Der frühaufklärerische Poet und Hamburger Ratsherrn Barthold Heinrich Brockes [1680-1747] gehört zu den weniger bekannten Schriftstellern deutschen Literaturgeschichte.1 Sein Hauptwerk, die neunbändige Gedichtanthologie „Irdisches Vergnügen in Gott“ wurde zu Lebzeiten Brockes‘ abgewertet, ohne ihren hohen Informationsgehalt zu beachten. Denn dieses Werk, so behauptet Kimber, sei „eine Schatzkammer an Informationen über das frühe 18.Jahrhundert“ (Kim, S. 47). In meiner Arbeit befasse ich mich exemplarisch mit dem Gedicht „Die Trauben-Hyacinth“2 aus Band V des „Irdischen Vergnügen in Gott“ um dieser Behauptung nachzugehen. Ich beginne mit einer Untersuchung der formalen Mittel des Gedichtes sowie einer Inhaltserschließung mit der Methode des semiotischen Strukturalismus. Dies soll der Ausgangspunkt für weitere, historisch gebundene Untersuchungen sein. Zum einen soll hier nach spezifischen Grundsätzen für die Epoche der Aufklärung gesucht werden. Zum anderen werde ich Referenzen zu zeitgenössischen Diskursen aufgreifen. Mein Hauptanliegen ist dabei, den Diskurs in seiner historischen Bedeutung darzustellen und seine Anwendung in Brockes‘ „Trauben-Hyacinth“ sichtbar zu machen. 1 Meine Ausführungen hierzu stützen sich auf folgende Quelle: Ida M. Kimber: Barthold Heinrich Brockes‘ Irdisches Vergnügen in Gott als zeitgenössisches Dokument. In: Barthold Heinrich Brockes (1680- 1747) Dichter und Ratsherr in Hamburg. Neue Forschungen zu Persönlichkeit und Wirkung. Hamburg 1980, S. 45-70; fortan: Kim 2 Entnommen aus: Barthold Heinrich Brockes. Die Trauben-Hyacinth. In: B. H. Brockes Irdisches Vergnügen in Gott. Stuttgard 1999, Band V des Irdischen Vergnügen in Gott nicht erhältlich war.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Inhalt vor Form – die dienende Funktion formaler Mittel
II.1. Satzstruktur und Sinnesabschnitte
II.2. Die Regelmäßigkeit des Metrums
II.3. Reim und Versform
III. Irdisches Vergnügen in Gottes Schöpfung
III.1. Die Betrachtung der Blume
III.2. Die ‚Sternchen‘
III.3. Gottes Werk
IV. Auswirkungen der Stilsenkung
IV.1. Stilsenkung bei Brockes
IV.2.Metapher und Allegorie
V. Betrachten und Beschreiben - frühaufklärerische Naturlyrik
V.1. Erkenntnisinteresse
V.2. Mikro- und Makrokosmos
V.3. Gemütsregung
VI. Die Offenbarung Gottes in der Natur
VI.1.Die Gartennatur
VI.2. Die zwei Bücher
VI.3. Natürliche Religion
VII. Physikotheologie- Naturwissenschaften als Beweis der göttlichen Lehre
VII.1. Die Lehre
VII.2. Erkenntnisse
VII.3. Vorgehensweise
VIII. Theodizee- die Grundlage der Brockesschen Dichtungsauffassung
VIII.1. Die Debatte um Gottes Schöpfung
VIII.2. Brockes Dichtungsauffassung
VIII.3. Die Theodizee in der „Trauben-Hyacinth“
IX. Ergebnisse der Interpretation
IX.1. Ein Lehrgedicht zu den Wissenschaften in der Aufklärung
IX.2. Die inhaltlichen und formalen Ansprüche
IX.3. Möglichkeiten für weitere Untersuchungen
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Der frühaufklärerische Poet und Hamburger Ratsherrn Barthold Heinrich Brockes [1680-1747] gehört zu den weniger bekannten Schriftstellern deutschen Literaturgeschichte.[1] Sein Hauptwerk, die neunbändige Gedichtanthologie „Irdisches Vergnügen in Gott“ wurde zu Lebzeiten Brockes‘ abgewertet, ohne ihren hohen Informationsgehalt zu beachten. Denn dieses Werk, so behauptet Kimber, sei „eine Schatzkammer an Informationen über das frühe 18.Jahrhundert“ (Kim, S. 47).
