Das Essay führt in die Tiefen einer phänomenologischen Betrachtung des Fremden nach Bernhard Waldenfels und untersucht den Begriff mit autoethnographischen wie rezeptionsästhetischen Mitteln. Hierzu nutzt der Autor im Spezifischen seinen Aufenthalt in Los Angeles und insbesondere sein durchgeführtes Kunstprojekt im LA LGBT Center als Forschungsobjekte. Gegenstand der ästhetischen Untersuchung sind dabei sowohl Collagen, die ältere Besucher des LA LGBT Centers anfertigten, als auch der für den europäischen Autor ästhetisch widerständige Ort selbst.
Mittels der Anlage eines impliziten Lesers, durch die am Widerfahrnis kritisch betrachtete Geschichte des eigenen Erkenntnis- und Bildungsgangs des Autors und durch die ästhetische Erscheinungsweise des Essays selbst, wird der Gegenstand präsentiert: die Wahrnehmung, oder besser: die Unmöglichkeit der Wahrnehmung des Fremden. Hermetik und Offenheit werden verschränkt, wobei gerade die Intensität der Fremderfahrung es ist, welche eine existentielle Begegnung ermöglicht. Schlussendlich wendet sich der Gedankengang zur Potenz des Fremden, die durch eine allgemein fragende, sich in Neugier formulierende Haltung Bewegung initiiert.
GLIEDERUNG
EINLEITUNG | Gegenstand · Frage · Methodik · Aufbau
I. VOM BLITZ | Widerfahrnis · Kunst · Begegnung · Betrachter
II. VON DEN WOLKEN | Fremdheit · Selbst · Collage · Leib
III. VOM HIMMEL | Feind · Gast · Center · Erstkontakt
IV. VOM REGENBOGEN | Aufmerken · Antworten · Haltung · Fragen
QUELLEN | Literatur · Film + Audio · Internet
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.: 01 - 06
EINLEITUNG | Gegenstand · Frage · Methodik · Aufbau
Ausgangspunkt für die Denkbewegung in dieser Arbeit ist die zunächst naiv gestellte Frage, ob das LA Village LGBT1 Center ein Ort ist, offen für das Fremde. Die Formulierung berücksichtigt nicht, dass es das Fremde so wenig gibt, wie es das Center gibt. Es gibt mir Fremdes und dir Fremdes und es gibt ein Gebäude, Organisationsstrukturen, Ideen und Menschen, die das LGBT Center ausdifferenzieren. Die unreflektierte Schlichtheit der Frage fällt mit den Erfahrungen einer Feldbegehung und dem darin geplanten Kunstprojekt Shared Worlds zusammen. Ziel des Projekts war der Versuch, eine Kultur in einer Kultur kennenzulernen. Der LGBT-Kultur wäre dabei fremd, was heteronormativ ist.
Nachdem ich ein Jahr lang versucht hatte, das LA LGBT Center von Deutschland aus zu einem Kunstprojekt zu überzeugen, flog ich irritiert von der Ablehnung am 05. März 2016 nach Kalifornien, um persönlich vorstellig zu werden. Bis zum 17. April 2016 hielt ich mich in Los Angeles auf. Unabhängig vom LGBT Center lebte ich in unterschiedlichen privaten Wohnstätten von LGBT-identifizierten Menschen, sprach mit ihnen über deren Wahrnehmungen der LGBT-Kultur und besuchte entsprechend thematisierte Veranstaltungen.
Fokus dieser Arbeit liegt, mit wenigen ergänzenden Ausnahmen, auf den letzten drei Wochen des Aufenthaltes. In diesen konnte ich im Rahmen des Senior Service des Village LGBT Centers2 eine Kunstklasse von LGBT-identifizierten Männern und Frauen zwischen 60 und 80 Jahren dazu anleiten, Collagen herzustellen. Eine inhaltliche Themenwahl gab ich nicht vor, da mich interessierte, was die Teilnehmer interessiere. Mir war dafür erlaubt das im Standardprogramm installierte Setting des sog. Art Lab zu nutzen. Für dieses werden Kunstlehrer engagiert, wenn sich welche finden lassen. Ein Mangel an Anleitern, wurde mir von Teilnehmern oft zurückgemeldet. Auch ohne Anleiter ist das Art Lab ein offenes Atelier und kann von den ›Elderlies‹ jeden Freitag zwischen 10 und 12 Uhr genutzt werden. Anders als mir zuvor mitgeteilt wurde, kamen die Senioren nicht aus dem LGBT-Altenheim3, sondern wohnten privat und größtenteils ohne Betreuung im Großraum Los Angeles. Die Möglichkeit der Anleitung wurde mir eingeräumt, nachdem ich in den ersten drei Wochen mehrfach jeden der sechs Außenposten des LA LGBT Center und vier weitere unabhängige LGBT Center in Nachbarstädten besucht, antelefoniert, angeschrieben und Vorstellungs-, wie Planungsgespräche durchlaufen hatte. Nicht nur die Schwierigkeit, ein kostenloses Angebot für das Center umsetzen zu können, sondern überhaupt das Foyer der Gebäude betreten zu dürfen, ist der Impuls zu meiner Frage. Mich irritierten die Hürden in das Center zu gelangen, da sie fast allen Punkten der Missionsformulierung der Institution widersprechen.4 Da ich keinen Einblick in die Führungspolitik der Organisation habe, ziehe ich zwei künstlerische Erzeugnisse für meine Analysen heran und kehre damit zu meinem ursprünglichen Wunsch zurück, über die Mittel der Kunst die Wahrnehmungen der Mitglieder einer Kultur zu reflektieren.
Ich folge methodisch den Ansprüchen der Autoethnographie, wenn ich persönliche Erfahrungen und Beteiligungen an einer Kultur, sowie deren Analyse betrachte, um kulturelle Phänomene zu verstehen und im Sinne der ethnic autobiography als Angehöriger einer kulturellen Minorität Zeugnis persönlicher Identitätsprozesse ablege.5 Zur Analyse der prosaisch dargelegten Erfahrungen, welche dazu dienen die Beschreibung zu verdichten und mich als Subjekt im Geschehen zu verorten6, greife ich auch auf Werkzeuge rezeptionsästhetischer Betrachtungen zurück, indem ich von Blicklenkungen ausgehe, die einen werkimpliziten Betrachter bestimmen.7 In der Reflexion der Analysen bringe ich Bernhard Waldenfels‘ zeitgenössische Phänomenologie des Fremden an meinen Wahrnehmungen zur Anwendung. Ferner spielen Prämissen der Ethnomethodologie eine Rolle, wenn ich Handlungen wie etwa den Entwurf eines bestimmten Gebäudetypus, in den Annahmen zu Haltung und Identität der sich abgezeichneten LGBT-Kultur, Sinn zuschreibe.8 Ästhetik bildet hierbei den erkenntnistheoretischen Rahmen, in dem ich mich mit einer phänomenologischen Grundhaltung bewege. Diese beschreibt eine Wahrnehmung, bei der es nicht möglich ist, die Dinge und ihre Erscheinungsweise voneinander zu trennen, da ihr bedingtes Erscheinen nur durch ein Subjekt und dessen Verhältnis zur Welt zu verstehen ist.9 Damit vollziehe ich in dem philosophischen Essay anhand subjektiver Wahrnehmungen, eine Denkfigur relativen Charakters. Hierbei verfolge ich nicht den Anspruch auf Generalisierbarkeit. Intersubjektivität und Generalisierung, wenngleich nicht in traditionell sozialwissenschaftlichem Verständnis, können aber erfolgen, sofern es dem Leser gelingt, eigene Wahrnehmungen und Erfahrungen mit dem Ausgeführten zu verknüpfen und meine Darlegungen als Reflexionsanstoß zu nutzen.
Das Essay ist in vier große Abschnitte gegliedert. In den ersten beiden Kapiteln wird eine Kunsterfahrung autoethnographisch beschrieben, das Initialobjekt rezeptionsästhetisch betrachtet und unter Anwendung einer Phänomenologie des Fremden nach Bernhard Waldenfels, hinsichtlich des ästhetischen Gehalts reflektiert. Im dritten Kapitel wird der Ort des Ausgangsgeschehens bezüglich des sich vermittelten Ersteindrucks besehen, die Architektur unter ethnomethodologischen Prämissen beleuchtet und mit dem verfolgten Fremdheitsbegriff verbunden. Im letzten Kapitel werden die zuvor gesammelten Eindrücke für den Entwurf einer persönlichen Haltung gegenüber Begegnungen radikaler Fremdheit genutzt. Demnach werden das Kunstwerk, der Ausstellungsort und ich als deutender Betrachter in ein sich bedingendes Gefüge gesetzt und unter dem Blick von Waldenfels‘ Fremdheitsphänomenologie verhandelt.
Alle in den erzählerischen Abschnitten angegebenen Namen sind Pseudonyme. Einverständniserklärungen der Teilnehmer des Art Labs liegen vor und entsprechen dem im Anhang abgedrucktem Muster.
Die Abkürzung BT meint Bildtafel. Die mit römischen Ziffern nummerierten Bildtafeln zeigen z.T. mehr als eine Abbildung.
Hinweis für diese Publikation: Das vorliegende Essay ist Versatzstück einer größeren künstlerisch-autoethnografischen Forschungsarbeit. Weitere Teile davon sind die Erzeugnisse aus den angebotenen Workshops, eigene künstlerische Arbeiten, wie ›grow‹, ›4‹, ›a cloud is now passing‹, u.a. (z.T. einzusehen unter http://christoph-hinkel.com/art/).
I. VOM BLITZ | Widerfahrnis · Kunst · Begegnung · Betrachter
08. April 2016, Art Lab im LGBT Center Los Angeles, zweite Workshop- Session. Die Atmosphäre ist gut. Es liegt diese freudige Spannung in der Luft, die sich nach meiner Erfahrung oft dann einstellt, wenn eine Gruppe in ihren schöpferischen Tätigkeiten versunken ist. Niemand scheint sich mehr an unserem heutigen Raum zu stören, der kleiner und dunkler ist und dessen kahle Betonwände mehr an eine Gefängniszelle erinnern, denn an eine Kunstwerkstatt.
Matthew schaut kurz zu mir auf und dann wieder auf den Tisch. Sein Blick hat irgendwo eine Frage zwischen uns in die Luft geheftet. Er sei sich unsicher bezüglich des Aufbaus seiner neuen Collage, meint er. Er wolle mir aber zeigen, was er in der Woche zwischen den Treffen gemacht habe. Er zieht seine begonnene erste Collage unter einem Materialstapel hervor und legt die plakathafte Arbeit vor uns auf die Tischplatte.
DO YOU PLAY WELL WITH OTHERS? Krähend und in ihrer Härteüberraschend, trifft mich die Frage unerwartet. Sie reißt einen Spalt in den Vorhang der Gegenwart und es strömen längst vergangene Bilder in den Raum: Ein Grundschulkind auf dem Pausenhof, das lieber mit den Mädchen spielen möchte, sich aus Furcht vor den Hänseleien der Jungs aber nicht traut und so die Pause alleine verbringt; einälterer Schuljunge, der besonders gezielt seinen Mitschülern Sätze entgegenschleudert, spitz wie Speere, um alle auf Distanz zu halten; ein Teenager der sich nötigte zur Party zu gehen, um seinem Vater die Freude altersgleicher Kontakte und die Teilhabe an normalen Dingen zu machen, sich nun aber die ganze Nacht von einer stillen Ecke zur nächsten stiehlt - immer mit dem Gefühl am falschen Ort zu sein,überhaupt falsch hier zu sein. Es steigen noch andere, auch Erwachsene aus der Kluft der Zeit, hinein in meinen Gegenwartsraum, bevor es mir gelingt den Riss notdürftig zu verschließen.
15. April 2016, LGBT Center. Das Art Lab findet nun wieder in unserem helleren, großzügigeren Studio statt. Es laufen die letzten 20 Minuten des Workshops. Ich bin krank. Immer wieder holen mich kurze Schwindelanfälle ein, ich habe Hals- und Kopfschmerzen und fühle mich schwach. Unsere Ausstellung beginnt. Es ist eine kurze Präsentation der Arbeiten dreier Wochen. Wir bewegen uns durch den Raum, nehmen die Werke der anderen wahr, tauschen freundliche und staunende Worte. Viele Arbeiten gefallen mir und berühren mich, doch es ist wieder Matthews Collageüber die ich stolpere. WHAT DO YOU KRAVE?10, fragt sie mich dieses Mal, doch steigen keine Geister der Vergangenheit mehr hervor. Stattdessen werde ich im Bildgeschehen wie hin und her geschleudert, in einer wilden Achterbahnfahrt von einer Welt in die andere geworfen, alle scheinen ich, alle scheinen fremd. Eigentümlich verbindet sich das Sehnen mit der Frage nach dem Anderen und irgendwie auch damit, ob ich wirklich alles getan habe, um zu erreichen was ich begehre. Fragen, die mehr Fragen nach sich ziehen, virulent ein Haus meines Lebens nach dem anderenüberziehen. Fragen an dich und mich, wir und jene. Fragen, die grell sind. Fragen, die blitzen.
Ralf von Lichtenberg meint, es denkt, solle man sagen, wie es blitzt.11 In den Gebieten, mit denen wir es zu tun haben, so Walter Benjamin, »gibt es Erkenntnis nur blitzhaft. Der Text ist der langnachrollende Donner«12
Somit lasse ich es durch Interpretationen zweiter Ordnung donnern. Donnern ist nicht blitzen, kann daher nicht verlustfrei geschehen.13 Reflexion, verstanden als der Blick auf die Relationen, die Verhältnisse zwischen Akt und Bedeutung in denen sich mein Leben in Welt entfaltet, ist auf meine Leiblichkeit zurückbezogen und affektiert. Durch derlei Reflexionsketten offenbart sich mir das leibliche Selbst als ein Nicht-Ding, da es anders als die Dinge, niemals leibhaftig gegenwärtig ist. Der Leib ist nur durch ein Nachgewahren, sprich der Wahrnehmung nach der Reflexion zu begreifen.14 Daher setzt jeder Versuch, Selbstbewusstsein durch Reflexion zu begründen, bereits das gesuchte Selbst voraus.15 Bernhard Waldenfels sieht darin eine Fremdheit. Jedoch keine relative Fremdheit, die sich aus vorübergehendem Entzug (z.B. noch nicht erlangtem Wissen) ergibt, sondern eine radikale16 , eine unaufhebbare Fremdheit von der das Dasein gekennzeichnet ist.17
Was der politische Philosoph und Kulturkritiker Slavoj Žižek über das Ereignis sagt, dass dieses als Effekt erscheine, » der seine Gründe zuübersteigen scheint - und der Raum eines Ereignisses [ist] derjenige [ist], der von dem Spalt zwischen einem Effekt und seinen Ursachen eröffnet wird«18, ist mir auf meine Erfahrung an Matthews Kunstwerk anwendbar. Žižek konzentriert sich auf den Vorgangs- und Wirkungscharakter von Begebenheiten und damit auf die Beziehung von Rahmen und Ereignis, um zu einer Einschätzung der Ereignishaftigkeit von Ereignissen vorzudringen.19 Er räumt ein, ein Ereignis könne sich auf zerstörerische Naturkatastrophen ebenso beziehen, wie auf die tiefe Erfahrung eines Kunstwerkes.20 Žižek beschreibt das Ereignis als radikalen Wendepunkt, der nicht nur die Dinge ändert, sondern auch ihre Parameter und das gesamte Feld.21 In meinem Rezeptionserleben und dessen Reflexion konzentriere ich mich auf den Umformungsmoment, an dem sich der Wendepunkt vollzieht, indem ich die Kunsterfahrung als Widerfahrnis im Charakter eines Betroffen-seins22 und als Begegnung mit dem mir Fremden auffasse. Ich halte dieses Fremde der Begegnung für den Verweis, der Entwicklung und Neues ermöglicht und anstößt. Mit Rückgriff auf Martin Buber, führt Philosoph und Pädagoge Otto Friedrich Bollnow in den 1950ern aus, dass eine Begegnung nicht von mir geplant werden kann. Sie ist, »vom Ich her betrachtet, immer ein nicht vorhersehbares Ereignis, aber sie ist eine den Menschen tief beglückende Erfahrung, weil nur in ihr das Ich sich selber finden und so sein Leben erfüllen kann.«23
Bollnow weitet seinen existenziellen Begegnungsbegriff auf die Rezeption von Dichtung aus.24 Ich sage, er kann sogar allgemein auf die Erfahrung von Kunstwerken ausgeweitet werden, da sich meines Erachtens die Unterschiede der Mittelbarkeit in ihrer poetischen Dimension aufheben, wenn der Betrachter über den Leib pathisch oder über das Gefühl leiblich bewegt wird. Bollnow postuliert, der Mensch stößt bei einer solchen Begegnung auf etwas, das sich nicht von innen her, nach eigenem Gesetz entfaltet, vielmehr eine fremde Wirklichkeit ist. Die existenzielle Bedeutung einer solchen Begegnung liegt in der Unausweichlichkeit und dem Zwang zur Neuorientierung.25 Ereignet sich die Begegnung nun bei der Rezeption von Kunstwerken, beschreibt sich dabei die epistemische Gefühlsdimension vor der Subjekt-Objekt-Spaltung. Jene intuitive Weise der Erfassung eines Gegenstands vor seiner feststellenden Aneignung, die auf die Erschließung des Gegebenen zielt. Also desjenigen, was Schelling ›Daßheit‹, Heidegger ›Sein‹ und Lacan ›den Anderen mit großem A‹ nennt.26
Wobei eine solche Aufzählung nicht problemlos vonstattengeht, um sich mit Lacan treffen zu können, muss ich Heideggers ›Sein‹ als Bedeutungsstruktur auslegen. Jean-François Lyotard jedenfalls thematisiert dieses Geschehen in seinem aisthetischen Denken über das Erhabene und formuliert Ästhetik im weiten Sinne als die Empfänglichkeit für die Gebung des Anderen.27 Indikator für das Andere ist bei Lyotard das Gefühl, das Schweigen in den Leerstellen und äußert sich als die Wirkung des Erhabenen. Dies siedelt sich u.a. im zwischen Angst und Lust gespannten Warten auf das Unerwartete an.28 Unerwartet ist hier nicht, dass sich etwas ereignet, die ›Ungeheuerlichkeit‹ besteht im Gegenteil darin, »daß sich überhaupt etwas ereignet, daß etwas ist und nicht vielmehr nichts.«29 In der Unbegreiflichkeit jenes »Ereignis des Daß«30 sieht Lyotard die eigentliche Aufgabe der Kunst, die ihm das Unbegreifliche fühlbar machen solle. Lyotard zielt auf eine Kunst, die das Bewusstsein durch die Konfrontation jeder Bestimmung vorausgehenden Seins erschüttert. Einem Kunstereignis, das seine Wirkung, gleich Bollnows Begegnung, vor dem reflektierenden Denken entfaltet.31
Widerfahrnisse sind damit weit entfernt von isolierten Sinneseindrücken. Sie sind »Unruhestifter par excellence. Als plötzliche Ereignisse zerreißen sie bestehende Sinngewebe, als langsam wirkende Änderungsprozesse zerfasern sie diese Gewebe.«32
Entsprechend destabilisieren Widerfahrnisse bestehende Raum- und Zeitordnungen33, oder präziser: räumliche und zeitliche Erlebnisstrukturen. Wie von mir beschrieben, vollzieht sich dies durch unaufgefordert in den Gegenwartsraum einbrechende und mit Sinnen erinnerungen verknüpfte Bilder der Vergangenheit, die durch die Seinstruktur außerhalb der symbolischen Ordnung hervorleuchten. Man denke in diesem Zusammenhang einmal mehr an die Szene der petite madeleine von Marcel Proust34, in der sich neue Raum- und Zeitfelder konstituieren und eine Erkenntnis (Ellison spricht von Wahrheit) einstellt.35 In derlei Momenten, über die Begegnung mit einem Anderen vermittelt, machen wir Menschen laut Bernhard Waldenfels eine Fremdheitserfahrung. Waldenfels bemüht sich, wie viele seiner Vorgänger,36 eine Fremdheitsphilosophie zu entwerfen, die nicht in vorübergehender Entfremdung aufgeht. Wie schon Platon37 besagt er, dass unser Denken in der Fremde beginnt, angestoßen durch die nachträgliche Reflexion über jene affektiv getönten Widerfahrnisse.38
Derlei Hervorscheinen des Seienden nennt Martin Heidegger Berückung.39 Bei der Ereignis-Erfahrung einer Kunstbetrachtung - Heidegger spricht vom bewahren40 - werde man von einem Seienden plötzlich in seinem Wesen angegangen, wodurch die Seinsvergessenheit überwunden wird, die Heidegger als herrschendes Weltverhältnis versteht.41 Ich halte das für entscheidend, denn erst mit der Erinnerung an mich als ein Seiendes in einem Seienden, ist mir erlaubt, über die Fremdheit des Ereignisses oder meiner eigenen Fremdheit zu reflektieren. Auch wenn erst der späte Heidegger Matthews Collage einen Kunststatus einräumen würde, ist eben daher von Bedeutung, dass Heidegger bei der Rezeption von Kunst auf die Bedingtheit des Betrachters verweist und darauf, dass sich das Werk erst in diesem erfüllt - auch, wenn bei Heidegger der Schöpfungsakt bereits Anteil hat.42 D.h. es ist in Hinblick auf Matthews Collage festzuhalten, dass ich der Betrachter war und zwar in einem bestimmten Kontext (etwa dem LGBT Center als Ort; ich, als forschender, deutscher Student). Die Collage kann also, wie jedes Kunstwerk, für einen anderen Betrachter eine andere Wirkung entfalten, der eine andere Bedeutung zukommt - z.B. auch die persönlicher Bedeutungslosigkeit.43
Kunstwerk und Betrachter kommen demnach unter Bedingungen etwa der gemeinsamen Umgebung oder durch die inneren Voraussetzungen ihrer jeweils spezifischen Gegenwart und Geschichte zusammen. Kemp spricht davon, dass das Werk antwortet und die Tätigkeit der Annäherung eines Betrachters anerkennt.44 D.h. auch ohne tiefgreifende Kunsterfahrung mit Widerfahrnis- charakter, kommuniziert das Werk mit seinem Betrachter und enthüllt diesem dadurch etwas über das implizite Wissen des Kunstwerks, über seine gesellschaftliche Stellung und über seine Wirkungsmöglichkeiten.45 Dies ist eine Grundannahme der Rezeptionsästhetiker, die davon ausgehen, dass jedes Kunstwerk einen Adressaten hat und somit einen Typ von Betrachter bestimmt. Die Rezeptionsästhetik macht es sich daher zur Aufgabe nach der Betrachterfunktion im Werk zu fragen und ist dementsprechend bemüht, Kommunikationsreize des Werks zu erkennen und seine sozialgeschichtliche und wesentliche ästhetische Bedeutung zu verstehen.46
Matthews Collage, die mir erlaubte schon während ihrer Produktion eine Erfahrung zu machen, ist damit als Kommunikat zu betrachten. Mit Rücksicht auf den Entstehungskontext, verstehe ich sie als Kunstwerk und somit als kulturelles Artefakt. Kultursystemtheoretisch nach Dilthey, sind Kulturen nicht wie feste, aufeinanderprallende Körper, sondern ineinander verwirkt.47 Daher denke ich den Entstehungs- und Präsentationskontext des LGBT Centers als kulturellen Anteil mit. Dies meint nicht, dass es sich bei der Collage eingeengt um LGBT- Kunst handelt, die ausschließlich auf LGBT-Themen verweist. Es gibt keinen Hinweis innerhalb der künstlerischen Arbeit, die eine solche thematische Reduktion gestattet. Lediglich die Hintergründe von Setting, Produzent und Rezipient addieren dies im Umraum des Werkes hinzu. Da somit keine isolierte oder einzig wahre Perspektive in Frage kommt, möchte ich auch zwei Betrachtungen ineinander verflechten. Die Bestimmung formalästhetischer Gelenkstellen, über die die Collage mit mir als ihrem Betrachter, in Form einer sich leiblich-pathisch ausdrückenden Begegnung, in Kontakt getreten ist zum einen. Zum anderen, wie sich mir eigentlich was dadurch zeigen konnte.
