Das Werk ist eine wissenschaftliche Arbeit, eingereicht 2009 zur Erlangung des Ersten Staatsexamens für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen. Zentral beschäftigt sich die Examensarbeit mit Dietrich von Bern, dem wohl bedeutendsten Helden mittelalterlicher deutscher Literatur und seiner literarischen Repräsentation in der sogenannten "aventiurehaften Dietrichepik". Als Grundlage dienen verschiedene Handschriften folgender aventiurehafter Dietrichepen: "Das Eckenlied", "König Laurins Rosengarten" und "Der Rosengarten zu Worms".
Um Dietrich von Bern völlig erfassen und verstehen zu können, muss berücksichtigt werden, wie das Gesamtbild seines Charakters über die Jahrhunderte präsentiert und verändert wurde. Daher sollen neben einer Kurzcharakteristik Dietrichs von Bern, wie ihn die historischen Dietrichepen repräsentieren, auch weitere dichterische und nicht-dichterische Quellen Eingang in diese Arbeit finden, da viele Historiographien, Chroniken, Heiligenlegenden etc. mit ihren Berichten über Theoderichs Wirken auf Erden, viel wichtiger aber noch durch Berichte über seinen Tod, den Ruf des gotischen Heerführers für Jahrhunderte prägten.
Diese Arbeit kann und will nicht den Anspruch einer absoluten Figurenanalyse Dietrichs in der aventiurehaften Dietrichepik erheben. Dafür müssten sämtliche aventiurehaften Dietrichepen samt ihrer Textvarianten so detailliert wie möglich bearbeitet werden, was jedoch die Möglichkeit einer Staatsarbeit übersteigen würde.
Neben den drei genannten Werken werden auch weitere aventiurehafte sowie historische Dietrichepen, wenn auch nur im geringen Umfang, an geeigneter Stelle in die Arbeit miteinbezogen, um anhand von Parallelen, aber auch Abweichungen, Dietrichs literarische Gestalt zu analysieren.
Beim Rosengarten zu Worms und bei König Laurins Rosengarten habe ich mich auf die Fassungen A , beim Eckenlied auf Fassung L gestützt, da die jeweiligen Fassungen in der germanistischen Forschung als Urformen der Texte bzw. den Urformen der Texte am nächsten kommend gelten.
Aufgrund der Tatsache, dass das ‚Eckenlied L’ nur fragmentarisch vorliegt, d.h. genauer nach Strophe 245,6 abbricht, habe ich mich auf das letztendliche Ziel von Dietrichs Reise im Eckenlied, nämlich seiner Ankunft bei den drei Königinnen auf Jochgrimm, gemäß der Fortsetzung aus ‚Eckenlied d’ gerichtet, wie es von Brévart dargelegt wird.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Die mhd. Dietrichepik: eine kurze Einführung
1.1 Historische Dietrichepik
1.2 Aventiurehafte Dietrichepik
1.3 Reihenkampfepen
1.4 Epen im Umfeld der mittelhochdeutschen Dietrichepik
2. Auf den Spuren Dietrichs von Bern
2.1 Das historische Vorbild
2.2 Überlieferungen von Theoderichs Leben und Tod über die Jahrhunderte
2.2.1 Der Tod als Strafe Gottes
2.2.2 Der Sturz in den Vulkan
2.2.3 Der Höllenreiter
2.3 Die historische Dietrichepik über Dietrich von Bern
3. Dietrich von Bern in der aventiurehaften Dietrichepik
3.1. Rosengarten zu Worms
3.1.1 Zum Aufbau des Textes
3.1.2 Märchenmotive im ‚Rosengarten A’
3.1.3 Sagenmotive im ‚Rosengarten A’
3.1.4 Dietrich von Bern und das Personal im ‚Rosengarten A’
3.2 König Laurins Rosengarten
3.2.1 Zum Aufbau des Textes
3.2.2 Märchenmotive im ‚Laurin A’
3.2.3 Sagenmotive im ‚Laurin A’
3.2.4 Dietrich von Bern und das Personal im ‚Laurin A’
3.3 Eckenlied
3.3.1 Zum Aufbau des Textes
3.3.2 Märchenmotive im ‚Eckenlied L’
3.3.3 Sagenmotive im ‚Eckenlied L’
4. Einige weitere Überlegungen zu Dietrich von Bern
4.1 Dietrich von Bern: Held oder Abenteurer?
4.2 Dietrich von Bern und Helden heutzutage
5. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
I. GRUNDLAGENLITERATUR
II. SEKUNDÄRLITERATUR
II.1 Allgemeine Einführungen
II.2 Literatur zum Rosengarten zu Worms
II.3 Literatur zu König Laurins Rosengarten
II.4 Literatur zum Eckenlied
Vorwort
Wenn man heute die Frage stellte, welche Gestalt wohl als größte und berühmteste Heldenfigur mittelalterlicher deutscher Dichtung gelte, würde man sicherlich den Namen „Siegfried“ vernehmen, eben jener Siegfried, der uns aus dem um 1200 entstandenen, in mittelhochdeutscher Sprache verfassten Nibelungenlied bekannt ist. Vor einigen Jahrhunderten jedoch hätte die Antwort noch „Dietrich von Bern“ geheißen.
Wer aber war dieser Dietrich von Bern? Durch die germanistische Forschung gilt heute als gesichert, dass es sich bei Dietrich von Bern um die literarische (Um-)Gestaltung des historisch bezeugten Gotenführers Theoderich den Großen handelt. In Sagen und Liedern, die vom 9. Jahrhundert (Älteres Hildebrandlied) bis ins 17. Jahrhundert (Heldenbuch-Drucke) reichen, ja sogar in weiteren verschiedenartigen Textzeugnissen und auch Bildnissen, ist er uns überliefert. Zudem fand Dietrich auch Erwähnung in der altenglischen („The Lament of Deor“[1], Waldere [2] ) und nordischen Dichtung (Thidrekssaga [3] ).
Im Bereich germanisch-deutscher Heldendichtung bilden die Dietrichsagen und -epen, neben den Sagen um die Nibelungen, einen eigenen großen Heldensagenkreis, in dem Dietrich von Bern der Haupthandlungsträger ist.
Während sich die Forschung über viele Jahrzehnte bereits ausgiebig mit dem Nibelungenstoff beschäftigt hat, wurde sie den heldenepischen Erzählungen von Dietrich und seinen Männern, welche sich zu ihrer Zeit großer Beliebtheit erfreut haben mussten – das beweisen schon die zahlreichen Handschriften und Drucke der einzelnen Dietrichepen –, leider unzureichend gerecht.
Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts erschienen vermehrt Aufsätze zur wissenschaftlichen Annäherung an die Dietrichdichtung, doch bedarf der Stoff noch weiterer Erforschung. Einerseits wurden formale und inhaltliche Strukturen analysiert sowie Sagen- und Quellenforschung stets eifrig vorangetrieben. Interessanterweise wurde andererseits jedoch Dietrich selbst, als Hauptfigur der Dietrichdichtung, nur in der historischen Dietrichepik ausgiebig analysiert, da man dort mögliche Parallelen zu Theoderich dem Großen ziehen konnte. Eine detaillierte Analyse der literarischen Figur seitens der aventiurehaften Dietrichepik blieb aber bislang unberücksichtigt.
Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Arbeit der Versuch unternommen, die literarische Gestalt Dietrich von Bern, unter Berücksichtigung von Sagen- und Märchenmotiven und im Vergleich zu seinem historischen Vorbild, innerhalb der aventiurehaften Dietrichepik zu untersuchen und zu analysieren. Um allerdings Dietrich von Bern völlig erfassen und verstehen zu können, muss eben auch berücksichtigt werden, wie das Gesamtbild seines Charakters über die Jahrhunderte präsentiert und verändert wurde. Daher sollen neben einer Kurzcharakteristik Dietrichs von Bern, wie ihn die historischen Dietrichepen repräsentieren, auch weitere dichterische und nicht-dichterische Quellen Eingang in diese Arbeit finden, da viele Historiographien, Chroniken, Heiligenlegenden etc. mit ihren Berichten über Theoderichs Wirken auf Erden, viel wichtiger aber noch durch Berichte über seinen Tod, den Ruf des gotischen Heerführers für Jahrhunderte prägten.
Die vorliegende Arbeit kann und will nicht den Anspruch einer absoluten Figurenanalyse Dietrichs in der aventiurehaften Dietrichepik erheben. Dafür müssten sämtliche aventiurehaften Dietrichepen samt ihrer Textvarianten so detailliert wie möglich bearbeitet werden, was jedoch die Möglichkeit einer Staatsarbeit übersteigen würde.
Für diese Analyse wurden drei Werke ausgewählt, die die aventiurehafte Dietrichepik, vor allem den Protagonisten ebendieser, angemessen repräsentieren sollen, nämlich (a) der Rosengarten zu Worms, (b) König Laurins Rosengarten und (c) das Eckenlied.
Nichtsdestotrotz werden auch weitere aventiurehafte sowie historische Dietrichepen, wenn auch nur im geringen Umfang, an geeigneter Stelle in die vorliegende Arbeit miteinbezogen, um anhand von Parallelen, aber auch Abweichungen, Dietrichs literarische Gestalt zu analysieren.
Beim Rosengarten zu Worms und bei König Laurins Rosengarten habe ich mich auf die Fassungen A[4], beim Eckenlied auf Fassung L[5] gestützt, da die jeweiligen Fassungen in der germanistischen Forschung als Urformen der Texte bzw. den Urformen der Texte am nächsten kommend gelten.
Aufgrund der Tatsache, dass das ‚Eckenlied L’ nur fragmentarisch vorliegt, d.h. genauer nach Strophe 245,6 abbricht, habe ich mich auf das letztendliche Ziel von Dietrichs Reise im Eckenlied, nämlich seiner Ankunft bei den drei Königinnen auf Jochgrimm, gemäß der Fortsetzung aus ‚Eckenlied d’[6] gerichtet, wie es von Brévart[7] dargelegt wird.
1. Die mhd. Dietrichepik: eine kurze Einführung
Was verstehen wir unter dem Begriff „Dietrichepik“? Die einfachste Definition bietet Heinzle[8], der sie als „Gruppe erzählender Versdichtungen in mittelhochdeutscher Sprache“ (Heinzle 1999, 1) mit Dietrich von Bern als ihrem Haupthelden versteht. Für die meisten Dietrichepen mag das natürlich der Fall sein, doch wäre es falsch, eine Pauschalaussage darüber zu machen.
Zum Beispiel ist im ersten Teil von Alpharts Tod der junge Alphart Haupthandlungsträger. Dasselbe gilt auch für das Eckenlied, in welchem Ecke bis zu seiner Begegnung mit dem Berner die zentrale Figur ist. Und in den Sagen von Ortnit und Wolfdietrich sowie in Biterolf und Dietleib ist Dietrich selbst kein oder nur in geringem Maße handelnder Charakter. Stattdessen wird hier die Geschichte seiner Verwandten erzählt.
Bevor es allerdings zu den einzelnen Versdichtungen kam, wurden die einzelnen Dietrichsagen lange Zeit mündlich tradiert. Die germanistische Forschung vermutet heute, dass die meisten, vielleicht sogar alle, Heldenepen um Dietrich von Bern im 13. Jahrhundert verfasst wurden. Außerdem sind die meisten der mittelhochdeutschen Dietrichepen anonym überliefert:
Nur einmal ist ein Verfasser (Albrecht von Kemenaten im ‚Goldemar’) und einmal ein Bearbeiter (Heinrich der Vogler in ‚Dietrichs Flucht’) genannt… Im übrigen sind die Texte anonym. Das ist nicht Zufall, sondern entspricht einem Gesetz der Gattung: die Verfasser von Heldendichtung bleiben in aller Regel namenlos, weil sie sich nur als Glieder in der Kette derer verstehen, die ‚Vorzeitkunde’ tradieren (Heinzle 1999, 29)
Die Tradierung von „Vorzeitkunde“ wie es Heinzle nennt, bedeutet nichts anderes, als dass die Verfasser der Dietrichepen letztlich Bearbeiter des lange zuvor mündlich überlieferten Dietrich-Sagengutes gewesen sind.
Um die Frage der Definition von Dietrichepik exakter beantworten zu können, muss diese in mehrere Bereiche untergliedert werden.
1.1 Historische Dietrichepik
In der historischen Dietrichepik werden Ereignisse aus dem Leben Theoderichs des Großen auf Dietrich von Bern übertragen. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass Geschehnisse hinzugedichtet wurden, die entweder historisch nicht bezeugt oder deplaziert sind. So war Theoderich der Große beispielsweise kein Zeitgenosse Attilas, da dieser bereits vor Theoderichs Geburt gestorben war.[9] Inhaltlich berichten die historischen Dietrichepen hauptsächlich vom Kampf Dietrichs gegen politische Gegner, vor allem Ermanarich und Odoaker.
Dietrichs Flucht [10]
Dieses Großepos von 10152 Versen in Reimpaaren, auch unter dem Titel Buch von Bern bekannt, ist in vier Handschriften vom späten 13. bis ins frühe 16. Jahrhundert sowie in einem Fragment aus dem 14. Jahrhundert gemeinsam mit der Rabenschlacht überliefert und stellt die Vorgeschichte zu dieser dar. Heinrich der Vogler gilt als Bearbeiter des Epos, da er sich selbst als Verfasser im Werk identifiziert.
Zum Inhalt:
Dietrichs Flucht erzählt die Geschichte vom Kampfe Dietrichs gegen Ermanarich, der auf Anraten seines Ratgebers Sibiche Sohn und Neffen hinrichten lässt, um sich anschließend Dietrich selbst anzunehmen. Obwohl Dietrich sich im Schlachtgeschehen als der Überlegenere erweist, gelingt es ihm nicht, Ermanarich gefangen zu nehmen, da dieser noch rechtzeitig fliehen kann. Auf seiner Flucht fallen Ermanarich sieben Helden aus Dietrichs Gefolge in die Hände. Dietrich, der von der Gefangennahme seiner Getreuen erfährt, übergibt, auf Anordnung Ermanarichs, diesem seinen vollständigen Besitz im Tausch für das Leben der sieben Helden. Zusammen mit seinen Gefolgsleuten zieht er daraufhin ins Exil, wo er am Hunnenhof des Königs Etzel Zuflucht findet. Mit der hunnischen Unterstützung schlägt Dietrich später zwei weitere Schlachten gegen das Heer Ermanarichs, aus denen er jeweils als Sieger hervorgeht. Allerdings ändern seine Siege nichts an seiner Lage, da Dietrich jedes Mal zu Etzels Hof zurückkehrt.
Rabenschlacht [11]
Als umfangreiches Epos von 1132 Versen ist es grundsätzlich mit Dietrichs Flucht gemeinsam überliefert. Daher sind ebenfalls vier Handschriften vom ausgehenden 13. Jahrhundert bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts sowie ein Fragment der Rabenschlacht aus dem 14. Jahrhundert überliefert. Das Epos steht mit Dietrichs Flucht in enger Verbindung und bildet gewissermaßen die Fortsetzung. Anders als bei diesem jedoch, ist uns der Verfasser der Rabenschlacht unbekannt.
