Die vorliegende Arbeit versucht die politischen Beziehungen Frankreichs und des Deutschen Reiches zu Zeiten König Rudolfs I. von Habsburg, also zwischen 1273 und 1291, darzustellen. Dabei wird auch den prinzipiellen Unterschieden der beiden Mächte Rechnung getragen, zum Beispiel: Form des Königtums, politische und territoriale Struktur oder Verwaltung. Diese grundsätzlichen Unterschiede erklären unter anderem die verschiedenen Verhaltensweisen und Einflussmöglichkeiten der beiden Länder an der gemeinsamen Grenze oder Grenzzone. Anhand des Beispiels der Stadt und Erzdiözese Lyon soll gezeigt werden, wie die verschiedenen Interessen Frankreichs und des Reichs aufeinander trafen und welche Auswirkungen dies auf die territoriale Zugehörigkeit Lyons hatte. Natürlich waren auch die jeweiligen lokalen Machthaber, wie Herzöge und Grafen, die Kirche und England bzw. englandfreundliche Fürsten an den Interessens- und Grenzkonflikten zwischen Frankreich und dem Reich beteiligt. Diese speziellen Interessen sollen aber nur soweit sie zum Verständnis der Ereignisse unbedingt notwendig sind in diese Arbeit einbezogen werden, da ihre Vielzahl und Komplexität sonst den Rahmen einer solchen Hausarbeit sprengen würde. Es gibt Meinungen, vor allem von Autoren der älteren Forschungsliteratur (zum Beispiel Fritz Kern und Johann Heller), die Frankreich eine bewusste und auch von einer ideologischen Theorie geleitete Ausdehnungspolitik in dieser Zeit unterstellen. Sie sehen den französischen König Philipp IV. in dieser Hinsicht als sehr machtbewusst und zielstrebig an. Der deutsche König Rudolf sei jenem gegenüber zu vertrauensselig gewesen und habe sich so die deutschen Gebiete im Arelat mehr oder weniger widerstands- bzw hilflos von Frankreich
wegnehmen lassen. Diese Arbeit soll auch diese Behauptungen prüfen. Die wichtigsten Titel der Literatur waren hier die Monographien von Karl-Friedrich Krieger „Die Habsburger im Mittelalter“, Joachim Ehlers „Geschichte Frankreichs im Mittelalter“, Bertram Resminis „Das Arelat“ und Horst Bitschs „Das Erzstift Lyon zwischen Frankreich und dem Reich im Hohen Mittelalter“. Ersteres war wichtig für das Verständnis der Situation Rudolfs und des Reichs nach dem Interregnum, Ehlers Buch stellt die französische Lage zu dieser Zeit dar, Resminis Monographie beschreibt die Einflüsse der europäischen Mächte auf das Arelat und geht auch auf Lyon ein; Bitsch endlich behandelt eingehend Lyon.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Die Beziehungen zwischen Frankreich und dem Reich 1273-1291
1. Die Ausgangssituation in Frankreich
2. Die Ausgangsituation im Deutschen Reich
3. Das Beispiel Lyon
III. Zusammenfassung
Bibliografie
I. Einleitung
Die vorliegende Arbeit versucht die politischen Beziehungen Frankreichs und des Deutschen Reiches zu Zeiten König Rudolfs I. von Habsburg, also zwischen 1273 und 1291, darzustellen. Dabei wird auch den prinzipiellen Unterschieden der beiden Mächte Rechnung getragen, zum Beispiel: Form des Königtums, politische und territoriale Struktur oder Verwaltung. Diese grundsätzlichen Unterschiede erklären unter anderem die verschiedenen Verhaltensweisen und Einflussmöglichkeiten der beiden Länder an der gemeinsamen Grenze oder Grenzzone. Anhand des Beispiels der Stadt und Erzdiözese Lyon soll gezeigt werden, wie die verschiedenen Interessen Frankreichs und des Reichs aufeinander trafen und welche Auswirkungen dies auf die territoriale Zugehörigkeit Lyons hatte.
