Selbstverletzung gehört zu den wohl erschreckendsten Verhaltensweisen, die bei Jugendlichen beobachtet werden können. In Deutschland fügen sich etwa 200 000 Menschen selbst Verletzungen zu. (vgl. Ackermann 2002, 11) Sie schneiden sich mit Rasierklingen, Messern oder Scherben, verbrennen sich mit Zigaretten oder reissen sich Haare aus. Solches Verhalten löst in der Umwelt Entsetzen, Unverständnis, Distanzierung und Ohnmacht aus. Woher kommen diese Verhaltensweisen? Wie hilft man den betroffenen jungen Leuten? Mich interessiert vor allem, wo die Aufgabe der Sozialpädagogik liegt. Die vorliegende Arbeit fokussiert deshalb auf folgende Fragestellung: „Welche Rolle spielt die Sozialpädagogik bei Selbstverletzendem Verhalten?“ Zu Beginn meiner Arbeit möchte ich die Thematik des selbstverletzenden Verhaltens näher erläutern. Dazu gehören Definition, Klassifikation und Einordnung, Epidemiologie, Erklärungsansätze und Risikofaktoren. Dabei versuche ich, für die Sozialpädagogik relevante Faktoren herauszuarbeiten. In einem zweiten Teil setze ich mich zuerst mit einigen Grundgedanken der Sozialpädagogik auseinander. Anschliessend beschreibe ich mögliche Aufgabenbereiche der Sozialpädagogik, welche sich aus den vorangegangenen Erläuterungen herleiten lassen. In einem Schlusskapitel möchte ich die gewonnenen Erkenntnisse auf obige Fragestellung rückbeziehen um eine annähernde Antwort zu finden. Literarisch stütze ich mich vor allem auf das Buch von Gunther Klosinski „Wenn Kinder Hand an sich legen“, erschienen 1999, und auf die Diplomarbeit von Stefanie Ackermann „Selbstverletzung als Bewältigungshandeln junger Frauen“, erschienen 2002. Die Arbeit von Ackermann ist leider das einzige, mir bekannte Buch zum Thema Selbstverletzung, das von einer Sozialpädagogin verfasst wurde. Klosinski ist Professor für Kinder und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Selbstverletzendes Verhalten
2.1 Definition
2.2 Klassifikation und Einordnung
2.2.1 Überschneidungsbereiche
2.3 Epidemiologie
2.4 Erklärungsansätze und Modelle
2.4.1 Biologische Ursachen
2.4.2 Selbstverletzung aus Sicht der Verhaltensforschung
2.4.3 Psychoanalytische Autoaggressionstheorien
2.4.4 Erfahrungshintergründe
2.4.5 Bewältigung von Gefühlen
2.4.6 Die Bedeutung des Körpers
2.5 Risikofaktoren
3. Selbstverletzendes Verhalten und Sozialpädagogik
3.1 Einige Grundsätze der Sozialpädagogik
3.2 Mögliche Aufgaben der Sozialpädagogik bei selbstverletzendem Verhalten
3.2.1 ‚Sozialpädagogisches Begleiten’
3.2.2 Primär Prävention
3.2.3 Sekundärprävention
3.2.4 Ausbau von sozialpädagogischen Angeboten
3.2.5 Öffentlichkeitsarbeit
3.2.6 Forschung
4. Schlussteil
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Selbstverletzung gehört zu den wohl erschreckendsten Verhaltensweisen, die bei Jugendlichen beobachtet werden können. In Deutschland fügen sich etwa 200 000 Menschen selbst Verletzungen zu. (vgl. Ackermann 2002, 11) Sie schneiden sich mit Rasierklingen, Messern oder Scherben, verbrennen sich mit Zigaretten oder reissen sich Haare aus. Solches Verhalten löst in der Umwelt Entsetzen, Unverständnis, Distanzierung und Ohnmacht aus.
Woher kommen diese Verhaltensweisen? Wie hilft man den betroffenen jungen Leuten? Mich interessiert vor allem, wo die Aufgabe der Sozialpädagogik liegt. Die vorliegende Arbeit fokussiert deshalb auf folgende Fragestellung: „Welche Rolle spielt die Sozialpädagogik bei Selbstverletzendem Verhalten?“
Zu Beginn meiner Arbeit möchte ich die Thematik des selbstverletzenden Verhaltens näher erläutern. Dazu gehören Definition, Klassifikation und Einordnung, Epidemiologie, Erklärungsansätze und Risikofaktoren. Dabei versuche ich, für die Sozialpädagogik relevante Faktoren herauszuarbeiten. In einem zweiten Teil setze ich mich zuerst mit einigen Grundgedanken der Sozialpädagogik auseinander. Anschliessend beschreibe ich mögliche Aufgabenbereiche der Sozialpädagogik, welche sich aus den vorangegangenen Erläuterungen herleiten lassen.
