Im folgenden Text wird die aristotelische Bestimmung der ethischen Tugenden zusammengefasst. Die Arbeit beginnt mit der Unterscheidung von ethischen und verstandesmäßigen Tugenden und Erklärungen zum Erwerb und Erhalt einer ethischen Tugend durch die Gewöhnung und anhaltende Tätigkeit. Danach werden im zweiten Teil mit Hilfe der mesotes-Lehre und der Bewertung durch die Empfindungen der Lust und des Schmerzes die Anzeichen für tugendhaftes Verhalten, beziehungsweise Erscheinungsformen der Tugenden in den Handlungen der Menschen gesucht. Anhand derer sollen die Merkmale der Tugenden bestimmt werden. Schließlich werden die Ergebnisse zusammengefasst und die gattungsmäßige sowie spezifische Beschaffenheit der untersuchten Charaktertugenden eines Menschen bestimmt.
Was sind Tugenden? Wodurch zeichnet sich ein tugendhafter Mensch aus? Und wie erwirbt man Tugenden, bzw. wie wird man tugendhaft? Im Anschluss an seine Überlegungen zur Glückseligkeit (eudaimonia), unterzieht Aristoteles im zweiten Buch seiner Nikomachischen Ethik nun die Tugend (arete), die einen Bestandteil der eudaimonia bildet, einer genaueren Untersuchung.
Die aristotelischen Tugenden
Was sind Tugenden? Wodurch zeichnet sich ein tugendhafter Mensch aus? Und wie erwirbt man Tugenden, bzw. wie wird man tugendhaft? Im Anschluss an seine Überlegungen zur Glückseligkeit (eudaimonia), unterzieht Aristoteles im zweiten Buch seiner Nikomachischen Ethik nun die Tugend (arete) , die einen Bestandteil der eudaimonia bildet, einer genaueren Untersuchung. Oft wird arete auch mit der Vokabel Tüchtigkeit übersetzt, wodurch die Gleichstellung von Tüchtigkeit und Tugend kenntlich wird; wer tüchtig ist, der ist gleichzeitig auch tugendhaft. Im folgenden Text wird die aristotelische Bestimmung der ethischen Tugenden zusammengefasst. Beginnend mit der Unterscheidung von ethischen und verstandesmäßigen Tugenden und Erklärungen zum Erwerb und Erhalt einer ethischen Tugend durch die Gewöhnung und anhaltende Tätigkeit, werden danach im zweiten Teil mit Hilfe der mesotes -Lehre und der Bewertung durch die Empfindungen der Lust und des Schmerzes die Anzeichen für tugendhaftes Verhalten, bzw. Erscheinungsformen der Tugenden in den Handlungen der Menschen gesucht, anhand derer die Merkmale der Tugenden bestimmt werden sollen. Schließlich werden die Ergebnisse zusammengefasst und die gattungsmäßige sowie spezifische Beschaffenheit der untersuchten Charaktertugenden eines Menschen bestimmt.
Grundsätzlich gibt es aufgrund der Struktur der menschlichen Seele (psyche) zwei Arten von Tugenden, d.h. lobenswerten Verhaltensweisen: „ethisch und verstandesmäßig“ (N.E. II.1, 1103a 16-17). Zu den Verstandestugenden oder auch dianoetischen Tugenden (aretai dianoetikai) werden lobenswerte Eigenschaften wie die Weisheit (sophia), Wissenschaft (episteme) oder die Klugheit (phronesis) - die auch als eine sittliche oder rechte Einsicht verstanden wird - gezählt. Die Anlagen dieser Tugenden sind dem Menschen durch die Vernunft (logos) des vernunftbegabten Seelenteils (logon echon) bereits gegeben, doch erlangt man sie „zum größten Teil durch Belehrung“ (N.E. II.1, 1103a 18), weshalb sie ein Resultat von „der Erfahrung und der Zeit“ (N.E. II.1, 1103a 18-19) sind. Da es sich hierbei um Tugenden handelt, die theoretisch jeder Mensch besitzt und durch das Belehrt-werden lediglich weiter ausgebaut oder vollendet werden können, und weil das Lobenswerte an diesen Tugenden nicht die einzelne Tugend selbst, sondern lediglich der Ausbau dieser Fähigkeit ist, richtet sich diese Untersuchung gezielt auf die ethischen Tugenden (aretai ethikai), die dem Strebevermögen (oretikon) des Menschen entspringen .
