Die beiden zentralen technischen Medien Kamera und Schreibmaschine werden in dieser Arbeit über "Homo Faber" näher durchleuchtet. Bei dieser Analyse wird der Fokus auf die Frage gelegt, in welcher Situation Faber auf die Kamera oder die Schreibmaschine zurückgreift und wie sich das mit seinem Weltverständnis vereinbart. Im darauffolgenden Kapitel, wird die Wandlung Fabers, welche am Ende des Romans von statten geht, untersucht. Dabei konzentrieren wir uns hauptsächlich auf den Wandel in Bezug auf seinen Gebrauch von beiden Medien.
1. Einleitung: Walter Faber – eine Charakteristik
,,Homo Faber - der Macher-Mensch, Gegenteil dessen, der dichtet oder betet, der Mensch der den Göttern das Feuer entrissen hat und sich als Schmied seiner eigenen Welt weiß, der Mensch als Herr über die Natur, der in der Natur nicht Symbole sieht, sondern Material, das er verwertet: Wälder als Bauholz, Wasserfälle als Elektrizität - mit einem Wort: ein Techniker"[1]
Mit diesen Worten stellt der Schweizer Schriftsteller Max Frisch seinen Romanhelden Walter Faber anlässlich einer Rundfunklesung den Zuhörern vor. Dabei beschreibt er Faber als ,,der Macher Mensch", als ,,Schmied seiner eigenen Welt", sowie als ,,der Mensch als Herr über die Natur". Allerdings hebt Frisch deutlich hervor, dass Faber, neben all diesen zugeschriebenen Attributen, vor allem eines ist, ein Techniker. Seine Denkweise, wie zum Beispiel die Natur allein als Nutzmaterial zu betrachten, entspricht jener eines standfesten Technikbesessenen. Doch auch weitere Merkmale sprechen dafür, dass Faber das Urbild der Technik ist. So ist Homo Faber zwei technischen Medien unterfangen: Erstens seiner Kamera, Fabers unentbehrlichem Requisit, welches ihn bereits um die ganze Welt begleitet hat[2], und zweites seiner Schreibmaschine, welche er liebevoll mit ,,Hermes Baby" getauft hat. Diese beiden Medien werden in der vorliegenden Hausarbeit näher durchleuchtet. In diesem Sinne widmet sich das erste Kapitel der Hausarbeit ausschließlich dem Gerbrauch dieser Gegenstände. Bei dieser Analyse wird der Fokus auf die Frage gelegt, in welcher Situation Faber auf die Kamera oder die Schreibmaschine zurückgreift und wie sich das mit seinem Weltverständnis vereinbart. Im darauffolgenden Kapitel, wird die Wandlung Fabers, welche am Ende des Romans vonstattengeht, untersucht. Dabei konzentrieren wir uns hauptsächlich auf den Wandel in Bezug auf seinen Gebrauch von beiden Medien.
2. Fabers Kameraauge
Die Tatsache, dass die Kamera für Faber ein unentbehrliches Requisit ist, erfährt man bereits sehr früh im Roman. So nimmt Faber seine Kamera überall mit und kann sich ihr sogar während des Fluges nicht entbehren, auch wenn er sich bewusst ist, dass dies Auseinandersetzungen mit dem Zoll bedeutet; ,,Nach dem Zoll, nach der übliche Schererei mit meiner Kamera die mich schon um die halbe Welt begleitet hat […]"[3]
Fabers Fotomanie ist soweit entwickelt, dass sein erster Gedanke, nachdem sie in der Wüste von Taumalipas notgelandet sind, sich um seine Kamera dreht. Während die anderen Flugpassagiere die Natur bewundern und genießen, möchte Faber den Ort einzig mit seiner Kamera aufnehmen. ,,Natürlich dacht ich auch sofort an den Disney-Film, der ja grandios war, und nahm sofort meine Kamera"[4] Da sich aber außer, Eidechsen und Sandspinnen nichts spannendes aufnehmen lässt, stellt er das Filmen wieder sehr schnell ein. In dieser Szene erkennt man somit deutlich, dass Fabers Filmen mit einer Sensationssucht einhergeht - er möchte in der mexikanischen Wüste ,,grandiose" Szenen aufnehmen, welche er sich ja später ansehen könnte. Dies ist die erste Szene, in welcher man bemerkt, dass Faber sich der Wirklichkeit entzieht, sich die Umwelt absichtlich auf Distanz hält. Seine Umgebung erblickt er entweder durch das technische Gerät oder durch das Fenster des Flugzeuges. Da die Wüste Faber Angst einflößt (beispielsweise erschrak Faber vor dem Sand, als er eines morgens in der Wüste aufwachte und dieser ihm sehr nahe vorkam[5] ) benutzt er die Kamera um eine innere Mauer zwischen ihm und der Wüste aufzubauen. Nur hinter seiner Kamera fühlt er sich wohl und sicher. Dementsprechend, wird im Fall von Faber die typische Funktion der Kamera missbraucht: Aus einem Medium, welches dazu gedacht ist, schöne/ einzigartige Erlebnisse, (wie zum Beispiel einen Aufenthalt in einer Wüste) für die Ewigkeit festzuhalten, wird in Fabers Gegenwart ein Medium, das dazu dient gerade vor diesen Erlebnissen zu fliehen.
