricke, Karl Wilhelm: Opposition und Widerstand in der DDR. Ein politischer Report. Köln 1984.
[15] Vgl. Fri>
[16] Von der Begrifflichkeit „Diktatur“ wird im Rahmen dieser Arbeit Abstand genommen, da sie aus Sicht des Verfassers nicht wertfrei und ideologisch aufgeladen ist. Der Begriff findet deshalb nur in Zitaten Verwendung.
[17] Vgl. Fri>
[18] Vgl. Enke, Wolfgang: Verfolgt, geflüchtet verschollen! Jugendwiderstand in Altenburg 1949-1950. In: VIII. Bautzen Forum der Friedrich Ebert Stiftung: Zivilcourage und Demokratie. Vergangenheitsbewältigung ist Zukunftsgestaltung. Büro Leipzig. 30. und 31. Mai 1997. Leipzig 1997, S. 67-72. Hier S. 67.
[19] Vgl. Kreutzmann, Antje u.a.: Widerstand junger Liberaler an der Oberschule Genthin 1947-1949. Magdeburg 1999.
[20] Vgl. Heitzer: „Einige“.
[21] Das Ministerium für Staatssicherheit wurde im Februar 1950 gegründet. Zuerst wurde es von Wilhelm Zaisser und Ernst Wollweber, ab 1957 von Erich Mielke geleitet. Es war ein wichtiges innenpolitisches Repressionsinstrument der SED und galt als „Schild und Schwert der Partei“. Der konkrete Aufgabenbereich des Ministeriums wurde nie klar definiert. Es unterlag weder Gesetzen noch parlamentarischer Kontrolle. Zu den Tätigkeitsbereichen zählten unter anderem die Überwachung der Bevölkerung und von Oppositionellen, der Kampf gegen die sog. Republikflucht und die Kontrolle des Reiseverkehrs. Außerdem betrieb das MfS eine umfangreiche Auslandsspionage. Der Geheimdienste schreckte gegen Fluchthelfern und Fahnenflüchtigen auch vor Entführungen und Mord nicht zurück. Vgl. Caspar, Helmut: DDR-Lexikon. Von Trabi, Broiler, Stasi und Republikflucht. Petersberg 2009, S. 224 f. Das wörtliche Zitat befindet sich auf der Seite 225.
[22] Vgl. Von zur Mühlen, Patrik: Der „Eisenberger Kreis“. Jugendwiderstand und Verfolgung in der DDR 1953-1958. Dietz 1995, S. 7, 36.
[23] Vgl. Flade, Hermann: Deutsche gegen Deutsche. Erlebnisbericht aus dem sowjetzonalen Zuchthaus. Freiburg 1963, S. 86 und vgl. Albrecht, Niels H. M.: Ein Oberschüler vor Gericht. Das politische Todesurteil der DDR-Justiz gegen Hermann Flade von 1951. Phil. Diss. Universität Bremen 2008, S. 96-97.
[24] Vgl. Ammer: Widerstand an DDR-Oberschulen, S. 125-136.
[25] Vgl. Bispinck, Henrik: Protest, Opposition und Widerstand an den Oberschulen in der SBZ und in der frühen DDR. In: Horch und Guck. Zeitschrift der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ Leipzig, Bd. 20 (2011), Heft 72, S. 40-45.
[26] Vgl. Geißler, Gert/Blask, Falk/Scholze, Thomas (Hrsg.): Schule: Streng vertraulich! Die Volksbildung der DDR in Dokumenten. Berlin 1996.
[27] Vgl. Moeller, Peter: sie waren noch Schüler. Repressalien - Widerstand - Verfolgung an der John-Brinckman-Schule in Güstrow 1945-1955. 3. erweiterte Auflage. Dannenberg 2004.
[28] Vgl. Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Mit einer Einleitung von Dr. Karl Steinhoff. Ministerpräsident der Landesregierung Brandenburg. Berlin 1949.
[29] Für die große Mithilfe des BstU Waldeck und der oben genannten Personen wird an dieser Stelle ausdrücklich gedankt.
[30] Zitiert nach Ammer, Thomas: Opposition und Widerstand von den Anfängen bis zum Mauerbau 1961. In: Veen, Hans-Joachim/Eisenfeld, Peter/Kloth, Hans Michael (Hrsg.): Lexikon. Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur. Berlin, München 2000, S. 20-23. Hier S. 20.
[31] Zitiert nach Heitzer: „Einige“, S. 16.