II. VON DEN WOLKEN | Fremdheit · Selbst · Collage · Leib
Wenn ich also sage, es habe geblitzt, dann beginnt der verzögerte Donner am gleichen Ort. Nämlich in der Körperschaft der Wolken, mit Fragen wie, wo und sogar woran es geblitzt hat. Um dies zu ergründen, sei sich zunächst mit der Collage und dem Leib beschäftigt.
»Leib bin ich ganz und gar, und nichts außerdem; und Seele ist nur ein Wort für ein Etwas am Leibe. Der Leib ist eine große Vernunft, eine Vielheit mit einem Sinne, (…) die sagt nicht Ich, aber tut Ich.«48
In seiner halkyonisch-prosaischen Hymne des Zarathustra, verweist schon Nietzsche in der Rede Von den Verächtern des Leibes auf einen vernunftbegabten Leib, den er mit dem Selbst verschränkt, als Ausdruck des Selbst sieht und auch als ›mächtigen Gebieter‹ und ›unbekannten Weisen‹ bezeichnet.49
Die Unterscheidung von Leib und Körper gehört zu den phänomenologischen Grunddifferenzen und ist eingebunden in das traditionelle Leib-Seele-Problem,50 sprich der philosophischen Fragestellung nach der Einheit des Menschen. Stark vereinfacht ließe sich dabei zwischen dem Leib als Gesamtheit des Selbst und des Körpers als Materialität des Leibes unterscheiden.51 Dabei soll es, mit Waldenfels gesprochen, jedoch nicht um eine dualistische Auffassung gehen. Mittels aus der alltäglichen Erfahrung vertrauten »mitgewusste(n) Einheit des Menschen«52, soll stattdessen auf das Spannungsverhältnis der »zweideutige(n) Seinsweise«53 aus Leib und Körper, Medialität und Materialität (wahrnehmend und wahrnehmbar) verwiesen werden. Bei Thomas Fuchs findet sich der Leiblichkeitsbegriff unter dem Terminus embodiment thematisiert, bei dem auch kognitive Anteile als verkörpert aufgefasst werden.54 Auch für Fuchs hat der Leibkörper einen ambigen Charakter, der mal implizit, mal explizit erfahren wird.55 Damit widerspricht Thomas Fuchs ebenfalls einer getrennten Dualität, wenn er unsere Wahrnehmung in das schwingende Dazwischen verortet:
»An ongoing oscillation between these two bodily modes constitutes a fluid and hardly noticed foundation of all experiencing.«56
Fuchs wie Waldenfels verbinden das Leibliche mit dem Gefühl. Die leibliche Affektivität bildet ein weiteres konstitutives Schlüsselmoment in den Ausführungen beider. Ich komme darauf zurück, da das Pathische auch bei Waldenfels‘ Fremdheitsbegriff relevant ist. Dennoch kann in diesem Rahmen die Bedeutung und Phänomenologie von Leib und Gefühl nur eingeschränkt und in Hinsicht auf die Ausgangssituation betrachtet werden. Es wird sich miteinander verbinden, doch zunächst findet der Leib als Medium des Erlebens Beachtung. D.h. als Vermittler und Instrument des Gewahrens im Korrelationsverhältnis von Matthews Collage, meiner Wahrnehmung und mir - oder, um mit Lambert Wiesings Genauigkeit des Beteiligt-seins an der Wahrnehmung zu sprechen: Matthews Collage und dem Mich der Wahrnehmung.57 Denn der Leib ist zwar Medium, kann aber nicht von mir getrennt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.: 07
Bei dem Werk Welcome to the World58 (BT II) handelt es sich um eine zweiteilige Arbeit. Sie wurde von Matthew gefertigt, einem homosexuellen Herrn Anfang sechzig und regelmäßigen Teilnehmer des Art Lab im LGBT Center. Das Diptychon setzt sich aus drei Bildträgern zusammen. Hinsichtlich Format und Abmessung ist die linke Tafel ein Hochformat mit einer Größe von 23 x 30 cm. Die rechte Tafel besteht aus zwei Querformaten, die untereinander hängend miteinander verbunden wurden und so ein weiteres Hochformat in der Abmessung 26 x 40 cm ergeben. Während deren zwei Bildteile miteinander flexibel verklebt wurden, ist die erste der Tafeln lediglich neben der anderen präsentiert und allenfalls über die innere Kommunikation verbunden. Für die Verklebung der rechten Bildteile wurde Vinylklebestreifen auf der Rückseite so verwendet, dass die Bildträger zwar zusammen sind, jedoch beweglich bleiben und die so entstehende Bruchkante Teil des Bildes wird.
Welcome to the World ist eine Collage. Für diese wurden Fotografien und Ausschnitte aus Zeitungen und Magazinen auf die Bildträger aus festem Papier aufgeklebt. Jede der beiden Tafeln weist als Frage formulierte Textelemente auf. Links ist ein aufgebrochenes Ei unter einer Wärmelampe und ein darüber fliegender Hahn zu sehen, rechts ein den Betrachter anblickendes Männergesicht mit Federn unter den Augen. Dieses ›erbricht‹ oder spuckt Kritzeleien in den unteren Bildraum, der mit mehreren kleinen Bildern ausgekleidet ist.
Das Werk ist liegend, auf einem grauen Tisch präsentiert. Da die beiden Tafeln unterschiedlich groß sind, wurde die untere Bildkante als Orientierung zur Ausrichtung gewählt. Die erste Tafel ist etwas kürzer. Dies hat Auswirkung auf die innere Kommunikation des Werkes, etwa im Blickziel des abgebildeten Hahns. Weitere Arbeiten ähnlicher Machart, jedoch von anderen AutorInnen liegen mit jeweils etwa einem halben Meter Abstand auf den zusammengeschobenen Tischen verteilt. Art der Ausstellung ist eine Atelierplatzpräsentation. Wenngleich Materialien und Werkzeuge aufgeräumt wurden, sind diese im Raum noch präsent.
Von der Kunsterfahrung, die mir die Collage bot, habe ich einleitend im ersten Kapitel erzählt. In rezeptionsästhetischen Betrachtungen werden mitunter der erste Blick (unreflektierte Wahrnehmung: etwas wird als etwas im Bild sichtbar, bevor ich das Bild als Bild ansehe59 ) und der zweite Blick (einleitende Reflexion: was zeigt sich wie und wie was?) klar herausgearbeitet und unterschieden.60 In Bezug auf meine Methodik lege ich im Folgenden den ersten Blick nach dem Widerfahrnis dar, füge aber eine Besonderheit hinzu: So zerteile ich den ersten Blick in vier erste Beziehungsaufnahmen zu dem sich Zeigenden. Damit möchte ich versuchen, die prozesshafte Wendung des leibnahen Ersteindrucks hin zur distanzierten Betrachtung nachzuzeichnen. Damit verlangsame ich künstlich das Widerfahrnis, berücksichtige aber die Performanz des Wahrnehmungsvollzugs, wie sie die Philosophin Eva Schürmann, mit Bezug auf Erika Fischer-Lichtes Performance-Begriff, bildwissenschaftlich beschreibt,61 wenn sie das (Bilder- )Sehen selbst als Handlung und performative Vollzugsform des Bildes auffasst.62 Für mich verbindet sich dies mit den Blicklenkungen des Werkes und erfährt darin seine Bedeutung.
Um zu einer rezeptionsästhetischen Reflexion, also einer Reflexion zweiter Ordnung überzuleiten, kann ich leider nicht darauf verzichten, die Betrachtung weg von einem Ereignisprozess und hin zu als-ob-Kausalketten zu beschreiben. Das tatsächliche Ereignis endet schon nach den ersten zwei Sätzen. Die vier Blicke sollen aber die Brücke zwischen den Reflexionsebenen deutlich machen.
Ich trete vor den Tisch. Im Raum ist eine Klangwolke hörbar, die mir von den Bewegungen der anderen Betrachter erzählt. Ich schaue nach unten auf das Diptychon …
Mein erster Blick wird von der rechten, größ eren Tafel angezogen. Zwar laden Textelemente dazu ein, dem Werk von links nach rechts her zu begegnen, jedoch wird mein Blick durch ein abgebildetes Gesicht der rechten Tafel eingefangen. Von unten her, sehen mich die stark blauen Augen direkt an. Mehr meiner Lesegewohnheit als einem eigentlichen Wunsch folgend, zwinge ich mich zurück zur linken Tafel. Ich lese die Frage DO YOU PLAY WELL WITH OTHERS?, weißmich vom Anderen angeredet, bevor ich ihn selbst anrede und falle dem abgebildeten Hahn ins Gesicht. Sein Blick und Schnabel verhindern den Fall ins Bodenlose und werfen mich zurück auf die rechte Tafel, zuüber einem Abgrund hängenden Beinen, um nun aber von dort abzustürzen.
Ich nehme mich selbst ›wie als von anderswoher‹ wahr, wenn ich mich als jemand erfahre, der angeschaut (oder angeredet) wird. Dies gehört zu den alltäglichen Situationen.63 Bedenke ich nun, dass das Fremde64 nicht einfach woanders ist, sondern es das Anderswo ist 65 , ergeben sich laut Waldenfels Aspekte der Selbstfremdheit. Etwa der Fremdheit des Ursprungs des Eigenen, wie bspw. der eigene Name oder die kulturelle ›Prägung‹, die sich auch leiblich verkörpert. Beides sind Fremdzuschreibungen.66 Selbst der eigene Leib weist halbe Fremdheiten auf, wenn sich bspw. Sex aus der Begierde nach dem Anderen ergibt. Einer Begierde, die vom Anderen ausgeht und somit im weitesten Sinne eine Fremdzuschreibung darstellt, auf die ich antworte.67 Somit läuft ein bestrebtes Suchen nach dem Selbst stets in ein Nichts oder in ein Fremdes. Selbstfindung kann hier strenggenommen nur Entdeckung von Fremdheiten sein. Wichtig scheint mir daran der Beziehungsaspekt, der sich durch ein Nähe-Ferne- Gefüge ergibt. An ihm bemerke ich, dass ich den Anderen in mir vorfinde und ich mich selbst in ihm, noch bevor wir uns begegnen.68
Bei meiner zweiten Kontaktaufnahme beginne ich wieder mit der Leserichtung und werde abermals weggeschickt, hinüber zu WHAT DO YOU KRAVE?
Die Frage als direkte Ansprache an den Betrachter gerichtet, ist eine klare Kontaktaufnahme die ins Bildgeschehen führt. Vergleichbar etwa mit einer Geste oder einer Figur die Blickkontakt herstellt oder der Rückenansicht einer Person, der wir in die Bildwirklichkeit folgen. Dabei ist meine Betrachtung noch immer von einem Bildverständnis nach dem Bildkonzept als finestra aperta beeinflusst. Die Textelemente des Diptychons fordern eine zweite Aufmerksamkeit. Ihre Wirkung liegt neben der semantischen Ebene in der Art ihrer Setzung. So etwa das Blockhafte und Geschlossene der Frage DO YOU PLAY WELL WITH OTHERS?, die so die restliche Bildbetrachtung kurzweilig unterbricht und mir wuchtig gegenübertritt. Ebenso zeigt sich die Verknüpfung von Inhalt und Form bei dem Wort ›KRAVE‹. Korrekt wäre ›CRAVE‹ (engl. für begehren, lechzen; craving = starkes Verlangen, Bedürfnis). Das Wort ›KRAVE‹ entnahm Matthew einer Werbung der KRAVE-Cornflakes-Produktreihe, da ihm Farbigkeit und Typographie besonders geeignet erschienen. Im Gesprochenen macht die Schreibweise keinen Unterschied. Grafisch wirkt das härtere ›K‹ gegenüber dem weicheren ›C‹ aber klarer, direkter und fordernder und macht damit eben doch die diff é rence aus, von deren zwiespältigem Wesen Derrida spricht.69
Inhaltlich kommt für den, der um die Quelle von ›KRAVE‹ weiß, ein Witz in die Collage, nicht zuletzt, da das darauf abgebildete Gesicht sich übergibt. Der Blick des gleichen Gesichts weist eine aggressiv-verführerische Wirkung auf, die sich durch ›KRAVE‹ mit ›K‹ potenziert. Auch hier spielt die Setzung eine Rolle. Wie später genauer beschrieben, taucht die Frage WHAT DO YOU KRAVE? in zwei Blöcken auf, die sich zur Mitte neigen und zu dem Gesicht hinführen. Die rote Farbigkeit von ›KRAVE‹ bedrängt mich ebenso, wie der OTHERS-Frageblock der linken Tafel, bekommt aber durch die Schrägstellung eine spielende, lustvollere Note.
Ich sehe den Mann mit den blauen Augen genauer an. Er löst Empfindungen in mir aus. Sein Blick hat für mich etwas Verführendes, Lockendes, auch Fragendes. Ich werde angezogen und er kommt mir scheinbar ein Stück entgegen. Als mir auch die zornige Qualität seiner Augen auffällt, reiße ich mich vom Blick los, taumle etwas zurück oder werde gestoßen. Ich gerate dadurch auf die Linie des als-ob-Erbrochenen undüberwinde die Lücke zwischen den verbundenen Bildträgern, die Schlucht im Bild, die zwar unscheinbar, jedoch vorhanden ist. Nach dieser Hürde fühle ich mich etwas erhöhter stehen, falle dann jedoch, wie bei einer Achterbahnfahrt, im Strom der grafischen Elemente abermals in die Tiefe zwischen die Wolkenkratzer und den hängenden Beinen.