Natürlich waren auch die jeweiligen lokalen Machthaber, wie Herzöge und Grafen, die Kirche und England bzw. englandfreundliche Fürsten an den Interessens- und Grenzkonflikten zwischen Frankreich und dem Reich beteiligt. Diese speziellen Interessen sollen aber nur soweit sie zum Verständnis der Ereignisse unbedingt notwendig sind in diese Arbeit einbezogen werden, da ihre Vielzahl und Komplexität sonst den Rahmen einer solchen Hausarbeit sprengen würde.
Es gibt Meinungen, vor allem von Autoren der älteren Forschungsliteratur (zum Beispiel Fritz Kern und Johann Heller), die Frankreich eine bewusste und auch von einer ideologischen Theorie geleitete Ausdehnungspolitik in dieser Zeit unterstellen. Sie sehen den französischen König Philipp IV. in dieser Hinsicht als sehr machtbewusst und zielstrebig an. Der deutsche König Rudolf sei jenem gegenüber zu vertrauensselig gewesen und habe sich so die deutschen Gebiete im Arelat mehr oder weniger widerstands- bzw hilflos von Frankreich wegnehmen lassen. Diese Arbeit soll auch diese Behauptungen prüfen.
Die wichtigsten Titel der Literatur waren hier die Monographien von Karl-Friedrich Krieger „Die Habsburger im Mittelalter“, Joachim Ehlers „Geschichte Frankreichs im Mittelalter“, Bertram Resminis „Das Arelat“ und Horst Bitschs „Das Erzstift Lyon zwischen Frankreich und dem Reich im Hohen Mittelalter“. Ersteres war wichtig für das Verständnis der Situation Rudolfs und des Reichs nach dem Interregnum, Ehlers Buch stellt die französische Lage zu dieser Zeit dar, Resminis Monographie beschreibt die Einflüsse der europäischen Mächte auf das Arelat und geht auch auf Lyon ein; Bitsch endlich behandelt eingehend Lyon.
II. Die Beziehungen Frankreichs und des Deutschen Reichs 1273-1291
1. Die Ausgangssituation in Frankreich
1154 war die größte Ausdehnung des englischen Lehensbesitzes in Frankreich erreicht und umfasste die Herzogtümer Normandie, Aquitanien, Gascogne, die Grafschaften Bretagne, Poitou, Maine, Touraine, Auvergne und Anjou.[1] Frankreich war jedoch seit dem Ende des 12. Jahrhunderts dabei, nach und nach die englischen Lehen in Frankreich zurückzuerobern. Philipp II. hatte 1203/4 bereits die Normandie und Poitou erobert und nach der Schlacht von Bouvines 1214 kamen noch alle Gebiete nördlich der Loire dazu, also die Bretagne, Touraine, Maine und Anjou.[2] Man sieht, dass sich Frankreich seit Ende des 12. und Beginn des 13. Jahrhunderts in einer Phase der Ausdehnung befand.
Die französische Reichsverwaltung wurde seit Anfang des 13. Jahrhunderts durch drei wichtige Neuerungen unterstützt: die Schriftlichkeit der Verwaltung, verlässliche Amtsträger und ein geordnetes Finanzwesen. Philipp II. ließ alle seine Vereinbarungen schriftlich festhalten und verlangte dies auch von anderen.[3] Er hatte wohl begriffen, dass in einer noch hauptsächlich oralen Gesellschaft die Fakten sehr starke normative Kraft besaßen und, dass derjenige, der als erster diese Fakten schriftlich und dadurch dauerhaft festhielt, seine Besitzungen und Vorrechte nicht mehr verlieren konnte[4], denn wer wollte schon beweisen, etwa ohne Urkunde, dass ein Stück Land zuvor ihm gehört hatte?