[32] Vgl. Ammer: Opposition, S. 20.
[33] Neubert, Ehrhart: Geschichte der Opposition in der DDR 1949-1989. 2., durchgesehene und erweiterte sowie korrigierte Auflage. Bonn 2000, S. 29.
[34] Vgl. Ammer: Opposition, S. 20.
[35] Neubert, S. 29.
[36] Pollack, Detlef: Poltischer Protest. Politisch alternative Gruppen in der DDR. Opladen 2000, S. 59.
[37] Vgl. Neubert, S. 29.
[38] Vgl. Neubert, S. 31.
[39] Vgl. ebenda, S. 31 f.
[40] Vgl. Geißler, Gert: Bildungs- und Schulpolitik. In: Burrichter, Clemens/Nakath, Detlef/Stephan, Gerd-Rüdiger (Hrsg.): Deutsche Zeitgeschichte von 1945 bis 2000. Gesellschaft – Staat – Politik. Ein Handbuch. Berlin 2006, S. 911-946. Hier S. 915.
[41] Vgl. ebenda.
[42] Vgl. Geißler, Gert: Zur Zeitgeschichte von Bildungs- und Schulpolitik in Deutschland. Berlin 2006, S. 28.
[43] Walter Ulbricht (1893-1973), 1929-46 Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), 1933 Wegen Haftbefehl Emigration nach Paris, 1946-50 Mitglied des Zentralsekretariats des Parteivorstandes und de facto stellvertretender Vorsitzender der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 1949-73 Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees, 1960-1973 Vorsitzender des Staatsrates der DDR. In: Biographische Datenbanken der Bundesstiftung für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, Artikel: „Ulbricht, Walter Ernst Paul“. Unter: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/wer-war-wer-in-der-ddr-%2363%3B-1424.html?ID=3596 (letzter Zugriff: 06.01.2017).
[44] Die in Berlin-Karlshorst residierende Sowjetische Militäradministration in Deutschland war nach dem Zweiten Weltkrieg die oberste Besatzungsbehörde in der SBZ. Sie existierte vom Juni 1945 bis Oktober 1949. Zum obersten Chef wurde Marschall G.K. Schukow ernannt. Ihm folgte im April 1946 Marschall W.D. Sokolowski. Die SMAD hatte enormen Einfluss auf die politische und wirtschaftliche Entwicklung in dem von der Sowjetunion besetzten Gebiet im Nachkriegsdeutschland. Von großer Priorität war hierbei die Sicherstellung der Reparationen. Sie dirigierte allerdings auch den Neuaufbau von Wirtschaft, Kultur und Politik und war maßgeblich daran beteiligt, den angestrebten politischen, sozialen, kulturellen und ökonomischen Wandel durchzuführen, der später zur Aufnahme der DDR in den Ostblock führte. Vgl. Weber, Hermann: Die DDR 1945-1990. 5., aktualisierte Auflage. München 2012, S. 5.
[45] Timofejewa, Natalja P.: Deutschland zwischen Vergangenheit und Zukunft. Die Politik der SMAD auf dem Gebiet von Kultur, Wissenschaft und Bildung 1945-1949. In: Möller, Horst/Tschubarjan, Alexandr O.: Die Politik der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD): Kultur, Wissenschaft und Bildung 1945-1949. München 2005, S. 9-30. Hier S. 21.
[46] Vgl. ebenda.
[47] Vgl. Geißler: Zur Zeitgeschichte, S. 30.
[48] Vgl. Füssl, Karl-Heinz: Die Umerziehung der Deutschen. Jugend und Schule unter den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs 1945-1955. Paderborn u.a. 1994, S. 332.
[49] Vgl. Geißler, Gert: Geschichte des Schulwesens in der Sowjetischen Besatzungszone und in der Deutschen Demokratischen Republik 1945 bis 1962. Frankfurt am Main u.a. 2010, S. 61.
[50] Schroeder, Klaus: Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR 1949-1990. 3., vollständig überarbeitete und stark erweiterte Auflage. Köln, Weimar, Wien 2013, S. 58.
[51] Vgl. ebenda, S. 57 f.
[52] Vgl. Geißler: Bildungs- und Schulpolitik, S. 922.
[53] Vgl. Herrlitz, Hans-Georg u.a.: Deutsche Schulgeschichte von 1800 bis zur Gegenwart. Eine Einführung. 4., überarbeitete aktualisierte Auflage. Weinheim, München 2005, S. 203.