Eine weitere Schlüsselszene, in dem die Kamera Walter Faber zur Flucht aus der Wirklichkeit verhilft, besteht nach der Entdeckung des Selbstmordes von Joachim. Joachim, welcher sich in Guatemala mit einem Draht erhängt hatte, wird von Faber erstmals fotografiert, bevor sie ihn bestatten. Faber kann das ihm gegebene Bild, seines alten toten Freundes, nicht ertragen (auch wenn er dies nicht bewusst zugibt) und möchte der Wirklichkeit entfliehen. Aus diesem Grund, verwendet er die Kamera, denn diese sorgt für die nötige Distanz zur Umgebung. Zwischen ihm und dem direkten Erlebten steht somit ein technisches Gerät, welches Faber erlaubt das Erfasste auf sein Optisches zu reduzieren.
Die Menschen, die sich in Fabers Umgebung befinden, möchte er ebenfalls bestmöglich meiden, da Menschen, seiner Meinung nach, anstrengend sind.[6] Einzig dem Düsseldorfer, seinem Sitznachbar im Flugzeug, stellt er sich vor. Diese Handlung begründet er mit folgenden Worten: ,,ich stellte mich dem Düsseldorfer vor, denn er interessierte sich für meine Kamera, […]"[7] Hätte der Düsseldorfer kein Interesse an der Kamera gezeigt, hätte Faber sich ihm sicherlich auch nicht vorgestellt. (Den anderen Mitgestrandeten stellte er sich schließlich auch nicht vor) Hier hat Faber ein weiteres mal die ursprüngliche Funktion der Kamera missbraucht - das Medium wird zu einem Kommunikationsmedium, welches Faber dabei hilft, neue Kontakte zu knüpfen. Dies gelingt ihm jedoch nicht immer. So versucht er auch während der Schifffahrt mithilfe seiner Kamera Sabeth in ein Gespräch zu verwickeln. Diese zeigte jedoch kein Interesse an seiner Kamera und deshalb sieht Walter sich gezwungen diesen Versuch schnell wieder zu beenden; ,,Ich hatte ihr meine Kamera erläutert, aber es langweilte sie alles, was ich sagte"[8]
Wie viel Faber mit seiner Kamera aufnimmt wird im folgenden Satz deutlich: ,,Kurz vor Einbruch der Dämmerung erschien ein Flugzeug, Militär, es kreiste lange über uns, ohne etwas abzuwerfen, und verschwand (was ich gefilmt habe) gegen Norden, Richtung Monterrey"[9] Diese Erwähnung, dass er das Militärflugzeug bei seinem Rückflug gefilmt hat, scheint beiläufig, als wäre es selbstverständlich. Das Filmen und Fotografiren sind somit für Faber bereits zu einem automatischen Mechanismus geworden, welchen er unbewusst betätigt. Dies wird auch durch das Erstaunen Fabers deutlich, welches aufkommt, als er sich später in Düsseldorf die Fotografien ansieht und bemerkt wie viele Sonnenuntergänge er festgehalten hat.[10]
Die Sonnenuntergänge sind ein beliebtes Motiv Fabers, was man daran erkennt, dass er diese nicht nur in der Wüste sondern auch während der Schifffahrt sehr oft fotografierte. ,,Als ich mit Mantel und Kamera zurückkehrte, um den Sonnenuntergang zu filmen, lagen die beiden Pingpong-Schläger auf dem grünen Tisch"[11], ,,ich brauchte die Kamera in die Kabine hinunter […]"[12], ,, Schon am Abend jenes ersten Tages, nachdem ich den Sonnenuntergang gefilmt hatte[…]"[13] Diese Tätigkeit widerspricht jedoch Fabers angeblichem Weltbild. So gibt er einerseits an, sich nichts aus der Natur zu machen, darin nichts Poetisches entdecken zu können, Natur wäre für ihn einzig nur reine Natur und erklärlich. Anderseits dienen gerade diese Naturschauspiele oftmals als Fotomotiv. Man kann somit behaupten, dass Faber die Schönheit der Sonnenuntergänge zwar unbewusst schätzt, sich dies jedoch nicht eingestehen will.
Während der Italienreise mit Sabeth, macht Faber immer weniger Gebrauch von seiner Kamera. Dieser Werdegang ist einem Denkumschwung Fabers unterlegen, welchen wir im Kapitel ,,Fabers Wandlung" näher erleuchten werden.