Zum Inhalt:
Nach seiner Rückkehr an den Hunnenhof beklagt Dietrich den Tod seiner gefallenen Brüder. Etzel bereitet daraufhin ein neues Heer vor, damit Dietrich dieses Mal der Sieg über Ermanarich gelinge. Herrat, die Tochter von Helche, Gemahlin von Etzel, wird mit Dietrich verheiratet und ihre Zusammenkunft wird anschließend ausgiebig gefeiert. In einem Traum Helches sieht sie, wie ihre Söhne Orte und Scharpfe von einem Drachen verschleppt werden und anschließend den Tod finden. Als kurz darauf das Heer zum Abmarsch bereit ist, bitten die Etzelsöhne Vater und Mutter, zusammen mit Dietrich in die Schlacht ziehen zu dürfen. Obwohl ihre Eltern gegen diesen Schritt sind, gewähren sie den Söhnen auf Dietrichs Fürsprache und Versprechen, gut auf sie zu achten, ihren Wunsch und lassen sie ziehen. Zunächst zieht die Streitmacht nach Bern, wo Dietrich die Etzelsöhne und seinen jüngeren Bruder Diether dem alten Elsan anvertraut. Im Anschluss ziehen Dietrich und seine Männer weiter Richtung Ravenna, wo sie auf die Streitmacht Ermanarichs stoßen. Dietrichs Heer behält trotz mehrtägigen erbitterten Kampfs die Oberhand und schlägt das feindliche Heer. Während Ermanarich die Flucht gelingt, stoßen Diether und die Etzelsöhne nahe Ravenna auf Witege und werden von diesem im Kampf getötet. Als Dietrich von Helpfrich über den Tod seines Bruders sowie Etzels Söhnen unterrichtet wird, beklagt er deren Tod und erkennt bei der Untersuchung ihrer Leichen, dass die tödlichen Wunden von Witeges Schwert Mimung geschlagen wurden. Vom Zorn übermannt, reitet er Witege hinterher, der sich in Begleitung seines Onkels Rienolt befindet. Während Witege die Konfrontation mit Dietrich zu vermeiden versteht, stellt sich Rienolt zum Kampf und wird von Dietrich erschlagen. Am Meer angelangt, hat Dietrich Witege fast eingeholt, als plötzlich das Meerweib Wachthilt erscheint, das Witege mitsamt seinem Pferd in ihr Königreich auf dem Meeresgrund mitnimmt und ihn somit vor Dietrichs Rache bewahrt. Als sie wieder zurück in Ravenna sind, greifen Dietrich und seine Recken die Stadt an, in der sich Ermanarich verschanzt hat. Ermanarich kann abermals flüchten, als Dietrich in der Stadt Feuer legen lässt und somit die Einwohner zur Aufgabe zwingt. Rüdeger reitet zum Etzelhof voraus und überbringt dem Herrscherpaar die Kunde vom Tode Orte und Scharpfes. Etzel und Helche beklagen den Tod ihrer Söhne und sehen die Schuld in Dietrich. Letztendlich verzeihen sie ihm aber und nehmen ihn wieder an ihrem Hof auf.
Alpharts Tod [12]
Als bruchstückhaftes Epos aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, bestehend aus 469 Strophen, gehört dieses Werk ebenfalls der historischen Dietrichepik an. Es ist vermutlich im rheinfränkischen Raum entstanden und in drei Handschriften aus dem 15. Jahrhundert überliefert. Auch hier ist der Verfasser nicht bekannt.
Zum Inhalt:
Der Anfang des Werkes fehlt. Im Auftrag Kaiser Ermanarichs reist Heime zum Hofe Dietrichs von Bern, um ihm den Kampf anzusagen. Als er von Dietrich an sein triuwe -Versprechen erinnert wird, gelobt er ihm, dass weder er noch Witege gegen Dietrich das Schwert erheben werden und kehrt anschließend zu Ermanarich zurück. In Bern bereiten sich unterdessen die Helden auf den bevorstehenden Kampf vor. Alphart, ein junger Recke an Dietrichs Hof und Bruder Wolfharts, bietet sich zu einem Erkundungsritt an und verlässt – trotz vielfacher Warnungen – kurz darauf Bern. Hildebrand, der sich durch eine Rüstung unkenntlich gemacht hat, reitet Alphart heimlich hinterher und fordert ihn zum Kampf heraus, um ihn sicher nach Bern zurück zu bringen. Er kehrt jedoch zum Berner Hof allein zurück, da er von Alphart besiegt und nur durch die Identifikation seiner Person von diesem verschont wurde. Ermanarich hat nach der Rückkehr und Berichterstattung Heimes einen Trupp von 80 Mann unter Führung von Herzog Wülfing gen Bern ausgesandt. Als Alphart auf Wülfing und seine Gefolgsleute trifft, entbrennt ein schwerer Kampf, bei dem der Herzog und 72 seiner Krieger ihr Leben verlieren. Nachdem die Überlebenden zu Ermanarich zurückgekehrt sind und ihm von der Vernichtung seines Spähtrupps berichtet haben, erklärt sich Witege dazu bereit, den nächsten Erkundungsritt zu unternehmen. Unwissentlich wird er dabei von Heime verfolgt. Beim Zusammentreffen zwischen Alphart und Witege kommt es zum Kampf, den Alphart gewinnt. Seinen Gegner, der wehrlos vor ihm liegt, verschont er. Als Alphart Witege gefangen nehmen möchte, greift Heime plötzlich ein. Auch er wird von Alphart besiegt, doch anschließend greifen ihn beide gleichzeitig an und schlagen ihm tiefe Wunden. Letztlich wird Alphart von Witege getötet. Eine weitere Lücke in der Handschrift. Der Text setzt wieder an, als Hildebrand nach Brisach reitet, um bei den Einwohnern um Hilfe gegen die Streitmacht Ermanarichs zu bitten. Eckehart erhört dessen Bitte und schart weitere Helden um sich, die sich zu einem großen Heer versammeln. In der Nacht stößt Hildebrand auf zwei Männer Ermanarichs. Obwohl sich Hildebrand gegenüber den Helden als Gefolgsmann Ermanarichs ausgibt, erkennen diese den Schwindel und greifen ihn an. Durch Hornsignale erscheinen beide Heere auf dem Schlachtfeld und schlagen eine erbitterte Schlacht, aus der die Streitmacht der Berner siegreich hervorgeht. Während die Überlebenden auf Seiten Ermanarichs die Flucht ergreifen, nehmen Hildebrand und seine Leute große Reichtümer an sich und ziehen danach gen Bern. In einer weiteren Schlacht vor Bern treiben Dietrichs Recken Ermanarichs zweites Heer in die Flucht und erbeuten weitere Schätze, die unter den Berner Helden aufgeteilt werden. Als die Hilfstruppen wieder nach Brisach zurückziehen, beklagt Dietrich die in der Schlacht Gefallenen sowie den Tod des jungen Helden Alphart.
1.2 Aventiurehafte Dietrichepik
Die aventiurehafte Dietrichepik entfernt sich sehr stark vom historischen Vorbild Theoderich dem Großen. Nur vereinzelt finden sich Anspielungen auf historische Geschehnisse wie die Schlacht von Raben (z.B. im ‚Eckenlied L’ Str. 198). Insgesamt berichten die Heldenepen der aventiurehaften Dietrichdichtung von verschiedenen Abenteuern Dietrichs von Bern, die dieser in seiner Jugend gegen verschiedene phantastische Kreaturen wie Riesen, Zwerge und Drachen bestehen muss. Manchmal wird dieser Teilbereich der Dietrichdichtung auch als „märchenhafte“ Dietrichepik bezeichnet. Diese Bezeichnung ist insoweit zu unterstützen, da sämtliche Gestalten, die Dietrich hier zu überwinden hat, aus dem Bereich des Phantastischen/Märchenhaften entstammen. Zudem finden auch zahlreiche Zauberutensilien in den verschiedenen Epen Anwendung. Wenn man sich jedoch mit der Text- und Erzählstruktur sowie der inhaltlichen Ausrichtung der Werke näher beschäftigt, stellt man fest, dass sich diese Heldendichtungen sehr stark am Aventiurecharakter des Artusromans orientieren, obwohl es stets auch gewisse Abweichungen vom absoluten Artusroman gibt. So muss Dietrich beispielsweise im Laurin keine Aventiure bestehen, um durch sie von einer früheren Verfehlung losgesprochen zu werden, so wie es zum Beispiel für Erec der Fall ist. Stattdessen unternimmt er hier die Aventiure, damit er seinen Ruf als der größte, ehrenvollste und ruhmreichste Herrscher bestätigen kann. Ähnlich wie bei den Werken der historischen Dietrichepik liegt die Vermutung nahe, dass die meisten, vielleicht auch alle Epen der aventiurehaften Dietrichepik im 13. Jahrhundert verfasst wurden. Zudem sei noch erwähnt, dass es bei fast allen aventiurehaften Dietrichepen mehrere Fassungen eines Werkes gibt, die sich inhaltlich teilweise sehr stark unterscheiden. Dies ist wohlmöglich auf die lange mündliche Überlieferung der Sagen um Dietrich von Bern zurückzuführen, wobei die Fahrenden ihre eigenen dichterischen Aus- bzw. Umgestaltungen in die Sagen einfließen ließen. Da die verschiedenen Fassungen der Epen sich teilweise doch stark voneinander unterscheiden, geht Bernreuther[13] sogar so weit, diese Epen als eigenständige Werke anzusehen[14].
Virginal [15]
Die Virginal, auch bekannt als Dietrichs erste Ausfahrt, Dietrich und seine Gesellen bzw. Dietrichs Drachenkämpfe, ist ein Epos aus dem aventiurehaften Dietrichkomplex, das im 13. Jahrhundert vermutlich im schwäbisch-allemannischen Raum entstanden ist. Der Verfasser ist unbekannt. In drei Handschriften und zehn Fragmenten vom frühen 14. bis ins späte 15. Jahrhundert ist uns das Virginal -Epos überliefert. Drei Fassungen des Textes lassen sich ausmachen, die sich inhaltlich (leicht) voneinander unterscheiden.
Zum Inhalt:
‚Heidelberger Virginal’ (1097 Strophen): In Begleitung Hildebrands zieht Dietrich in die Wälder von Tirol, um das Reich der Königin Virginal vom Heiden Orkise zu befreien. Unter Virginals Gefolge wird ein junges Mädchen als Tribut für den Heiden bestimmt. Hildebrand, der dies wahrnimmt, eilt herbei und rettet das Mädchen, indem er Orkise erschlägt. Bei seiner Rückkehr zum jungen Dietrich ist dieser in einen Kampf mit weiteren Heiden verwickelt, doch gelingt es ihm, durch Hildebrands Unterstützung, den Sieg zu erringen. Als Dank für ihre Rettung werden Dietrich und Hildebrand von dem jungen Mädchen nach Jeraspunt, dem Herrschaftssitz der Königin, eingeladen. Sie geht voraus und berichtet Virginal von der Hilfeleistung der beiden, woraufhin die Königin ihren Boten, den Zwerg Bibung, zu Dietrich und Hildebrand aussendet. Als Bibung die beiden Krieger erreicht, befinden sich diese erneut im Kampf, dieses Mal jedoch gegen viele Drachen. Einer der Drachen trägt in seinem Maul einen Ritter, den Hildebrand retten kann. Es ist Rentwin, ein Großneffe Hildebrands. Nach erfolgreichem Kampf ziehen Dietrich und Hildebrand weiter nach Arona zur Burg von Rentwins Eltern. Bibung folgt ihnen und überbringt die Einladung der Königin. Nach vierzehn Tagen machen sich die Helden nach Jeraspunt auf. Dietrich, der voraus geritten ist, verirrt sich und gelangt zur Burg Muter, wo ihn der Riese Wicram überwältigt und anschließend seinem Herrn Nitger vorführt. Man sperrt ihn ins Verlies, doch Nitgers Schwester Ibelim umsorgt Dietrich liebevoll. Seinem Wunsch folgend, schickt sie eine Nachricht nach Jeraspunt, die Hildebrand und seine Männer über Dietrichs Lage informiert. Die Helden ziehen aus und erschlagen in elf Zweikämpfen sämtliche Riesen. Nitger bleibt am Leben, doch muss er fortan sein Land von Dietrich zu Lehen nehmen. Auf dem Rückweg in Virginals Reich müssen Dietrich und seine Gesellen abermals schwere Kämpfe gegen Riesen und Drachen bestehen. In Jeraspunt angekommen, gibt die Königin zu Ehren der glorreichen Helden ein großes Fest. Der Text endet mit dem Aufbruch von Dietrich und seinen Männern, als sie von einer drohenden Belagerung Berns erfahren.
‚Dresdner Virginal’ (130 Strophen): Bei dieser Fassung wurde der gesamte Muter-Teil ausgespart. Dafür wurden andererseits neue Episoden hinzugefügt. Libertin, ein Fürst aus Palerne, erscheint in Arona, um Dietrich zum Kampf herauszufordern. Dietrich besiegt den Fürsten und schließt daraufhin mit ihm Freundschaft. Auf dem Weg nach Jeraspunt kommt Hildebrand, Helferich, Rentwin und Libertin ein Heide namens Janapas, der sich als Sohn des erschlagenen Orkise herausstellt, entgegen und lädt die Helden auf seine Burg Orteneck ein, wo diese in einen Hinterhalt geraten und ihr Leben im Kampf gegen Löwen und Janapas’ Männer verteidigen müssen. Nach ihrem Sieg befreien Hildebrand und die anderen Helden drei Mädchen aus Virginals Gefolge, die ebenfalls Tributzahlungen zu Lebzeiten Orkises waren. Zur selben Zeit ist Dietrich auf der Jagd, wo es ihm möglich ist, einen Eber zu erlegen. Allerdings gerät er in den Kampf mit einem Riesen, der in diesem Revier das alleinige Jagdrecht beansprucht. Als er den Riesen besiegt und gefangen genommen hat, eilen auch schon Dietrichs Verbündete herbei. Man begibt sich nach Jeraspunt, wo ein Fest für die Helden gegeben wird. Allerdings endet der Text nicht wie in der ‚Heidelberger Virginal’ mit Dietrichs Rückkehr nach Bern, sondern mit dessen Verlobung mit Virginal.
‚Wiener Virginal’ (866 Strophen): Wie die ‚Dresdner Virginal’ beinhaltet auch diese Fassung die Episoden vom Dietrich-Libertin-Kampf, den Janapas-Hinterhalt und Dietrichs Eberjagd mit dem sich anschließenden Riesenkampf. Außerdem endet auch hier der Text mit Dietrichs und Virginals Hochzeit.
Sigenot [16]
Der Sigenot gehört zu den kleineren Epen der aventiurehaften Dietrichdichtung. Vermutlich ist er um 1300 durch einen unbekannten Verfasser im schwäbisch-allemannischen Raum entstanden. In mindestens acht Handschriften vom frühen 14. bis ins späte 15. Jahrhundert sowie einundzwanzig Drucken von 1487 bis 1661 ist das Epos überliefert. Inhaltlich unterteilt man den Sigenot in zwei Fassungen: den ‚Älteren Sigenot’ und den ‚Jüngeren Sigenot’.
Zum Inhalt:
‚Älterer Sigenot’ (44 Strophen): Im Wald findet Dietrich den schlafenden Riesen Sigenot und weckt ihn. An Dietrichs Ausrüstung, besonders dem Helm Hildegrin, erkennt Sigenot den Mörder seiner Verwandten. Dietrich wird von dem Riesen niedergeschlagen und in ein Verlies geworfen. Anschließend zieht Sigenot nach Bern aus, um sich auch an Hildebrand zu rächen, der ebenfalls an der Ermordung Hildes und Grins beteiligt war. Im Wald vor Bern begegnen sich die beiden. Hildebrand wird im Kampf besiegt und soll wie Dietrich ins Verlies gesteckt werden. Jedoch kann sich Hildebrand befreien und Sigenot erschlagen. Zusammen mit dem Zwergenkönig Eggerich befreit er anschließend Dietrich. Nachdem Dietrich und Hildebrand in Bern angekommen sind, wird ihnen ein freundlicher Empfang bereitet.