[54] Vgl. Schroeder, S. 58.
[55] Vgl. Herrlitz, S. 203.
[56] Hier wurden Grundschulen als Zentralschulen umgebaut, die die älteren Schüler der Nachbarorte übernahmen. Vgl. Geißler: Bildungs- und Schulpolitik, S. 923.
[57] Vgl. ebenda, S. 922. Ab 1949 gingen aus den Vorstudienanstalten die sogenannten „Arbeiter- und Bauernfakultäten“ hervor. Sie waren bestimmt für studieninteressierte Personen ohne Abitur und trugen zur politischen Kadergewinnung bei. Anfänglich waren sie an 11, später an 16 Hochschulen als eigenständige Fakultäten vertreten. Vgl. Geißler: Zur Zeitgeschichte, S. 31 und vgl. Herrlitz, S. 202, 209.
[58] Vgl. Geißler: Zur Zeitgeschichte, S. 29.
[59] Vgl. Anweiler, Oskar: Grundzüge der Bildungspolitik und der Entwicklung des Bildungswesens seit 1945. In: Anweiler, Oskar u.a. (Hrsg.): Vergleich von Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik. Köln 1990, S. 11-33. Hier S. 18.
[60] Vgl. Herrlitz, S. 203.
[61] Von den fast 40.000 Lehrern gehörten 28.000 der NSDAP an. Vgl. Weber: Die DDR, S. 5.
[62] Vgl. Schroeder, S. 58.
[63] Vgl. Geißler: Bildungs- und Schulpolitik, S. 923.
[64] Vgl. Hohmann, Joachim S.: Lehrerflucht aus SBZ und DDR 1945-1961. Frankfurt am Main 2000, S. 14 f.
[65] Vgl. Füssl, S. 337.
[66] Vgl. Hohmann, S. 17.
[67] Vgl. Herrlitz, S. 203.
[68] Vgl. ebenda.
[69] Vgl. Schroeder, S. 58.
[70] Zum Prozess der Vereinigung von SPD und KPD siehe Mählert, Ulrich: Geschichte der DDR 1949-1990. Erfurt 2014, S. 17-19.
[71] Vgl. Schroeder, S. 58.
[72] Vgl. Weber: Die DDR, S. 25.
[73] Vgl. Winters, Peter Jochen/Malycha, Andreas: Die SED. Geschichte einer deutschen Partei. München 2009, S. 52 f. Das wörtliche Zitat befindet sich auf der Seite 53.
[74] Geißler, Gert: Schulgeschichte in Deutschland. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Frankfurt am Main 2011, S. 754 f.
[75] Bispinck: Protest, S. 40.
[76] Erich Honecker (1912-1994), Mai 1945-46 als Jugendsekretär des ZK der KPD mit dem Aufbau einer antifaschistischen Jugendorganisation betraut; 1945/46 Vorsitzender des Zentralen Antifaschistischen Jugendausschusses; 1946 Mitbegründer und bis Mai 1955 erster Vorsitzender der FDJ; 1946 Mitglied des Parteivorstandes und ab 1949 des Zentralkomitee der SED; 1948/49 Mitglied des Präsidiums des Deutschen Volksrats; 1949-89 Abgeordneter der (Provisorischen) Volkskammer; seit Febr. 1958 Sekretär des Zentralkomitee der SED; 1971 maßgeblich beteiligt am Sturz von Walter Ulbricht; auf dem 16. Plenum am 3.5.1971 in Nachfolge von Walter Ulbricht Wahl zum Ersten Sekretär des Zentralkomitees der SED; ab 1976 General-Sekretär. In: Biographische Datenbanken der Bundesstiftung für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, Artikel: „Honecker, Erich“. Unter: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/wer-war-wer-in-der-ddr-%2363%3B-1424.html?ID=1484 (letzter Zugriff: 11.01.2017).
[77] Vgl. Weber: Die DDR, S. 8.
[78] Mählert, Ulrich: Die Freie Deutsche Jugend 1945-1949. Von den „Antifaschistischen Jugendausschüssen“ zur SED-Massenorganisation: Die Erfassung der Jugend in der Sowjetischen Besatzungszone. Paderborn u.a. 1995, S. 10.
[79] Vgl. ebenda.
[80] Gemeint ist hier die gutachtliche Einschätzung von Schülern hinsichtlich ihrer ideologischen Eignung und die damit einhergehende Entscheidungsgewalt über den weiteren Bildungsweg. Vgl. Herrlitz, S. 210.