Eine Form des Lebendigen ist Lust. Unterbrechungen im Text hält Roland Barthes für erotisch und vergleicht sie mit Haut, die zwischen zwei Kleidungsstücken glänzt und verführt. Demnach ist nicht die Unterbrechung selbst lustvoll, sondern das was dadurch hervorscheint.70 Dies kann ein Sinn sein, der uns überkommt, dies kann das uns Fremde sein, das uns anstößt, dies kann an der Collage der bemerkenswerte Moment sein, bei dem die Rezeption des Bildes scheinbar unterbrochen wird, dadurch aber lediglich auf den Raum hinter dem Abgebildeten verweist. Hierbei ergibt sich in meiner Werkwahrnehmung der Verweis auf eine weitere Welt: meine eigene.
Auch beim dritten Versuch erreicht mich der Text zuerst. Dann endlich verbleibe ich ein wenig länger bei dem Hahn, merke nun umso bewusster, dass ich auch hier dem Vogel entgegenfalle. Wir stürzen beide in die Tiefe (diese Wirkung wäre sicher anders, wenn das Bild als Gegenüber an einer Wand hängen würde). Ä hnliches geschieht auf der rechten Tafel, doch diesmal wird mein Sturz von einem sonnenbeschienenem Wolkenkratzer gerettet, dessen Höhenstreben michüber den unteren Bildrand hinaus, zurück in meinen realen Betrachterraum befördert. In Bezug auf meine fokussierte Wahrnehmung endet damit meine Partizipation an der Bildwirklichkeit und die Partizipationspause von meinem in-der-Welt- sein.71,72
Erst dadurch ist mir möglich, mit einem vierten Blick, das Bild als Bild wahrzunehmen. Die Irritation meines Gleichgewichtssinnes enttäuscht sich, als durch die Darstellung und durch mein Vorbeugen ausgelöster Vollzug einer leiblichen Wahrnehmung. Ich erkenne mehr Details, bemerke vollends das aufgebrochene Ei, die Rissspuren um das Loch in der Wand, durch welches ich zuvor, mittels meiner leiblichen Rezeptionsbewegung, hindurchgefallen bin. Auch gewinne ich jetzt einen anderen Zugang zu dem Bildüber die Unbestimmtheitsstelle eines vermuteten Narrativ, der mir hier nur in einer ausschnitthaften Starre angeboten ist und Fragen aufwirft: Was ist passiert? Liegt etwas im Ei? Ist der Hahn eben dem Ei entschlüpft und hinausgefallen? Wer hat wann das Loch in die Wand gerissen? Wurde das Ei erst kürzlich von innen oder außen aufgebrochen? Was hat sich ereignet? Gab es ein Küken? Wurde es gestohlen? Verweist deshalb der Text auf den Anderen? …
Neben der Sprache als Zeichen erscheint der Text als grafisches Element, dem Roland Barthes erneut Zeichencharakter zuschreibt. Für ›typisch Barthes‹ halte ich, dass er seine semiotischen Ausführungen, etwa zur Lust am Text, konstruiert, indem er die Lust am Text dekonstruiert, diese dabei aber an seinem eigenen Text atmosphärisch und damit leiblich-sinnlich erlebbar hält (er spricht hier von der Signifikanz73 ). Mehr deshalb, denn einer semiotischen Betrachtung wegen, ziehe ich ihn als Denkgröße hinzu. Bei der Betrachtung von Cy Twomblys Malerei, von der Roland Barthes sagt, sie habe etwas mit Kalligrafie zu tun - und damit eben mit nichts Zufälligem - versteht Barthes Schrift als ein Anspielungsfeld. Die rhetorische Figur der Anspielung ist dabei, eine Sache zu sagen, um eine andere heraushören zu lassen.74 An anderer Stelle meint Barthes, Text - wie Kunstwerk - brauche »seinen Schatten: dieser Schatten, das ist ein bißchen Ideologie, ein bißchen Darstellung, ein bißchen Subjekt (…)«75, da das Werk sonst steril wäre, ohne Produktivität und unfruchtbar. Was Schatten bedeutet, führt Barthes nicht weiter aus, überlässt es seinem Rezipienten. Aber mit rezeptionsästhetischem Wissen kann ich sagen, je gegenwärtiger - und damit mir näher - desto bedeutungsoffener erscheinen die Kunstwerke. Des Weiteren sind die ›Schatten‹ jene Vorgänge hinter gemalten Vorhängen, deren Unbestimmtheit mich als Betrachter gerade erst involviert.76 Durch den Verweis auf Angenommenes und Gewusstes, damit auf Nicht-Gewusstes und Ungeahntes seitens des Betrachters, ist der Blick des Bildes der uns trifft, am Ende unser eigener Blick. Damit gibt es keine hineingelegte fremde Idee, die noch fähig wäre mich ›magisch‹ zu treffen, dafür hat Roland Barthes allzu deutlich gemacht, dass der Autor als Institution tot ist77 und mir Rezipienten nur noch in seiner Abwesenheit, in der Präsenz meines Begehrens entgegentritt.78
Die Suche nach der Geschichte führt mich in die rechte Tafel hinüber. Ich bemerke, dass der Hahn von dort aus gefilmt wird. Denn es gibt eine weitere Blick- und Beziehungsachse zwischen der Ü berwachungskamera, die von der Freiheitsstatue anstelle der Fackel gehalten wird (unterer Bildraum, rechte Tafel, rechte Bildkante) und dem Kopf des Hahns auf der linken Tafel. Die Möglichkeit eines neuen Fallens wird verhindert. Mit dem vierten Blick zeigen sich mir auch die mich anblickenden Augäpfel im Hintergrund der wahrgenommenen Verbindungslinie. Sie treten aus der Bildmitte der rechten Tafel hervor und richten den Blick direkt auf den Betrachter, halten mich mehr bei mir. Dies gibt mir die Zeit, in der verlängerten Bildachse der Beine, einenälteren Mann zu erspähen, dessen in den Nacken gelegtes Haupt mich erstmals wieder nach ganz oben, zurück zum Gesicht und der Frage WHAT DO YOU KRAVE? schickt.
Fast hektisch folge ich somit dem Netz eines ästhetischen Wahrnehmungsgefüges, an dem ich nicht nur als Zeuge beteiligt bin, sondern in welches ich involviert zu sein scheine, bis hin, dass es sich im eigentlichen Sinne erst in mir vollzieht. Eine Einschließung die mir leiblich spürbar wurde, noch bevor ich sie begreifen konnte. Es handelt sich demnach, um ein leibliches Antwortgeschehen auf etwas mich Berührendes oder um eine respondierende Fremdbewegung. Dabei ergibt sich das Nacheinander erst aus der Beobachtungsperspektive.79 Dies bedarf einiger Ausführung.
Zunächst sei gesagt, dass Waldenfels mit Helmuth Plessner von einem Körperhaben und einem Leibsein ausgeht, wodurch die leibliche Erfahrung weit über die Erfahrung des eigenen Leibes hinausreicht.80 So schließt der Leib alles mit ein, was zweifellos mit mir zu tun hat, ohne mein Zutun zu erfordern.81 Etwa auch, mein Antworten auf das Wahrnehmen eines Kunstwerkes. Damit wird u.a. die Voraussetzung einer Leiblichkeit der Erfahrung für die Erfahrung des Leibes formuliert.82 Eine solche Auffassung von Leib fragt, was Wahrnehmung mit Leib zu tun hat und führt den Begriff Pathos ein, der im Kontext einer Philosophie des Fremden für Waldenfels mit dem Begriff Widerfahrnis gleichzusetzen ist.83
Bei der Begegnung mir Fremdem kann die phänomenologische Formel etwas erscheine als etwas nicht bis zum Schluss richtig sein. Dass etwas als etwas erscheint, so Waldenfels, bedeutet eben nicht, dass es etwas ist. Denn tatsächlich wird es zu etwas, indem wir ihm Sinn verleihen.84 Je ferner etwas von unserer eigenen Konstitution entfernt und damit auch fremder ist, so meine ich, desto schwieriger, verzögerter oder unmöglicher ist eine Sinnzuweisung. Daher trifft auch bei Waldenfels die Formel nur für den Bereich unserer Normalität zu, »wo Dinge sind, was sie sind, und wo sie uns als solche bekannt sind.«85
Anders scheint dies im Kern der Erfahrung, die einem Widerfahrnis entstammt und wo die Dinge erst zu dem werden, was sie in der Folge einer Form von Erkenntnisleistung sind.86 Einem Ereignis also, bei dem ich zwar beteiligt bin, das ich aber nicht initiiert habe87 und bei dem ich durch Ichfremdes emotional88 berührt und Ichfremdem ausgesetzt werde.89 Dies allein weist schon auf den Leib zurück, wenn etwa die Wahrnehmung nicht mit einem Akt des Beobachtens, sondern vielmehr mit einem antwortenden Aufmerken einsetzt, welches wiederum angeregt und aufgeweckt wurde.90 Aufgeweckt durch ein Aufmerken, ein Gewahren einer Abwesenheit, die eben in ihrem Nicht-da-sein oder nicht- teil-sein anwest.
»Am bedrängendsten zeigt sich uns das Weitreichende des Anwesens [Sein] dann, wenn wir bedenken, dass auch und gerade das Abwesen durch ein bisweilen ins Unheimliche gesteigertes Anwesen bestimmt bleibt.«91
Was Heidegger hier als das Entbergen eines Vor- und Zuhandenseins beschreibt, dass die Existenz eines solchen sich nämlich gerade dann vor mir entfaltet, wenn ich dessen Nicht-Vorhandensein bemerke, lässt sich auf das Gewahren Waldenfels‘ Fremdheit anwenden. Ich bemerke das Dasein eines mir Fremden in seiner mir leiblichen Abwesenheit. Leiblichkeit und Fremdheit sind aufs engste miteinander verflochten, da Fremdheit sich stets als leibhafte Abwesenheit darstellt - besonders, wenn sie radikal ist.
Zugleich ist ein wahrnehmendes leibliches Wesen nie ganz und gar bei sich.92 Zur Vereinfachung sei exemplarisch auf das Körperwissen, besser das Leibwissen verwiesen, wie es sich bspw. bei Musikern, Sportlern, Handwerkern, Künstlern,… besonders deutlich zeigt. Überall dort wo Hände selbst behände sind, Füße navigieren können, Körperteile mehr ›mitdenken‹, als eine rationale Kontrolle es je könnte, habe ich die Möglichkeit dem nicht sichtbar in Erscheinung tretenden Leib gewahr zu werden.93 Damit zeigt sich auch im Leiblichen, dass uns viel mehr ausmacht, als die Tatsache, dass wir denkende Subjekte sind, nämlich indem es Dinge gibt, die uns etwas bedeuten.94 Auch Waldenfels greift hier auf Aristoteles zurück, der meinte, der Leib sei durch Ziele bewegt, die unser Streben anziehen oder abstoßen. Es gehen also Motionen mit E motionen einher, und verweisen umgekehrt darauf, dass die vom Gefühl abgelöste Vernunft nichts bewegt.95 All unser Verhalten geht demnach von einer Selbstaffektion aus.96 Hier verbinden sich die Theorien des Leibes als Ort der Gefühle und der Fremdheitserfahrung, durch die Auffassung des Leibes als Ort des Pathischen, an dem Erfahrungen als Widerfahrnisse gemacht werden.
Wenn ich sage, Matthews Collage hat mich bewegt oder im Sinne einer Begegnung nach Bollnow, gar erschüttert, so wurde also nicht mein physischer Körper erschüttert oder bewegt. Es geht um ein leibliches Gewahren durch leiblich-emotionales Bewegtwerden, ohne sich zu bewegen.97 Wenngleich eine intensive leibliche Bewegung im Körperlichen Wellen schlagen kann. Ich kenne dergleichen beim schamhaften Erröten, beim Zorneszittern oder angstvollem Erbleichen. Hier greift, was Husserl als Umschlagstelle zwischen Sinn und Naturkausalität bezeichnet.98 Aber der Leib fungiert auch als Umschlagstelle der zahlreichen Zusammengehörigkeiten von Eigenem und Fremdem.99
Mit dieser Aussage, nehme ich nun die LGBT-Aspekte des Autors, Rezipienten und Ausstellungsortes der Collage zur Verdichtung hinzu und nutze diese exemplarisch zur Erläuterung von Waldenfels Selbstfremdheit.
Als Jugendlicher begann ich Tagebuch zu schreiben. Als junger Erwachsener, über beide Ohren unglücklich verliebt, verfasste ich daraus den Roman Für Amadeo. Etwa in der Hälfte des Buches betritt mein literarisches Alter-Ego ein besonderes Gebäude. Altklug und in überladener Symbolsprache, beschrieb mein jüngeres Selbst damals einen Schwellenzustand, dessen tiefer liegende Bedeutungen sich mir erst viele Jahre später enthüllten. Heute würde ich sagen, in der ungeschliffenen Poetik jenes Kapitels liegt verborgen, was Tony Adams als die Bedingungen auflistet, an denen sich der sog. ›closet‹101 für Menschen mit LGBT-Identität errichtet.102 Im Gespräch zwischen meiner Hauptfigur und Amadeo, einem scheinbar autonomen, desintegrierten Persönlichkeitsanteil, spiegelt sich zudem wieder, was Adams als die Paradoxien des ›closets‹ bezeichnet. Diese ergeben sich aus der Ungewissheit rechten und rechtzeitigen Handelns und Outens und deren Folgen.103 Hieraus leitet Adams später die relationale Dimension des ›closets‹ ab, der sich um Adressaten herum aufbaut.104 Der ›closet‹, so ergänze ich hier, ist das prozesshafte sich und andere befremden, während zugleich sich anderes im Selbst ent-fremdet. Fremdes im Eigenen wird in der Regel beim Aufkommen erster sexueller Interessen erfahren. Das Fremdwerden der LGBT-Person wird durch eine Wir-Gruppe getragen, an der ich die anderen als Fremde erfahre bzw. mich selbst gegenüber den anderen.105 Dadurch ist das befremdet-sein an der aufkommenden Sexualität verdoppelt. Dies ist, was die LGBT-Person vor den ehemals nur Anderen fremd werden lässt und auch vor sich selbst fremd sein lässt, am Beginn des Werdensprozesses, der sich als Erkennensprozess ereignet. Die originäre Fremdheit im Selbst einer LGBT-Person ist paradoxerweise das, was ein leiblicher Aspekt des Kernselbst ist106 und später, sofern akzeptiert, integrierter Teil der Identität wird und nicht mehr länger nur anhaftet.
Als LGBT-Mensch, erlebe ich mich in eine Kultur hineingeboren, deren Gründungsfigur der eigene Leib ist, und die zunächst unsichtbar ist. Unsichtbar, da i.d.R. der engere Kreis der Eltern, Familie, Freunde, Nachbarschaft,… nicht oder nur vereinzelt LGBT-identifiziert und damit Teil eines anderen Kulturkreises sind, zu welchem die LGBT-Person eben nur auch dazugehört. Dies ist keinesfalls LGBT-spezifisch. Ich kann Franzose und Jude sein, Amerikaner, Südstaatler, Kreole und Protestant oder Japaner und Katholik, aber eben auch Chinesin, UpperClass, Buddhistin und lesbisch. Ich sage nicht, jeder Identitätsaspekt sei gleich Kultur. Das dargelegte dient nur zur Veranschaulichung, da ich die LGBT- Kultur als eine solche verstehe. Die Gruppe der LGBT-Menschen hat nicht nur Kulturgüter hervorgebracht, sondern sich definiert und den eigenen Handlungen und Handhabungen Sinn- und Ordnungsstrukturen zugedacht, die in der Gesamtheit ihrer Lebensbekundung als Kultur verstanden werden muss. Was ich darlegen möchte ist, dass je mehr kulturelle Ringe in meiner ›Prägung‹ ineinander greifen, desto mehr Reibungspunkte gibt es, an denen mir Fremdes begegnen kann. Desto häufiger darf ich mir die Frage stellen: DO YOU PLAY WELL WITH OTHERS? Gerade dies, so behaupte ich, verstärkt sich, je intensiver das Leibeserleben beteiligt ist oder diese oder jene Kultur sich in uns als Identität leiblich konstituiert.
Dies ist, was mir in der Fremderfahrung bei der Betrachtung der Collage begegnete. Das Widerfahrnis ist die Fremderfahrung, da etwas wie von außen und ungeplant eindringt, in diesem Fall Erinnerungsgüter. Aber es gibt eine zweite Ebene, die des Fremdheitsgefühls innerhalb der Kultur. Eine Kultur von der ich bis zu einem Wendepunkt in meinem Leben annahm, es sei die einzige Kultur der ich angehöre, da dies die Kultur meiner Familie war - weil dies der sichtbare Teil der Welt war, in die ich mich geworfen glaubte. Mit dem Leib zu sehen, hatte ich noch nicht gelernt. Es gab mindestens noch kein reflektiertes Wissen darum.
Ich kann meine leibliche Erfahrung bei der Betrachtung von Matthews Arbeit nutzen, um zur rezeptionsästhetischen Analyse zurückzukehren. Denn gerade daran hat sich gezeigt, dass der Blick des Betrachters im Werk auf vielfältige Weise gelenkt und so mit ihm kommuniziert wird. Dies geschieht durch formalästhetische Gelenkstellen im Bildaufbau, die einer bestimmten Ordnung folgen.
In der linken Tafel (BT III) wurden die Einzelelemente der Collage so zusammengefügt, dass die Ränder des Bildträgers das Bildgeschehen rahmten. Durch Überlappungen der aufgeklebten Elemente weist er an jeder Stelle eine andere Stärke auf. Die Bausteine des Bildes setzen sich zusammen aus einem Textelement (oben links), dem Foto einer roten Wärmelampe (oben Mitte), darunter das fotografische Abbild eines auffliegenden Hahns (Bildmitte), das fotografische Abbild eines großen Kunststoffeies, abgelegt auf ein Schreibmöbel (Mitte, unteres Bilddrittel). Mit Ausnahme des Textes, sind die markantesten Bildelemente in der mittleren Bildsenkrechten angesiedelt. Vor und um die Bildelemente wurden im Mittelgrund chinesische und spanische Zeitungs- und Zeitschriftentexte gesetzt. Ebenso der Ausschnitt eines Baumbilds (links). Alle Elemente des Mittelgrundes wurden im Nachhinein mit Wassermalfarbe und Kaffee gefärbt, mit Goldfarbe betupft, wodurch ein Alterungsprozess angedeutet ist.
Mit Räumlichkeit wird im Bild ambivalent umgegangen. Zum einen wird jede perspektivische Tiefe gebrochen, da etwa Elemente des mittleren Bildraumes den vorderen überlappen, schwarz eingezeichnete Risse diese Überlappungen dann wieder ignorieren und die Elemente scheinbar in eine nun doch mittlere
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Abb.: 08
Raumebene zurückverorten. Der Textblock DO YOU PLAY WELL WITH OTHERS? oszilliert, scheint mal Teil des Mittelgrunds, tritt dann wieder ganz in den Vordergrund.
