Die globale Flüchtlingszahl hat ein Rekordhoch erreicht. Der Zustrom, die Unterbringung und Inklusion der Flüchtlinge bleiben nach wie vor in Europa und auch in Deutschland ein aktuelles und breit diskutiertes Thema. So werden unter anderem Jugendhilfeeinrichtungen angesichts der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge vor neue Herausforderungen gestellt. Um neue Informationen und Antworten auf diese Herausforderungen, insbesondere unter bindungstheoretischer Perspektive gewinnen zu können, werden in dieser Forschungsarbeit jugendliche afghanische Flüchtlinge in einer Jugendhilfeeinrichtung interviewt sowie ihre Bezugsbetreuer befragt. Hieraus gehen erste empirische Ergebnisse über Bindungsverhalten und Vulnerabilität zu Traumatisierungstendenzen unter Betrachtung der Geschwisterpositionen hervor.
Die globale Flüchtlingszahl hat ein Rekordhoch erreicht. Der Zustrom, die Unterbringung und Inklusion der Flüchtlinge bleiben nach wie vor in Europa und auch in Deutschland ein aktuelles und breit diskutiertes Thema. So werden u.a. Jugendhilfeeinrichtungen angesichts der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge vor neue Herausforderungen gestellt. Um neue Informationen und Antworten auf diese Herausforderungen, insbesondere unter bindungstheoretischer Perspektive gewinnen zu können, werden in dieser Forschungsarbeit jugendliche afghanische Flüchtlinge in einer Jugendhilfeeinrichtung interviewt sowie ihre Bezugsbetreuer befragt. Hieraus gehen erste empirische Ergebnisse über Bindungsverhalten und Vulnerabilität zu Traumatisierungstendenzen unter Betrachtung der Geschwisterpositionen hervor.
Relevanz und Ausgangslage
Die zum Zeitpunkt des Forschungsbeginns im März 2015 brisante und nach wie vor aktuelle Flüchtlingsthematik führt immer wieder zu kontroversen Debatten und Berichtserstattungen. V.a. dies begründet das entwickelte Interesse unserer Forschungsgruppe sowie die gesamtgesellschaftliche und politische Relevanz, sich mit den neuen Herausforderungen auseinanderzusetzen, denen das System und die Gesellschaft gegenüber stehen.
Ausgangspunkt der Studie bildeten darüber hinaus eigene Erfahrungen und Veränderungen innerhalb der Praxis der Jugendhilfe, u.a. mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF). Betroffene berichteten z.B. von ihren Fluchterfahrungen und von traumatischen Erlebnissen, sie äußerten Sorge und Traurigkeit aufgrund der Ungewissheit über den Verbleib ihrer Familie, sie thematisierten Angst vor Abschiebung uvm.. Daraus entwickelten sich für meine KollegInnen und mich neue Anforderungen im Umgang mit den Jugendlichen.
‚unbegleitete minderjährige Flüchtlinge‘ (UMF):
UMF ist per Definition ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser unter 18, der ohne Begleitung „eines für ihn nach dem Gesetz oder der Praxis des betreffenden Mitgliedsstaats verantwortlichen Erwachsenen in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreist, solange er sich nicht tatsächlich in der Obhut einer solchen Person befindet; dies schließt Minderjährige ein, die nach der Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats dort ohne Begleitung zurückgelassen wurden“ (Europäisches Parlament)
Weltweit ist die Zahl an Flüchtlingen gestiegen. Aktuelle Zahlen der UNHCR weisen auf Rekordhoch seit dem 2. Weltkrieg hin. Dabei sind im Jahr 2015 rund 65,3 Mio. Menschen weltweit auf der Flucht – 5,8 Mio. mehr als im Vorjahr. Pro Minute wurden im Durchschnitt 24 weitere Personen 2015 aus ihrer Heimat vertrieben. Innerhalb der letzten beiden Dekaden ist somit die Flüchtlingszahl weltweit um 75% angestiegen, insbesondere seit 2011 einhergehend mit dem ‚Arabischen Frühling‘. Viele suchen Zuflucht innerhalb des eigenen Landes und in umliegenden Ländern. Im zweiten Halbjahr 2015 erhöhte sich deutlich die Zahl der Flüchtlinge, die einen gefährlichen Weg übers Meer hin nach Europa wagten – vorrangig aus Syrien, Afghanistan und Irak. Die weltweit höchste Flüchtlingszahl wurde in der Türkei registriert. Mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge sind Kinder. Gegenüber dem Vorjahr verdreifachte sich 2015 die Zahl der unbegleiteten oder von ihren Familien getrennten minderjährigen Flüchtlingen auf 98.400 (UNHCR 2016, 5-8).
Auch weiterhin suchen viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge[1] Zuflucht - auch in Deutschland. Insbesondere diese Zielgruppe fordert der Jugendhilfe enorme Veränderungsleistung und Entwicklung ab (vgl. Landaua 2015). Sich diesen Herausforderungen zu stellen und sie zu bewältigen bleibt auch weiterhin relevant. Dies verdeutlichen mitunter die Zahlen des ‚Bundesamts für Migration und Flüchtlinge‘. Demnach gingen insgesamt im Jahr 2015 in Deutschland 476.649 Asylanträge ein, davon 441.899 Erstanträge (zum Vergleich wurden 2014 173.072 Erstanträge gestellt). Auch veröffentlichte Zahlen von 2016 verweisen auf einen steigenden Zulauf in Deutschland. Alleine für den Zeitraum Juni 2016 wurde ein Anstieg der Asylerstanträge „um 110,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat Juni 2015“ (bamf 2016, 4) erfasst. Im Rahmen dieser Asylerstanträge stellen sich chronologisch Syrien, Afghanistan und Irak als die drei zugangsstärksten Herkunftsländern für Deutschland dar – insgesamt wie auch bezogen auf UMF. Auf diese drei Länder entfallen mehr als drei Viertel der gestellten Erstanträge (vgl. ebd.).