3. Die ,,Hermes Baby"
Ähnlich wie die Kamera, ist auch die Schreibmaschine (die ,,Hermes Baby") ein Medium welches Faber überall mit hin begleitet. Diesbezüglich, nimmt er diese auch mit an Bord des Fluges und sie dient ihm während seinem Aufenthalt in der mexikanischen Wüste als Beschäftigung. In der Wüste heißt es:
"Man musste fast schreiben, bloß damit die lieben Leute nicht fragten, ob man denn keine Frau habe, keine Mutter, keine Kinder, - ich holte meine Hermes-Baby (sie ist heute noch voll Sand) und spannte einen Bogen ein, Bogen mit Durchschlag, da ich annahm, ich würde an Williams schreiben, tippte das Datum und schob - Platz für Anrede: »My Dear!«"[14]
Die Funktion dieser Reisemaschine wird somit von Faber zweckentfremdet. Zwar erfüllt sie den eigentlichen Zweck des Schreibens und wird von Faber als Kommunikationsmedium benutzt (indem er mit ihrer Hilfe dieser Briefe verfasst), jedoch besteht der Grund für diese Handlung nicht in der Lust Informationen zu vermitteln, sondern die Maschine erhält allein die Funktion, Faber Ruhe vor den anderen Leuten zu beschaffen. Er möchte die Leute durch das Schreiben auf Abstand halten. So benutzt er auch seine Hermes- Baby auch um sich von seiner Freundin namens Ivy per Brief zu trennen[15]. Die Schreibmaschine, ursprünglich ein Kommunikationsmedium wird von Faber als eine Art Anti-Kommunikationsmedium verwendet, welches das Gespräch zu den anderen Fluginsassen und zu Ivy unterbinden soll.
Auch in Kuba wendet sich Faber von seinem treuen Schreibbegleiter (im Gegenteilt zur seiner Kamera) nicht ab. Allerdings benutzt er die Maschine hier nur noch aus beruflichen Gründen: "[…] ich nehme meine Hermes-Baby und tippe endlich meinen Unesco-Rapport, betreffend die Montage in Venezuela, die erledigt ist. […] "[16]
Somit zeigt sich, dass Faber, dank seiner Arbeit bei der Unesco an dieses Medium gebunden ist. Er benötigt die Schreibmaschine, um Berichte zu verfassen und kann - auch wenn er dies möchte - nicht ohne weiteres auf sie verzichten. Dies erklärt auch die Tatsache, dass Faber die Hermes-Baby später noch mit ins Flugzeugt nimmt, während er seine Kamera zuhause lässt. "[…] Ich habe nur meine Mappe, meine Hermes-Baby, Mantel und Hut, so dass der Zoll sofort erledigt ist; […] S. 214 Die Hermes Baby ist denn auch fast das Einzige, was dem todkranken Faber geblieben ist.
Aber auch von dieser muss sich Faber später verabschieden. Das Krankenhaus empfindet die Schreibmaschine als zu laut und störend während der Ruhepausen. So muss er sich dieser entbehren, was Faber sichtlich schwer fällt, da er genötigt wird von Hand zu schreiben.
"Athen, Krankenhaus
Beginn der Aufzeichnungen 19. Juli
Sie haben meine Hermes-Baby genommen und in den weißen Schrank geschlossen, weil Mittag, weil Ruhestunde. Ich solle von Hand schreiben! Ich kann Handschrift nicht leiden, […] S.175
Faber gibt hier an, dass er es nicht mag, von Hand zu schreiben. Diese Aussage besitzt einen autobiografischen Ursprung, denn Max Frisch selbst, schrieb nicht gerne von Hand und besaß ebenfalls eine Hermes[17].
[...]
[1] Zitiert nach Reinhold Viehoff, ,,Max Frisch für die Schule. Anmerkungen zur Rezeption un Verarbeitung des ,Homo faber´ in der didaktische Literatur", in: Der Deutschunttericht 36 (1984) S. 70
[2] Max Frisch: Homo Faber. Erste Auflage, Frankfurt am Main 1998. S. 11
[3] ebd.,S. 11
[4] ebd.,S.24
[5] ebd., S.28
[6] ebd., S.8
[7] ebd., S.24
[8] ebd., S. 79
[9] ebd., S.24
[10] ebd., S.202
[11] s.78
[12] s.76
[13] s.78
[14] s. 31
[15] S.31
[16] s.194
[17] http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/buecher/An-der-Schreibmaschine-dem-Rand-der-Welt-/story/13006428
- Citation du texte
- Tessy Feyder (Auteur), 2017, Homo Faber. Wie Kamera und Schreibmaschine für ihn unentbehrliche Begleiter sind, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/371132
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