‚Jüngerer Sigenot’ (schwankende Strophenzahlen, etwa 200 Strophen): Anders als der ‚Ältere Sigenot’ hat dieser Text eine längere Vorgeschichte und zudem einige weitere Zusätze zur Grundhandlung. Hier ist es Hildebrand, der Dietrich vom Riesen Sigenot erzählt. Aller Warnungen des alten Waffenmeisters zum Trotz, begibt sich Dietrich auf den Weg, um gegen Sigenot zu kämpfen. Auf seiner Reise befreit er den Zwerg Baldung aus den Händen eines wilden Mannes, worauf ihm der Zwerg einen Stein mit magischen Kräften überreicht. Als Dietrich Sigenot begegnet, wird er von diesem besiegt, verschleppt und in eine Schlangenhöhle geworfen. Der Wunderstein des Zwerges beschützt Dietrich jedoch. Hildebrand, der sich aus Sorge auf die Suche nach Dietrich macht, stößt auch auf Sigenot, wird ebenfalls besiegt und in eine Höhle gebracht. Als Sigenot fort ist, befreit sich Hildebrand, legt sich Dietrichs Rüstung an, die er an einer der Höhlenwände findet, und erschlägt Sigenot nach seiner Rückkehr. Wieder analog zum ‚Älteren Sigenot’ hilft der Zwergenkönig Eggerich dabei, Dietrich aus der Schlangenhöhle zu befreien.
Eckenlied [17]
Das Eckenlied ist ein populäres Paradebeispiel aventiurehafter Dietrichepik. Die Dietrichforschung hat sich besonders intensiv mit diesem Epos beschäftigt. Man vermutet, dass es in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts vermutlich im rheinisch-österreichischen Raum entstanden ist. Der Verfasser des Eckenliedes ist unbekannt. In mindestens sieben Handschriften von der ersten Hälfte des 13. bis zum späten 15. bzw. frühen 16. Jahrhundert sowie zwölf Drucken von 1491-1590 ist es uns überliefert. Auch hier gibt es drei Textvariationen bezüglich des Inhalts.
Zum Inhalt:
‚Eckenlied L’ (245 Strophen, letzte unvollständig)::Diese nur als Fragment überlieferte Fassung des Eckenlied ist auch als ‚Donaueschinger Eckenlied’ bekannt. In einem Saal unterhalten sich die drei Ritter Ecke, Fasolt und Ebenrot über den Helden Dietrich von Bern. Dabei ist Ecke eifersüchtig auf dessen Ruhm, da er selbst, trotz vieler erfolgreicher Kämpfe, keine Berühmtheit erlangen konnte. Zornig erklärt er sich bereit, auszuziehen und Dietrich zu besiegen, um dadurch endlich Ansehen zu erlangen. Seburg, eine von drei Königinnen auf Jochgrimm, belauscht dieses Gespräch und ist daran interessiert, den großen Helden von Bern persönlich kennen zu lernen. Sie beauftragt Ecke mit der Gefangennahme Dietrichs und rüstet ihn für den Kampf mit den besten Waffen und Ortnits Brünne aus. Auf seinem Weg zu Dietrich wird er vielfach gewarnt und auf die Sinnlosigkeit seiner Mission aufgrund von Ruhmerwerb hingewiesen. Dies geschieht einerseits durch den alten Fahrenden am Hofe Seburgs und später nochmals in Bern durch Dietrichs Waffenmeister Hildebrand. Zu Fuß unterwegs – ein Pferd kann ihn aufgrund seiner Riesenhaftigkeit nicht tragen – muss er sich zunächst im Kampf gegen ein Meerwunder bewähren. Kurz darauf begegnet er dem schwer verletzten Ritter Helferich von Lune, der ihm von seinem erfolglosen Kampf gegen Dietrich erzählt und ihn ebenfalls von der Konfrontation mit diesem abrät. Ecke schenkt dem jedoch keine Beachtung. Als er endlich auf Dietrich stößt, will dieser zunächst nicht kämpfen. Doch willigt er ein, als Ecke im Kampf auf Gottes Hilfe verzichtet. Der Kampf dauert lange und ist äußerst gewalttätig. Schließlich wird Ecke von Dietrichs Schwert durchbohrt, woraufhin Dietrich über das Schicksal Eckes und sein eigenes zu klagen beginnt. Bevor er davon reitet, erfüllt er Eckes letzte Bitte, ihm den Kopf abzuschlagen, damit er zumindest einen ehrenvollen Tod gestorben sei. Den Kopf bindet er am Sattel fest mit der Absicht, ihn den Königinnen von Jochgrimm zu präsentieren. In Eckes Rüstung gehüllt – seine eigene wurde im Kampf zerstört – begibt sich Dietrich auf die Reise, wo seine tiefen Wunden durch eine Zaubersalbe von Frau Babehilt im Nu geheilt werden. Später begegnet er auch einem riesigen Ritter namens Fasolt, der sich als Bruder Eckes zu erkennen gibt. Als dieser Dietrich angreift, wird er von diesem besiegt, sein Leben aber wird geschont, weil er sich ergibt und bereit ist, Dietrichs Geselle zu werden. Auf der Burg eines Zwergenkönigs, der zuvor Fasolt diente, nun aber Dietrich die Treue schwören muss, werden sie ordentlich bewirtet. Am nächsten Tag reiten die beiden weiter. Allerdings entpuppt sich Fasolt als absolut hinterlistig, da er Dietrichs Kampf mit Ecke seiner Mutter gegenüber als feigen Mord darstellt. In vielen Kämpfen gegen die Verwandtschaft Eckes werden Eckes Onkel, seine Mutter und vermutlich auch seine Schwester getötet. Sicher kann das Schicksal von Eckes Schwester Uodelgart allerdings nicht bestimmt werden, da Fassung L in der laufenden Zeile abbricht.
‚Eckenlied d’ (335 Strophen): Die Fassung d des Eckenlied, auch bekannt als ‚Dresdner Eckenlied’, stimmt in großen Zügen mit ‚Eckenlied L’ überein. Allerdings berichtet Fasolt hier nicht seiner Mutter Birkhild, sondern dem Riesen Zere von der heimtückischen Ermordung Eckes. Und auch im folgenden Kampf ist es Rachin, die Mutter Zeres, die von Dietrich erschlagen wird. Mit ihrem Todesschrei erscheinen ihre beiden Söhne Zere und Welderich, von denen Dietrich Zere erschlägt. Welderich selbst, der schlechte Behandlung durch Mutter und Bruder erfahren hatte, freut sich über deren Tod und informiert Dietrich über Fasolts Verrat. Daraufhin wird auch Fasolt erschlagen und Dietrich reitet wieder allein weiter. Auf seinem Weiterritt erschlägt er auch noch Eckes Onkel Eckenot. Zwei mit Stangen bewaffnete Bildautomaten sowie der König von Kerlingen und seine Männer erwarten den Berner bei seiner Ankunft in Jochgrimm, gegen die sich Dietrich aber erfolgreich zur Wehr setzen kann. Im Thronsaal angelangt, macht Dietrich Seburg und den anderen Königinnen schwere Vorwürfe, wirft ihnen dann Eckes Haupt zu Füßen, sodass es zerspringt und den Saal mit Blut färbt, und reitet anschließend nach Bern zurück.
‚Eckenlied s’ (ab Strophe 180): Wie in Fassung L wird auch hier die Episode vom Besuch beim Zwergenkönig geschildert, der Dietrich und Fasolt Speise und Trank sowie ein Quartier für die Nacht gewährt. In der Nacht begibt sich Fasolt heimlich zu seiner Cousine Rütze, wo er deren Söhne von der Ermordung Eckes durch Dietrich berichtet. Tags darauf begeben sich Rützes Söhne zu Dietrich und werden im Kampf von ihm getötet. Rütze selbst stirbt wenig später durch die Hand Dietrichs, als sie versucht, den Tod Eckes und ihrer Söhne zu rächen. Auch Eckes Onkel Eckenot findet durch Dietrich ein jähes Ende. Der Zwergenkönig hat indes Dietrich vor der verräterischen Natur Fasolts gewarnt. Als sie zu einer Quelle gelangen, an der Dietrich trinkt, wird er von Fasolt hinterrücks angegriffen, kann ihn aber besiegen und fesseln. Bei ihrer Ankunft in Jochgrimm löst Dietrich auf Bitten von Fasolt dessen Fesseln. Dieser führt Dietrich dann in einen neuen Hinterhalt, wo Dietrich zwei Bildautomaten mit Stangen sieht. Während er der ersten Stange noch ausweichen kann, wird er von der zweiten vom Pferd geworfen. Fasolt nutzt die Gelegenheit und schlägt auf den am Boden liegenden Dietrich ein. In seinem Zorn erhebt sich Dietrich und erschlägt Fasolt. Vor den Königinnen stehend, wird ihm für die Vernichtung der Riesen gedankt, da diese Unheil stifteten und die Königinnen zur Heirat gezwungen hätten. Obwohl Dietrich die Herrschaft über Jochgrimm angeboten wird, lehnt dieser ab und macht sich auf die Rückreise. Einige Tage später trifft er auf Hildebrand. Beide lassen sich von einem Bauern bewirten und geben ihm aufgrund seiner Gastfreundschaft den Hof zu eigen. Der Verfasser der Fassung s rühmt Dietrich noch als den größten der Helden, der „Eckesachs“, das Schwert Eckes, einmal noch verwendete, um die Lombardei von Odoaker zu befreien. Anschließend sei Dietrich der Herrscher Roms geworden, wo er 31 Jahre regierte.
König Laurins Rosengarten [18]
König Laurins Rosengarten, auch Der kleine Rosengarten bzw. einfach nur König Laurin genannt, ist ein Epos aus dem 13. Jahrhundert, das höchst-wahrscheinlich im Tiroler Raum entstanden ist. Auch hier ist der Verfasser wieder anonym. Der Text ist in achtzehn Handschriften vom frühen 14. bis zum frühen 16. Jahrhundert und in elf Drucken von 1479 bis 1590 überliefert. Inhaltlich unterscheidet man insgesamt fünf Laurin -Fassungen.
Zum Inhalt:
‚Laurin A’ (1596 Verse): Am Hofe von Bern wird Dietrich von seinem Volk als größter und ruhmreichster Held und Herrscher gelobt. Lediglich Hildebrand schmälert seinen Ruf, indem er ihm von der Zwergenaventiure erzählt, die Dietrich gegen den Zwergenkönig Laurin erst noch bestehen müsse, um wahrhaftig der größte der Helden zu sein. Daraufhin reitet Dietrich in Begleitung von Witege aus, um gegen Laurin zu bestehen. Sie kommen zu einem Rosengarten, der voll von wohlduftenden Rosen sowie übersät mit Gold und Edelsteinen ist. Während Dietrich neugierig seine Blicke über den wundervollen Garten streifen lässt, zerstört Witege unterdessen die schönen Rosen. Dadurch erscheint Laurin und fordert von den Eindringlingen Hand und Fuß als Entschädigung für den verwüsteten Garten. Dietrich versucht die Situation zunächst ruhig und diplomatisch zu klären, doch begibt er sich in den Zweikampf mit Laurin, als dieser Witege auf den Boden geworfen hat und von ihm die Tributzahlung einfordern möchte. Plötzlich erscheinen auch Hildebrand, Wolfhart und Dietleib, die Dietrich im Kampf anfeuern. Der Kampf ist ein sehr harter für Dietrich, da der Zwerg Zauberutensilien benutzt: einen Gürtel, der ihm die Kraft von 12 Männern verleiht, sowie eine Tarnkappe, die ihn für seinen Kontrahenten unsichtbar macht. Nur durch eine List Hildebrands gelingt es Dietrich dennoch, den Zwergenkönig zu besiegen. Als Dietrich Laurin töten will, wird er von Dietleib gerettet und im Wald versteckt. Nun kämpfen Dietrich und Dietleib gegeneinander, doch gelingt es Hildebrand, Witege und Wolfhart, den Streit zu schlichten. In einem Akt der Versöhnung wird auch Laurin jetzt die Freundschaft angeboten. Dieser erzählt, wie er Künhild, die Schwester Dietleibs, entführt hat, um sie in seinem Reich wie eine Königin zu behandeln. Anschließend lädt er alle Helden zu einem Besuch im hohlen Berg ein. Alles erscheint in den wunderbarsten Farben, viel Gold und Edelsteine schmücken Laurins Residenz und er und seine Untergebenen bieten den Gästen beste höfische Unterhaltung. Von Künhild erfahren die Helden, dass sie sich zwar wohl befinde, dennoch gerne wieder das Zwergenreich verlassen würde, da die Zwerge einschließlich Laurin Heiden sind. Laurin tüftelt unterdessen einen Plan aus, wie er seine Schmach durch die Berner rächen könne. Als ein Versuch, Dietleib auf seine Seite zu ziehen, fehlschlägt, steckt ihn Laurin in den Kerker. Dietrich und die anderen Helden werden, als sie betrunken und ermüdet sind, ebenfalls in einen Kerker geworfen. In der Nacht öffnet Künhild Dietleibs Kerkertür, der daraufhin seinen Freunden Waffen und Rüstungen in den Kerker wirft, dann jedoch in den Kampf mit einer gewaltigen Schar von Zwergen verwickelt wird. Die anderen Berner Helden können sich nun ebenfalls befreien und eilen Dietleib zu Hilfe. Künhild gibt jedem der Helden einen Zauberring, durch den das unsichtbare Heer der Zwerge für diese sichtbar wird. Nach einem schweren und harten Kampf, bei dem fast alle Zwerge und einige Riesen das Leben verlieren, wird Laurin gefangen genommen, nach Bern überführt und am Hofe als Gaukler eingesetzt.
‚Laurin D’: Diese Fassung entspricht in großen Teilen dem ‚Laurin A’, ist jedoch gegenüber diesem inhaltlich erweitert. Noch vor dem Aufbruch zum Rosengarten wird in einer Vorgeschichte die Entführung Künhilds durch Laurin erzählt. Durch einen wilden Mann erfahren Dietleib und Hildebrand den Weg zum hohlen Berg. Doch bevor sie Künhild retten, begeben sich die beiden zurück nach Bern. Nach dem Sieg über die Zwerge kehren Dietrich und seine Männer nicht direkt nach Bern zurück, sondern machen noch Station bei Biterolf in der Steiermark, der sie als Gäste empfängt und bewirtet.
‚ Laurin K ’: Anders als Fassung A und Fassung D muss Laurin hier nicht Gaukler am Hofe Dietrichs werden. Stattdessen wird er in die Gemeinschaft der Helden aufgenommen und getauft. Der ‚Laurin K’, der auch als ‚Walberan’-Fassung bekannt ist, schließt zudem noch eine weitere Episode an. Walberan, ein Zwergenkönig aus dem Orient und Verwandter Laurins, hat von dessen Unterwerfung durch die Berner erfahren. Mit einem riesigen Zwergenheer zieht er nach Bern aus, um Laurin zu befreien. Laurin bittet um eine friedliche Lösung, und in der Tat kommt es nach Verhandlungen und einem Kampf zwischen Dietrich und Walberan zur Versöhnung. Alle schließen Freundschaft und feiern diese bei einem großen Fest.
‚ Dresdner Laurin’: Ähnlich ‚Laurin D’ entspricht diese Laurin -Fassung in großen Teilen dem ‚Laurin A’. Einziger Unterschied ist, dass die Kämpfe der Berner gegen die Zwerge und Riesen besonders ausführlich beschrieben werden.
‚Preßburger Laurin’: Nur als Bruchstück überliefert, scheint diese Fassung die Geschichte um Laurin und seinen Rosengarten ins Lächerliche zu ziehen. Auch hier berichtet Hildebrand von Laurin, dem Rosengarten und dem Zwergenreich. Neu ist allerdings, dass dies zu einem Fest zur Fastnacht berichtet wird. In Begleitung von Witege, Wolfhart, Dietleib, Hildebrand und sogar dem aus dem Nibelungenlied bekannten Siegfried macht sich Dietrich auf den Weg. Dann bricht der Text ab[19].