Tiefe wird demnach nicht durch die Grafik, jedoch durch die Farbe erzeugt. So treten die in Rottönen gezeigten Gegenstände Ei und Wärmelampe in den Bildvordergrund, die tertiären chinesischen und spanischen Textflächen räumlich in den Mittelgrund. In diesem befindet sich eine Art Loch in einer Wand, in Form der blaugrauen Bildmitte. Darin fliegt ein in blau-schwarzen Tönen fotografierter Hahn - es wurde ein Negativfilter benutzt. Die Farbigkeit führt Hahn und dessen Umraum in die tiefste räumliche Ebene.
Durch die Präsentation auf dem Tisch, wird der Raum wiederum gebrochen. Die physikalischen Gesetze, die mir ein Körperwissen von Schwerkraft geben und meine leibliche Resonanz mitbestimmen, verweisen bei der analogischen Apperzeption auf zwei Gravitationszonen der Bildwirklichkeit. Zum einen die des Bildraumes, die den Tisch mit dem Ei am Boden und die Lampe darüber hält. Zum anderen die des Betrachterraumes, dessen Wirkung sich besonders in der hinteren Bildebene entfaltet, wodurch der Hahn nicht zu schweben, sondern zu fallen scheint. In der geschlossenen Welt des Bildes behindert dies den Hahn in das Ei zu sehen. Stattdessen überwindet der Blick des Tieres den nicht mehr hermetischen Innenraum der linken Tafel und erreicht den Bildraum der rechten Tafel (BT IV) im Gesamtwerk.
Dort ist die obere Bildhälfte ebenfalls von den mittig angeordneten Elementen dominiert. Zwei Wörterblöcke WHAT DO YOU und KRAVE? wurden wie auf einer gestauchten V-Achse so aufgeklebt, dass sich das Ende des WHAT DO YOU- und der Anfang des KRAVE?-Blocks zur Mitte der oberen Bildhälfte neigen und optisch die Augenbrauen des darunter liegenden Gesichts verstärken. Das blasse Gesicht mit den sehr blauen Augen schwebt im Zentrum der oberen Bildhälfte. Unter den Augen ziehen rote Federn die Züge nach. Der Hintergrund zeigt einen malvenfarbenen Himmel mit darunter liegenden lila-blauem Meer. Es ist jedoch zu vermuten, dass das Hintergrundelement ein nicht als Landschaft gedachtes,
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Abb.: 09
abstraktes Gemälde ist. In der linken Bildhälfte findet sich eine Sammlung Augäpfel mit blauen Pupillen, die sich nach der Bruchkante in der unteren Bildhälfte weiter ausbreiten. Aus dem Mund des im Raum schwebenden Gesichts, ergießt sich ein auffächernder Strom engen Gekritzels, der sich nach unten auffaltet und durch weitere Bilder ergänzt wird. Dass diese Bilder noch Teil des Stroms sind, bestimmt die dicke schwarze Konturlinie, die den Bilderstrom zusammenhält. In der linken Bildhälfte wird das Gekritzel zusammen mit den Augäpfeln zum Hintergrund. Darauf wurden schief kleine Fotos von Strandimpression, tauchen, surfen, klettern, Motorrad o.ä. geklebt. In einem der Bilder findet sich ein weiteres Textelement: STAY WILD. Zwei der kleinen Bilder, der tätowierte, schreiende Taucher und der an der Unterseite eines Felsvorsprungs kletternde Freeclimbing-Sportler, übertreten den unteren Bildrahmen, ebenso die untere Bildkante. Da sie nicht gänzlich aufgeklebt sind und klappbar bleiben, kommt hier eine leichte Dreidimensionalität ins Spiel. Rechts im Bild finden sich ein gelb-grüner Hintergrund und die Abbildung einer gedruckten Freiheitsstatue mit Überwachungskamera, unten rechts das Gesicht eines älteren Herrn, der die Augen geschlossen hat und den Kopf in den Nacken legt. Die Bildmitte ist nach rechts unten verschoben und zeigt die Fotografie von Beinen, die über einem urbanen Abgrund schweben. Die Beine bilden nach einem Bruch die optische Verlängerung des aus dem Mund brechenden Kritzelstroms. Beide Bildhälften der rechten Tafel haben einen weißen Rahmen, der aber bisweilen von den Bildelementen übertreten wird.
Hängend präsentiert, gäbe es zwischen dem oberen Bildteil und dem unteren einen Wechsel von Zentral- zu Vogelperspektive, der durch die Bruchkante zwischen den Bildteilen angekündigt wäre. Da die Arbeit liegend ausgestellt wurde verschwindet der Effekt beinahe, da der Betrachter über das Bild gebeugt ist. Dennoch erhält sich ein Kippmoment dadurch, dass der Hintergrund im oberen Bildteil landschaftliche Assoziationen hervorruft und die Spitzen der nach oben strebenden Wolkenkratzer im unteren Bildteil, wie verkehrt herum nach unten weisen. Dies bestimmt den Achterbahneffekt beim Rezeptionsvollzug entscheidend mit, da die Perspektive den Standort des Betrachters bestimmt, im leiblichen Nachvollzug aber einen ständigen Wechsel erzeugt.
Anders als bei der linken Tafel, in der Raumillusionen z.T. durch die Überlappungen unterbrochen werden, sind Überlappungen einzelner Bildelemente in der rechten Tafel Mittel der Wahl um Vorne und Hinten zu bestimmen. Auch hier spielt Farbigkeit eine Rolle. Von besonderer Bedeutung sind allerdings die schon erwähnten Konturlinien, die z.T. ordnungsstiftend in Bezug auf die Abgrenzung der Ebenen sind. Zwei Illusionen von Raum sind sehr prägnant: Zum einen das Gesicht im oberen Bildteil, welches durch dunkle Schatten bzw. dicke Kontur aus einer Tiefe herausgeschält und nach vorne geschoben wird. Zum anderen die Fotografie der Beine über dem Abgrund im unteren Bildteil, mit einer gegenteiligen, nämlich in die Tiefe ziehenden Wirkung.
Durch den Aufbau ergeben sich Blicklenkungen als Rezeptionsvorgaben, deren Wirkung ich versucht habe bei der Beschreibung meiner vier ersten Blicke zu skizzieren. Entscheidend ist, dass die Blickachsen die beiden Tafeln miteinander verbinden und so das wiederholte Ein- und Auftauchen erzeugen. (BT V)
Es verbindet eine Achse Lampe, Unterkiefer des Schnabels, rechte Klaue und Ei. Die Diagonale der Flügel des Hahns verlängert sich hin zu der Augenpartie des Gesichts mit den Federn. Die annährend parallel zu den Hahnenflügeln verlaufene Achse der Hahnenbeine verlängert sich hin zum Mund des Gesichts, aus dem der Kritzelstrom bricht. Der Blick des Hahns verbindet sich mit der Kamera der Freiheitsstatue. Die Achsen der Schrift WHAT DO YOU KRAVE? wirken zentrierend, überkreuzen sich aber und führen den Blick in die blauen Augen des Gesichts. Die Nase verlängert sich bis in den Abgrund zwischen den Hochhäusern. Die Achsen der Hochhäuser führen strahlenartig sowohl in den Abgrund, als auch aus dem Bild über die untere und rechte Bildkante hinaus. Der Kopf des Mannes unten rechts führt über Augen, Stirn und Nase zum rechten Auge des oberen Gesichts. Hier ist der Weg einseitig, da der Vollzug der Bewegung von oben nach unten nicht ohne Anstrengung gelingt und sich nicht wie von selbst einstellt.
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Abb.: 10
Des Weiteren konstruiert sich über den Betrachter eine paradoxe Verbindung zwischen dem oval bis dreieckig anmutenden Bildhintergrund der linken Tafel, in die der Blick hineingezogen wird und den in Mittelgrund und Hintergrund angesiedelten Augäpfeln der rechten Tafel, die den Blick zurückschicken.
Vielfach erwähnt wurde inzwischen der Blickaustausch zwischen Betrachter und dem Gesicht mit den blauen Augen. Da die formalen Achsen im Bildaufbau dergestalt sind, dass die linke Tafel den Betrachterblick umgehend zur rechten schickt und diese zurückblickt, ergibt sich zum einen die Rezeptionsfigur eines Dreiecks mit der Ablaufspur eines Perpetuum mobile. Zum anderen wird damit durch den oben beschriebenen ›Sturz‹, dem Hineinfallen und Herausfallen aus dem Bild und der Rückkopplung durch den alten Mann gebrochen.
Dies wird dann bedeutend, wenn die Position des Künstlers berücksichtigt wird, der mit der Collage drei Lebensalter umreißen wollte.107 Das letzte Lebensalter findet sein Ende nicht im Tod, sondern im alten Mann der (mit geschlossenen Augen, im Geiste) zurückblickt, wodurch der Loop sich wiederholt.
Vom Gegenwärtigen in den sich ausdehnenden Vergangenheitsraum zu blicken, ist mir erfahrungsnah. Den Blick des alten Mannes und ebenso den Rückblick auf die drei großen Lebensalter, gestatten mir mein eigenes Alter und damit meine Bedingtheit jedoch noch nicht. Dadurch ist mir die Intention des Künstlers auf der Erfahrungsebene fremd und kann sie allenfalls im metakognitiven Versuch für mich im Kunstwerk finden. Die Übertretungsmomente zwischen den Bildtafeln, die für sich jeweils eigene Welten bilden, das Überschreiten von Grenzen, durch Bildelemente, die aus dem Rahmen heraustreten, die vielen Blicklenkungen und Richtungsänderungen, bis hin zu perspektivischen Verschiebungen, die eine starke Bewegtheit erzeugen, Beweglichkeit einfordern, verweisen für mich jedoch in ihrem ästhetischen Gehalt auf ein in-Welt- Geworfen-sein.
Im Bild ergeben sich schon zahllose Zwischenfelder. Von den verschiedenen Sprachen der Textteile, den Schwellensituationen und Raumänderungen, bis hin zur Überschreitung der Bildgrenzen, agiert das Werk inter-kulturell. Dies kann auch mit den USA und Kalifornien als Entstehungsland der Collage verschränkt werden, da Interkulturalität ein Wesensmerkmal im Selbstverständnis der Vereinigten Staaten ist. Spannend wird für mich dabei ein Entziehungsmoment, wenn im Vollzug meiner vier Kontaktaufnahmen, es mir kaum möglich war in einer ›Welt‹ zu verweilen. Es zeigen sich also Welten oder Aspekte einer selben Welt, die sich mir zugleich entziehen. Mit der Frage nach dem Spiel mit dem Anderen, muss ich sogar vermuten, es seien andere Welten im Sinne von Welten Anderer ergo keiner, der ich wirklich zugehöre, mit Ausnahme unseres gemeinsamen Daseins.
Im Nachhinein stellt sich hierin für mich auch ein Verständnis bezüglich meiner mir im Widerfahrnis einbrechenden Erinnerungen an Fremdheits- und Falschheitsgefühle ein. Wenn Heidegger sagt, das Ereignis habe möglicherweise alles mit Identität zu tun108 und sei als der schwingende Bereich definiert, durch den Mensch und Sein einander ihrem Wesen er-reichen109, verweist er darauf, dass das Sein selbst sich im Ereignis (sich zeitlich, räumlich ereignen) zeigt und erst aus diesem die Bestimmung von Anwesenheit (meint hier an west = Wesen- sein und Wesenheit eines Etwas) empfängt.110 Auf den Menschen bezogen, ist dies nicht ohne Verlust als seine Identität zu begreifen. Bedenke ich nochmals den Ausstellungsumraum (LGBT Center) und meine Bedingtheit als Bedingtheit der Betrachtung selbst, finde ich mich durch die Collage auf die Modi meiner Existenz und im Besonderen auf ein bestimmt getöntes in-Welt-geworfen-Sein verwiesen, bei der das Woher immer fremd bleibt. Die Tönung der Geworfenheit, zeigt sich neben vielen anderen, als die des LGBT-identifizierten Mannes in einer primär heteronormativen Gesellschaft. Fremdheit hebt mit Trennung an und ist dabei affektiv gefärbt. Wobei der Pathos einer Fremdheitserfahrung zur Attitüde wird, sollte das Fremdsein selbst lustvoll-leidend zur Identität werden. Etwas effektreich vielleicht, formuliert Waldenfels daher, mein Selbst werde im Pathos geboren.111 Damit meint er, so fasse ich zusammen, es erfolge das Erkennen eines Selbst und dessen Grenzen an dem, was uns bewegt. Genau in dieser Grenzerfahrung des Selbst, liegt auch das, was Waldenfels als ekstatische Fremdheit112 bezeichnet, nämlich die Erfahrung einer Fremdheit meiner Selbst und mein Selbst-Fremdwerden an der Erfahrung.
Identität formt sich reibend am Anderen und am Gewahren der Unzugänglichkeit mir Fremden, Fremdheit selbst kann aber keine Identität sein. Die Begegnung mit dem mir Fremden, so muss ich es verstehen, liegt in eben der Erfahrung der Grenzen meines Selbst und den Grenzen der Selbsterfahrung zum einen. Zum anderen im pathischen Widerfahrnis und ganz grundlegend sogar in der Möglichkeit eines solchen Widerfahrnis selbst (etwas geschieht und eben nicht nichts), welches mich erst in Bewegung gesetzt hat und damit die Berührung der Grenzen ermöglichte. Gerade diese Selbst-Fremdwerdung als prozesshafter Moment der Selbstwerdung, erlaubt mir genügend Nähe an die Unzugänglichkeit des mir Fremden, sodass ich das mir Fremde auch jenseits meiner Grenzen, etwa im Anderen, in anderen Kulturen, anderen Ländern, anderen Leiberfahrungen, quasi auf der Schwelle stehend bemerke. Was damit immer, so stelle ich zur Diskussion, in die Frage mündet: DO YOU PLAY WELL WITH OTHERS?
III. VOM HIMMEL | Feind · Gast · Center · Erstkontakt
»Weshalb tötet Ihr mich? (…) - Weshalb? Wohnt Ihr nicht jenseits des Wassers? Mein Freund, würdet Ihr diesseits wohnen, so wäre ich ein Mörder, und es wäre unrecht, Euch auf diese Weise zu töten; doch da Ihr am anderen Ufer wohnt, bin ich ein tapferer Mann, und es ist gerecht.«113
Der Himmel beheimatet die Wolken, damit das Werk, welches es hat blitzen lassen. Daher sei zur Vervollständigung der Wahrnehmungsdaten nunmehr der Präsentationsort skizziert. Der Ausstellungsraum (BT VI) ist zuvor von unserem Workshop als Atelier benutzt worden und liegt im ersten Stock des The Village at Ed Gould Plaza Senior Service LA LGBT Centers und kann durch zwei Türen an der gleichen Raumseite betreten werden. Die Türen stehen offen, es dringen gedämpft Geräusche aus dem Treppenhaus herein. Zwei Oberlichter aus milchigem Kunststoff und Leuchtstoffröhren an der Holzbalkendecke leuchten den Raum aus. Die Wände links und gegenüber dem Eingang bestehen aus unverputzten grauen Betonquadern. Die Wand mit den zwei gelben, zur Seite rollbaren Eingangstüren ist holzverkleidet, die Wand zur rechten Seite verputzt und hell gestrichen. Eine Uhr und zwei White-Boards wurden daran befestigt. Der Boden ist aus hellem, unaufdringlichem Linoleum. In einer Nische stehen Stühle aufgestapelt und weitere zusammengeklappte Tische. Der Raum ist mit einer Stereoanlage und zwei großen Mülleimern ausgestattet. Auf zwei Tischen und zwei Rollwagen liegen die künstlerischen Werkzeuge und Materialien bereit. In dem eher großzügigen Raum wurde kurz vor der Präsentation noch gearbeitet.
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Abb.: 11 - 13
Rechteckige, graue Tische finden sich in der Mitte zu einer U-Form aufgestellt.
Das U öffnete sich zur Wand mit den White-Boards. Die auf den Tischen präsentierten Arbeiten führen den Betrachter außen um das U herum. Wird der Raum durch die Tür betreten und die Ausstellung, wie es der Tisch vorgibt, im Uhrzeigersinn erschlossen, so ist die Arbeit Welcome to the World die zuerst präsentierte.
Ich wende mich nun jedoch von der Collage ab, gehe nach unten, am Empfang und der Security vorbei, vor die Tür. Im bepflanzten Atrium wende ich mich nach links und stehe vor einem schweren Stahlzaun. In leichtem Türkis gehalten, sind in regelmäßigem Abstand runde Gucklöcher im Stahl. Ein Architekturelement, das ich in ähnlicher Weise aus Deutschland von Kindergärten und Schulen kenne, die Mitte der 1990er Jahre gebaut wurden. Durch eine unscheinbare, aber mit Kamera, Summer und Gegensprechanlage gesicherte Tür gleichen Materials, gelange ich auf die Straße.
Vor dem Zaun sitzt Kirsten in ihrem Powerchair unter der Mittagssonne. Sie nippt am Strohhalm ihres Getränkes und blickt auf den Maschendrahtzaun auf der anderen Straßenseite, der den Parkplatz umfriedet. Sie wartet auf ihren Transportservice. Ihre Assistentin, die sie sonst begleitet wie ein Schatten, ist nirgends zu sehen.
Die letzte Einheit unseres gemeinsamen Art Labs ist seit etwa einer Stunde vorbei. Alle Materialien, die leicht genug für den Luftverkehr sind, habe ich bereits in meinen Leihwagen verstaut, den Rest dem Center vermacht. Ich bin auf dem Rückweg von einem letzten Besuch des LA LGBT Youth Service Center dem sogenannten Highland Annex. Ich hatte mich gerade von den Kids verabschiedet, als ich Kirsten vor dem Senior Center treffe.
» Du kannst dich wohl nicht trennen? « , ist Kirstens ganz treffende Anrede an mich, als sie mich sieht. Sie nutzt die Chance mich nach Deutschland zu befragen. Kirsten ist jüdisch und wollte wissen, wie es im Land heute sei. Sie habe tiefen Respekt vor der deutschen Politik und wie das Land sich nach dem zweiten Weltkrieg entwickelt habe, verzeihen könne sie jedoch nicht und sie wolle nie wieder dorthin reisen. » Ich kann meinen Groll nichtüberwinden! « , meint sie und blickt zur Seite, hinüber zu dem türkisfarbenen Stahlzaun und dessen akkurate Löcher.