In meiner Arbeit befasse ich mich exemplarisch mit dem Gedicht „Die Trauben-Hyacinth“[2] aus Band V des „Irdischen Vergnügen in Gott“ um dieser Behauptung nachzugehen.
Ich beginne mit einer Untersuchung der formalen Mittel des Gedichtes sowie einer Inhalts-erschließung mit der Methode des semiotischen Strukturalismus. Dies soll der Ausgangspunkt für weitere, historisch gebundene Untersuchungen sein. Zum einen soll hier nach spezifischen Grundsätzen für die Epoche der Aufklärung gesucht werden. Zum anderen werde ich Referenzen zu zeitgenössischen Diskursen aufgreifen. Mein Hauptanliegen ist dabei, den Diskurs in seiner historischen Bedeutung darzustellen und seine Anwendung in Brockes‘ „Trauben-Hyacinth“ sichtbar zu machen.
II. Inhalt vor Form – die dienende Funktion formaler Mittel
II.1. Satzstruktur und Sinnesabschnitte
In dem Gedicht betrachtet ein artikuliertes Ich eine solche Blume und entdeckt im Inneren ihrer Blüte Formen, die Assoziationen mit dem Sternenhimmel aufkommen lassen. Beides sind für das Ich Gottes Werk und erinnern es an dessen Schöpfungskraft.
Das Gedicht ist durch seine hypotaktische Satzstruktur in fünf Sinnesabschnitte einzuteilen. Im ersten Abschnitt (Verse 1-6) nähert sich das artikulierte Ich der Traubenhyazinthe und beginnt mit seiner Betrachtung. Diese beschränkt sich im zweiten Abschnitt (Verse 7-14) zunehmend auf die Blüte der Pflanze und wird detaillierter. So entdeckt das Ich im dritten Abschnitt (Verse 15-24) Gemeinsamkeiten zwischen der Hyazinthenblüte und dem Sternen-himmel. Im vierten Abschnitt (Verse 25-39) erkennt das artikulierte Ich in beidem Gottes Macht und ergeht sich in Lobpreisungen über den Schöpfer. Diese führen das Ich im letzten Abschnitt (Verse 40-49) zu der Lehre, das der Mensch Gott in seinen Werken erkennen und sich seiner erinnern soll.
Jeder der Sinnesabschnitte umfaßt ein komplexes Satzgefüge. Brandl nennt den Schreibstil Brockes‘ ausgesprochen prosanah.[3] Die durch ihre Alltäglichkeit leicht verständliche Satz-struktur erlaubt es dem Dichter seine „Aufmerksamkeit [...] auf den Inhalt“ (Brandl, S. 130) und dessen Vermittlung zu lenken.
II.2. Die Regelmäßigkeit Metrums
Das Gedicht steht durchgehend in vierhebigen, alternierend trochäischen Versen. Dieses gleichmäßige, harmonische Metrum wird jedoch durch katalektische Verse (Verse 3, 4, 5, 6, 8, 9, 11, 12, 15, 16, 21, 23, 27, 28, 30, 31, 33, 36, 37) gestört. Bei der Aufeinanderfolge einer katalektischen und einer trochäischen Verszeile kommt es zu asynaptischen Versüber-gängen: Die beiden aufeinanderfolgenden Hebungen isolieren die Verse voneinander und hemmen den fortlaufenden Sprechfluß im Gedicht.