Goldemar [20]
Mit nur einer Handschrift, die unter anderem auch Rezepte aus dem medizinischen Bereich sowie eine lateinisch-deutsche Auflistung von Kräuternamen enthält, ist der Goldemar wohl Mitte des 14. Jahrhunderts im schwäbischen Raum entstanden. Als besondere Eigenheit innerhalb der aventiurehaften Dietrichepik ist uns hier als Verfasser Albrecht von Kemenaten bekannt.
Zum Inhalt:
Dietrich zieht aus, um im Wald Trutmunt die mächtigen Riesen zu erblicken. Er gelangt zu einem großen Berg, der von den Zwergen bewohnt wird. Im Inneren des Berges entdeckt er ein junges Mädchen, das aufgrund seiner Schönheit Interesse und Verlangen bei Dietrich weckt. Als er die Zwerge über das Mädchen ausfragt, antwortet ihm plötzlich Goldemar, der König der Zwerge. Allerdings bricht der Text noch während der Rede Goldemars ab.
Wunderer [21]
Der Wunderer, auch als Etzels Hofhaltung bekannt, könnte im 13. Jahrhundert entstanden sein. Allerdings konnten bislang keine Handschriften bzw. Drucke vor dem Dresdner Heldenbuch (1472) nachgewiesen werden, was den Wunderer somit in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts verweist. Auch über den Entstehungsort lässt sich nichts Eindeutiges sagen. Der Verfasser des Wunderer ist unbekannt. Inhaltlich lassen sich vier Fassungen ausfindig machen.
Zum Inhalt:
Wunderer – strophische Version (215 Strophen): Während eines Festes am Hofe König Etzels erscheint ein Mädchen und bittet die Helden um Hilfe gegen einen wilden Mann namens Wunderer, der die junge Frau seit langer Zeit mit Hunden verfolgt und sie fressen will. Es stellt sich heraus, dass die Frau eine Königstochter ist, die über besondere Fähigkeiten verfügt: Sie kann die Absichten eines jeden Menschen auf den ersten Blick durchschauen und sich im Nu an einen gewünschten Ort begeben. Außerdem wird jeder, der ihres Segens sicher ist, im Kampf unbesiegbar. Als Etzel und andere es ablehnen, in den Kampf mit dem Wunderer zu treten, erklärt sich Dietrich dazu bereit, obwohl er erst 15 bzw. 16 Jahre alt ist und seinem Lehrherrn Hildebrand versprochen hat, nicht vor seinem 24. Lebensjahr zu kämpfen. Während die Königstochter noch ihren magischen Segen über Dietrich ausspricht, stürmt der wilde Mann bereits in den Saal und erklärt, dass er selbst ein Königssohn sei, dem das Mädchen zur Frau versprochen wurde. Da sie ihm aber ihre Abneigung zeigte, wolle er die Königstochter eher fressen als sie einem anderen Mann zu überlassen. Als sich die Hunde im Kleid der Königstochter verbeißen, tötet Dietrich diese. Anschließend nimmt er den Kampf mit dem Wunderer auf. Der Kampf dauert lang und ist hart. Schließlich gelingt es Dietrich jedoch, den Menschenfresser zu besiegen und ihm den Kopf abzuschlagen. Zu Ehren des siegreichen Dietrichs wird ein Fest gefeiert, bei dem sich die junge Frau vor ihrem Abschied noch als Frau Saelde präsentiert.
Wunderer – Münchner Bruchstück: Die Fassung ist ähnlich der strophischen Version. Inhaltlich ist der Anfang sehr ähnlich. Das Bruchstück reicht bis zum Hilfsgesuch durch die Königstochter, die anhand ihrer Fähigkeiten erkennt, dass alle am Hof, mit Ausnahme von Dietrich, Feiglinge sind. Als sie Etzel darauf anspricht, ist dieser verärgert und fragt seinerseits, ob nicht auch das Mädchen selbst ein Feigling sei. Danach bricht der Text ab.
Wunderer – Bruchstück des Augsburger Drucks: Dieses sehr kurze Bruchstück enthält lediglich einen kurzen Szenenausschnitt vor dem Kampf mit dem Wunderer und einen weiteren aus der Endphase des Kampfes.
Wunderer – Fastnachtspiel (134 Verse): Auch als ‚Wunderer F’ bekannt, gibt dieses Fastnachtspiel die Handlung des Wunderers wieder, indem sie diese „wirkungsvoll auf wenige pointierte Dialoge im derben Stil der Gattung konzentriert.“ (Heinzle 1999, 189). Überliefert ist es in einer umfangreichen Augsburger Sammlung von Fastnachtspielen, welche zwischen 1486 und 1494 zusammengetragen wurden. Vermutlich ist das Spiel selbst aber im 15. Jahrhundert in Nürnberg entstanden.
1.3 Reihenkampfepen
Einen dritten Bereich der mittelhochdeutschen Dietrichepik stellen die beiden Epen Rosengarten zu Worms und Biterolf und Dietleib dar. Inhaltlich befassen sie sich mit einer Serie von Zweikämpfen zwischen zwei gegnerischen Parteien. Obwohl es in vielen Dietrichepen Zweikämpfe gibt, z.B. in Dietrichs Flucht, der Rabenschlacht, der Virginal oder dem Wolfdietrich, so sind diese Kämpfe doch nur ein Element einer wesentlich größer angelegten Handlung. Im Rosengarten zu Worms und in Biterolf und Dietleib sind Zweikampfreihungen dagegen das Hauptmotiv der Handlungsbegründung und -entfaltung. Außerdem kommt noch hinzu, dass in beiden Epen zwei große germanische Heldensagenkreise aufeinander prallen, nämlich die Sage der Nibelungen und die Dietrichsagen.
Rosengarten zu Worms [22]
Vermutlich ist dieses Werk im 13. Jahrhundert im bayerisch-österreichischen Raum entstanden. Zur Unterscheidung zwischen dem Laurin ist es auch als Der große Rosengarten bekannt. In einundzwanzig Handschriften vom frühen 14. bis zum frühen 16. Jahrhundert sowie in sechs Drucken von 1479 bis 1590 ist das Epos überliefert. Der Verfasser ist unbekannt. Insgesamt fünf Fassungen lassen sich unterscheiden.
Zum Inhalt:
‚Rosengarten A’ (ältere Vulgat-Fassung, 390 Strophen): Kriemhild, Tochter des Königs Gibiche, besitzt einen Rosengarten in Worms, den sie von zwölf Rittern bewachen lässt. Verlobt ist sie mit Siegfried, der als stärkster Recke am burgundischen Hof gilt. Als Kriemhild von Dietrich von Bern und dessen Heldentaten erfährt, schmiedet sie einen Plan, wie sie Dietrich und Siegfried im Kampf zusammenführen könne, damit sich zeige, welcher der beiden Helden der größere sei. Obwohl sie von Walther aufgrund ihres Hochmuts stark kritisiert und vor der eventuellen Rache der Berner gewarnt wird, entsendet Kriemhild zur Umsetzung ihres Plans Herzog Sabin mit einem Trupp als Boten nach Bern, um Dietrich und seinen Gesellen die Herausforderung zu überbringen. Dieser erklärt sich aber nur deshalb zum Botengang bereit, weil Kriemhild ihm zur Belohnung die Herzogin Bersabe zur Gemahlin versprochen hat. In Bern angekommen, wird der Botenbrief verlesen. Dietrich und elf weitere Helden werden aufgefordert, die zwölf Wächter des Rosengartens, zu denen auch Siegfried gehört, in Zweikämpfen zu besiegen. Als Preise für die jeweiligen Sieger stehen Küsse von Kriemhild sowie Rosenkränze zur Verfügung. Weiterhin verkündet der Brief, dass die Helden von Bern ihre Ehre einbüßen müssen, sollten sie der Einladung durch Kriemhild nicht Folge leisten. Nach diesen Worten entbrennt in Dietrich der Zorn, doch kann durch Vermittlung Hildebrands ein Kampf gegen Sabin und dessen Männer gerade noch abgewendet werden. Die Gäste werden am Hofe Dietrichs gut versorgt und unterhalten, bevor sie sich wieder auf die Rückreise nach Worms machen. Am Hof der Burgunden nimmt Sabin die Herzogin Bersabe zur Frau und verabschiedet sich von Kriemhild mit der Begründung, er wolle mit der kommenden Auseinandersetzung mit den Bernern nichts zu tun haben. Währenddessen werden in Bern die Helden für die Rosengartenkämpfe ausgewählt. Als nur noch ein Held fehlt, schlägt Hildebrand seinen Bruder Ilsan vor, der als Mönch in einem Kloster lebt. Mit einem großen Heer begibt sich Dietrich zum Kloster. Ilsan, der die Berner für Besatzer hält, legt Waffen und Rüstung an und reitet alleine gegen die Übermacht an. Allerdings gibt sich ihm Hildebrand zu erkennen und nachdem man ihm von der Situation berichtet hat, willigt Ilsan ein, mit Dietrich und den anderen Helden nach Worms zu ziehen. Bei der Ankunft am burgundischen Hof werden die Berner freundlich empfangen und eine achttägige Waffenruhe wird vereinbart. Nach Ablauf der Frist beginnen schließlich die Zweikämpfe im Rosengarten. Hildebrand und Gibich wählen dabei die Helden aus, die gegeneinander kämpfen sollen. Mit Ausnahme des Kampfes Dietleibs gegen Walther, der unentschieden ausgeht, bleiben die Berner siegreich. Zudem werden die vier Riesen auf Seiten der Burgunden in den ersten vier Zweikämpfen vom jeweiligen Berner Helden erschlagen. Als schließlich Dietrich und Siegfried aufeinander treffen, wird Dietrich vom Anblick des Hünen von Angst erfüllt und weigert sich zu kämpfen. Hildebrand, der seinen Herrn als Feigling beschimpft, schlägt ihm mit der Faust ins Gesicht, worauf er seinerseits Schläge von Dietrich erhält. Im Kampf gegen Siegfried stehen die Chancen für Dietrichs Sieg sehr schlecht. Hildebrand überlegt sich jedoch eine List und lässt Wolfhart Dietrich vom Tod des alten Waffenmeisters berichten. Als Dietrich dies hört, steigt sein Zorn ins Unermessliche. Feuer steigt ihm aus dem Rachen, mit dem er Siegfrieds Hornhautpanzer zum Schmelzen bringt. Anschließend schlägt Dietrich so stark auf Siegfried ein, dass dieser, um sein Leben zu retten, in Kriemhilds Schoß flüchtet. Im Anschluss daran enthüllt Hildebrand seine List gegenüber Dietrich. Obwohl die zwölf Zweikämpfe damit vorbei sind, kämpft Ilsan noch gegen 52 weitere Gegner, die er alle besiegt. Zwölf von ihnen verlieren sogar das Leben. Als Ilsan von Kriemhild die 52 Rosenkränze für seine Klosterbrüder entgegennimmt, verlangt er zudem die von ihr versprochenen 52 Küsse. Mit seinem Bart zerkratzt er ihr dabei das Gesicht so sehr, das ihr das Blut von den Wangen läuft. Kriemhild ist schließlich einsichtig und bekennt sich zu ihrem Hochmut. Gibiche muss sein Land fortan von Dietrich zu Lehen nehmen. Bei seiner Ankunft im Kloster, drückt Ilsan seinen Brüdern die Rosenkränze so fest auf den Kopf, dass ihnen das Blut von der Stirn läuft. Dies tut er, weil die Klosterbrüder bei Ilsans Abreise Gott anflehten, ihn im Kampf zu töten.
‚ Rosengarten D ’ (jüngere Vulgat-Fassung, 633 Strophen): In dieser Fassung des Rosengarten zu Worms ist nicht Kriemhild, sondern ihr Vater Gibiche der Herr des Rosengartens. Auch ist er es, der bekannt gibt, sich demjenigen zu beugen, der die Hüter des Rosengartens zu besiegen vermag. Etzel, der von der Kunde erfährt, begibt sich nach Bern und berichtet Dietrich davon. Dieser weiß allerdings bereits Bescheid, da er einen Botenbrief von Kriemhild erhalten hat, der nun im Beisein Etzels verlesen wird. Die Helden werden versammelt, Ilsan wird aus dem Kloster geholt und eine Reise zum Hunnenhof wird unternommen, wo die Berner Helden für den Kampf gerüstet werden. Im Anschluss bricht das Heer nach Worms auf. Am Rhein angelangt, können Dietrich und seine Männer erst mit einer Fähre übersetzen, als Norprecht, der Fährmann, nach seiner Zollforderung – er verlangt Hand und Fuß als Zoll – von Ilsan besiegt wird. Vor Worms schlagen die Recken das Lager auf und Rüdeger überbringt den Burgunden die Kampfansage. Es folgen die zwölf Zweikämpfe, bei denen – analog zum ‚Rosengarten A’, jedoch mit Ver-änderungen hinsichtlich der Heldenkonstellation im jeweiligen Zweikampf – die Berner siegreich hervorgehen. Lediglich Walther kämpft unentschieden. Auch hier winken dem jeweiligen Sieger ein Rosenkranz und der Kuss der Dame. Am Ende muss Gibiche sein Land von Dietrich und Etzel zu Lehen nehmen. Kriemhild wird von Hagen verflucht. Danach kehren die Helden nach Bern bzw. an den Hunnenhof zurück.
‚ Rosengarten F ’ (Bruchstück, 120 Strophen und 2 Zeilen): Dieser nur in Bruchstücken vorhandene Text weicht wesentlich von Fassung A und Fassung D ab, da neue Handlungsepisoden hinzugefügt und Variationen bezüglich der Zweikämpfe vorgenommen wurden. Um Dietrich von Bern herauszufordern, beabsichtigt Kriemhild, Seburg, die Herzogin von Bayern, nach Bern zu senden. Nachdem eine junge Frau namens Wendelmut Dietrich von der Ankunft ihrer Herrin Seburg berichtet hat, erscheint bald darauf Seburg selbst und übergibt Dietrich einen Brief Kriemhilds, der allerdings erst verlesen wird, als Seburg Bern bereits wieder verlassen hat. Die Helden von Bern nehmen Kriemhilds Herausforderung an und wählen die Recken für die Zweikämpfe aus. Bei den Reihenkämpfen werden manche abgesagt, andere verschoben. Sogar einer der Berner, namentlich Witege, wird im Zweikampf von Walther besiegt. Letzten Endes schließen sich Berner und Burgunden zusammen, um gemeinsam gegen die blutrünstige Kriemhild vorzugehen. Aus Angst wendet sich Kriemhild an Seburg, die ihren Geliebten Dankwart um Hilfe bitten soll.
‚ Rosengarten C ’: Diese Fassung ist ein Mischtext, der aus Teilen des ‚Rosengarten A’ und ‚Rosengarten D’ besteht. Zudem ist in einer um 1470 in Pommersfelden entstandenen Handschrift lediglich der Beginn des Rosengarten zu Worms erhalten, der allerdings eine gänzlich eigenständige Schilderung vornimmt.
Biterolf und Dietleib [23]
Das zweite Reihenkampfepos der Dietrichepik ist vermutlich um 1260 im österreichischen Raum entstanden. Vom Biterolf und Dietleib ist nur eine Handschrift bekannt, die sich im Ambraser Heldenbuch von 1516 finden lässt. Der Verfasser ist abermals unbekannt.