Zusätzlich wurden die Verwaltungszweige mit mehr Personal bestückt. Im gesamten Gebiet der französischen Monarchie wurden die sogenannten Prévôtés vorherrschend. Dies waren Verwaltungsbezirke mit einem Prévôt, einem vom König ernannten Amtsträger, der im Bezirk den Vorstand innehatte. Außerdem gab es das neue Amt des Bailli, der als Vertreter des Königs die aus mehreren Prévôtés bestehende Bailliage leitete. Philipp II. hinterließ also eine novellierte Verwaltungsorganisation, die es dem französischen König möglich machte, als Zentralgewalt zu fungieren und seinen Entscheidungen bis in die entfernteren Regionen Frankreichs Wirksamkeit zu verleihen.[5] Im Gegensatz zu den Deutschen hatten die Franzosen seit dem 12. Jahrhundert eine Hauptstadt. Die Könige Frankreichs hielten sich seit dem 11. Jahrhundert zunehmend öfter in Paris auf.[6]
2. Die Ausgangssituation im Deutschen Reich
Das Deutsche Reich war im Vergleich zu Frankreich sehr groß. Zum deutschen Kaiserreich gehörte nicht nur das ungefähre Gebiet der heutigen Bundesrepublik, sondern auch Reichsitalien, also die Lombardei und die Toskana, das Arelat, Österreich, Teile vom heutigen Ostfrankreich und den Benelux Ländern. Das heißt, die Grenze zwischen Deutschem Reich und Frankreich war grob gesagt die Linie Luxemburg, Dijon, Lyon, Rhône.[7] Zusätzlich war dieser Raum verkehrstechnisch nicht besonders gut erschlossen, was wiederum die Kommunikationsmöglichkeiten sehr einschränkte. Man dachte nicht in der großen Dimension „Reich“, sondern eher kleinräumig in jeweiligen Fürstentümern.[8]
Rudolf I. von Habsburg konnte also wie seine Vorgänger nicht gleich dem französischen König über seine Zentralverwaltung an Information kommen, sondern musste sich gänzlich auf die per Zufall oder durch Betroffene herangetragenen Informationen stützen. Das beschränkte den König der Deutschen auf eine reaktive Regierungspolitik, machte dagegen eine aktiv-gestaltende fast unmöglich.[9]
Das deutsche Königtum war ein „Reisekönigtum“. Angesichts der Größe des Reichs war es aber offensichtlich unmöglich alle Gebiete durch Königsbesuche abzudecken. Daher beschränkte sich auch Rudolf auf die sogenannten „reichsnahen“ Gegenden des südlichen und westlichen Raumes.[10] Manche Regionen waren lange Zeit von keinem deutschen König mehr bereist worden, wie zum Beispiel auch Lyon.[11] Dies führte in einer noch weitgehend oralen Gesellschaft bald zum Vergessen des „wahren“ Herrschers und zur Orientierung an den lokalen Fürsten. Das Interregnum begünstigte diese Tendenzen zusätzlich.
[...]
[1] Großer Historischer Weltatlas, Teil 2: Mittelalter hg. vom Bayer-Schulbuch-Verlag, München 21979, S. 92.
[2] Joachim Ehlers: Die Geschichte Frankreichs im Mittelalter, Stuttgart u.a. 1987, S. 129-135.
[3] Ebd., S. 138.
[4] Ebd., S. 135/136.
[5] Ebd., S. 138/139.
[6] Ehlers: Frankreich im Mittelalter, S. 163.
[7] Großer Historischer Weltatlas, S. 92.
[8] Karl-Friedrich Krieger: Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III., Stuttgart 1994, S. 22.
[9] Ebd., S. 23.
[10] Ebd., S. 24.
[11] Horst Bitsch: Das Erzstift Lyon zwischen Frankreich und dem Reich im Hohen Mittelalter, Göttingen 1971, S. 185/186 und Bertram Resmini: Das Arelat, Köln 1980, S. 284.
- Citation du texte
- Julia C. M. Willke (Auteur), 2001, Die Beziehungen zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich zur Zeit Rudolfs I. von Habsburg am Beispiel Lyon, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36944
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