» Sie mochten den Zaun nicht « , verkündet sie plötzlich. » Sie hatten Angst homophobe Menschen könnten durch die Löcher schießen. Sie haben immer noch nicht begriffen, dass wir heute stark sind. Wir können jederzeit zurückschießen, dafür sind die Löcher da! « Ich besehe mir den Zaun und gewahre, dass ich so wenig an die Abwehr von Waffengewalt gedacht hatte, wie Sicherheitspersonal mich beruhigte. Meine amerikanischen Freunde hatten gestaunt, als ich ihnen erzählte, dass es in unseren Schulen undöffentlichen Gebäuden keine bewaffnete Security gab. Sie fanden dies höchst beunruhigend. Umgekehrt wirkt Sicherheitspersonal beunruhigend auf mich, da es nicht zu meiner normalen Alltagserfahrung gehört und ich daher annehme, es würden schlimme Geschehnisse erwartet. Klingeln, Blick in die Kamera, Auskunftüber Person und Anliegen via Gegensprechanlage, Eintragung ins Buch bei der Security, wie bei einem Gefängnisbesuch; all dies erschien mir ein großer Aufwand, um Infos zu LGBT-Veranstaltungen und Theaterkarten zu erhalten, um Hilfe zu bitten, an Workshops teilzunehmen oder die Ausstellung im Foyer zu besuchen. Ohne mein Projektvorhaben wäre ich niemals in das Center gelangt, da ich vor dem Zaun schon kehrt gemacht hätte und noch deutlich unwohler wäre mir gewesen, wäre ich noch jünger und ungeoutet. Dies irritierte mich, denn gerade auch für diese Menschen wollte das Center ja offene Türen zeigen.114
Kirsten weist auf den Parkplatz.
» Sie bauen dort bald ein weiteres Gebäude. Gelder sind schon da.
Alles bewilligt! Das ist das Gute an L.A., das Geld für die LGBT-Community ist da. Ich frage mich nur, warum wir es immer mit › LGBT ‹ etikettieren müssen. Warum nennen wir es nicht einfach › Happy ‹ ? «
Betrachte ich mir das Akronym ›LGBT‹ in Zusammenhang mit dem Zaun und Kirstens Aussage, habe ich den Eindruck, es werde zwischen einem guten Fremden und einem bösen Fremden unterschieden. Vielleicht nicht die Menschen im Center oder das Gebäude, wohl aber dessen Zaun spricht von Ihr und Wir und nimmt dabei nicht nur eine Kategorisierung vor die trennt, sondern auch eine die verbindet. Mit dem exklusiven Wir, das in seiner Anrede das Ihr ausschließt, ist es mit Blick auf die Fremdheit jedoch nicht so einfach, da eine einstimmige Menschengruppe eine fixe Idee ist, da die Gruppe in sich vielstimmig bleibt.115 Ein Wir gehört zumeist dem Aussagevorgang an und nicht völlig dem Aussagegehalt. Es gibt kein Wir, das ›wir‹ sagt, nur mich, der ›wir‹ sagt, wenn ich Fürsprecher einer Gruppe bin.116 Der gute Fremde wäre dann der, mit dem ich mich noch verständigen kann, was mit dem bösen Fremden ausgeschlossen wäre.117 Nehme ich mich als Bezug, dann kann ich hier beispielsweise die gute Fremdheit des Transgender-identifizierten Menschen oder der lesbischen Frau versus eine böse Fremdheit des heterosexuellen Mannes nennen. Als homosexueller Mann aber, ist mir alles Transgender vermutlich ähnlich fremd, wie einem heterosexuellen Mann. Hier zeigt sich zweierlei. Erstens, dass völlige Andersheit und völlige Gleichheit allenfalls als Grenzfall denkbar sind.118 Zweitens, dass was durch eine bestimmte Ordnung gleich gesetzt wird, nicht gleich ist.119 Dennoch werden die leiblichen Fremdheiten zwischen L-G-B-T zum Wir addiert, während das Heteronormative zum Ihr wird. Es gibt LGBT-geschichtlich Gründe dafür, die nachvollziehbar sind.120 Aus der Perspektive eines Umgangs mit dem Fremden und der Missionsformulierung des Centers121, wirft dies jedoch Fragen auf, z.B. nach mehr oder weniger Fremdheit.122
Aber wie angehen? Soll mir aus meiner leiblichen Warte Transgender weniger fremd sein, aufgrund der ähnlichen Erfahrung des Zwists zwischen dem Leib und einer gelernten Gefühls- und Verhaltensnorm, die ja auch nach den Erfolgen von Anerkennungskämpfen noch besteht? Aber ist mir umgekehrt nicht der heterosexuelle Mann weniger fremd als Transgender-Menschen, durch die unverrückbare Empfindung ins richtige Geschlecht hineingeboren worden zu sein? Es muss anders gefragt werden.
Es hat sich mir gezeigt, dass Fremd erstens ist, was außerhalb des eigenen Bereichs vorkommt, als Äußeres gegenüber einem Inneren und so erstmals auf einen Ort des mir Fremden gedeutet. Zweitens ist fremd, was Anderen gehört, im Gegensatz zum Eigenen und verweist so auf den Besitz. Fremd ist zum dritten, was von anderer Art, was fremdartig ist, im Gegensatz zum Vertrauten und somit eine Art des Verständnisses bedenkt.123 Alle Überlegungen von Waldenfels kommen aber zu dem Schluss, dass bei der radikalen Fremdheit der Ortsaspekt ausschlaggebend ist.124 Vielleicht sollte daher nach dem ›originären Anderswo‹ der Fremdheit gefragt werden. So fragt Waldenfels bspw. auch nach dem Ort von dem aus jemand der ›wir‹ sagt, derart für andere spricht und vergleicht den kulturellen Ort an dem so gesprochen wird, mit dem roten Punkt auf einer Karte, der markiert, wo der Kartenleser sich momentan befindet.125 Es ist ein blinder Fleck. Wie im zweiten Kapitel angerissen, ist aber der blindeste Fleck meine Betrachtung von mir selbst. Ich schaue immer aus mir heraus und nur über einen Spiegel (gleich Methode, gleich der Andere, gleich Ihr) kann ich auf mich schauen. Direkt betrachten wir nur einen anderen, der spiegelnd uns zu uns selbst zurückführen kann. Ohne Ihr kein Wir.
»Fremdes begegnet uns nicht erst dann, wenn wir über das Fremde sprechen, sondern schon dann, wenn es in den eigenen Äußerungen implizit auftritt«.126
Daher glaube ich, automatisch zu einer Ortsfrage zu kommen, wie Waldenfels sie stellt, wenn Begegnungsmodi des Fremden beschrieben werden. Waldenfels selbst hat sich dem angenähert, indem er nach dem Umschlagen von Fremdheit in Feindschaft gefragt hat127 und kann so in der Fremdheit des Anderen neben dem Feind, auch den Gast anbieten, dem ich Gastgeber werden darf.
Freitag den 04. April 2016. Es läuft die zweite Art Lab Session. Der sonst eher schweigsame Donald macht eine Anmerkungüber meine europäische Sicht auf die Kunst und verwundert mich damit. Ich frage mich, wie anders ein US-amerikanischer Kunstlehrer die Betrachtung der Collage von Donald angegangen wäre. Ehe ich fragen kann, kommt Miranda zu mir. Sie scheint mir dieälteste der Gruppe und wird für gewöhnlich nicht müde laut ihre Geschichten aus Theatern und von ihrem Interesse an Crossplay128 zu erzählen. Heute ist Miranda ruhiger, arbeitet mehr für sich und zieht mich weg von ihrem Arbeitsplatz, in die Ecke des Raumes. Ihre langen, weißen Locken schirmen uns von den anderen Teilnehmern ab. Sie zeigt mir ein paar ihrer Arbeiten und flüstert dabei. Ihr Verhalten wundert mich etwas, letzte Woche war sie eher eine Unruhestifterin im besten Sinne gewesen. Sie hatte für eine heitere Atmosphäre voller Geschichten gesorgt. Ohne Bezug auf das vorher Gesagte, verkündet Miranda plötzlich, sie sei » not gay at all « . Sie habe schwule und lesbische Freunde, habe Transgender immer interessant gefunden, aber sie selbst sei nichts von alledem. Sie sei lediglich hier, da hier die Atmosphäre so besonders gut sei. Dergleichen finde sie sonst nirgends. Nicht in ihrem Alter. Früher habe sie es unter den Theaterschauspielern hinter der Bühne gefunden, aber dies sei lange her.
Warum wagte es sich Miranda vor mir zu outen ? Meine Idee einer Begründung ist, dass ich als Gast in das Center gekommen bin. Ein Gast, der sich von den üblichen Besuchern noch einmal unterschied. Darin sah Miranda vielleicht eine Möglichkeit zum Beziehungsaufbau, denn darin waren wir uns ähnlich. Beide hatten wir die Erfahrung Gast zu sein. Ich dadurch, dass ich Deutscher war, Miranda durch ihre Heterosexualität. Beide Aspekte bleiben zunächst unsichtbar und tragen, davon bin ich überzeugt, dennoch zu einer veränderten Atmosphäre bei. Ohne in die Tiefe zu gehen, sei mit Gernot Böhme bedacht, dass Atmosphäre phänomenologisch als Gegenstand der Wahrnehmung verstanden werden muss.129 Atmosphären werden gespürt, indem man affektiv von ihnen betroffen ist, da sie sich mir aufdrängen. Eine völlige Distanzierung gegenüber einer Atmosphäre ist nicht möglich, da ich in sie hineingerate, sie einen Ort in Form eines schwebenden, gestimmten Raumes hat, den ich gegebenenfalls gerade aufgrund von Diskrepanzerfahrungen (ich fühle mich traurig, aber die Atmosphäre in der Gruppe ist heiter) wahrnehmen kann. Gernot Böhme nennt dies ein ›Spüren von Anwesenheit‹.130 Gleichwohl sind Atmosphären durch die Subjektivität des Wahrnehmenden im Zusammenspiel der vorhandenen Objekte in ihrem Was-Sein, ihrem Charakter, mitkonstituiert.131 Dies heißt, dass die Atmosphäre durch meine Anwesenheit entschieden anders als sonst gewesen sein muss und damit die Mirandas Nische so verändert hat, dass sie neu mit ihrer eigenen Fremdheit in der Gruppe und mit dem Gast-Sein konfrontiert war. Der Gast zeichnet sich durch eine unvollständige Zugehörigkeit in einer Gruppe aus. Er ist bei anderen zu Hause und zwar auf der Schwelle, immer hier und anderswo, als der ›potentiell Wandernde‹, wie Waldenfels ihn nennt. Dadurch hat er nicht mit allem Recht am Leben der Gruppe teil.132 Wird der Gast missachtet und darin eine Ablehnung formuliert, schlägt der Fremde um zum Feind.133
Der Zaun des Centers hat hier demnach eine erweiterte Zuschreibung erhalten bzw. wird zielgerichteter definiert. Der Zaun ist gestimmter Raum und Zeichen einer Ambivalenz im Umgang mit dem Fremden. Einerseits als Feindschaft formuliert, andererseits als »Seht uns an! Uns gibt es!« in der Buntheit des Umraums und durch die Gucklöcher.
Mit Lévinas führt Waldenfels aus, der Unterschied zwischen Gegner und Feind sei, dass beim ersten zum Gesagten des Anderen ›nein‹ gesagt wird, beim zweiten ›nein‹ zum Anderen gesagt wird. Mit Blick auf den Gegenstand sage ich, die LGBT-Person ist der Andere mit einer Lebensweise, die anderes sagt; z.B. etwas vereinfacht: gleichgeschlechtliche Liebe ist in Ordnung. Ein heterosexueller Mensch ist nun zunächst einmal der andere des Anderen mit einer z.T. anderen Lebensweise die teilweise andere Aussagen trifft. Ist diese Aussage etwa: Gleichgeschlechtliche Liebe ist nicht in Ordnung und richtet sich an die LGBT- Person, wird der heterosexuelle Andere dem LGBT-Anderen zum Gegner. Wird diese Gegnerschaft auch auf all die relationalen Fremdheiten des Anderen ausgeweitet und der Andere damit auf einen Gedanken oder kulturellen Wert reduziert134,135, wird der Andere, der Gegner geworden ist, zum Feind. Im Beispiel der LGBT-Andere. Doch meist führt dies dazu, dass der heterosexuelle Andere ebenfalls zum Feind wird. Waldenfels spricht davon, dass der Fremde seine Nichtzugehörigkeit rächt, indem er die Zugehörigen in Nicht-Fremde verwandelt.136
Ein aktuelles Beispiel, welches ich allenfalls mit Blick auf eine belastete Historie nachvollziehen kann137, wäre das eines jungen heterosexuellen YouTubers. Chris Thompson stellte einen kurzen Egoclip ins Netz, in welchem er darlegte warum er in bestimmten Situationen gerne in Schwulenbars feiern geht.138 Im Kommentarfeld finden sich ablehnende Positionen von LGBT-Personen.139 Betrachte ich mir dies, fällt auf, dass sich der Mann selbst zum Gast macht. Dafür muss es einen Ort geben, der dafür ausgerichtet ist.140 Der Akt selbst - in die Bar gehen und feiern, sich Gast machen - kommt dem Sagen, also eine Aussage tätigen, gleich. Diese Aussage findet im Nachhinein seine Gegner, die dazu ›nein‹ sagen. Wie hätte es sich verhalten, wenn ›nein‹ am Ort des Aktes gesprochen worden wäre? Wäre dies nicht die Grenze, bei der nicht nur der Akt und die Aussage, sondern auch die Person abgelehnt worden wäre? Ein Anderer, der zu allem Überfluss nicht nur die dem Anderen übliche Fremdheit besitzt (das Haus des Nachbarn), sondern eine viel eklatantere (das andere Land), die aus der Warte eines absoluten Beobachters zwei Gruppen scheiden würde.
Für mich gewinnt hier der Ort, neben Aspekten der Zeitlichkeit, die nicht nur den Ort, sondern auch die Situation bestimmen, eine definierende Funktion. Eine Verortung des Fremden, wie Lévinas sie vornimmt, beschreibt die Gegenwart des Anderen, als eine, die nicht in meine Sphäre eintritt. Stattdessen überfließt sie die meine, in einem sich gleichzeitigen Zeigen und Entziehen des Anderen. Eine Erfahrung, die ins Unendliche übergeht. Diese Unmöglichkeit, den Anderen für mich zu objektivieren, nennt Lévinas die ›Epiphanie des Antlitzes‹.141 Es ist damit eine Verortung, die nicht vorgenommen werden kann. Bei Lévinas stammt der Andere aus einem anderen metaphysischen Vaterland. Der Fremde entzieht sich dieser Ordnung. Während in Lévinas‘ Denken das Eigene nach dem Anderen strebt, wird das Fremde nicht angestrebt, aber ihm zwangsläufig im Lebensvollzug begegnet.142 Bei Waldenfels sind die verschiedenen Orte der Begegnung des mir Fremden nicht erreichbar, werden aber als ›das Anderswo‹ benannt und damit verortet. Zudem gibt es den Ort, von dem aus ich Bezug nehme und an dem ich die leibhaftige Abwesenheit wahrnehmen kann. Die Schwelle an sich kann bei einer radikalen Fremdheit nicht überschritten werden. Verschiedene Orte, von denen aus ich Bezug nehme bzw. auf die ich ziele, können mir aber verschiedene Erfahrungen des mir Fremden geben.143 Um es genauer Denken zu können, möchte ich noch ein letztes Beispiel hinzuziehen.
Vor ein paar Jahren besuchte ich mit einem befreundeten heterosexuellen Paar San Francisco und dort neben dem sog. Hippie-Viertel Haight Ashbury und Chinatown auch das Castro, welches als Schwulenviertel ausgezeichnet ist. Wie immer und wie bei den anderen beiden erwähnten Vierteln auch, finde ich derlei Begehungen stets ein wenig unangenehm, da mich die Erfahrung an Zoobesuche erinnert. Im Castro potenzierte sich, was ich gewöhnlich als lustvolle Begaffung romantisierter Fremdkulturen erlebe, zum Spektakel einer Freakshow. Möglich wurde dies durch den eigentümlichen Nicht-Ort144 verschiedener, überlappter Schwellen. So war ich in der Situation Begaffer und Begaffter.
Erst Tage später, als ich auf der Suche nach einem ausgeschriebenen Kunsttherapieatelier für ein mögliches Praktikum war und abermals ins Castro fuhr, stellte sich ein völlig anderes Gefühl ein. Diesmal war ich alleine und etliche Blocks vom touristischen Eingang zum Viertel entfernt. Ganz ohne Zooassoziationen war ich nicht mehr länger Gast im fremden Land, sondern im anderen Haus. Sicher trug neben vielem anderen hierzu meine veränderte Rolle bei, die nicht mehr Tourist war, sondern Jobsuchender.
Die Anekdote verweist u.a. auf mehrere Fremdheitserfahrungen auf einmal. In meiner Rolle offenbart sich eine relative Fremdheit, ergo eine zeitliche, die mindestens teilweise überwunden werden konnte. Eine radikale interne Fremderfahrung lese ich in dem Schock des Zoospektakels, wenn ich mich wie von außen als Gaffer wahrnehme und mich dies auf innere Fremdheiten verweist, die Waldenfels ekstatisch nennt,145 wie schon im zweiten Kapitel dieser Arbeit dargelegt. Eine radikale externe Fremdheit stellt sich ein, wenn mir abwechselnd die begafften Schwulen und meine gaffenden Freunde als meine mir Anderen begegnen. Eine Erfahrung die Waldenfels duplikativ nennt, da ich mich wie im anderen verdoppele, wenn ich mich in ihm erkenne, während er sich an mir erfährt.146 Eine dritte, ebenfalls radikal externe Fremderfahrung stellt sich bei dem Gewahren unterschiedlicher Ordnungen des Lebensvollzugs im Castro und Nicht-Castro ein. Gebiete, die sich durch eine radikal unterschiedliche Verteilung dessen, was gesellschaftliche Minderheit ist, ausdifferenzieren. Dies nennt Waldenfels extraordinär und beschreibt damit das Fremdwerden aufgestellter Ordnungen147, die sich an Handhabungen und Handlungen generiert haben und durch diese sinnfällig und ordnungsbestimmend wurden - wie es auch Ethnomethodologen beschreiben.148 Die Bedeutung des Ortes halte ich an dieser Stelle für markant.
Ein simpler Straßenzug unterscheidet zwei ineinander verschobene Welten, deren Unterschiede hier in einer Schwelle für einen räumlichen Moment materiell werden und es ist genau diese Schwelle, die die Fremdheit des jeweils anderen augenscheinlich werden lässt. Der Straßenzug scheidet wie der Fluss und die Redewendung zwei Ufer.
»Es ist das Ufer (rive), das den Rivalen hervorbringt.«149
Wobei festzuhalten ist, dass die Scheidelinie allein nicht bestimmt, ob der mir fremde Andere bedingter Freund (Schwelle) oder Feind (Feindschaftslinie) ist. Sondern die Art, wie ich mich am Ort verhalte, wie ich dem mir Fremden begegne und darauf antworte.
Ich halte fest: Es gibt materielle und immaterielle Orte, die sich als Schwelle gebärden können. Materiell ist etwa die Bar, der Straßenzug oder der Zaun des Centers, immateriell kann eine Haltung sein, Konstitutionen, Zugehörigkeiten, Ausrichtungen, Überzeugungen,… die in ihrem Aufeinanderprallen oder an materiellen Orten gestimmte Scheidelinien formulieren können. Mittelpunkt und Erfahrungsraum beider bleibt der pathisch durchwirkte und bedingte Leib.