Zum Inhalt:
Um auf Aventiure zu gehen, nimmt Biterolf, König von Toledo, Abschied von seiner Frau Dietlind und seinem kleinen Sohn Dietleib. Als er älter geworden ist, reitet Dietleib heimlich vom Hof davon, um sich auf die Suche nach seinem Vater zu machen. Seine Reise führt ihn unter anderem an den Rhein. Dort begegnet er Hagen, Gunther und Gernot, die den jungen Krieger beleidigen und auch gegen ihn kämpfen. Einige Zeit später gelangt er an den Hof Etzels. Im Kampf für die Hunnen bewährt sich Dietleib durch den siegreichen Krieg gegen die Polen als ruhmreicher Krieger. Auf der Seite Etzels kämpft ebenfalls Biterolf. Bei der Rückkehr von Etzels Heer am Hunnenhof erkennt Rüdeger, dass Vater und Sohn Seite an Seite gekämpft haben und führt Biterolf und Dietleib zusammen. Mit einer großen Streitmacht ziehen Etzel und seine Männer schließlich nach Worms um Dietleibs Ehre, die durch Gunthers Beleidigungen angegriffen wurde, zu verteidigen. Dietrich von Bern und seine Gesellen sowie Ermanarich und dessen Streitmacht unterstützen Etzel tatkräftig in seinem Vorhaben. Rüdeger wird nach Worms vorausgeschickt, um den Burgunden den Krieg zu erklären. Am burgundischen Hof wird er gut behandelt und erhält von Brünhild eine Fahne zum Geschenk. Die Kampfhandlungen beginnen mit einem ritterlichen Turnier, bei dem die Helden um Rüdegers Fahne kämpfen. Danach wird eine Reihe von Zweikämpfen veranstaltet, bei der sich auch Dietrich und Siegfried gegenüberstehen. Dietrich hat große Angst gegen Siegfried zu kämpfen, doch als ihn Hildebrand der Feigheit bezichtigt, wird sein Zorn entfacht und es gelingt ihm schließlich, Siegfried zu besiegen. In der Schlacht zwischen den Heeren behalten Dietrich und die Seinen die Oberhand. Kriemhild klagt später darüber, wie schlimm Dietrich ihren Verlobten zugerichtet habe. Nachdem Dietleibs Ehre wieder vollkommen hergestellt ist, schließen die Parteien Frieden und die Streitmacht unter Etzels Kommando zieht wieder zurück zur Hunnenburg.
1.4 Epen im Umfeld der mittelhochdeutschen Dietrichepik
Einige weitere Werke gehören, wenn auch teils marginalisiert, noch der mittelhochdeutschen Dietrichepik an. Warum man diese aber ins nähere bzw. fernere Umfeld ansiedelt, liegt daran, dass man sie inhaltlich weder eindeutig der historischen bzw. aventiurehaften Dietrichepik noch den Reihenkampfepen zuordnen kann. Dies gilt zum Beispiel für Dietrich und Wenezlan, welches eine Mischform aus historischem und aventiurehaftem Dietrichepos darstellt. Die Epen Ortnit und Wolfdietrich haben eine Sonderstellung, da nicht Dietrich von Bern als Handlungsträger erscheint, sondern dessen Vorfahren.
Dietrich und Wenezlan[24]
Aus der Mitte des 13. Jahrhunderts ist eine Handschrift von Dietrich und Wenezlan überliefert, die im bayrischen Raum entstanden ist. Das Epos besteht aus 499 Reimpaaren und ist bruchstückhaft, da Anfang und Ende verloren gegangen sind. Ein Verfasser lässt sich auch hier nicht ausmachen.
Zum Inhalt:
Dietrich befindet sich mit seinen Gesellen am hunnischen Hofe Königs Etzels. Von Wolfhart, der im Auftrag König Wenezlans, des Fürsten von Polen, geschickt wurde, um Dietrich den Kampf anzusagen, erfährt Dietrich, dass Wolfhart und Hildebrand Gefangene am Hofe Wenezlans sind und dringend seine Hilfe benötigen. Nach anfänglichem Zögern erklärt Dietrich seine Hilfsbereitschaft gegenüber seinen Männern und zieht mit einem von Etzel zur Verfügung gestellten Heer zum Reich des polnischen Fürsten. In einem turniermäßigen Zweikampf, dessen Ausgang über das Schicksal der Gefangenen entscheidet, bieten Dietrich und Wenezlan alle ihre Kräfte gegeneinander auf. Anfangs ist Dietrich noch der Unterlegene, dann jedoch wendet sich das Blatt. Mit der Erwähnung eines Stoßseufzers durch Dietrich bricht der Text plötzlich ab.
Ortnit[25]
Mit einer weiteren unbekannten Verfasserschaft schließt sich der Ortnit den Epen im Umfeld der mittelhochdeutschen Dietrichepik an. Entstanden ist das Epos vermutlich um 1230 im ostfränkischen oder bayrischen Raum. Es wurde vom 13. bis ins späte 16. Jahrhundert in mindestens zwölf Handschriften und sechs Drucken überliefert. Ähnlich wie Dietrichs Flucht zur Rabenschlacht verhält sich auch das Ortnit -Epos zum Wolfdietrich: Es stellt die Vorgeschichte zum folgenden Wolfdietrich -Komplex dar.
Zum Inhalt:
Beim ‚Ortnit‘ werden sechs Fassungen unterschieden [, nämlich ‚Ortnit AW’, ‚Ortnit K’, ‚Ortnit a (b c d)’, ‚Ortnit e (f g)’, ‚Ortnit y’ und ‚Ortnit z’.] Der äußere Rahmen des Handlungsgerüstes stimmt aber weitgehend überein. Unterschiedlich ist in den Fassungen nur die verschieden starke Füllung namentlich bei der Personenbeschreibung und -beurteilung. Das wirkt sich auf den Umfang der Fassungen aus, so daß kürzere, gerafft erzählte Bearbeitungen (K(1), e, y) von breiter erzählten (a und z) unterschieden werden können. (Wisniewski 1986, 150)
Mit der Absicht, gen Burg Montabur zu ziehen, um die Tochter Machorels, eines heidnischen Königs, für sich zu gewinnen, bricht König Ortnit, der Herrscher von Lamparten, ins Gebirge auf, um bei dem Zwergenkönig Alberich Hilfe zu erbitten. Alberich, der sich als Vater Ortnits zu erkennen gibt, gewährt ihm seinen Beistand und stattet ihn mit einer goldenen Rüstung sowie dem Schwert Rose aus, das alles zu durchschneiden vermag. Durch die aktive Hilfe Alberichs, der die Fähigkeit besitzt, auch unsichtbar zu agieren, gelingt Ortnit der Raub der Königstochter. Nach seiner Rückkehr ins Lampartenland vermählt er sich mit ihr und erhält kurz darauf von einem Boten Machorels ein Geschenk: zwei Eier, aus denen Echsen hervorgehen sollen, die einen wertvollen Edelstein in ihrem Inneren tragen. Auf Geheiß Ortnits werden die Eier ins Gebirge getragen, wo sie ein Jäger bewacht und warmhält. Als eines Tages die Eierschalen von innen heraus aufgebrochen werden, entschlüpfen diesen Drachen, die bald darauf zu einer ernsthaften Gefahr für das Lampartenreich werden. Schließlich rüstet sich Ortnit zum Kampf und zieht aus, die Ungeheuer zu erlegen. Den Warnungen Alberichs schenkt er dabei keinerlei Beachtung. Als er vom Schlaf übermannt wird, schlagen die Drachen zu, verschleppen ihn und werfen ihn den Jungen zum Fraß vor.
Wolfdietrich[26]
Das Epos von Wolfdietrich ist vermutlich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im rheinfränkischen Raum entstanden. Vom 13. bis ins ausgehende 16. Jahrhundert wurde es in mindestens fünfzehn Handschriften und sechs Drucken überliefert. Der Verfasser ist auch hier wieder anonym. Das Wolfdietrich -Epos liegt in mindestens vier Fassungen vor, die sich inhaltlich teilweise stark unterscheiden.
Zum Inhalt:
‚Wolfdietrich A’: Hugdietrich, König von Konstantinopel in Griechenland, und seine Frau haben bereits zwei Söhne, die beide Dietrich heißen. Als sich der König eines Tages mit dem getreuen Berchtung und seinen Männern auf Heerfahrt begibt, wird Wolfdietrich, der jüngste Sohn des Herrscherpaars geboren. Die Menschen am Hofe bemerken, dass der Junge besonders schön und unglaublich stark ist. Saben, der Ratgeber und Stellvertreter des Königs hat währenddessen die Regentschaft über Konstantinopel übernommen. Als er mit der Königin den Beischlaf vollziehen will, lehnt diese empört ab. Sie selbst lässt, obwohl sie Heidin ist, Wolfdietrich taufen. Das Taufgewand hat besondere Kräfte und macht Wolfdietrich unverwundbar, solange er es trägt. Nach der Rückkehr des Königs behauptet Saben, Wolfdietrich sei ein Kind des Teufels aufgrund seiner auffallenden Erscheinung. Berchtung wird daraufhin die Ermordung des Kindes aufgetragen. Der Getreue rettet aber Wolfdietrichs Leben, da er die wahre Natur des Kindes erkennt (hungrige Wölfe tun dem Kind kein Leid, Wolfdietrich ertrinkt auch nicht beim Versuch, nach Seerosen zu greifen und auch ein Kreuz, Zeichen des christlichen Glaubens, wird von dem Jungen nicht zerbrochen). Einem gutmütigen Ehepaar gibt Berchtung das Kind zur Pflege. Am Hofe Hugdietrichs gibt die Königin ihrem Mann zu verstehen, dass es sich bei dem vermeintlichen Teufelskind um ihren jüngsten Sohn handle. Der arglistige Saben reagiert prompt, indem er bei Berchtungs Rückkehr diesen beschuldigt, den Tod des Jungen nur deshalb herbeigeführt zu haben, um sich des Königreichs zu bemächtigen. Berchtung wird daraufhin in den Kerker gesteckt. Vor seinem Aufbruch nach Konstantinopel hat Berchtung jedoch alles, was er über das Schicksal Wolfdietrichs weiß, in einem Brief niederschreiben lassen. Am Tag als Saben, erneut als Stellvertreter des Königs, über Berchtung zu Gericht sitzt, wird dieser durch den Brief freigesprochen. Saben und seine bösen Absichten werden anschließend entlarvt, doch wird der Verräter auf Fürbitte Berchtungs vom König begnadigt. Wolfdietrich wird an den Hof gebracht. Dort benimmt er sich in Gegenwart des Königs aber so ungebührlich, dass Hugdietrich Berchtung schließlich das Erziehungsrecht überträgt. Jahre später, nach dem Tod des Königs, verschwören sich Saben und die beiden älteren Söhne des Königs gegen ihre Mutter und Wolfdietrich, da dieser ein Kebskind sei. Folglich wird Wolfdietrich der Erbteil streitig gemacht. Die Königin kann nach Lilienporte flüchten, wo sie am Hofe Berchtungs aufgenommen wird. Dort erst erfährt Wolfdietrich von seiner wahren Abstammung und schwört auf Rache. Mit einem Heer zieht er los und führt Krieg gegen Saben und seine Brüder. Ein Sieg bleibt ihm jedoch verwehrt. Schließlich wird Lilienporte selbst zum Schauplatz wegen einer vier Jahre andauernden Belagerung. Mit der goldenen Rüstung seines Vaters und dem machtvollen Taufgewand ausgestattet, begibt sich Wolfdietrich nach Lamparten, um bei König Ortnit Hilfe zu ersuchen. Als er ankommt, erfährt er von Ortnits Tod und rächt diesen, indem er die Drachen erschlägt. Daraufhin nimmt er Ortnits Witwe zur Frau und wird der neue König von Lamparten. Bei seiner Rückkehr nach Konstantinopel erfährt er von Berchtungs Tod und der Gefangennahme seiner Söhne. Er reitet zurück ins Lampartenland, wo er seine Frau aus den Händen eines Zwerges befreien muss. Mit einem riesigen Heer zieht Wolfdietrich zurück nach Griechenland. Dort besiegt er Saben und seine Brüder, tötet diese und tritt anschließend sein Erbe als neuer Herrscher an. Zwölf Jahre später geht er ins Kloster, um Buße zu tun. Eines Nachts stirbt Wolfdietrich, da ihn Dämonen zu Tode peinigen. Man erfährt weiterhin, dass drei Königinnen von Jochgrimm die goldene Rüstung seines Vaters erstehen konnten. Wolfdietrichs Frau verbringt ebenfalls ihre letzten Lebensjahre im Kloster.
‚Wolfdietrich B’: Der ‚Wolfdietrich B’ ist dem ‚Wolfdietrich A’ in nur wenigen Punkten ähnlich. Während der Kampf um das Erbe und die Herrschaft über Lamparten ebenfalls erwähnt werden, bietet Fassung B inhaltlich auch große Unterschiede: Am Anfang steht eine zusätzliche Vorgeschichte der Eltern Wolfdietrichs, in welcher Hugdietrich, der sich in Frauenkleider gehüllt hat, die Verlobung mit seiner Frau gelingt. Auch wird hier nicht die Ermordung Wolfdietrichs befohlen. Ein boshafter Ratgeber des Königs wie Saben im ‚Wolfdietrich A’ wurde auch ausgespart. Neu ist vor allem, dass sich Wolfdietrich und Ortnit vor dessen Tod noch begegnen, da Wolfdietrich ihn wegen Erhebung von Zinsforderungen zum Kampf herausfordert und besiegt. Daraufhin schwören sich beide die Bruderschaft. Man erfährt weiterhin, wie Wolfdietrich das heilige Grab besucht und anschließend einen heidnischen König beim Messerwurf tötet. Nach dem erfolgreichen Sieg gegen seine beiden Brüder schließt er mit ihnen Frieden und spricht ihnen die alleinige Herrschaft über Konstantinopel zu. Wolfdietrich selbst regiert in Lamparten bis zu seinem Lebensende.
‚Wolfdietrich C’: In dieser Fassung wird eine völlig neue Geschichte von Wolfdietrichs Jugend erzählt: Hier ist er der Sohn des Königs von Athen. Als er mit anderen Rittern unterwegs ist, greift ein Heidenheer den Königshof an. Wolfdietrich und seine Männer, die auf ihrer Rückkehr das feindliche Heer erblicken, können die Angreifer im Kampf bezwingen. Ähnlich wie Fassung B erhebt auch hier König Ortnit Zinsforderungen gegenüber Wolfdietrich. Bevor er sich aber zu Ortnit begeben kann, rettet er Berchtung und dessen Söhne von einer Riesenburg. In Jerusalem kämpft er gegen eine Schar von Heiden. Auch ein Sieg gegen einen Messerwerfer in Büden ist ihm vergönnt. Seine Brüder, mit denen Wolfdietrich um sein Erbe streitet, halten elf seiner Männer gefangen. Durch Gott werden deren Ketten gesprengt und sie scharen sich um Wolfdietrich. Die älteren Brüder werden daraufhin besiegt, doch bleiben sie am Leben. Wolfdietrich wird glorreicher Herrscher über Athen. Nach dem Tod seiner Mutter geht er ins Kloster, zieht aber nochmals in die Schlacht, als ein Heidenheer das Kloster attackiert. Vor allem der junge Hildebrand zeichnet sich im Kampf aus. Die Heiden werden besiegt und ihr Leben nur geschont, da sie sich alle zum Christentum bekennen. Bis zu seinem Lebensende wird Wolfdietrich in seiner Klosterkammer von den Geistern derer, die er getötet hat, geplagt.
‚Wolfdietrich D’: Auch ‚Der große Wolfdietrich’ genannt, ist eine Mischform aus Fassung B (erste 500 Strophen) und Fassung C. Vermutlich verwendet der Text zudem eine dem ‚Wolfdietrich B’ ähnliche aber verloren gegangene Handschrift. Die Jugendgeschichte Wolfdietrichs fehlt hier komplett. Im Vergleich dazu werden ein Meerweibabenteuer sowie die Ortniterzählung relativ rasch abgehandelt.