Zu den ethischen Tugenden oder auch Charaktertugenden zählt man „Eigenschaften (hexes)“ (N.E. II.1, 1103b 25), wie Tapferkeit (andreia), Besonnenheit (sophrosynae) und Großzügigkeit (eleutheriotes). Diese Eigenschaften des Charakters (ethos; mit kurz gesprochenem e) sind als innere Haltungen (hexes) zu verstehen, also persönliche und mentale Einstellungen bezogen auf gewisse Dinge, Tatsachen und Sachverhalte. Die „Fähigkeit (dynamis)“ (N.E. II.1, 1103a 34) zu einer dieser Tugenden ist im Gegensatz zu der einer verstandesmäßigen Tugend kein natürlicher Bestandteil der menschlichen Seele, weshalb eine Charaktertugend zuerst erlernt werden muss. Erst durch die Tätigkeit (energeia) einer Charaktertugend ist es möglich diese zu erlangen und die Fähigkeit des tugendhaften Handelns, die in jedem Menschen veranlagt ist auszubauen. Aufgrund dessen scheinen die ethischen Tugenden auch „Fertigkeiten (techne)“ (N.E. II.1, 1103a 42) im Sinne einer Kunst (techne) oder eines Handwerks zu sein. Nur durch das fortwährende, tüchtige Wiederausüben einer Tugend eignet man sich diese auch an, sprich wird tugendhaft mit eben dieser Tugend, wie auch der Musiker durch das Musizieren und der Handwerker durch das Handwerken ihre Fertigkeiten durch ständiges Üben und Ausüben der Tätigkeiten verbessern. Das bedeutet aber auch, dass Charaktertugenden genau wie Künste und Handwerke bei Nichtausübung verlernt werden können. Erst die „Gewohnheit (êthos; mit lang gesprochenem e)“ (N.E. II.1, 1103a 19-20), die diesen Tugenden ihren Namen gab und ihr wichtigster Bestandteil ist, macht es möglich erlernte ethische Tugenden durch ein fortwährend wiederholtes Tätig-sein (energeia) nicht wieder zu verlieren und vielleicht sogar auszubauen. Durch die Lehre von der oder der Erziehung zur Tugend und Tüchtigkeit - also die Gewöhnung daran durch elterliche, staatliche und andere gesellschaftliche Erziehung - werden die Menschen somit an lobenswertes Verhalten gewöhnt und im Ausüben ihrer Tätigkeit gut, die Lehre bzw. Erziehung in der „Schlechtigkeit (kakia)“ (N.E. II.4, 1105b 38) gewöhnt an das Gegenteil und macht die Ausübung der Tätigkeit schlecht. Charaktertugenden sind daher zwar nicht von Geburt an oder von Natur aus gegeben und müssen in erster Instanz gelernt und gelehrt werden, doch sie widersprechen in keinerlei Weise der Natur des Menschen, da in ihrer Aufnahme ein Teil der menschlichen Natur begründet liegt; ethische „Tugenden sind also weder von Natur noch gegen die Natur“ (N.E. II.1, 1103a 29-30), denn es ist nur möglich sich an etwas zu gewöhnen, das die Natur dafür vorgesehen hat.
Da, was die Tugend betrifft, nun die „Eigenschaften (…) aus den entsprechenden Tätigkeiten“ (N.E. II.1, 1103b 25-26) entstehen, müssen diese durch ihre „Eigenarten“ (N.E. II.1, 1103b 27) einen Rückschluss auf jene zulassen, der eine Beurteilung der Tugendhaftigkeit oder Schlechtigkeit ermöglicht. Die Prüfung der Handlungen (praxeis) soll - da Tugend gleichfalls auch Tüchtigkeit ist und ein Tatig-sein bedeutet - diesbezüglich mehr Klarheit verschaffen, denn die innere Haltung (hexis) wird durch diese ja erst geformt. Wenn auch „jede Untersuchung über das Handeln (nur) im Umriss“ (N.E. II.2, 1104a 1-2) geführt werden kann, weil es aufgrund der vielfältigen Handlungsintentionen und daraus entstehenden Deutungsmuster sowie der Verschiedenheit der Situationen, welche gewisse Handlungen hervorrufen, „im Bereich der Handlungen (…) nichts Stabiles“ (N.E. II.2, 1104a 5-6) gibt auf das sie sich stützen können, es also keine allgemeinen, sondern nur situationsbedingte und von der jeweiligen Lage und der Einschätzung der Person anhängige Handlungen wie auch Tätigkeiten gibt, lässt sich anhand ihrer trotzdem mehr über die Tugenden herausfinden. Dass jede Handlung sich nach „rechter Einsicht“ (N.E. II.2, 1103b 37-38), also der Klugheit des Handelnden richtet ist grundlegende Voraussetzung der weiteren Untersuchung.
Auffällig ist zunächst, dass „Eigenschaften durch Mangel oder Übermaß zugrunde“ (N.E. II.2, 1104a 14-15) gerichtet, doch durch ein angemessenes, mittleres Maß im Handeln und Tätig-sein geschaffen und erhalten werden. Dies zeigen schon ganz alltägliche Dinge, wie Essen und Sport, denn zu viel Nahrung und zu viel körperliche Betätigung sind beiderlei schädlich für den Körper. Ein rechtes Maß aber ist in beiden Fällen der Gesundheit förderlich und macht einen Menschen in richtiger Kombination maßvoller körperlicher Strapazen und angemessener Nahrungszufuhr sogar stark und kräftig; bei Wiederholung und Anhalten der Tätigkeiten darüber hinaus auch stärker und kräftiger, sodass ihm körperliche Belastungen immer leichter fallen. Das selbe gilt auch für die Tugenden. So macht das Aushalten von Angst einen Menschen tapfer und bei fortwährender Wiederholung gleicher Tätigkeiten noch tapferer. Durch die oben erwähnte Unstetigkeit der Handlungen können diese jedoch bei einer vergleichbaren, wenn nicht identischen Tätigkeit durch die gegebene Situation variieren; z.B. kann zwar die Tätigkeit der Bewältigung einer furchteinflößenden Herausforderung gleich bleiben, die Handlungen, die zur Bewältigung führten, können aber nie die selben sein. Die Ausgewogenheit in der Mitte (mesotes) - nach der sogenannten mesotes -Lehre, deren Thesen auch Bestandteil der Untersuchung der eudaimonia sind - zwischen den Extremen ist nun auch bezüglich der Tugenden das Beste. So ist die Tugend der Tapferkeit, die eine Gewöhnung an das Aushalten von Furcht ist, der Mittelpunkt der beiden Extreme Tollkühnheit - der Furcht vor nichts - und Feigheit - der Furcht vor allem; die Besonnenheit ist die Mitte zwischen Stumpfheit und Zügellosigkeit, die Großzügigkeit die zwischen Geiz und Verschwendung.
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- Quote paper
- Bennet Ludwig (Author), 2013, Die aristotelischen Tugenden, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369589
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