28. März 2016, kurz nach 13 Uhr, Village LGBT Center. Ü berrascht stelle ich fest, dass ich schon da bin. An einer der Durchgangstüren hängen ein Bild von mir und die Ankündigung meines Workshops, um dessen Realisierung zu kämpfen ich eigentlich gekommen war.
» Hast du es gut gefunden? « , fragt Activities Coordinator Andrea bei meinem Eintreten. Ich kann nicht abschätzen, ob Andrea männlich oder weiblich ist. Das hispanische Gesicht ist mit Bart geschmückt, die restliche Erscheinung klein, weiblich und in jeder Hinsicht herzlich.
» Das Gebäude ja. Den Eingang zu finden, war etwas schwierig. Es ist ein bisschen wie weggeschubst werden, will man das Center betreten. Irgendwie braucht man ein dickes Fell. « Genau darin liegt der große Zwiespalt zwischen dem Ä ußeren und dem Inneren des Gebäudes. In einer labyrinthischen Architektur der Nischen, herrscht innen eine Philosophie der offenen Türen, barrierefreien Gänge und Zugänge, scheinbare Einblicke in Arbeitsabläufe durch Bürofenster. Die Menschen, denen ich begegne zeigen amerikanische Small-Talk-Höflichkeit, gewürzt mit einer deutlichen Spur ehrlicheren Interesses.
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Abb.: 14 - 16
Plötzlich wird esüberraschend unbürokratisch. Die Organisation des Workshops dauert keine fünf Minuten, schon habe ich ein Getränk und eine Auswahl an S üß igkeiten in der Hand, die Führung durch das Gebäude ist detailverliebt und durchwirkt mit privaten Gesprächen und zahllosen Hilfsangeboten, sollte irgendetwas fehlen, nicht klar sein oder einfach unglücklich laufen. Einmal drin, möchte man gar nicht mehr raus. Auch von dieser Seite, erfüllt sich also die Funktion des Zaunes.
In Blick auf Begegnungsmodus und Erstkontakt des Centers, verzichte ich hier auf eine vollständigen Analyse des gesamten Gebäudes, dessen Ausrichtung und Einbettung, sondern werfe lediglich einen an rezeptionsästhetische Werkzeuge geschliffenen Blick auf die Fassade, die sich für den Ersteindruck bereitstellt.
Das Gebäude (BT VII) ist als sich dem Betrachter öffnendes U angelegt und umfasst damit einen Hof, der mit Palmen und Bäumen bepflanzt ist. Mit der öffnenden Geste wird sowohl durch die Hecke, als auch durch den Zaun gebrochen. Diese schließen den Hof ab und verbergen ihn vor dem Auge des Betrachters, der in L.A. zumeist mit dem eigenen Fahrzeug vom gegenüberliegenden Parkplatz kommt. Žižek verweist in seinem Vortrag über die Verkörperung von Ideologien in Gebäudestrukturen und Architektur, auf einen Wechsel in der Schutzfunktion. Während früher lediglich das Innere vor dem Äußeren geschützt werden sollte, wird das Außen nun inkludiert. Etwa der Innenhof, der im eigentlichen Sinne kein Atrium oder Innenhof ist, sondern lediglich der Vorhof des Gebäudes. Das eigentliche Gebäude ist die U-förmige Architektur. Aber natürlich kann es nicht von der Umgebung getrennt werden. Žižek bemerkt, dass es einen Unterscheid zwischen dem Außen (außerhalb des Gebäudes) und dem wilden Draußen (nicht mehr Teil der Anlage) gibt.150 Dabei geht Žižek davon aus, dass Gebäude das Ziel haben kulturelle Intentionen zu verkörpern. Bei der Betrachtung von konzeptionell eingepflegten Außen, wie manikürte Landschaften und Gesamtkonzepten, bei denen auch der Gärtner und der Sicherheitsbeamte Teil ist151, sieht Žižek in Amerika die Idee verkörpert, »that the other as such is potentially toxic«.152
Es geht darum, wie ich es verstehe, z.B. Opernhäuser oder ein ganzes Viertel so zu gestalten, dass die Hemmschwelle für Ungewollte so hoch wird, dass sie den Bereich gar nicht erst betreten. Žižeks Beobachtung bricht daher mit meiner Annahme, das LGBT-Center formuliere dergleichen als Alleinstellungsmerkmal. Mit Kirstens Aussage will ich noch weiter an der Überlegung festhalten, dass aus Blickwinkel des LGBT, zwischen klar zu benennenden Gruppen unterschieden wird. Aber ich kann es nun nicht mehr als Teil der LGBT-Kultur lesen, sondern als einen Teil der amerikanischen LGBT-Kultur, die offenbar ein Prinzip übernommen hat, welches ohnehin in den USA verwurzelt ist.
Zurück am Gebäude, bilden Hecke und Zaun ein Verbindungselement zwischen den zwei U-Schenkeln und schließen die Fassade zu einer Fläche. Was sich dem Betrachter zeigt ist, von links nach rechts gelesen, eine graue, rechteckige Gebäudefront ohne Fenster, aber mit großem Versorgungstor, gefolgt von einer hohen Hecke, die sich über die dahinter gepflanzten Palmen und Bäume optisch erhöht und mit dem Dach des Flachbaus aufschließt. Die Hecke mündet in den leicht zurückversetzten Zaun mit den runden Aussparungen, vor dem eine dreieckige Beton-Stahlkonstruktion gesetzt wurde, die einen gebogenen roten Doppel-T-Träger mit dem Namenszug des Centers trägt. Wie der Zaun selbst, verbindet der T-Träger die Hecke mit dem rechten Gebäudeteil optisch und schließt auch materiell daran an. Dieses hat abermals eine rechteckige Front, weist aber ein rechteckiges, dreigeteiltes Fenster oben links auf, welches sich über dem T-Träger erhebt. Darüber verlaufen vereinheitlichtes Logo und Schriftzug der LA LGBT Center.
Auf die letzten beiden Drittel des Dachgesimses wurde eine Lichtkonstruktion gebaut. Es sind Fahnenmaste davor installiert, die straff die sechs Farben der Regenbogenflagge in die Senkrechte führen und das Gebäude optisch in die Höhe ziehen. Das untere Drittel der Fassade ist türkisgrün gehalten und setzt sich vom übrigen Grau ab. In diesem Bereich befinden sich eine Flügeltür mit vorgelagerter Treppe und rechts eine einfache Tür. Beide Türen sind aus dunklem Metall und verschlossen, dienen zur Anlieferung und Versorgung. Über der Doppeltür spannt sich ein flacher Rundbogen aus Metall, in Form eines Vordachs. Die Fassadenstruktur wird durch Betonplatten gekachelt. Die Einzelabschnitte der Fassade wirken massiv und abwehrend. Letzteres dadurch, dass kein Zugang für Besucher auszumachen ist. Auflockerungen durch Farbigkeit und Begrünung werden kaum erzielt, da sie so arrangiert wurden, dass die Lücke zwischen den Gebäuden nicht als Lücke, sondern als weiterer Block in Erscheinung tritt.
Zugänge zum Gebäude liegen im Innenhof hinter dem Zaun (BT VIII). Diesen durchtritt man durch eine schmale Tür ganz rechts, die von gleicher Beschaffenheit und Machart ist, wie der Rest des türkisfarbenen Stahlgebildes. Der unscheinbare Zugang und damit auch der Zugang zu den Spählöchern im Zaun werden optisch verhindert durch die schwere dreieckige Stahlkonstruktion und dessen Betonsockel, die nach vorne mit der Linie der Hecke aufschließt. Die Stahlschenkel des Dreiecks lenken den Blick nach oben auf den Schriftzug. Hier wird der Blick nach rechts gelenkt zu der geschlossenen, rechten Gebäudefront, in der es keine Besuchertür gibt.
Der beschriftete Stahlträger ist links nach hinten versetzt. In seiner Biegerichtung läuft er aus dem Innenhof hinaus, auf den Betrachter zu und lenkt dann nach rechts ab, am Gebäude vorbei. Dies hatte mich, auf der Suche nach einer Tür bei meinem ersten Besuch, veranlasst das Nachbargrundstück zu betreten. Dieses öffnet sich zum Betrachter in der gleichen U-Form, ohne Zaun. Am Empfang erhielt ich jedoch die Auskunft, dass diese Institution nichts mit dem LGBT Center zu tun habe.
Mein Ersteindruck des Gebäudes war ein sehr abweisender, dessen anfänglich lockende Farbigkeit davon kaum ablenken konnte. Mit Heidegger gesprochen, ist
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Abb.: 17
ein Ort entfalteter, geräumter Raum, indem das Versammeln spielt, in welchem jegliches Ding in seinem Beruhen in sich selbst aufgeht, quasi ›gegnet‹ und damit Gegend bildet.153 Damit aber die Dinge in sich selbst aufgehen können und auch Ort als Versammler und als Gegenstand selbst Ort werden kann, bedarf es Leere.154 Im Ersteindruck des Village LGBT Centers ist damit noch wenig Hinweis auf seine Orthaftigkeit bemerkbar. Leere ergibt sich im Umraum von Einzelelementen und selbst da nur rar. Leere begegnet mir in Form einer Unbestimmtheitsstelle, da ich nur vermute, es gebe einen Raum hinter dem Zaun, der mit Masse und Leere (Architekten sprechen auch von Masse und Licht) so umgeht, dass ein Ort entsteht. Hinweise könnten mir die Löcher im Stahlzaun geben, aber im Moment fühle ich mich vom Gesamteindruck noch so abgewiesen, dass mich nicht einmal die Voyeurslust packt um hindurchspähen zu wollen.
Später machte ich am Youth Center und dessen patrouillierendem Sicherheitspersonals die Erfahrung (BT IX), dass die bunten, aber abweisend- verschanzten Gebäude offenbar zum Konzept des LA LGBT Center gehören. Die Buntheit der Gebäude zieht den Blick an, aber Betreten wird zunächst mit allen Mitteln untersagt. Vielfarbigkeit ist durch die Regenbogenfarben Markenzeichen der LGBT-Bewegung, ist für mich an den Gebäuden aber nicht fröhlich (engl.: gay) und damit auch noch nicht einladend happy, wie Kirsten forderte.
16. März 2016, Freeway No. 5. Nicolo, mein sizilianischer Mitbewohner, Mitte zwanzig, Psychologiestudent und homosexuell, sitzt neben mir im Auto. Wir stecken irgendwo zwischen der UCLA im Norden und dem Santa Ana LGBT Center in Orange County im Stau fest. Nicolo hat gemischte Gefühle gegenüber den Centern. LGBTs und Heteros seien verschieden und dies sei auch gut so, meint er. Aber zu weit dürfe man nicht auseinanderdriften. Dafür gebe es keinen Grund. Mit einem Bewusstsein für die gegenseitigen Verschiedenheiten kann man doch
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Abb.: 18
wunderbar zusammenleben … nun ja, man sollte es zumindest können, schließt er.
IV. VOM REGENBOGEN | Aufmerken · Antworten · Haltung · Fragen
»Und ich habe versucht wieder zuzuhören, weil der Staatsanwalt angefangen hatte, von meiner Seele zu sprechen.
Er sagte, er hätte sich über sie gebeugt und hätte nichts gefunden, meine Herren Geschworenen. Er sagte, eine Seele, die hätte ich in Wirklichkeit gar nicht, und ich wäre für nichts Menschliches und keines der moralischen Prinzipien zugänglich, die das Herz der Menschen behüten.«155
Der Fremde (1942) ist das literarische Pendant zu Camus‘ Sisyphos-Essay, in welchem er seine Philosophie des Absurden entwirft. Im Roman zeigt sich das Absurde durch die Zufälligkeit der Geschehnisse einerseits, andererseits durch die Gleichgültigkeit des Protagonisten Meursault. Ihm erscheint alles gleich bedeutend bzw. unbedeutend. Zudem ist Meursaults Wirklichkeitswahrnehmung auf für ihn unbestreitbare Körperempfindungen beschränkt. Diese, in allen Grundsätzen radikal andere Haltung zu Leben und Welt, erzeugt die Fremdheit Meursaults in den Augen der Gesellschaft, in der er lebt. Zu der, mit Waldenfels gesprochen so radikal ›nein‹ gesagt wird, dass am Ende nicht mehr die Geste (der Mord) oder das Gesagte verneint wird, sondern die Person des Anderen selbst. Das Unbekannte, wird zum Unvereinnehmbaren und gehört schlechterdings vernichtet. Würde es jedoch vereinnahmt werden, wäre es eine Vernichtung dessen was fremd ist. Der Regenbogen als hauchdünne Lichtbrücke, verbindet den Himmel und die Erde, wie in den nordischen Mythen die fremden, aber verzahnten Welten der Götter und der Menschen.156 Dies ist meine Metapher für dieses letzte Kapitel, das nicht nur Zusammenfassung sein soll, sondern auch Hinweis, wie ich dem Fremden fruchtbar begegnen kann.
Henri Bergson postuliert in seinen Ausführungen zur philosophischen Intuition, der menschliche Geist, sei so beschaffen, »daß er das Neue erst zu begreifen beginnt, nachdem er alles versucht hat, um es auf das schon Bekannte zurückzuführen.«157
Das Neue, das sich bei Bergson im schöpferischen Akt der Intuition zeigt, lässt sich in der Art des Auftretens mit Waldenfels‘ Fremdheitserfahrung verbinden. Bergsons Kritik, ähnelt Waldenfels‘ Warnung vor dem Verkennen des Fremden. So sagt er bspw., die fremde Kultur »ist wie die eigene mehr als eine Kultur unter anderen, mehr als eine Teilkultur oder als ein Tummelfeld allgemeiner Gesetze. Wird dieser ›Mehrwert‹ getilgt, so begeben wir uns auf die schiefe Ebene einer einseitigen Aneignung des Fremden oder einer Nivellierung der Differenz zwischen Eigenem und Fremdem.«158
Waldenfels warnt damit davor, das was als fremd erscheint zu ent-fremden oder zu de-fremden, eben etwa Einzelkulturen zum Teil einer Gesamtkultur zu machen und transkulturellen Maßstäben zu unterwerfen. Die Gefahr bestünde darin, dass alles Anreiz-Gebende (Waldenfels: anstacheln, Stachel des Fremden) verloren ginge und wir uns Nietzsches Normalmenschen mit Normalideen und einer Normalkultur gegenüberstünden.159 Ähnlich verhielte es sich, ließen wir uns verleiten den Begriff des Fremden so auszuweiten, dass am Ende alles fremd, damit gleich und nicht mehr fremd wäre. Im Denken Waldenfels‘ widerspräche dergleichen der Erfahrung des Selbst, das zwar nur aus der Ferne zu fassen ist, dennoch aber existiert.160 Mit anderen Worten: Sowohl in der Figur des Feindes, als auch im Absoluten, erfolgt eine Reduktion dessen was als fremd erlebt wird, die alles was an der Fremderfahrung fruchtbar sein kann ausmerzt. Wenn die Gefahr darin besteht, Fremdes lediglich als Exotik zu sehen oder es einzugemeinden, kann das LGBT Center dann überhaupt offen für das Fremde sein? Ganz unabhängig davon, ob es vielleicht ein Ihr für das Wir eines umfassenden L-G-B-T braucht. Findet sich darin meine wahrgenommene Ambivalenz begründet?
»Ich sehe mich in den folgenden Widerspruch verstrickt: einerseits glaube ich den Anderen besser zu kennen als irgend jemand sonst und bestätige ihm das triumphierend (…) und andererseits wird mir häufig handgreiflich klar: der Andere ist undurchdringlich, unauffindbar, unheilbar; ich kann ihn mir nicht öffnen, nicht in seinen Ursprung eindringen, das Rätsel nicht lösen. Woher kommt er? Wer ist er? Ich mühe mich ab, ich werde es nie wissen.«161
Aber wie begegnet man dann dem Fremden ›richtig‹, wenn der Fremde als der originär Unzugängliche erscheint? Wohl offen, dies will ja meine naive Eingangsfrage schon wissen. Wenn das mir Fremde mir am Anderen begegnet, dann kann angenommen werden, dass ich nicht nur der Andere des Anderen bin, sondern auch Träger dessen, was dem Anderen fremd ist. Wenn ich demnach frage, ob das Center eine Offenheit gegenüber dem fremden Nicht-LGBT suggeriert oder nicht, muss ich in Gedenken von Matthews Collage (DO YOU PLAY WELL WITH OTHERS?) fragen: bin ich denn selbst offen für das Fremde und wenn ja, wie merke ich das?
27. März 2016, Van Nuys, Kalifornien. Jeremy ist 54, macht einen gepflegten, freundlichen und intelligenten Eindruck. Von unserem Vorgespräch weißich, dass er jüdisch ist, fließend hebräisch spricht, als Sozialarbeiter tätig und homosexuell ist. Gelbes Hemd mit Muster.
Händedruck. Nussbraune Haut, graues Kopf- und Barthaar mit Resten von Schwarz. Er ist mir auf Anhieb sympathisch. Freundlich stellt er sich vor undöffnet mir dann die Tür zu seinem Haus. Noch bevor er mir das Gästezimmer zeigt, machen wir es uns in der großen Sofalandschaft gemütlich, die zusammen mit dem Bücherregal das Wohnzimmer dominiert. Er führt das Gespräch, stellt unaufdringlich Fragen, ist interessiert an meinen Versuchen einen Workshop mit LGBT Klientel zu organisieren und nennt ein paar Tipps, die ich inzwischen alle schon abgegrast habe. Mir fällt ein Buch ins Auge How to be the perfect Stranger162 . Ich lese, es handleüber die Teilhabe an fremden religiösen Traditionen und ohne dass ich sagen könnte warum, lässt mich der Titel nicht mehr los.
07. April 2016, Los Angeles, Arts Center for the Greater Middle East. Jeremy hat mich zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, die regelm äß ig stattfindet und Ask a Muslim heißt. Heute Abend heißt es Ask a Muslim about LGBTQI163. Im Raum versammeln sich Christen, Juden, Muslime, Atheisten, Interessierte, Transfrauen und -männer, homosexuelle Paare, Eltern von LGBT-Kindern, u.v.m. Die Veranstaltung reißt mich mit, jede Minute ist spannend. Hier treffen zwei Identitätsaspekte aufeinander, ein bis ins Mark vertrauter, ein anderer, der kaum fremder sein könnte. Ich denke an Jeremys Buch. Bin ich in meiner offenen Aufnahme der perfekte Fremde?