2. Auf den Spuren Dietrichs von Bern
2.1 Das historische Vorbild
Theoderich der Große war ein großer gotischer Führer und Politiker im Römischen Reich, der dem Königsgeschlecht der Amaler entstammte und im Jahre 454 in Pannonien, dem damaligen Sitz der Goten, geboren wurde. Durch ein Föderatenbündnis zwischen Ostrom und den Goten gelangte Theoderich in frühster Kindheit an den Hof des römischen Kaisers Leo I. in Konstantinopel, wo er vermutlich in griechischer Kultur erzogen wurde. Im Jahre 474 wurde Theoderich nach dem Tod seines Vaters Theodemir neuer Führer der Ostgoten, später unter Kaiser Zenon wurde er zudem noch Waffensohn und Konsul von Konstantinopel. Ab 488 kämpfte er im Namen Roms in Italien gegen den Germanenführer Odoaker. Zwischen 490 und 493 kam es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Heeren Theoderichs und Odoakers. Populär wurde dabei vor allem die Schlacht von Ravenna, in der Theoderich Odoaker besiegte. Ein Waffenstillstand zwischen Odoaker und Theoderich kam 493 infolgedessen zustande, doch wurde Odoaker von Theoderich selbst einige Tage später in Ravenna erschlagen. Von da an regierte er in Italien als Statthalter des Römischen Reiches, wobei er stets um die Erhaltung des Friedens bemüht war. Zur Garantie des Friedens stellten vorrangig die Ostgoten den militärischen Schutz für die römische Verwaltung. Sein politisch schärfster Gegner war der Frankenkönig Chlodwig I. Als dieser im Jahre 507 den Westgotenkönig Alrich II. mit seiner Streitmacht angriff, besiegte und tötete, schritt Theoderich ein und besiegte seinerseits Chlodwig. Nach einem noch bis 511 andauernden Krieg zwischen den Goten wurde Theoderich schließlich zum Vormund des noch jungen Westgotenkönigs Amalrich ernannt, was ihm die Herrschaft über die Ost- und Westgoten sicherte. Gegen Ende seines Lebens fühlte sich Theoderich durch politische Machtkämpfe der Römer von diesen bedroht und ließ daher im Jahre 525 den populären Senator Symmachus und dessen Sohn, den Philosophen Boethius, wegen Hochverrats hinrichten, da er vermutete, beide hätten sich gemeinsam mit dem oströmischen Kaiser Justin I. gegen ihn verschwört. Außerdem ließ er aufgrund eines heftigen Streits mit der katholischen Kirche – Theoderich war ein Anhänger des Arianismus – Papst Johannes I. ins Verließ sperren. Im Jahre 526 stirbt Theoderich der Große an der Ruhr.[27]
2.2 Überlieferungen von Theoderichs Leben und Tod über die Jahrhunderte
2.2.1 Der Tod als Strafe Gottes
Obwohl Theoderich der Große bereits zu Lebzeiten eine überaus populäre Persönlichkeit gewesen ist, wurde er doch vor allem als Dietrich von Bern in den Heldensagen und -epen berühmt. Doch bereits wenige Jahre nach seinem Tod entstanden allerlei Erzählungen, die sich in verschiedenartigen Schriften wie beispielsweise Kaiserhistoriographien, Weltchroniken, religiösen Schriften sowie so mancher Heldendichtung finden lassen. Jene Erzählungen berichten, inhaltlich teils stark voneinander abweichend, über das Leben Theoderichs des Großen und manche davon auch über die Umstände seines Todes.
Eines der frühesten Zeugnisse, in dem Theoderich erwähnt wird, findet sich im Liber Pontificalis (‚Päpstliches Buch’). Es handelt sich dabei um eine Sammlung von Papstbiographien in chronologischer Ordnung, die wohl um 530, also gerade einmal vier Jahre nach Theoderichs Tod, entstanden ist und noch bis ins 15. Jahrhundert fortgesetzt wurde. Der Liber Pontificalis berichtet, dass Theoderich, nachdem er Boethius und Symmachus hinrichten und Papst Johannes I. ins Verließ sperren ließ, den Zorn Gottes heraufbeschwor. Dieser schickte einen Blitz auf die Erde, der den Gotenkönig zerschmetterte.
Ähnliches berichtet auch Prokopios von Caesarea. Als Rechtsbeistand eines Heermeisters von Ostrom sowie seiner Teilnahme an verschiedenen römischen Feldzügen verfasste Prokopios nach 542 seine Bella (‚Kriegsgeschichte’), die in acht Büchern von den Schlachten der Römer vom ausgehenden 3. bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts berichten. Darin findet sich auch ein Bericht über Theoderich, der nach der Ermordung der römischen Senatoren von Gott mit Gewissensbissen bestraft wird – er schaut sich einen zum Mahl servierten Fisch an, der plötzlich die Gestalt des Symmachus annimmt – , die ihn so entsetzlich quälen, dass er letztlich daran stirbt.
Der Liber in gloria martyrum (‚Buch zum Ruhm der Märtyrer’) des Gregor von Tours entstand etwa ab dem Jahre 590 und erzählt von den Wundertaten im Leben verschiedener Heiliger und Märtyrer. Kapitel 39, „De Iohane martyre“, berichtet von Theoderichs schlechten Beziehungen zur katholischen Kirche, die zur Inhaftierung von Papst Johannes I. durch Theoderich führen und kurz darauf den Tod des Papstes zur Folge haben. Die Strafe durch Gott erfährt Theoderich, indem er einen plötzlichen Tod erleidet. Seine Seele – so erzählt der ‚Liber’ weiter – muss daraufhin für immer in den Feuern der Hölle brennen.
Im 5./6. Jahrhundert schließt sich dann der Anonymus Valesianus an. Es handelt sich dabei um eine Sammlung zweier Schriften, die von unbekannten Verfassern niedergeschrieben und 1636 von Henri de Valois, einem französischen Gelehrten, veröffentlicht wurden. Der erste Text, Origo Constantini Imperatoris, in der Wissenschaft auch ‚Excerptum Valesianum I’ genannt, bietet eine knappe Biographie über Kaiser Konstantin den Großen. Der Text ist für die Dietrich-Forschung eher zu vernachlässigen. Anders verhält es sich mit dem ‚Excerptum Valesianum II’: Chronica Theodericiana. In dieser Chronik wird die Geschichte Italiens vom Aufstieg des Julius Nepos bis zum Tode Theoderichs des Großen geschildert. Während auch hier die Ermordung der Senatoren erwähnt wird, ist sie doch nicht ausschlaggebend für Theoderichs Untergang. Der Zorn Gottes trifft ihn hier, weil Theoderich sich an der katholischen Kirche versündigte, indem er vorhatte, ihr sämtliche Kirchen im Land zu entreißen.
In den vermutlich um 1000 entstandenen Annales Quedlinburgenses (‚Quedlinburger Annalen’) stützt sich die Geschichtsschreibung auf den Hunnenführer Attila, der als Geißel Europas bezeichnet wird. Die Annalen sind der erste historiographisch überlieferte Text, in dem Attila und Theoderich der Große die handelnden Hauptfiguren darstellen. Bei den Schlachten zwischen den Ostgoten und den Germanen, die ebenfalls ausführlich beschrieben werden, spielt Attila die bestimmende Rolle. Man erfährt vom Untergang des Weströmischen Reiches, dem Sieg Theoderichs über Odoaker sowie von Theoderichs Herrschaftsjahren. Da Theoderich gegen Ende seines Lebens einen großen Zwist mit der Kirche hatte, schrieben die Historiographen der ‚Quedlinburger Annalen’ die Geschichte von Theoderichs Ende um, indem sie ihn nach zahlreichen Verbrechen einen von der Kirche bereits gefestigten plötzlichen Tod sterben ließen, der durch Gott hervorgerufen und als gerechte Strafe angesehen wurde. Anschließend erscheint der heilige Benedikt, der ein neues Zeitalter im Zeichen des Christentums einläutet und damit das gesamte als unheilvoll betrachtete Heldenzeitalter, welches von Attilas Schreckensherrschaft umspannt wird und in dem das Römische Reich zerfällt, hinter sich lässt. Attila selbst stirbt erst nach 110 Jahren seines Wirkens bei einem Attentat. Uecker[28] erklärt, dass die Annales Quedlinburgenses die Geschichte der Vertreibung Theoderichs in einen Familienkonflikt umwandelten, indem sie Ermanarich in die Rolle von Theoderichs Onkel schlüpfen ließen[29].
2.2.2 Der Sturz in den Vulkan
Im Laufe der Zeit änderte sich das Todesthema Theoderichs des Großen. Statt ihn an schlechtem Gewissen sterben zu lassen oder ihn von einem Blitz zerschmettert werden zu sehen, begannen spätere Verfasser darüber zu berichten, wie Theoderich den Flammen eines Vulkans zum Opfer gefallen sei.
Um etwa 593/4 erwähnt Papst Gregor der I., auch der Große genannt, Theoderichs unrühmliches Ende in seinen Dialogi de vita et miraculis patrum (‚Gespräche über das Leben und die Wunder der Heiligen’). Er berichtet, dass zur Stunde von Theoderichs Tod auf der Insel Liparis beobachtet wurde, wie die Geister der durch Befehl Theoderichs hingerichteten Männer Symmachus und Papst Johannes I. Theoderich gefesselt und anschließend in einen Vulkan geworfen haben, damit dieser in den ewigen Feuern der Hölle schmore und für seine Sünden büße.
Eine nahezu identische Erzählung bietet die vermutlich um 660 in Burgund entstandene ‚Fredegar-Chronik’. Auch hier wird Theoderich, nachdem er von seinem angeblichen Bruder Gaisericus getötet wurde, durch die Geister Symmachus und Johannes den Flammen eines Vulkans übergeben. Dieses Mal jedoch geschieht dies nicht auf der Insel Liparis, sondern in Italien selbst, da Theoderich in einen Vulkan auf Sizilien gestoßen wird.
Von Theoderichs Vulkansturz weiß auch der Mönch und Historiograph Frutolf in seiner Chronicon universale (‚Weltchronik’), welche vermutlich um 1099 im Kloster Michelsberg zu Bamberg entstanden ist und bis 1101 fortgeführt wurde, zu berichten. In seinen Berichten über die Goten („Hystoria Gothorum“) erzählt Frutolf von der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und von Attilas Tod. Die ‚Gotengeschichte’ endet mit dem Untergang des Gotenreichs einige Jahre nach Theoderichs Tod. Über Theoderich selbst sagt die Chronicon universale Folgendes aus: Als Geisel gelangt er zum Hofe Kaiser Zenons in Konstantinopel. Später gelingt ihm die Eroberung Italiens, wo er seine Herrschaft antritt, nachdem er seinen Rivalen Odoaker in der Schlacht besiegt und wenig später ermordet hat. In den Jahren seiner Herrschaft vollzieht sich ein Wandel in Theoderichs Charakter: Vom ehrenvollen König wird er mehr und mehr zum Tyrannen des Landes. Seinen moralischen Tiefpunkt hat er erreicht, als er Symmachus und Boethius des Verrats bezichtigt, sie hinrichten lässt und Papst Johannes im Kerker zu Tode kommen lässt. Wenig später ereilt ihn ganz plötzlich der Tod und seine Seele wird in einen Vulkan gestoßen, wo sie für immer brennen muss.
Von allen bislang genannten historiographischen Werken ragt die Kaiserchronik heraus. Sie ist das Produkt von mehreren unbekannten Verfassern, die ihr den Vorzug der mittelhochdeutschen Schriftsprache gaben. Um etwa 1140 ist die Kaiserchronik wahrscheinlich in Regensburg entstanden, und sie wurde noch bis zum Jahre 1147 fortgeführt (in der Chronik erscheint u.a. ein Bericht über das Rüsten für einen weiteren Kreuzzug ins Heilige Land). Aufgrund dieser Tatsachen stellt die Kaiserchronik das älteste deutsche Geschichtswerk dar. In ihr wird die Weltgeschichte als Kaisergeschichte erzählt, ausgehend vom großen Julius Cäsar bis zu Kaiser Karl dem Großen. Oft finden sich dabei auch Heiligenlegenden, die mitverarbeitet wurden. Historisch exakt über Personen und Geschehnisse zu berichten, ist für die Kaiserchronik nicht von vorrangiger Bedeutung, obwohl der Verfasser selbst an einem historischen Bericht über Theoderich den Großen sehr bemüht war. Das belegt seine äußerst scharfe Kritik an Sagengeschichtlichem über Dietrich von Bern. Für ihn ist die Sage ein minderwertiges und somit für die Geschichtsschreibung unbrauchbares Produkt, da sie nur mündlich überliefert sei und den Phantasien fahrender Dichter entstamme. An einer anderen Stelle wird die Sage noch verstärkt abqualifiziert, da er sie als Lüge bezeichnet. Dennoch finden sich nur einige historische Fakten, die vom Verfasser ausgewählt wurden. Stattdessen spezialisiert sie sich eher auf die lehrhafte Vermittlung der Stoffe. Die Erzählungen über Dietrich von Bern lassen sich im Abschnitt der Kaiserzeit Zenons finden (Verse 13825-14193). Außerdem greift der Verfasser auf das Fluchtmotiv, welches sich beispielsweise in Dietrichs Flucht finden lässt, zurück, um über diese Schiene die Geschichte von Dietrichs Vorfahren zu schildern. Berichtet wird, wie Dietrichs Großvater, Dietrich von Meran, nach Vertreibung aus seinem eigenen Land durch Etzel in die Lombardei flüchten muss, wo ihm sein Sohn Dietmar geboren wird, der selbst wiederum später der Vater Dietrichs von Bern wird. Nach Etzels Tod kann Dietmar die Herrschaft über Meran zurückgewinnen und sie anschließend erfolgreich gegen die Etzelsöhne verteidigen. Von Dietrich wird berichtet, wie er als Geisel an Zenons Hof gelangt, dort ein treuer Gefolgsmann des Kaisers wird und Karriere macht. Er besiegt Odoaker im Kampf und sichert sich die Herrschaft in Italien. Die römischen Senatoren Boethius und Seneca sowie Papst Johannes begeben sich unterdessen zu Kaiser Zenon und klagen bei diesem darüber, dass Dietrich als ungetaufter Mann niemals über Italien herrschen dürfe. Wegen ihres Verrats lässt Dietrich die Senatoren hinrichten und Johannes im Kerker verhungern. Einige Zeit später beobachten viele Menschen, wie Dietrich von Teufeln an Armen und Beinen gepackt und in den Berg Vulkan geworfen wird, wo er dazu verdammt ist, bis zum Tag des Jüngsten Gerichts zu brennen.
2.2.3 Der Höllenreiter
Schließlich gab es noch eine weitere Variation bezüglich Theoderichs Todesthema. Weg von den Flammen des Vulkans wurde er nun zu einem wilden Jäger gemacht, der auf der Jagd unentwegt auf die Pforten der Hölle zusprengt.
In erster Linie lässt sich das Motiv der wilden Jagd gen Höllentor in der bildenden Kunst finden, wie beispielsweise ein Fresko in der Burgkapelle von Hocheppan bei Bozen sowie ein Ausschnitt des Portalreliefs an einer Kirche von San Zeno Maggiore in Verona. Bei Letzterem erscheint Dietrich als Jäger, der auf galoppierendem Ross einen Hirsch verfolgt. Dabei stehen ihm ein Falke und Jagdhunde zur Verfügung – einer von diesen springt bereits auf das Wild zu – sowie ein Jagdhorn, in das er während des Ritts bläst. Benedikt[30] unterstreicht die dämonische Gestaltung der Jagdszene insofern, dass er die typischen Attribute des Jägers, nämlich das Ross, das Jagdhorn, den Falken und die Jagdhunde als „Gaben der Hölle“ bezeichnet[31]. Am anderen Ende wartet bereits der Teufel darauf, Dietrich in Empfang zu nehmen. Eine dazu gehörende Inschrift besagt, dass der törichte König ebendies vom Teufel gefordert habe. Aus dem Bade kommend, ritt er völlig nackt zur Höllenpforte und somit letztlich in seinen Untergang.