[81] Vgl. Ebenda.
[82] Mählert, Ulrich: FDJ 1946-1989. Erfurt 2001, S. 15.
[83] Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg (Hrsg.): Freundschaft! Die Volksbildung der DDR in Kapiteln. Bd. 3. Berlin 1996, S. 289.
[84] Vgl. ebenda.
[85] Vgl. Geißler: Zur Zeitgeschichte, S. 31.
[86] Vgl. Kowalczuk: Geist, S. 233.
[87] Vgl. Geißler: Zur Zeitgeschichte, S. 31.
[88] Manfred Klein wurde im März 1947 verhaftet, Wolfgang Natonek im November 1948. Vgl. Jenker, Siegfried: Opposition, Widerstand und Verfolgung an den Universitäten in der SBZ und in der frühen DDR. In: Kaiser, Tobias/Mestrup, Heinz (Hrsg.): Politische Verfolgung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena von 1945 bis 1989. Wissenschaftliche Studien und persönliche Reflexionen zur Vergangenheitsklärung. Berlin 2012, S. 86-97. Hier S. 89.
[89] Vgl. ebenda, S. 88 f.
[90] Vgl. Fricke, Karl Wilhelm: Arno Esch. In: Kowalczuk, Ilko-Sascha/Sello, Tom (Hrsg.): Für ein freies Land mit freien Menschen. Opposition und Widerstand in Biographien und Fotos. Berlin 2006, S. 47-49. Hier S. 47-49.
[91] Vgl. Jenker, S. 89.
[92] Vgl. Fri>
[93] Anweiler, S. 19.
[94] Vgl. ebenda.
[95] Vgl. Kowalczuk: Geist im Dienste der Macht, S. 233.
[96] Vgl. Walter, Michael: Die Freie Deutsche Jugend. Ihre Funktionen im politischen System der DDR. Freiburg im Breisgau 1997, S. 74.
[97] Vgl. Geißler: Zur Zeitgeschichte, S. 32.
[98] Vgl. Walter, Michael: Die Freie Deutsche Jugend. Ihre Funktionen im politischen System der DDR. Freiburg im Breisgau 1997, S. 74.
[99] Unter dem Begriff der Jungen Gemeinde verstand man im Allgemeinen die Jugendgruppen innerhalb der evangelischen Glaubensrichtung in der DDR. Den Kirchen war es verwehrt, eigene Jugendorganisationen zu bilden und zu unterhalten. Die Jugendgruppen der einzelnen Gemeinden traten somit zwangsläufig in Konflikt mit der allein zugelassenen FDJ. Die Reaktion des Staates gilt bis heute als „Paradebeispiel“ für die Repressionen in den frühen fünfziger Jahren und löste einen großen Anstieg der Übersiedlerzahlen in die Bundesrepublik Deutschland im Frühjahr 1953 aus. Vgl. Helmberger, Peter: Blauhemd und Kugelkreuz. Konflikte zwischen der SED und den christlichen Kirchen um die Jugendlichen in der SBZ/DDR. München 2008, S. 129-131.
[100] Vgl. Füssl, S. 349.
[101] Zitiert nach Herrlitz, S. 208. Die Autoren beziehen sich bei diesem Zitat auf R. Geißler. Es fehlt allerdings eine Literaturangabe.
[102] Siehe Tabelle 16 und 17. Vgl. Herrlitz, S. 208 f.
[103] Vgl. Dresselhaus, Günter: Das deutsche Bildungswesen zwischen Tradition und Fortschritt - Analyse eines Sonderwegs. Münster 1997, S. 186.
[104] Vgl. Leschinsky, Achim/Kluchert, Gerhard: Zwischen zwei Diktaturen. Gespräche über die Schulzeit im Nationalsozialismus und in der SBZ/DDR. Weinheim 1997, S. 240.
[105] Vgl. Herrlitz, S. 208.
[106] Vgl. Herrlitz, S. 209 f.
[107] Vgl. ebenda, S. 210.
[108] Einige exemplarische Berichte der Überprüfungen sind einzusehen in vgl. Leschinsky, S. 245-249.