Bis einschließlich Januar 2016 ist die Zahl der UMF in Deutschland „auf 60.000 gewachsen“ (bumf 2016, 1). Von den Erstanträgen 2015 wurden 14.439 von unbegleiteten Minderjährigen gestellt, mehr als 30% dieser Antragsteller kamen aus Afghanistan (vgl. bamf 2015, 2f.). Insgesamt wurde über 2.922 Anträge Minderjähriger im Jahr 2015 entschieden (vgl. bamf 2015, 2f.). Die Bearbeitung von Asylanträgen nimmt in der Regel mehr Zeit in Anspruch als vorgesehen, seit 2008 haben sich bereits „über die Jahre immer mehr unbearbeitete Asylanträge aufgestaut“ (Thränhardt 2014, 6).
Die Zahl der UMF in der Stadt Aachen ist 2015 im Vergleich zum Vorjahr um rund 40% auf 741 Personen angestiegen. Dabei handelt es sich laut dem zentralen Flüchtlingsberatungszentrum in Aachen, „Café Zuflucht“, vornehmlich um Jugendliche. Sie sind häufig geprägt von traumatischen Erfahrungen, die sie vor und/ oder während ihrer Flucht erlebt haben (vgl. Café Zuflucht).
Bislang gibt es generell noch wenige Untersuchungen über die Lebenswelt unbegleiteter minderjähriger Flüchtlingen. Vielmehr wurden statistisch die sich stetig verändernden Zahlen erfasst. Kaum erforscht sind bislang Aspekte wie der Umgang mit und das Erleben von der aktuellen und neuen Lebenswelt der UMF, sowie zu Traumatisierungen und Bindungserfahrungen. Dies wird jedoch mitunter erforderlich, um bestmöglich Entwicklungsprozesse begleiten und fördern zu können, die dem Recht auf Förderung nach SGB VIII entspricht. Gesonderte Relevanz für diese Thematik wird auch durch gesetzliche Änderungen von Oktober 2015, dem ‚Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher‘, unterstrichen. Ziel ist, dass flüchtende Kinder und Jugendliche „ihren Bedürfnissen entsprechend aufgenommen und mit allen ihren Belastungen, schmerzhaften Erfahrungen und Ängsten aufgefangen“ (bmfsj 2015, 1) werden, sowie dass ihre Potentialen und Ressourcen durch Angebote gefördert werden. Aus diesen Bestimmungen lässt sich ableiten, dass Institutionen, MitarbeiterInnen des Jugendamts, Ausländeramtes, in Schulen, in Jugendhilfeeinrichtungen etc. aufgefordert sind, einen angemessenen, bedarfsgerechten Umgang mit den minderjährigen Flüchtlingen zu entwickeln. Unterstützend kann hier Praxisforschung wirken, an der es bislang jedoch mangelt. Es bedarf entsprechender Untersuchungen - auch aus der Perspektive der Lebenswelt der UMF.
Forschungsfrage und Design
Im Rahmen dieser qualitativen Forschungsarbeit konnte eine Kooperation mit einer Jugendhilfeeinrichtung in Aachen eingegangen werden. Das zum Forschungszeitpunkt fallstärkste Herkunftsland von UMF war Afghanistan, in deutlicher Mehrheit handelte es sich um männliche UMF. Dies spiegelte sich auch in der kooperierende Jugendhilfeeinrichtung wieder, in der mehrheitlich männliche Flüchtlinge aus Afghanistan untergebracht waren, sodass sich auch die Forschung auf eine qualitative Untersuchung dieser Personengruppe fokussiert.
In der näheren Untersuchung von der Lebenswelt von UMF unter Einbezug von Traumatisierungs- und Bindungserfahrungen konnte sich mangels bisheriger empirischer Erkenntnisse nicht auf vorhandene Daten gestützt werden. Aus diesem Grund wählten wir für die Untersuchung einen qualitativen Zugang[2].
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[1] Aktuell wird über die Verwendung des im Umverteilungsgesetz eingeführten Begriffs ‚unbegleiteten minderjährigen AusländerInnen‘ (UMA)diskutiert. U.a. der Bundesfachverband kritisiert diese Bezeichnung, da die besondere Schutzbedürftigkeit, existenzielle Bedrohung und Vulnerabilität in der Bezeichnung keine Anwendung findet, vielmehr die Nichtzugehörigkeit (vgl. bumf 2015).
[2] Diese qualitative Ausrichtung eignet sich durch ihren explorativen Charakter besonders, um Informationen über Strukturen und Zusammenhänge zu untersuchen, zu denen ein grundlegender Informationsbedarf besteht (vgl. Häder 2006, 69).
- Arbeit zitieren
- Jessica Hauptmann (Autor:in), 2016, Einblicke in das Bindungsverhalten junger afghanischer Flüchtlinge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369366
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