Allerdings hat Haubrichs[32] zu bedenken gegeben, dass das Bild des aus der Badewanne steigenden Dietrichs symbolisch umgedeutet werden muss: Gemeint sei vermutlich die Porphyrwanne, d.h. sein Grab[33].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Portalrelief von San Zeno Maggiore
(Quelle: Heinzle 1999, Abb. 1)
Aber auch ein Bericht des Historiographen Gottfried von Köln greift dieses Motiv auf. Gottfried (Godefridus) berichtet, dass im Jahre 1197 Wanderern an der Mosel eine ungeheuer große Kreatur von menschlicher Gestalt erschien, die auf einem schwarzen Ross durch die Lüfte ritt. Als die Menschen die Erscheinung nahen sahen, fürchteten sie sich sehr, doch das Phantom gebot ihnen, keine Angst zu haben. Der unheimliche Reiter offenbarte sich ihnen sodann: er sei der einstige König von Verona, Theoderich der Große, und er überbringe den Menschen Kunde von einem großen Unglück, welches über das Römische Reich hereinbrechen werde.
Bei der Chronicon sive historia de duabus civitatibus (‚Geschichte der zwei Staaten’) des Otto von Freising (Bischof von Freising und Historiograph) handelt es sich um eine Weltgeschichte in sieben Büchern, die vermutlich zwischen 1132 und 1146 im französischen Kloster Morimond in der Champagne entstanden ist. Interessant ist, dass in Ottos ‚Chronik’ der Vulkansturz und der Höllenritt Theoderichs erwähnt werden. Berichtet wird von Theoderichs Jugendjahren am Hofe in Konstantinopel, seinen Leistungen als großer Stratege und Kämpfer in verschiedenen Schlachten und natürlich auch die Ermordung Odoakers durch Theoderich. Nach seiner Machtergreifung regiert er als Tyrann über Italien. Zum Opfer fallen ihm auch hier Papst Johannes I. sowie die römischen Senatoren Symmachus und Boethius. Seine Schreckensherrschaft währt 30 Jahre bevor Theoderich ein plötzlicher Tod ereilt: Von den Geistern Symmachus und Johannes wird er in den Ätna geworfen. Zusätzlich verweist Otto auf den allgemeinen Volksglauben, Theoderich sei lebendigen Leibes auf dem Rücken eines Pferdes zur Hölle geritten.
Das Todesthema Theoderichs wurde also über die Jahrhunderte vielfach verändert. Dabei erhielt der einstige gute Ruf des großen Gotenführers und Friedenspolitikers verstärkt negative Züge, vermutlich nicht zuletzt deshalb, weil man die Verurteilung des Symmachus und Boethius sowie die Inhaftierung des Papstes als sündhaftes und ketzerisches Verhalten empfand, dass auch in der literarischen Erinnerung Theoderichs nicht unbestraft bleiben durfte. Allerdings muss nach Flood[34] auch erwähnt werden, dass manche von Theoderichs Kritikern, trotzdem sie ihn insgesamt in literarisch schlechter Erinnerung hielten, ihn dennoch bewunderten:
Justinians Chronist Prokop sagt über Theoderich, er besitze alle Eigenschaften eines wahrhaft großen Königs (De Bello Gothico, I, i, 26), und Paulus Diaconus (gest. 799), der lombardische Geschichtsschreiber am Hofe Karls des Großen, hält in seiner Geschichte der Eroberung Norditaliens durch die Langobarden im Jahr 568 mit Stolz fest, daß die Königsresidenzen von Monza und Pavia durch Theoderich erbaut worden sind. In Pavia wurde übrigens noch bis ins Jahr 968 unter dem Mosaik-Portrait Theoderichs Recht gesprochen. Die glühendste Bewunderung und Ehrerbietung ging indessen von Karl dem Großen aus, der nach seiner Krönung zum Kaiser im Jahr 800 Theoderichs Reiterstandbild als Zeichen kaiserlicher Macht von Ravenna nach Aachen versetzen ließ und einem seiner nach 800 geborenen Söhne den Namen Theoderich gab. (Flood 1996, 294).
Mit der Erscheinung des Helden Dietrichs von Bern in Heldensagen und später Heldendichtung änderte sich das Konzept des Sünders und Ketzers jedoch schlagartig. Wie Heinzle richtig erkannte, wollten die Verfasser der Heldendichtung über Dietrich dessen Verdammung nicht akzeptieren und bemühten sich daher, die Geschichte zu seinen Gunsten umzuschreiben[35].
Die nordische Thidrekssaga, die Thidreks gesamtes Leben in dichterisch freien Zügen schildert, d.h. von der Geburt des Helden bis zu seinem Tod, lässt ihn interessanterweise zweimal sterben. In der altschwedischen Fassung der Thidrekssaga begibt sich Thidrek auf die Suche nach dem verräterischen Widga (Witege), um sich zu rächen. Er findet ihn schließlich und erschlägt ihn nach einem harten Kampf, in dem Thidrek schwerste Verwundungen davonträgt. Auf seinem Heimweg gelangt er nach Schwaben, wo er sein mächtiges Schwert Mimung in einen großen See wirft – dies erinnert sehr stark an die Artussage –, bevor er seinen tödlichen Kampfverletzungen erliegt. Der Verfasser der isländischen Thidrekssaga hingegen, schreibt Thidrek ein anderes Ende zu, indem er das Motiv des Höllenritts in die Erzählung aufnimmt: Als Dietrich im Bade sitzt, hört er einen Hirsch und jagt ihm auf einem schwarzen Ross, welches sich als der Teufel selbst herausstellt, hinterher. Dietrich hält, genau wie der Hirsch, dabei auf das Höllentor zu. Soweit scheint die Erzählung mit der Höllenritt-Überlieferung identisch zu sein. Was ihn jedoch vor den Qualen der Hölle bewahrte, war sein Glaube an Gott und die heilige Jungfrau Maria, derer er bei seinem Ritt gedachte und deren Beistand er erhielt und somit seine unsterbliche Seele noch zu retten vermochte.
Als einziges aventiurehaftes Epos der mittelhochdeutschen Dietrichepik berichtet der Wunderer [36] von Dietrichs Ende. Allerdings lässt ihn der Verfasser weder sterben noch zur Hölle fahren. Stattdessen berichtet er:
mit worheyt ich das spriche
nůn seint sie alsampt todt.
biß on herr dieteriche
der ist bei leben doch.
vnd strit so krefftigliche
mit den würmen noch. (215,3-8)
Dietrich ist hier also noch am Leben und hat immer noch Kräfte in sich, um heldenhaft gegen Drachen zu kämpfen.
Bei der ‚Wartburgkrieg’-Dichtung nimmt der Verfasser den Vulkansturz auf und benutzt diesen als Pseudo-Tod. In „Zabulons Buch“ erzählt Klingsor vom Reich des Zwergenkönigs Sinnels, dem Bruder des Zwergenkönigs Laurin. Sinnels Reich befindet sich im Lande Palakers am Lebermeer und er berichtet weiter, dass sich das Zwergenvolk auf Dietrichs Bitte hin zum Christentum bekehrt. Gegenüber Dietrich erklärt Laurin, dass die Lebenserwartung des Berners in seinem Land nur noch 50 Jahre beträgt, doch bietet er Dietrich einen Ausweg an: Um das gemeine Volk in die Irre zu führen, täuscht Dietrich seinen Tod vor, indem er sich in einen Vulkan „stürzt“. Innerhalb des Vulkans führt jedoch eine Straße entlang, auf der er vom Zwergenkönig Laurin in ein Zauberreich geführt wird, in welchem er für 1000 Jahre (vielleicht auch für immer) friedlich und glücklich leben kann.
In den späten Heldenbuch-Drucken schließt sich letztendlich noch die ‚Heldenbuch-Prosa’ an. Sie bietet in knapper Form eine umfassende Darstellung des Heldenzeitalters, welches mit König Orendel von Trier beginnt und mit dem „Verschwinden“ des letzten überlebenden Helden Dietrich von Bern endet. Gemäß der ‚Heldenbuch-Prosa’ heißt es, dass ein Zwerg den Berner fortgeführt habe:
Da kam ein cleiner zwerg, vnd sprach zů jm. Berner, berner, du solt mi[t] mir gan. Da sprach der berner, wa sol ich hin gan. Da sprach der czwerg, du solt mit mir gan, dein reich ist nit me in dieser welt. Als gieng der berner hin weg, vnd weißt nieman wa er kumen ist obe er noch in leben oder dot sey, weißt nieman warlichen da von zů reden. (Keller 1867, 11)
Die Worte, die der Zwerg Dietrich gegenüber benutzt dein reich ist nit me in dieser welt erinnern sehr stark an das Christuswort in Joh. 18,36 „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“. Es besteht also durchaus die Möglichkeit, dass sich das Bild des sündigen Mörders, der in der Hölle schmort, ins absolute Gegenteil verkehrt hat. Nun darf Dietrich, der starke und glorreiche Held zu Bern, seinen Platz im Himmel als gesichert wissen. Somit könnte man die Fortführung durch den Zwerg auch als Himmelfahrt Dietrichs verstehen. Andererseits könnte diese „Wegführung“ auch durchaus von der Artussage geprägt worden sein, da die Worte vnd weißt nieman wa er kumen ist obe er noch in leben oder dot sey auch auf Artus’ eigenes Schicksal zurückweisen: Nach seinem Sieg über Mordred, den er in der Schlacht von Camlann tötet, wird Artus selbst schwer verletzt und bittet einen seiner letzten Ritter, das Schwert Excalibur, welches er von der Dame im See erhalten hatte, dieser wieder zu übergeben. Während der Ritter nach anfänglichem Zögern den Auftrag seines Herrn schließlich ausführt, wird Artus von drei Priesterinnen zum mystischen Ort Avalon überführt. Ob er dort gestorben ist oder nicht, darüber lässt uns die Artussage im Unklaren.
2.3 Die historische Dietrichepik über Dietrich von Bern
Wie bereits erwähnt, waren die Verfasser und Bearbeiter der späten Heldendichtung über Dietrich von Bern sehr darauf bedacht, Theoderichs schlechten Ruf, den er über die Jahrhunderte erfahren hatte, in ein positives Licht zu rücken. Daher haben jene, die historisch bezeugten Ereignisse im Leben des Ostgotenführers in das Heldenschema der germanisch-deutschen Heldendichtung integriert. In dieser Erzählkonstellation berichten die Epen Dietrichs Flucht, Rabenschlacht und Alpharts Tod vom „historischen“ Dietrich von Bern und seinem großen Widersacher Ermanarich.
Ermanarich, der selbst ein Gotenkönig ist, wird in den historischen Dietrichepen als Mensch dargestellt, dem es an jeglichen höfischen Tugenden fehlt, d.h. dem Verhalten eines Königs unwürdig ist. Er ist der Onkel Dietrichs, hat aber in seinem Herzen keinerlei Liebe und Verständnis für seine Verwandten und treu ergebenen Männer. Dies bezeugen viele seiner Handlungen. Als Dietmar, der Vater Dietrichs und Bruder Ermanarichs, im Sterben liegt, bittet er ihn, sich fürsorglich um Dietrich und seinen Bruder Diether zu kümmern. Ermanarich tötet nach dem Tode Dietmars die Söhne Diethers, die Harlungen, und wütet im Römischen Reich. Außerdem tritt er die Herrschaft über die Besitztümer der ermordeten Verwandten an. Sein böser Ratgeber Sibiche ermuntert ihn außerdem dazu, sich auch seines Neffen Dietrichs zu entledigen, um dessen Hab und Gut ebenfalls an sich reißen zu können. Aus diesem Grunde führt er Krieg gegen Dietrich, wird aber in der Schlacht von ihm besiegt. Daraufhin flieht Ermanarich rasch vom Schlachtfeld, doch gelingt es ihm später, sieben Helden aus Dietrichs Gefolge gefangen zu nehmen. Obwohl Dietrich selbst einige Männer Ermanarichs gefangen nehmen konnte, darunter auch seinen Sohn, lehnt Ermanarich einen Gefangenen-austausch strikt ab. Ihm liegt also nicht einmal etwas am Leben seines eigenen Fleisch und Blutes. Stattdessen fordert Ermanarich Dietrich auf, ihm seine gesamten Besitztümer zum Austausch der Helden zu überlassen. Dietrich willigt ein, und obwohl er noch einen Versuch unternimmt, wenigstens Bern behalten zu dürfen, indem er sich vor Ermanarich wirft und diesem die Füße küsst, wird seinem Wunsch kein Gehör geschenkt und er muss zu Etzel ins Exil. Auch in späteren Kriegen, die Dietrich mit hunnischer Unterstützung gegen Ermanarich führt, kann Ermanarich, trotz verlorener Schlachten, bei denen er das Schlachtfeld stets wie ein Feigling durch rasche Flucht verlässt, seine in Besitz genommenen Ländereien behalten, da Dietrich immer wieder zum Hunnenhof zurückkehrt.
Ermanarich erscheint demnach als Dietrichs Antagonist in der historischen Dietrichepik, der als unmenschlich geschildert wird. Zur Ermordung seiner eigenen Sippschaft kommt noch seine Grausamkeit gegenüber Frauen und Kindern hinzu. Bei Ravenna soll er beispielsweise für den Tod von 4000 Frauen und 600 Kindern verantwortlich sein. Er ist ein Mensch, dem es an jeglicher Moral und Tugend mangelt, der sein ganzes Streben auf die Ausweitung seines Machtbereiches konzentriert und dabei keine Rücksicht auf Verlust nimmt (wie zum Beispiel bei seinem eigenen Sohn und seinen Gefolgsleuten). Außerdem kann er auch nicht als Held bezeichnet werden, da er sich in einer Kampfsituation als Feigling herausstellt und aus Todesangst stets die Flucht ergreift.
Ganz anders sieht es dagegen für Dietrich von Bern aus. Er steht gänzlich im Zeichen des glorreichen Helden und Herrschers, der sein Leben nach den ritterlichen Idealen ausrichtet. Als Herrscher ist er äußerst bedacht und zurückhaltend und versucht, Kampfhandlungen möglichst zu vermeiden. Dietrich ist vor allem – und das widerspricht gänzlich den Wesenszügen Ermanarichs – nicht an irdischen Besitztümern verhaftet. Beim Austausch seines Besitzes gegen das Leben seiner Freunde willigt Dietrich sofort ein. Er zeigt sich hier als Held und Herrscher, der seinen Gefolgsleuten die unbedingte Treue hält. Selbst gegenüber Witege, der auf die Seite Ermanarichs gewechselt ist, lässt er Gnade walten, versöhnt sich nach gewonnener Schlacht mit ihm, stellt ihm das eroberte Ravenna unter Verwaltung und schenkt ihm sogar sein eigenes Pferd. Witege, dagegen, übt sich jedoch erneut im Verrat, indem er Ermanarich Ravenna wieder ausliefert. Dieser lässt daraufhin alle Einwohner ermorden. Auch die Verpflichtung gegenüber seinem Bruder Diether und den Etzelsöhnen Orte und Scharpfe spricht für Dietrichs Ehre. Er nimmt sie zwar mit sich nach Bern, lässt sie aber am Kampfgeschehen nicht teilnehmen, sondern übergibt sie der Obhut des alten Elsan, da er ihrer Sicherheit bedacht ist. Dietrich entfernt sich allerdings auch teilweise vom Bild des Helden, indem es bei ihm immer wieder zu Gefühlsausbrüchen kommt. Als der junge Held Alphart durch Witege und Heime einen unrühmlichen Tod findet – er wird von Witege getötet, als er schwer verwundet am Boden liegt –, beklagt Dietrich den Tod seines Recken sehr. Und auch als die Etzelsöhne sowie sein Bruder durch die Hand Witeges gefallen sind, weint er sehr über den Verlust der jungen Krieger und erklärt gegenüber dem hunnischen Herrscherpaar, dass er alleine für den Verlust verantwortlich zu machen sei. Allerdings wandelt sich bei letzterem Beispiel seine Trauer in Zorn, denn er jagt auf seinem Pferd Witege in der festen Absicht hinterher, ihn für seine Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen, was ihm letztlich durch die Flucht Witeges ins Meer misslingt.