In einem Schlusskapitel möchte ich die gewonnenen Erkenntnisse auf obige Fragestellung rückbeziehen um eine annähernde Antwort zu finden.
Literarisch stütze ich mich vor allem auf das Buch von Gunther Klosinski „Wenn Kinder Hand an sich legen“, erschienen 1999, und auf die Diplomarbeit von Stefanie Ackermann „Selbstverletzung als Bewältigungshandeln junger Frauen“, erschienen 2002. Die Arbeit von Ackermann ist leider das einzige, mir bekannte Buch zum Thema Selbstverletzung, das von einer Sozialpädagogin verfasst wurde. Klosinski ist Professor für Kinder und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie.
2. Selbstverletzendes Verhalten
Um eine Antwort auf meine Fragestellung: „Welche Rolle spielt die Sozialpädagogik bei Selbstverletzendem Verhalten? “ zu finden, möchte ich mich zuerst mit grundlegenden Themen des Phänomens der Selbstverletzung auseinandersetzen.
2.1. Definition
„Selbstverletzendes und selbstzerstörerisches Verhalten umfasst eine Fülle ganz unterschiedlicher Auffälligkeiten, deren Gemeinsamkeit letztlich die Beschädigung des eigenen Körpers ist.“ (Klosinski 1999, 14)
Das Phänomen des selbstverletzenden Verhaltens hat ein breites Handlungsspektrum, das von normalem Verhalten bis hin zu schwerst krankhaften Zuständen reicht. (vgl. ebd., 10).
Betroffene nennen viele verschiedene Möglichkeiten sich zu verletzen: Schneiden, Stechen, Kratzen der Haut, Aufkratzen der obersten Hautschichten, so dass ein offene Stelle entsteht, Einführen von spitzen Gegenständen unter die Haut oder in Körperöffnungen, Kauen, Nagen und Beissen am eigenen Fleisch, Aufbeissen der Mundschleimhaut, regelmässiges Öffnen verheilender Wunden, Abzupfen von Wundschorf, Verbrennen der Haut, Verätzen der Haut mit Chemikalien, Ausreissen der Körperbehaarung, heftiges Schlagen bis hin zu Blutergüssen und Knochenbrüchen, Schlagen des Kopfes gegen harte Oberflächen, Abschüren einzelner Körperteile, um die Durchblutung zu behindern, Einnahme geringer Mengen giftiger Substanzen oder Verschlucken von Gegenständen. Schwere Formen von Selbstverletzung sind Selbstenukleation, Selbstverstümmelung der Genitalien, selbstvollzogene Amputationen ganzer Körperteile und Autokanibalismus. (vgl. ebd., 16; Smith et al. 2000, 16)
2.2 Klassifikation und Einordnung
Dass Menschen durch unterschiedliche Verhaltensweisen ihrem eigenen Körper Schaden zufügen, ist kein neues Phänomen. Selbstverletzung war schon immer Bestandteil verschiedener religiöser Rituale und Stammesriten. Auch in unserer westlichen Kultur sind gewisse Formen von Selbstschädigung durchaus üblich und akzeptiert. Deshalb machen viele Autoren eine Unterscheidung zwischen „alltäglicher, akzeptierter“, und „krankhafter“ Selbstverletzung. Unter alltäglicher Selbstschädigung versteht man also die indirekte, unbewusste Form, dem eigenen Körper Schaden zuzufügen. Dazu zählen z.B. Piercings, Bräunen der Haut, Extremsportarten etc. (vgl. Ackermann 2002, 15ff)
Bisher gibt es keine eindeutige und verbindliche Definition der direkten, krankhaften Verletzung des eigenen Körpers. Viele Autoren unterscheiden zwischen der sogenannten artifiziellen Erkrankung und der offenenen Selbstverletzung. (vgl. ebd., 15 ff).