Die Übereinstimmung von Versende und Teilsatzende ist nicht immer gegeben, einige En-jambements (Verse 3-4, 5-6, 7-8, 9-10, 11-12, 15-17, 23-24, 37-38, 45-46) treten auf. Es handelt sich aber ausnahmslos um glatte Zeilensprünge, so daß die Syntagmen eines Teil-satzes nicht getrennt werden. Enjambements und katalektische Verse fallen häufig gar zu-sammen (Verse 3, 5, 9, 11, 15, 16, 23, 37). Dies erhöht das Spannungsverhältnis zwischen den beiden aufeinanderfolgenden Versen. Durch die erzwungenen Stockungen werden die Verse mehr in Bewußtsein des Rezipienten gerückt.
Die Gleichmäßigkeit des Metrums wird durch Elisionen, Zerdehnungen[4] und Akzentbeu-gungen gefördert. Durch Elisionen wie „Verwundrung“ (Vers 4) und „ofnen“ (Vers 17), wird durch Auslassung eines unbetonten ‚E’s das Aufeinanderfolgen zweier Senkungen
verhindert[5]. Mit der Einfügung eines unbetonten ‚E‘s wie in „zeiget“ (Vers 4), „schmücket“ (Vers 13) und „erblicket“ (Vers 14) hingegen, wird zwischen zwei Hebungen eine Senkung eingeschoben. Brockes macht zudem auch „Ausnahmen vom strengen Accent-gesetze Opitz‘“ (Brandl, 1878, S. 125), indem er die natürliche Betonung eines Wortes vernachlässigt und es in eine metrische Form preßt. In der „Trauben-Hyacinth“ liegen Akzentbeugungen bei den Worten „Natur“ (Vers 5) und „dadurch“ (Vers 23) vor.
Auch die Lyrik der Frühaufklärung erhebt den Anspruch, durch den „Einsatz metrischer und rhythmischer Techniken auf ihre jeweilige Botschaft aufmerksam zu machen“[6], doch besitzen diese „poetischen Mittel [...] eine primär dienende Funktion“ (Alt2, S. 126; Auslassung von mir: Verfasserin S. W.) in bezug auf die Botschaft der Dichtung. Sie sollen die Aussagekraft der Worte verstärken. Daher sind Kunstgriffe wie Elisionen und Akzentbeugungen nicht als Beweis mangelnder Kunstfertigkeit des Dichter, sondern als Bemühen um die Vermittlung der Gedichtaussage zu sehen.
[...]
[1] Meine Ausführungen hierzu stützen sich auf folgende Quelle: Ida M. Kimber: Barthold Heinrich Brockes‘
Irdisches Vergnügen in Gott als zeitgenössisches Dokument. In: Barthold Heinrich Brockes (1680-1747) Dichter und Ratsherr in Hamburg. Neue Forschungen zu Persönlichkeit und Wirkung. Hamburg 1980, S. 45-
70; fortan: Kim
[2] Entnommen aus: Barthold Heinrich Brockes. Die Trauben-Hyacinth. In: B. H. Brockes Irdisches
Vergnügen in Gott. Stuttgard 1999, Band V des Irdischen Vergnügen in Gott nicht erhältlich war.
[3] vgl. Alois Brandl: Barthold Heinrich Brockes. Nebst darauf bezüglichen Briefen von J. H. König an J. J. Bodmer. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert. Innsbruck 1878, S.130;
fortan: Brandl
[4] „Das Brockes mit Elisionen und Zerdehnungen nicht sparsam umgieng [sic!], um die Wörter in die
metrischen Formen zu zwängen, haben wir bereits gemerkt“. (Brandl, S.126)
[5] Weitere Elisionen finden sich mit „Farb“ (Vers 3), „Blüt“ (Vers 9), „kont“ (vers 18), „Ein‘ “ (Vers 42).
[6] Peter-André Alt: Aufklärung. Lehrbuch Germanistik. Stuttgard 1996, S.126; fortan: Alt2
- Citar trabajo
- Sarah Weier (Autor), 2002, Interpretation des Gedichtes 'Die Trauben-Hyacinth' von B. H. Brockes, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36744
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