[109] Als 17. Juni 1953 wird der Aufstand innerhalb der DDR bezeichnet, der um die Tage des 17. Juni stattfand und sich in Form von Protesten, Demonstrationen und Streiks ausdrückte. Als Ursachen sind die wachsende Unterdrückung durch den Staatsapparat, Zwangsmaßnahmen gegen Bauern und Intellektuelle, politische Verfolgung, ständige Angriffe auf die „Junge Gemeinde“, Preissteigerungen und Mangelwirtschaft zu nennen. Die Aufstände in verschiedenen ostdeutschen Städten wurden blutig niedergeschlagen. Es gab mindestens 50 Tote. Vgl. Weber: Die DDR, S. 41 f.
[110] Vgl. Herrlitz, S. 210 f. Das wörtliche Zitat befindet sich auf der Seite 210.
[111] Vgl. Hohmann, S. 14.
[112] Vgl. Anweiler, S. 18 f.
[113] Vgl. Dresselhaus, S. 186.
[114] Vgl. Anweiler, S. 18.
[115] Vgl. Dresselhaus, S. 186.
[116] Vgl. Dresselhaus, S. 186 f.
[117] Vgl. Ammer: Widerstand an DDR-Oberschulen, S. 127.
[118] Das Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten war von 1934-1943 als oberste Behörde der Sowjetunion auch für die Staatssicherheit der Sowjetunion zuständig. Im April 1946 wurde das NKWD zum Ministerium für Innere Angelegenheiten (MWD) umbenannt. Diese Sicherheitsbehörde war unter anderem zuständig für die Verfolgung und Unterdrückung von Dissidenten und politischen Gegnern. Sie war auch in anderen Republiken der Sowjetunion tätig. Vgl. Roewer, Helmut/Schäfer, Stefan/Uhl, Matthias: Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert. München 2003, S. 309, 318.
[119] Hier und im Folgenden werden bei Abkürzungen russischer Begriffe die kyrillischen Anfangsbuchstaben dem deutschen Gebrauch entsprechend in Lateinschrift transkribiert. Die Aufschlüsselung lässt sich im Abkürzungsverzeichnis einsehen.
[120] Vgl. Prieß, Benno: Erschossen im Morgengrauen. Verhaftet, Gefoltert, Verurteilt, Erschossen. „Werwolf“-Schicksale mitteldeutscher Jugendliche. Calw 1997, S. 41 f.
[121] Da in den folgenden Kapiteln eine wiederholte Nennung von bestimmten Personen unvermeidlich ist, wird von nun an nur bei der ersten Erwähnung der volle Name ausgeschrieben. Ab der zweiten Namensnennung werden nur noch die Nachnamen der Personen verwendet. Ausgenommen hiervon ist das Fazit im achten Kapitel.
[122] Vgl. Prieß, S. 42 f.
[123] Vgl. Ammer: Widerstand an DDR-Oberschulen, S. 127.
[124] Vgl. Kaminsky, Anne (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin 2007, S. 233 f. Das wörtliche Zitat befindet sich auf der Seite 234.
[125] Vgl. Heitzer: Opposition, S. 34 f.
[126] Vgl. ebenda, S. 35-37 und vgl. Kaminsky, S. 233 f.
[127] Vgl. Kreutzmann, S. 10-13.
[128] Zitiert nach Kreutzmann, S. 3.
[129] Vgl. ebenda, S. 16, 18 f.
[130] Vgl. ebenda, S. 21-24, 26.
[131] Vgl. Kreutzmann, S. 26, 27, 30, 32 f.
[132] Vgl. ebenda, S. 3, 37-39, 42 f., 45, 47.
[133] Vgl. Jönsson, Per: Die Auflösung des Schülerrates an der Großen Stadtschule Rostock. In: Kausch, Dietmar: ... sie wollten sich nicht verbiegen lassen. Repressalien - Widerstand - Verfolgung an den Oberschulen in Bad Doberan, Bützow, Grevesmühlen, Ludwigslust und Rostock 1945 – 1989. Dannenberg 2006, S. 65-69. Hier S. 65.
[134] Vgl. Jönsson, S. 67.
[135] Vgl. ebenda, S. 67 f. Das wörtliche Zitat befindet sich auf der Seite 67.
[136] Vgl. Petzold, Joachim: Dresdner Oberschüler protestieren gegen den Stalinismus. Das Beispiel der Oberschule Dresden-Nord 1948-1951. In: Hermann, Ulrich (Hrsg.): Protestierende Jugend. Jugendopposition und politischer Protest in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Weinheim, München 2002, S. 19-21.
[137] Vgl. Petzold, S. 21.
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- Jonas März (Autor), 2017, Widerstand und Opposition an den Oberschulen der SBZ/DDR in den Jahren 1945 - 1961, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/371277
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