Dann kommt die Frage, die alles verändert. Sie ist in jeder Hinsicht nicht LGBT-spezifisch:
» Und ich fragte mich: Hätte ich diese Religion gewählt, wäre ich nicht in sie hineingeboren worden? «
Ich bin nicht religiös, war es strenggenommen nie gewesen. Aber hätte ich mir die LGBT-Identität ausgesucht, hätte ich die Wahl gehabt? Ich kann es nicht beantworten undüberrasche mich darin selbst. War ich eigentlich ein guter Fremder in einer heteronormativen Gesellschaft? Und was zeichnet einen guten Nicht-Fremden aus? Mit einem Mal scheint mir, dass ich mich im Niemalsland zwischen zwei Kulturen bewege und ich dreißig Jahre lang kein Interesse für beide gehabt hatte. Man kann sich auserwählt oder leidend als fremder Außenseiter fühlen, nicht zugehörig oder frei, der Gast muss sich nicht kümmern, er ist immer auf dem Sprung und ihm wird immer mehr gegeben, als man ihm schuldet.164 Eine Freiheit zudem, die nicht bei sich selbst anfängt, sondern meint, dass man selbst anderswo anfängt.165
Die Frage nach dem perfekten Fremden, die ja eine Frage des Gastseins ist, hat mich aufmerken lassen, hat mich überhaupt erst zu der Podiumsdiskussion gehen lassen. Die Frage nach einer imaginierten Wahl hingegen, rüttelte mich in eine eigentümliche Wachheit, eine nichts suchende, nichts erwartende Aufmerksamkeit. Der Blickwechsel ist nur sehr schwer möglich, weil ich als relationales Ich am Ende immer der bleibe, dem Fremdes begegnet. Dennoch haben sich in der Ausführung zwei wichtige Erkenntnisse abgezeichnet. Zum ersten, besagt Fremderfahrung nicht nur, »daß uns Fremdes begegnet; Fremderfahrung gipfelt in einem Fremdwerden der Erfahrung selbst«,166 wenn das was Erfahrung war, sich gar nicht umreißen oder auf einen Moment festlegen lässt, sondern eingesponnen ist, im Wechselspiel von permanent Eigenem und Fremdem. Zum zweiten lässt sich eine Antwortdynamik nachzeichnen:
Etwas begegnet mir, trifft mich, widerfährt mir, berührt mich, lässt mich durch dessen Fremdheit aufmerken167 . Mein Aufmerken ist affiziert, also pathisch und kann sich auf drei Ebenen des Pathos vollziehen. Als Schreck im Widerfahrnis, als etwas Widriges, das mit Leiden verbunden ist und als Leidenschaft, die mich aus dem Gewohnten herausreist.168 Ort des Pathischen ist der Leib, der spürt, da er in seiner Weltzugehörigkeit verletzlich ist.169 Dies ist das erste Antwortgeschehen, welches nicht steuerbar ist. Für die zweite Ordnung schlägt Waldenfels das Motiv der Responsivität vor, das auch ethisch gedacht werden soll.170 Zur Disposition wird eine Ethik gestellt, die aus der Antwort resultiert. Im Modell wird das Fremde im eigenen Verhalten unterstrichen und findet darin seine Offenheit für den Anderen.171 Ich meine, Waldenfels geht damit an den Anfang zurück, nämlich zum Staunen als Urimpression der Phänomenologie, wenn er vorschlägt nach dem Anspruch des Fremden zu lauschen.172 Für mich fokussiert Waldenfels‘ dialogische Antwortlogik aber zu sehr auf das Wesen der Antwort. Ich will mich daher selbst an einen Entwurf wagen, der von Waldenfels‘ Theorien begleitet aus meinen Erfahrungen schöpft.
Responsivität meint, man solle die Kommunikationssignale bemerken und darauf eingehen. Im Falle der Fremdheitstheorien so, dass sich das Fremde erhält und nicht aufgelöst wird.173 Es handelt sich somit um ein Antworten das nicht gibt was es schon hat, sondern es kreativ im Antworten findet und entwickelt.174 Aber was lässt mich denn die Kommunikationssignale gewahren? Es ist erneut das Pathische.
24. September 2015, Bayreuth. Für die Recherche einer Hausarbeit, die Vorarbeit für meine Tätigkeit am LGBT-Center werden soll, sehe ich mir den Film The Celluloid Closet an, mit dem Russos gleichnamiges Buch175 begleitet wird. Susie Bright kommentiert soeben eine Szene aus Infam (1962) und ich lausche gebannt ihren Worten.
» The loathing she feels, how sick she is with herself … it still makes me cry then I see that. I think, you know, why am I crying? Why does this still get to me? This is just an old silly movie, you know. People don ’ t feel this way anymore. But I don ’ t think that ‘ s true. I think people do feel that way today still. ( … ) There is this part of me that ’ s like: how could I be this way? « 176
Genauso ist es, denke ich und spule zurück, sehe es mir noch einmal an, spule wieder zurück und noch einmal. Mit jedem Mal finde ich zehn weitere Gründe, allem it gets better177 zum Trotz, warum es noch immer so ist.
Für mich sind Leiden oder Neugierde Blickträger für das, worauf die Existenz eines mir Fremden verweist. Hiernach ist es nicht mehr Aufmerken, sondern eine bewusste Aufmerksamkeit178, die sich einstellt und Erkenntnismomente erlaubt. Jene müssen dann wiederum Kontakt mit neuem Fremden herstellen, andernfalls wäre es keine Erkenntnis, sondern das gewohnte Abrufen von präsentem Wissen. Zu betonen ist zum einen die Nachträglichkeit unseres Antwortens auf die Vorgängigkeit des pathischen Ereignisses. Eine Zeitlichkeitsüberlegung, die das Wesen der Antwort auf das uns Fremde unterstreicht.179 Zum anderen zeigt sich die Passivität die diese Form des Antwortens kennzeichnet und die auschlaggebend für eine Haltung ist, die sich meines Erachtens hieran formulieren kann und nicht schlicht mit Responsivität zu benennen ist.
Ich habe die Zweideutigkeit des Ersteindrucks des LA LGBT Centers via dessen Architektur beschrieben, die sich in lockender Buntheit und abweisender Blickführung ausdrückt. Mit Žižek habe ich an Ideologien gedacht, die sich in kulturelle Artefakte eingravieren und rezeptionsästhetisch von der Verortung eines Betrachters gesprochen, der in diesem Fall auch potentieller Besucher ist. Durch die Fragen der Collage, die im selben Center unter den Händen eines häufigen Besuchers entstand, lese ich die Ambivalenz als Ausdruck einer Identität. Die Freiheits- und Anerkennungskämpfe der sog. LGBT-Community in den Vereinigten Staaten haben in den letzten 30 Jahren in ungeheurer Geschwindigkeit sehr viel erreicht. Meine Beobachtungen und Erfahrungen aus der Community in Deutschland und durch Gespräche in den USA, vermitteln mir den Eindruck, dass mindestens die ältere und mittlere Generation von LGBT- Menschen, entsprechende innere Bewegungen zu den politischen Veränderungen noch gar nicht nachvollziehen konnten. Das Selbst verhält sich als Verhalten und antwortet, indem es sich zu dem verhält, was ihm widerfährt. Nur ist das Selbst, dem etwas widerfährt nicht dasselbe Selbst das antwortet, sondern wird, was geworden sein wird, in diesem Verhalten. Es ist ein ›Selbst im Werden‹180. Was sich verhält hat Haltung. Der Buchtitel How to be the perfect stranger und die Frage aus der Podiumsdiskussion erzeugten ein Aufmerken, in der Tiefe vergleichbar mit meinem Widerfahrnis an der Collage. Sie bleiben mir als solche vom mir Fremden her kommend, doch fühle ich mich auf eine Wahl verwiesen. Dabei nicht eine Wahl des Geworfenseins, aber eine Wahl des Verhaltens zu diesem Geworfensein. Sie ähnelt in ihrer Differenzierung Erlebnismustern wie Glückspilz und Pechvogel181 . Während ich selbst die Welt zunächst aus einer Position heraus erschloss, die sich aus dem Leiden heraus definiert - Fremdheit hebt mit Trennung und Spaltung an, nicht mit gelehriger Neugier182 - den Pathos der Fremdheitserfahrung jedoch zur Attitüde der Wehleidigkeit deformiert, lässt sich dies, so meine ich, durch eine fragende Haltung aufbrechen.
Die Frage ist mir eine Anrede an das Fremde und darin ein Antworten. Wie Waldenfels auch, halte ich den Gedanken für fehlgeleitet, man könne das Fremde anreden oder dem Fremden antworten. Hier besteht die Gefahr einer Fremdheitsmystik, die das Fremde zu einer losgelösten Größe macht. Waldenfels‘ Vorschlag ist, im Antwortgeschehen von der Beunruhigung des Fremden auszugehen und sagt damit, dass wir nicht dem Fremden antworten, sondern das Fremde das wäre, worauf wir antworten.183
Fremdes und Eigenes sind gleich ursprünglich und bemessen sich aneinander. Dieses Bemessen von Eigenem und Fremdem ereignet sich in Form eines intrapsychischen und interpersonalen Aushandlungsprozess.184 Da es keinen Dritten für die Zuschreibung dessen gibt, was Eigenes und Fremdes ist, schlägt der Psychiater Joachim Küchhoff vor, es brauche einen Ort der Aushandlung, vergleichbar mit Winnicotts Ü bergangsraum als Reflexionsraum zur Herstellung neuer Bedeutungszusammenhänge.185 Fremdheit kann variieren und birgt im Selbstfremdwerden die Chance über den Reflexionsanstoß eingespielte Zuschreibungen zu hinterfragen und zu verflüssigen186, da im Erstaunen fremd schon ist, von dem ich ausgehe bevor ich darauf zugehe.187 Das Fremde löst sich dabei nicht im Eigenen auf, da in der Fremderfahrung sich etwas zeigt, indem es sich entzieht.188
Als Motivation, sich auf den Prozess der Aushandlung und permanenter Neuverhandlungen einzulassen, schlägt Küchhoff mit Jessica Benjamin eine Freude der Fremdheit der Andersheit vor.189 Auch Waldenfels meint, neben dem Gefühl des Bedrohlichen sei Fremdheit auch verlockend, durch die ihr innenwohnenden bzw. durch sie zu Tage beförderten Möglichkeiten die die eigene Lebensordnung ausschließt.190,191 Darin wird auch die Ambivalenz in der Fremdheitserfahrung angesprochen, die, wie ich meine, in den verhandelnden Akt des Umgangs mit dem Fremden mündet: dem Wechselspiel von Aufhebung und Bewahrung des Fremden. Die Annäherung unterschlägt auch immer die Fremdheit192 und in diese Ambivalenz reiht sich meine Wahrnehmung des LGBT Centers problemlos ein.
Wenn Waldenfels als Antwort das Antworten des Worauf-gezeigt-wird vorschlägt, dann wird letztlich nach dem Verweis gefragt. Darin wird das Kommunikationssignal erkannt und aufgegriffen. Die Frage selbst formuliert sich als eine Aufmerksamkeit, die erlaubt, das Ich-Welt-Beziehungsgefüge nicht erstarren zu lassen, sondern immer wieder neu zu beleben, zu bewegen, erweiternd zu erschließen. Mir ist nicht möglich hier eine Phänomenologie der Frage zu beginnen. Daher bleibe ich bei einer Phänomenologie die selber fragt, um zu Erkenntnissen zu kommen, die das subjektive In-Beziehung-Treten zu den Dingen immer wieder neu auslotet.
Fragen geht mit Neugierde einher, als ein Ausdruck eines Vakuums im Erkenntnisdrang und setzt Empfindungen der Unvollständigkeit des Gewussten voraus. Fortschreitendes Fragenkönnen ist wesentlich für alle Philosophie.193 Darin erfüllt sich Platons Satz vom Verwundern als Anfang der Philosophie.194 Staunen selbst ist noch nicht Reflexion, diese hebt mit dem Fragen an. Was ich vorschlage ist nicht mit einer ins Innere verlegten Mäeutik zu verwechseln. Hier schließe ich mich Barthes an, der im Rahmen seiner Kritik am Logozentrismus sich gegen die zur Schande treibende Vorgehensweise Sokrates‘ wendet.195 Wenngleich es neuere pädagogische Modelle gibt, die die ›Hebammenkunst des Fragens zur Erkenntnis‹ weiterentwickelt haben196, bleibt die Gefahr das Zwischen des Dia-logs durch die Stimme des einen Logos monologisch zu übertönen.197 Interessant bleibt für mich bei der Mäeutik die Aporie der Elenktik.
Die Elenktik ist der erste Schritt der sokratischen Methode und führt zur Erkenntnis des eigenen Nichtwissens und endet in der absoluten Ratlosigkeit (Aporie).198 Das Nichtwissen ist als ein noch-nicht-Wissen eine relationale Fremdheit. In seinem Versuchüber unstetige Formen der Erziehung beschäftigt sich Bollnow mit der Krise. In der Störung des normalen Lebens und dessen Durchgang, stellt sich ein neuer Gleichgewichtszustand her, woran Bollnow die Momente Reinigung und Entscheidung als wesenhaft formuliert.199 Er versteht damit die Krise als Möglichkeit für Reifungsprozesse. Dieselben können auf intellektueller Ebene als unstetige Ereignisse vorgefunden werden, die durch die Erschütterung der Selbstverständlichkeiten, wie er mit Copei formuliert, plötzlich neue Einsichten evozieren.200 Als solche Ereignisse betrachtet Bollnow momenthafte Begegnungen mit Widerfahrnischarakter.201 Wie im ersten Kapitel dieser Arbeit angeführt, kann die pädagogische Begegnung Bollnows in ihrer existenziellen Ausprägung mit dem Gewahren des mir Fremden verschränkt werden. Nicht nur die existentielle Begegnung ist eine Gebung des Anderen, sondern eine jede. Dies heißt nicht, dass jedwede Begegnung ein Gewahren radikaler Fremdheit ist, aber alle Begegnung birgt die Möglichkeit eines solchen Gewahrens. Die Intensität der Fremdheitserfahrung bestimmt, aus dem Blickwinkel einer Phänomenologie der Fremdheit gesprochen, ob es eine existentielle Begegnung ist.
Handelt es sich um ein solch intensives Antreffen mir originär Fremdem, habe ich in Bollnows Krise alle Gelegenheit der Neuorientierung, da meine Aporie gegenüber des Unzugänglichen die lustvolle Haltung der Neugierde und der Freude des Philosophierens erlaubt. Wittgensteins »Ich kenne mich nicht«202 ist der Modus von Husserls Unverständlichkeit, mit der wir auf eine Zugänglichkeit der eigentlichen Unzugänglichkeit stoßen.203 Die Gefahr, die bestehen bleibt, ist das Fremde zum bloßen Implikat eines Sinngeschehens zu machen, etwa, wenn man mit Küchhoff und Benjamin folgern wollte, dass Freude als Methode für die Begegnung des Fremden abgeleitet werden soll, ähnlich einem herbeigeführten Staunen. Dies muss sich als falsch und nicht praktikabel erweisen. Es gibt kein Erlernen der Freude oder des Leidens, Waldenfels ergänzt: kein Erlernen des Fremden, wohl aber ein Lernen durch Fremdes, nicht zuletzt, da dies im Wesen schon eine Erfahrung ist, die »gegen den Strich geht«204. Ihren Wert zu erkennen, so meine ich, erlaubt aber vor allem eine fragende Haltung, die sich in Neugierde formuliert. Es sind nicht Neugierde oder Fragen, sondern es wird Fremdheit selbst, als methodisches Prinzip gefasst. Damit wird das jeweils Eigene zum Fremden hin überschreitet205 und nicht unserer Logik geopfert, wie schon Merleau-Ponty warnt.206
Neugierde ist lustvoll, lädt ein hinter die Dinge zu sehen, mag vielleicht mit Angstlust einhergehen, mündet aber in ihrer Bewegung in ein Erkunden und reflektierendes ›räsonieren‹, wie Habermas es für die Gesellschaft beschreibt. Anders affektiert, vollzieht Leiden das Allergleiche, wenn auch häufig in einem kleineren Bewegungsradius. Demnach kann das überschreitende Fragen auch vollzogen werden, sollte keine Neugierde im Erlebnismuster angelegt sein. Ein zweites Argument ist die Begegnung mit dem mir Fremden. Meine Erlebnismuster bestimmen, was mir als und wie mir ereignishafte Begegnung widerfährt.207 Findet sie statt, birgt die Begegnung die Möglichkeit neuer Erfahrungen, die Erlebensmuster weiterentwickeln und weiterformen, bis hin zu unsteten Sprüngen durch die Krise des Widerfahrnis eines Sichten auf das mir originär Fremde. Meine Erfahrung und dieses Essay zeigen, dass bei diesem Sichten das Anklammern an mir Vertrautes (in der Fremde einen Workshop anleiten, wie ich es zuhause mache; Werkanalysen anstellen, wie es mein täglich Brot ist; Einschätzungen und Deutungen aus der Tradition meiner eigenen Konditionierung und intellektuellen ›Prägung‹ anstellen), bei gleichzeitiger Überprüfung, ob das mir Vertraute jenseits der Gewohnheit noch Gültigkeit hat oder auch, wie es zustande kommt, immanent ist. Dieses Auffalten der Werdensprozesse ist eine Entwicklung, die durch das Projekt und durch diese Arbeit erst begonnen hat und wohl über Jahre noch nicht abgeschlossen sein wird. Mit anderen Worten: Es hallt der Donner noch nach.
Um mich wenigstens einer Antwort auf die auslösende Frage zu nähern, sei gesagt, dass mir deutsch-Fremden ist das Center im Erstgewahren abweisend und wenig offen entgegentrat. Dennoch stellte es für die amerikanische heterosexuell-Fremden Miranda keine Hürde dar. Sei es, da ihr Gebäudeanlagen dieser Art vertraut sind oder der Wunsch nach einer bestimmten Erfahrung genügend Motivation gibt, sich mit der Schwelle auseinanderzusetzen. Die Existenz eines solchen Centers, und dass es nicht nur ›Happy‹ heißt, fast L-G-B-T als Gruppe zusammen und scheidet sie von der heteronormativen Gesellschaft. Dies bildet die Grundlage für Forderungen um Gleichbehandlung und Anerkennung. Wenn das Fremde Offenheit in Form einer Aufmerksamkeit auf das Verwiesene zur stetig unstetigen, ›räsonierenden‹ Neuorientierung fordert, erfüllt das LGBT Center in der von mir wahrgenommenen Ambivalenz des In- Kontakt-Tretens die Voraussetzung, mir ein Ort der Fremderfahrung zu sein. Ob es dabei ein Ort ist, der generell offen für dem Ort Fremdes oder für ›das Heteronormative‹ ist, kann ich zum einen aufgrund der vielen Parameter nicht bestimmen, die den Ort zum Center werden lassen. Hierfür wäre meine Beschreibung bei weitem zu dünn. Zum anderen kann ich dies nicht sagen, da ich keine Aussage für das Center tätigen kann. Ein solches Unterfangen wäre so absurd, wie anmaßend. Aber ich kann sagen, dass mir das LGBT Center selbst ein Artefakt einer Kultur ist, die im Begegnen und Erfahren des und am Anderen gezwungen war, sich in jedem Jahrzehnt neu zu definieren und sich auf diese Formungsprozesse eingelassen hat. Motivation hierzu kann für mich nur sein, was ich im Zentrum aller Umwälzungen finde: Wenn die Begegnung sich vollzogen hat und das Selbst sich an den Rändern des Eigenen und der Schwelle zum Fremden einmal mehr verorten konnte, indem die Frage gestellt wurde: WHAT DO YOU KRAVE?