Die WHO definiert die artifizielle Erkrankung wie folgt: „Bei Fehlen einer gesicherten körperlichen oder psychischen Störung, Krankheit oder Behinderung täuscht der Patient häufig und beständig Symptome vor. Bei körperlichen Symptomen kann dies sogar so weit gehen, dass die betreffende Person sich selber Schnittverletzungen oder Schürfwunden zufügt, um Blutungen zu erzeugen, oder sich selbst toxische Substanzen injiziert. (…)“ ( Dilling et al. 2000, 250). Zu diesen artifiziellen Störungen gehören das Münchhausen-Syndrom, sowie das erweiterte Münchhausen- Syndrom. Erstere Krankheit beinhaltet das Erfinden, Verschlimmern und Erzeugen von Krankheitssymptomen um die Krankenrolle zu erlangen, das Erzählen von hochstaplerischen Geschichten mit falschen Namen und Biographien, sowie das Aufsuchen immer wieder neuer Behandlungseinrichtungen. Beim erweiterten Münchhausen Syndrom handelt es sich um Mütter, die bei ihrem eigenen Kind Krankheiten vortäuschen, um für die Kinder die Krankenrolle zu erlangen. ( vgl. Klosinkski 1999, 25ff; Ackermann 2002, 19).
Die offene Selbstverletzung unterscheidet sich dadurch von der artifiziellen Erkrankung, dass der Betroffene dazusteht, die Verletzung selbst herbeigeführt zu haben. Die offene Selbstverletzung ist eine selbst zu gefügte, direkte, körperliche Verletzung, die nicht gezielt tödlich ist. Im ICD-10 der WHO ist die direkte Selbstverletzung nicht als Diagnose zu finden. Jedoch zählt die Selbstschädigung zu den Symptomen verschiedener anderer Diagnosen.
Folgendes Schema stellt eine Übersicht über die eben erläuterte Einteilung dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei der offenen Selbstverletzung werden drei Schweregrade unterschieden:
(vgl. Klosinski 1999, 16 ff)
- Leichte Autoaggression: Geringe Verhaltensintensität, ohne sichtbare Verletzungen, deutlicher Situationsbezug.
- Mittlere Autoagression: Intensiver, regelmässiger, automatisiert. Sichtbare Verletzungen.
- Schwere Autoaggression: Ohne erkennbaren Situationsbezug, massive Form. Keine Selbstkontrolle. Können zu lebensbedrohlichen Verletzungen führen.
Wenn ich im Folgenden von Selbstverletzung oder Autoaggression spreche, beziehe ich mich auf die offene Form der Selbstverletzung.
2.2.1 Überschneidungsbereiche
Wie bereits erwähnt, ist die offene Selbstverletzung nicht als eigentliche Diagnose im ICD-10 zu finden. Die Selbstverletzung kann ein Symptom vieler verschiedener psychischer Krankheiten sein.
„Im Zusammenhang mit Selbstverletzung taucht oft die Diagnose der Borderline- Persönlichkeitsstörung auf.“ (Ackermann 2002, 21) Da es in der Beschreibung des Borderline-Syndroms viele Parallelen zum Symptom der Selbstverletzung gibt, wird die Selbstverletzung oft als Untergruppe des Borderline-Syndrom verstanden. (vgl. ebd., 21ff)
Weiter besteht ein enger Zusammenhang zwischen Selbstverletzung und der Posttraumatischen Belastungsstörung. Zwei Drittel aller Frauen mit Selbstverletzendem Verhalten haben klare Kindheitstraumata hinter sich. (vgl. ebd., 31)
Selbstverletzungen werden oft als Selbstmordversuche verstanden. Jedoch berichten die meisten Betroffenen, dass sie sich selbst verletzen um weiterleben zu können, sie wollen schmerzhafte Bewusstheitszustände durch Selbstverletzung lindern, um so andere Anforderungen des Lebens bewältigen zu können. ( vgl. Smith et al. 2000, 22) Sachsse jedoch meint, dass Selbstverletzung und Suizid keine sich ausschliessende Gegensätze sind und in jeder Situation neu eingeschätzt werden müssen. (vgl. Sachsse 2002, 36ff)
Ackermann unterscheidet die Selbstverletzung als Krankheit von den sogenannten Krankheiten mit selbstschädigendem Charakter wie z. B. Essstörungen, Süchte, Zwanghaftes Haareausreissen ( Trichotillomanie), Zwanghafte Beschädigung von Nägeln und Haut und verschiedene psychische Krankheiten. (vgl. Ackermann 2002, 24ff)
[...]
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- lic. phil. Eliane Zürrer-Tobler (Autor), 2004, Selbstverletzendes Verhalten und Sozialpädagogik - Welche Rolle spielt die Sozialpädagogik bei Selbstverletzendem Verhalten?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36859
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