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.: 19
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Abbildungsverzeichnis:
BT I Abb. 1: Monterey Park, CA 2016/03/07, Christoph Hinkel zwei Polaroidaufnahmená85 x 107 mm
Abb. 2: South Gate LA, CA 2016/03/27, Christoph Hinkel zwei Polaroidaufnahmená85 x 107 mm
Abb. 3: Monterey Park, CA 2016/03/10, Christoph Hinkel zwei Polaroidaufnahmená85 x 107 mm
Abb. 4: Van Nuys, LA CA 2016/03/28, Christoph Hinkel zwei Polaroidaufnahmená85 x 107 mm
Abb. 5: Monterey Park, CA 2016/03/19, Christoph Hinkel zwei Polaroidaufnahmená85 x 107 mm
Abb. 6: North Hollywood, CA 2016/04/03, Christoph Hinkel zwei Polaroidaufnahmená85 x 107 mm
BT II Abb. 7: Welcome to the World, Matthew Collage, zweiteilig 23 x 30 cm und 26 x 40 cm
BT III Abb. 8: Do you play well with others? Matthew Collage Welcome to the World, linke Tafel 23 x 30 cm
BT IV Abb. 9: What do you krave? Matthew Collage Welcome to the World, rechte Tafel 26 x 40 cm
BT V Abb. 10: Blickachsen von Welcome to the World
BT VI Abb. 11 und 12: Studio 209 The Village LA LGBT Center aufgenommen: April 2016, Christoph Hinkel
Abb. 13: Tafelzeichnung (Ausschnitt) mit Collagen und Präsentationsraum, August 2016, Christoph Hinkel
BT VII Abb. 14: N McCadden Pl, Los Angeles, California, Street View von Februar 2015, google maps / google earth
Abb. 15: Tafelzeichnung (Ausschnitt) mit Fassade des Village LA LGBT Centers und Blicklenkungen, August 2016, Christoph Hinkel
Abb. 16: Village LGBT Center vom Parkplatz aus, s/w digital (4608 x 2592 px), 1. April 2016, Christoph Hinkel
BT VIII Abb. 17: Atrium Village LGBT Center, Digital mit Handykamera, 15. April 2016, Christoph Hinkel
BT IX Abb. 18: Highland Annex Youth Service LA LGBT Center, Digital mit Handykamera, 10. März 2016, Christoph Hinkel
BT X Abb. 19: Ramons Hands (Equality), s/w digital (4608 x 2592 px), 12. März 2016, Christoph Hinkel
[...]
1 Lesbian Gay Bisexual Transgender
2 The Village at Ed Gould Plaza LA LGBT Center, 1125 N. McCadden Place, L.A., CA 90038
3 Triangle Square LA LGBT Center, 1602 Ivar Ave, L.A., CA 90028
4 vgl. LGBT-Center, Mission
5 vgl. Ellis / Adam / Bocher 2010, S. 345
6 vgl. Geertz 1987
7 vgl. Kemp 2008, S. 253 ff
8 vgl. Lamnek 1995, S. 51 ff.
9 vgl. Merleau-Ponty 2006, S. 47; Zahavi 2007, S. 20
10 Siehe Hinweis zu den Textelementen in der Collage, diese Arbeit S. 20
11 vgl. Lichtenberg zit. nach Waldenfels 2013, S. 32
12 Benjamin 2007, S. 262
13 vgl. Geertz 1987, S. 10 ff.
14 vgl. Waldenfels 2016a, S. 75 f.
15 vgl. ebd., S. 76
16 Abzugrenzen von absoluter Fremdheit, die alles umfassen würde und sich damit aufhöbe
17 vgl. Waldenfels 2007, S. 361; 2013, S. 26; 2009.
18 Žižek 2014, S. 9
19 vgl. Žižek 2014
20 vgl. Žižek 2014, S. 7
21 vgl. ebd., S. 177
22 vgl. Dewey 2014, S. 168 f.
23 Bollnow 1965, S. 89
24 vgl. ebd., S. 99
25 vgl. ebd.
26 vgl. Früchtl 2012, S. 592 f.
27 vgl. ebd., S. 593 f.
28 vgl. ebd., S. 593
29 Hauskeller 2008, S. 93
30 ebd.
31 vgl. ebd., S. 93 f.
32 Waldenfels 2015a, S. 369
33 vgl. ebd., S. 368 f.
34 vgl. Proust 1980, S. 66
35 vgl. Ellison 2010, S. 21, 75 f., 164
36 Exempl. zu nennen wären u.a. Hegel, Feuerbach, Kierkegaard, Nietzsche. Im 20. Jh.: Georg Simmel, Edmund Husserl, Emmanuel Lévinas, Walter Benjamin, Theodor W. Adorno
37 vgl. Platon 2013, S. 119 (Theaitetos Dialog)
38 vgl. Waldenfels 2007, S. 363
39 vgl. Ullrich 2012, S. 435
40 Kunstbetrachtung ist für Heidegger bewahren, da dabei der im Werk geschehenden Wahrheit entsprochen werde. Dies steht mit Heideggers These in Verbindung, im Kunstwerk werde Wahrheit, durch seine Charakteristik als Ort des Streits von Erde und Welt, ins Werk gesetzt. (vgl. ebd., S. 431 ff.) Das Wesen der Kunst ist bei Heidegger demnach ein ge-zeitigter Begriff und wird geschichtlich gedacht.
41 vgl. Ullrich 2012, S. 432 f.
42 vgl. Ullrich 2012, S. 432
43 vgl. Dewey 2014, S. 157, 169
44 vgl. Kemp 2008, S. 248
45 vgl. ebd., S. 250
46 vgl. ebd.
47 vgl. Schischkoff 1991, S. 408
48 Nietzsche 1983, S. 30
49 vgl. ebd., S. 30 f.
50 vgl. Schischkoff 1991, S.425 f.
51 vgl. Sternagel 2012, S. 119
52 Waldenfels 1980, S. 30
53 Waldenfels 2002, S. 254
54 vgl. Fuchs / Koch 2014, S. 3
55 vgl. Fuchs / Schlimme 2009, S. 571
56 ebd.
57 vgl. Wiesing 2015, S. 119 ff.
58 Werktitel wurde nicht vom Künstler vergeben, sondern von einem der anderen Art Lab TeilnehmerInnen. Matthew präsentierte das Werk aber mit der Titelzuschreibung.
59 vgl. Waldenfels 2015a, S. 43;
60 vgl. Schmid 2010, S. 107 f.; vgl. ergänzend auch: Dewey 2014, S. 168 ff.
61 vgl. Fischer-Lichte 2004
62 Exempl. vgl. Schürmann 2005, S. 198 f., 2008
63 vgl. Waldenfels 2016a, S. 87 f.
64 Die Formulierung ist vereinfacht. Tatsächlich gibt es »das Fremde« nicht, da verschiedene Fremdheitsstile in Relation zu einem Hier und Jetzt stehen, von dem aus jemand spricht, handelt und denkt. (vgl. Waldenfels 2013, S. 20 ff.)
65 vgl. ebd., S. 26
66 vgl. Waldenfels 2016a, S. 88f., 119; 2013, S. 138
67 vgl. ebd., S. 88 f.
68 vgl. Waldenfels 2016a, S. 89
69 vgl. Derrida 1990
70 vgl. Barthes 1974, S. 17
71 vgl. Wiesing 2015, S. 9
72 Heidegger würde dieser von Lambert Wiesing entlehnten Formulierung nicht zustimmen, da Dasein Sein-in-der-Welt ist, von dem nicht pausiert werden kann. Lediglich andere Standpunkte können eingenommen werden. Was ich hier mit Wiesing beschrieben habe, ist das als-ob- Eintauchen in eine Bildwirklichkeit, die mir eine in meiner eigenen Welt angesiedelte, andere Welt eröffnet: die des Bildes.
73 vgl. Barthes 1974, S. 90
74 vgl. Barthes 1983, S. 8
75 Barthes 1974, S. 49
76 vgl. Kemp 2008, S. 255 ff.; Kemp 1992, S. 22 ff.
77 vgl. Barthes 2009, S. 185 ff.
78 vgl. Barthes 1974, S. 43
79 vgl. Waldenfels 2015a, S. 214 f.
80 vgl. Waldenfels 2016a, S. 70
81 vgl. ebd., S. 74
82 vgl. ebd., S. 70
83 vgl. exempl. ebd., S. 73
84 vgl. Waldenfels 2016a, S. 38
85 ebd., S. 71
86 vgl. ebd., S. 72; 2006, S. 3
87 vgl. Waldenfels, 2016a, S. 73
88 Waldenfels spricht von affiziert von Af-fektion (wörtlich: An-tun) (vgl. Waldenfels 2006, S. 3)
89 vgl. Waldenfels 2016a, S. 74
90 vgl. ebd., S. 72
91 Heidegger 2015, 00:19:46 min ff.
92 vgl. Waldenfels 2016a, S. 68, 118, 120
93 vgl. ebd., S. 79 ff.
94 vgl. Taylor Carman über Martin Heidegger und Hubert Dreyfus IN: Ruspoli 2010, 00:19:35 min
95 vgl. Waldenfels 2016a, S. 80
96 vgl. ebd., S. 81
97 vgl. ebd., S. 81
98 vgl. ebd., S. 247
99 vgl. ebd., S. 123
100 vgl. Hinkel 2009, S.156 ff.
101 ›closet‹ (engl.: Kleiderschrank) ist der metaphorische Ort, an dem sich LGBT-Menschen vor ihrem Coming Out aufhalten und dessen Existenz psychisch-emotional erlebt wird. Der Begriff stammt aus der vollständigen Redewendung coming out of the closet. So werden etwa LGBT- Menschen vor ihrem Outing auch als closeted bezeichnet. Die gängige deutsche Übersetzung verkappt, erreicht die metaphorische Verortung nur bedingt mit Rückgriff auf cappa (= Reisemantel).
102 vgl. Adams 2011, S. 43 ff.
103 vgl. ebd., S. 112 f.
104 vgl. ebd., S. 139 ff.
105 vgl. Waldenfels 2013, S. 38
106 Anm.: unter Kernselbst ist das auf einzigartige Weise zusammengesetzte Mosaik von Fremdeinflüssen zu verstehen, aus dem das Unikat eines jeden Selbst, sich selbst vermittelnd und mit sich selbst, entsteht (vgl. Heidegger 2013, 00:05:00 min. ff.). Es ist demnach nicht mit einer Vorstellung eines »reinen Selbst« zu verwechseln, die oft genug der Ursprung rassischen Reinheitswahns war.
107 vgl. Art Lab 2016, 00:03:50 min ff.
108 vgl. Heidegger 2014, 00:39:54 min ff.
109 vgl. ebd., 00:38:34 min ff.
110 vgl. ebd., 01:01:40 min ff.
111 vgl. Waldenfels 2016a, S. 82
112 vgl. Waldenfels 2007, S. 364; 2016a, S. 82
113 Pascal 1897, S. 40 § 154 (Übers nach Waldenfels 2007, S. 368)
114 vgl. LGBT-Center
115 vgl. Waldenfels 2009
116 vgl. Waldenfels 2016a, S. 122
117 vgl. Waldenfels 2009
118 vgl. ebd.
119 vgl. Waldenfels 2013, S. 139
120 vgl. de Guerre 2013; LGBT-History
121 »The Los Angeles LGBT Center is building a world where LGBT people thrive as healthy, equal and complete members of society.« (LGBT-Center, Mission)
122 vgl. Waldenfels 2009
123 vgl. Waldenfels 2016a, S. 111 f.
124 vgl. ebd., S. 112
125 vgl. ebd., S. 122
126 Waldenfels 2016a, S. 123
127 vgl. Waldenfels 2009
128 Zumeist bezogen auf heterosexuelle Männer, die Lust daran empfinden Frauenkleidung zu tragen und sich dabei in einen bestimmten Charakter verkleiden. In Verhalten und Art des Auslebens ist dies von Transsexualität deutlich abzugrenzen. In diesem Fall geht es hauptsächlich um die Kleidung eines gegengeschlechtlichen Charakters, kann aber Fetisch sein.
129 vgl. Böhme 2001
130 vgl. ebd., S. 236
131 vgl. ebd., S. 242
132 vgl. Waldenfels 2009
133 vgl. ebd.; 2007, S. 368
134 vgl. Waldenfels 2009
135 davon kennt nicht nur die LGBT-Historie zahlreiche Beispiele, man denke etwa an musisch Begabte und damit mit einem Unterhaltungswert versehene Juden im Nazideutschland oder an die versklavten Menschen auf amerikanischen Baumwollplantagen.
136 vgl. Waldenfels 2013, S. 41
137 Etwa die sog. Gay Ghettos oder die Razzien, die ihren Platz nicht nur in der Schwulengeschichte, sondern in jeder Historie um die sog. Freiheitskämpfe von sozialen Minderheiten haben (vgl. exempl. de Guerre 2013, 00:14:00 min)
138 vgl. Thompson 2016
139 Exemplarisch aus der Menge herausgegriffen: Kommentar von William Bear (vgl. Thompson 2016, Kommentare)
140 vgl. Waldenfels 2009
141 vgl. Helman 2015, S. 3 f.
142 vgl. Helman 2015, S. 12
143 vgl. im Besonderen Waldenfels 2013
144 Nicht ignorieren darf ich hier Marc Augé und seine Beschreibung der Nicht-Orte in seiner Ethnologie der Einsamkeit. Augé würde mir mit der Benennung zum Nicht-Ort nicht ohne weiteres zustimmen. Für ihn sind Nicht-Orte bar jeglicher Identität, Relation und Geschichte, ephemer, provisorisch und Durchreise, die sich ständig neu zusammensetzen, sich aber niemals vollständig herstellen (vgl. Augé 2012, S. 83 f.) Mein Nicht-Ort hat seine Identität als Schwelle, seine Historie in der LGBT-Geschichte und findet seine Relationen in meiner Erfahrung oder den Erfahrungen anderer beschrieben. Auch ist er nicht flüchtig. Zwar nicht als Widerfahrnis aber als Übergangsmoment ist die Schwellenerfahrung wiederholbar. Ich nenne dies Nicht-Ort in Bezug auf die Fremdheitserfahrung, im Verweis auf das in mir Abwesende, wird er in der Funktion und dem, was ihn mit Heidegger gesprochen dadurch an west unsichtbar und erst im Nachhinein bestimmbar und mir so zum Nicht-Ort. Waldenfels spricht vom Ort der Erfahrung des Fremden als Nicht-Ort und begründet dies mit Merleau-Ponty durch die originäre Form des Anderswo. (vgl. Waldenfels 2013, S. 26)
145 vgl. Waldenfels 2007, S. 364; 2016a, S. 82; 2013, S. 27 ff.; 2009
146 vgl. Waldenfels 2007, S. 364; 2016a, S. 86; 2013, S. 30 ff.; 2009
147 vgl. Waldenfels 2007, S. 364; 2016a, S. 116, 2013, S. 33 ff.; 2009
148 vgl. Lamnek 1995, S. 52; Waldenfels 2007, S. 365
149 Waldenfels 2009, 10.27
150 Žižek 2010, 00:35:18 min. ff.
151 ebd., 00:37:57 min. ff.
152 ebd., 00:36:50 min. ff.
153 vgl. Heidegger 1969, S. 10 f.
154 vgl. ebd., S. 12
155 Camus 2010, S. 144
156 vgl. Bellinger 1999, S. 78, Bifröst
157 Bergson 1911, S. 127
158 Waldenfels 2016a, S. 111
159 vgl. ebd., S. 66, 110
160 vgl. Waldenfels 2016a, S. 120; Waldenfels 2013, S. 29
161 Barthes 2015, S. 218
162 Herausgegeben von Stuart M. Matlius und Arthur J. Magida
163 Q = Questioning / Queer, I = Intersexual
164 vgl. Waldenfels 2009
165 vgl. Waldenfels 2016a, S. 65
166 ebd., S. 120
167 vgl. Waldenfels 2016a, S. 92
168 vgl. Waldenfels 2006, S. 3
169 vgl. ebd.
170 vgl. Waldenfels 2016a, S. 56 ff.
171 vgl. Dodd 2010, S. 47
172 vgl. Waldenfels 2016a, S. 59, 62 ff.
173 vgl. ebd., S. 58
174 vgl. ebd., S. 60, 67
175 vgl. Russo 1987
176 Epstein / Friedmann 1996, 00:50:59 min ff.
177 vgl. Savage / Miller 2012; It-Gets-Better 2010
178 vgl. Waldenfels 2015b; vgl. Waldenfels 2016a, S. 92 ff.
179 vgl. ebd., S. 65, 73 f., S. 82; 2013, S. 16; 2006, S. 3
180 vgl. Stoellger 2011, S. 235
181 Für tiefere Studien vgl. Henningsen 1981
182 vgl. Waldenfels 2013, S. 41
183 vgl. Waldenfels 2013, S. 51
184 vgl. Küchenhoff 2013, S. 4
185 vgl. ebd., S. 9
186 vgl. ebd.
187 vgl. Waldenfels 2009
188 vgl. Waldenfels 2013, S. 29
189 vgl. Küchenhoff 2013, S. 13
190 vgl. Waldenfels 2013, S. 44
191 Hier zeigt sich, dass in Waldenfels Denken über Fremdheit, das Andere und das Fremde ausdifferenzierter sind, als noch bei Lévinas. Bei diesem zeigt sich der Genuss des Fremden in der sinnlichen Erfahrung allem was nicht Ich ist, etwa auch dem Essen. (vgl. Schöppner 2006, S. 48 ff.)
192 vgl. Bedorf 2010
193 vgl. Schischkoff 1991, S. 209
194 vgl. Platon 2013, S. 119 (Theaitetos Dialog)
195 vgl. Barthes 1974, S. 8
196 allen voran Leonard Nelson und dessen Nachfolger
197 vgl. Waldenfels 2013, S. 86
198 vgl. Peper 2009, S. 7
199 vgl. Bollnow 1959, S. 27 f.
200 vgl. ebd., S. 37 ff.
201 vgl. ebd., S. 97 ff.
202 zit. nach Waldenfels 2013, S. 93
203 vgl. Waldenfels 2013, S. 94
204 Waldenfels 2009
205 vgl. Waldenfels 2013, S. 102
206 vgl. Merleau-Ponty 1959, S. 226
207 vgl. Henningsen 1981, S. 36 f.
- Citation du texte
- MA Christoph Hinkel (Auteur), 2016, Shared Worlds´Sky. Aspekte einer Wahrnehmung des Fremden mittels rezeptionsästhetischer Werkanalysen am LA LGBT Center, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/370473
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