Dietrich von Bern ist also bereits in der historischen Dietrichepik eine äußerst komplexe literarische Gestalt. Er wird als durch und durch ehrenhafter Herrscher beschrieben, der seinen Männern die Treue hält und seine gefallenen Brüder beklagt. Zudem ist er ein großer Heerführer, der mithilfe seiner Männer, allen voran seinem alten Freund und Lehrherrn Hildebrand, stets siegreich aus den Schlachten gegen Ermanarich hervorgeht. Feigheit oder gar Flucht können ihm nicht vorgeworfenen werden, denn er stellt sich Kampfsituationen, sofern sie nicht vermieden werden können, tapfer entgegen. Außerdem ist Dietrich in den historischen Dietrichepen ein kompromissbereiter Verhandlungspartner, der, um seine Gefolgsleute zu retten, bereitwillig seine Besitztümer an Ermanarich übergibt und anschließend ins Exil geht. Aber auch Rache ist Dietrich nicht völlig fremd, doch muss sie – anders als bei Ermanarich – moralisch vertretbar und vor allem gerechtfertigt sein. Er liefert sich daher viele Schlachten gegen die Streitmacht Ermanarichs, um seinen eigenen Besitz wieder zu erlangen. Und auch sein Zorn, der ihn zur Jagd auf Witege antreibt, wird durch die feige Ermordung der jungen Krieger hervorgerufen. Insgesamt ist Dietrich von Bern hier also ein Mensch, der dem Ruhm eines großen Herrschers entspricht, der sich in Schlachten als großer Held, der nach ritterlichen Idealen handelt, bewährt und der seinen Gefühlen bezüglich dem Tode seiner Freunde Ausdruck zu verleihen versteht. Eine besondere Eigenheit weiß die Rabenschlacht noch über ihn zu berichten: Dort ist Dietrich nicht länger Junggeselle; er wird gleich zu Beginn mit der Schwestertochter der Königin, Herrat, verheiratet.
3. Dietrich von Bern in der aventiurehaften Dietrichepik
Wie verhält es sich nun aber mit Dietrich von Bern in den aventiurehaften Dietrichepen? Inwieweit wird sein Wesen beschrieben sowie seine Handlungen und sonstiges Verhalten geschildert und gerechtfertigt? Und inwiefern bestehen Parallelen und Abweichungen zur Dietrich-Figur, wie sie uns in vielgestaltigen Texten vorheriger Jahrhunderte überliefert ist?
All diese Fragen verlangen nach Antworten, welche die vorliegende Arbeit im bescheidenen Rahmen zu geben versucht. Die drei ausgewählten aventiurehaften Dietrichepen, die – mithilfe von Querverweisen zu anderen Werken der aventiurehaften Dietrichepik – ein repräsentatives Bild von Dietrich von Bern geben sollen, werden in folgender Reihenfolge untersucht: Zunächst stützt sich diese Arbeit auf den Rosengarten zu Worms, anschließend wird König Laurins Rosengarten analysiert, und letztendlich wird die Aufmerksamkeit dem Eckenlied gewidmet sein. Welche Analysekriterien aber gibt es?
Als Erstes wird jeweils auf die formale und inhaltliche Struktur der Texte eingegangen, da diese bereits einen gewissen Aufschluss bezüglich Dietrichs Charakter sowie dem Charakter des jeweiligen Textes geben dürfte.
Außerdem beschäftigt sich die Arbeit mit verschiedenen Märchen- und Sagenmotiven. Da die aventiurehafte Dietrichepik als besonderes Merkmal über eine Fülle von märchenhaften Elementen aufführt, werden diese aus dem ‚Rosengarten A’, dem ‚Laurin A’ und dem ‚Eckenlied L’ herausgefiltert und auf ihre Ursprünge zurückgeführt. Sagengeschichtlich gilt es zu hinterfragen, auf welche Sagen die jeweiligen Epen zurückgehen bzw. aus welchen ihre Verfasser geschöpft haben.
Um schließlich Dietrich von Bern möglichst exakt erfassen zu können, muss eine Analyse der literarischen Figur vorgenommen werden. Zu diesem Zweck wird er mit einer Auswahl an Figuren des aventiurehaften Personals der Epen verglichen.
3.1. Rosengarten zu Worms
3.1.1 Zum Aufbau des Textes
Die ältere Vulgat-Version des Rosengarten zu Worms besteht aus 390 Strophen, welche im so genannten „Hildebrandston“ verfasst sind. Beim Hildebrandston handelt es sich um eine Variation der im Nibelungenlied [37] verwendeten Strophenform (daher auch „Nibelungenstrophe“ genannt).
Die Nibelungenstrophe besteht aus vier Langzeilen mit An- und Abvers, bei der die ersten drei Abverse mit jeweils 3 Hebungen, der vierte jedoch mit vier Hebungen endet. Zudem verwendet sie Reimpaare als typisches Reimschema. Ein Beispiel aus dem Nibelungenlied:
Uns ist in alten mæren wunders vil geseit
von helden lobebæren, von grôzer arebeit,
von freuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,
von küener recken strîten muget ir nû wunder hœren sagen. (NL, Str. 1)
Wie zu erkennen ist, findet sich in den Abversen der Langzeilen das Reimschema aabb (geseit – arebeit (aa), klagen – sagen (bb)). Außerdem sind die ersten drei Abverse mit drei metrischen Hebungen versehen, während der letzte Abvers vier Hebungen vorweist (die Hebungen der Abverse wurden im Beispiel unterstrichen). Auffällig ist, dass im ausgewählten Beispiel auch die Anverse in Reimpaaren vorliegen. Dies allerdings ist kein Charakteristikum der Nibelungenstrophe, sondern eine Besonderheit der Eingangsstrophe des Nibelungenlied.
Der Hildebrandston ähnelt der Nibelungenstrophe sehr stark. Wie sie, weist er das typische Reimpaarschema der Abverse auf. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Abverse beim Hildebrandston alle drei Hebungen vorweisen, anstelle eines vierhebigen letzten Abverses bei der Nibelungenstrophe. Auch im folgenden Beispiel sind die Hebungen der Abverse unterstrichen:
Ein stat lît an dem Rîne, du ist sô wünnesam
und ist geheizen Wormze. sie weiz noch manec man.
darinne saz ein recke, der hête stolzen muot:
er was geheizen Gibeche und was ein künec guot. (RGA, Str. 1)
Die Reimpaare für die Abverse lassen sich ganz klar ausmachen (wünnesam – man (aa), muot – guot (bb)). Über kein Reimschema verfügen aber die Anverse, was ebenfalls dem Hildebrandston entspricht.
Innerhalb der Dietrichdichtung lässt sich der Hildebrandston – neben dem Rosengarten zu Worms – bei den Epen Alpharts Tod, Ortnit und Wolfdietrich, aber auch im Jüngeren Hildebrandlied finden, welchem die Strophenform den Namen verdankt. Außerhalb der Dietrichepik verwenden laut Dinzelbacher[38] auch Das Lied vom Hürnen Seyfried, der Antelan und die Fassung k des Nibelungenlied als Strophenform den Hildebrandston.
Vermutlich diente das Nibelungenlied als Vorlage für das Rosengarten -Epos. Interessant ist hier nicht nur, dass ein ähnlicher metrischer Stil verwendet wurde, sondern auch inhaltlich zahlreiche Aspekte entlehnt und (in abgewandelter Form) im Rosengarten zu Worms Eingang gefunden haben. So beispielsweise die Idee vom unbesiegbaren Siegfried, der durch seine in Drachenblut getränkte Hornhaut nahezu unüberwindbar ist, die rachsüchtige Kriemhild, wie sie aus dem zweiten Teil des Nibelungenlied bekannt ist, und natürlich auch Dietrich von Bern, der mit der burgundischen Welt zusammenstößt.
Während Hoffmann[39] im Hildebrandston das Endstadium einer aus der Nibelungenstrophe entwickelten Strophenform zu erkennen mag[40], verweisen Bertau und Stephan[41] auf die genau umgekehrte Entwicklung, d.h. aus dem ursprünglichen Hildebrandston habe sich erst später die Nibelungenstrophe entwickelt, die im letzten Abvers durch eine betonte Silbe bereichert wurde[42].
Die Handlungszeit im ‚Rosengarten A‘ beträgt etwas über einen Monat. Allerdings kann Genaueres darüber nicht ausgesagt werden, da einige Szenen keinen klaren Einblick in die zeitliche Struktur geben. Zunächst wird davon gesprochen, dass der Herzog von Brabant für seinen Botenritt nach Bern vier Tage benötigt:
Dô schiften sie vil balde ze Wormze über Rîn,
dô muosten sie die êrsten naht ze Heidelberge sîn.
an dem andern âbent, die recken hôchgenant,
dô kâmen sie gein Halle in der werden Swâben lant.
An dem dritten âbent kâmen sie geriten
dâhin gein Nördelingen nâch ritterlîchen siten.
an dem vierden tage kâmen sie mit êren dô
in die guoten stat ze Augespurc, dâ wurden sie vil vrô.
Darnâch kâmen sie gein Garte und sâhen Berne an. (22,1-24,1)
Wie lange Sabin aber für den Rückweg nach Worms gebraucht hat, wird nicht erwähnt. Stattdessen heißt es nur, er sei in Worms wieder angekommen, um Kriemhild von der Kampfzusage der Berner zu berichten (Str. 82,3-4).
Im Gegensatz dazu berichtet der Verfasser des ‚Rosengarten A‘ jedoch, dass die Boten aus Worms den Berner Hof zehn Tage lang als Gäste besuchten:
dô beliben sie ze Berne unz an den zehenden tac.
die wîle manec ritter mit in kurzewîle pflac. (73,3-4)
Nach der Rückreise des Herzogs beginnen die Berner mit den Vorbereitungen für die bevorstehenden Zweikämpfe in Kriemhilds Rosengarten. Man versammelt die Helden und entscheidet, welcher von ihnen sich welchem der zwölf Rosengarten-Wächter stelle solle. Dietleib, der als Gegner Walthers auserwählt wird, muss allerdings erst noch gefunden werden. Dafür begibt sich Siegstab auf die Suche nach ihm, welche ihn von Bern zur Steiermark und von dort aus über Pöchlarn nach Wien führt, wo er Dietleib schließlich findet. Auch hier gibt der Text nicht zu erkennen, wie viel Zeit von Siegstabs Ausritt von Bern bis zur anschließenden Rückkehr mit Dietleib vergangen ist (Str. 109,1-125,1).
Mit Dietleibs Ankunft in Bern und seiner Kampfzusage wird ein großes Fest veranstaltet und die Helden verweilen weitere sechs Tage in Bern, bevor sie sich dann auf die Reise gen Worms begeben:
Sus wâren sie ze Berne unz an den sehsten tac. (130,1)
Da den Bernern noch ein Zweikämpfer fehlt, machen sie Station beim Kloster zu Isenburg. Dort gelingt es durch die Vermittlung Hildebrands, seinen Bruder Ilsan für die Kampftruppe zu gewinnen. Genaue zeitliche Angaben fehlen an dieser Stelle ebenfalls (Str. 131.3-4).
Später berichtet der Text, dass Dietrich und seine Männer Worms schließlich erreicht haben. Für ihre Reise von Bern nach Worms benötigten die Helden elf Tage:
An dem eilften morgen, alsô wir’z hân vernomen,
wâren die geste gein Wormze an den Rîn komen. (167,1-2)
Von König Gibiche werden Dietrich und die Helden der höfischen Sitte gemäß empfangen. Die Berner ihrerseits verhalten sich ebenfalls nach ritterlichen Idealen und ein Frieden von acht Tagen wird daraufhin durch Kriemhild vereinbart. In dieser Zeit werden die Gäste von den Burgunden ordentlich bewirtschaftet und unterhalten:
Ein vride wart gegeben unz an den ahten tac. (190,1)
Am neunten Tag, wird der Frieden aufgekündigt; nun beginnen die Zwei-kämpfe im Rosengarten, die – zeitlich wieder nicht verdeutlicht – vermutlich einen großen Teil des Tages in Anspruch nehmen (Str. 192,1-373,4).
Die durch und durch siegreichen Berner, kehren – nachdem Kriemhilds Hochmut durch Ilsan bestraft wurde und Dietrich der Lehnsherr Gibiches geworden ist – nach Bern zurück (Str. 380,1-2), wo Dietrichs Gefolge den Helden ein Fest gibt. Ilsan ist indes wieder zu seinem Kloster in Isenburg zurückgekehrt. Bevor die Handlung mit der Bestrafung der Klosterbrüder endet, wird hier zum letzten Mal nichts über die Dauer von Ilsans Rückreise erwähnt: Er ist plötzlich einfach wieder da (Str. 386,2).
Bezüglich der Örtlichkeiten des Handlungsgeschehens im ‚Rosengarten A‘ lassen sich zwei Gruppen ausmachen, die von unterschiedlicher Bedeutung und Handlungsfülle sind. Die beiden zentralen Handlungsorte sind eindeutig der Berner Hof und Kriemhilds Rosengarten.
Der Berner Hof ist insofern bedeutsam, dass die Konfliktsituation eben gerade dort ausgelöst wird – durch die Verlesung des Briefs –, obwohl der eigentliche Ursprung der Handlungsentfaltung im hochmütigen Charakter Kriemhilds liegt. In Bern wird Sabin mit der Überbringung von Dietrichs Kampfzusage beauftragt. Dort werden auch die ersten zehn Kämpfer für die Rosengarten-Aventiure ausgewählt (später stößt noch Dietleib dazu).
Im Wormser Rosengarten gelangt die Handlung schließlich zu ihrem Höhepunkt: Die einzelnen Helden treten in den Zweikämpfen gegeneinander an, während Kriemhild sich das Schauspiel aus sicherer Entfernung betrachtet. Auf Seiten der Berner sind alle siegreich; lediglich Walther von Wasgenstein, einem Held der Burgunden, gelingt es, gemeinsam mit Dietleib als Sieger aus dem Kampf hervorzugehen.
Die anderen, ebenfalls wichtigen, doch lange nicht so handlungsstarken Örtlichkeiten sind zunächst die Steiermark, dann Pöchlarn und schließlich Wien. In dieser Reihenfolge folgt Siegstab der Fährte Dietleibs, um ihn für das Abenteuer im Rosengarten zu rekrutieren. Nach Wien verschlägt es Siegstab nur deshalb, weil er vom Markgraf von Pöchlarn die Information erhält, man hätte Dietleib zuletzt nahe Wien gesehen.
Schließlich bleibt noch Ilsans Kloster bei Isenburg. Das Heer Dietrichs lagert auf einem Feld vor den Toren des Klosters. Ilsan, der die Streitmacht erblickt und diese für Besatzer hält, legt Waffen und Rüstung an und reitet alleine gegen die Übermacht an. Von Hildebrand wird er jedoch über den Sachverhalt aufgeklärt und schließt sich als letzter der zwölf Zweikämpfer Dietrichs Truppe an.
Inhaltlich lässt sich ebenfalls eine Struktur ausmachen, die typische Handlungselemente der aventiurehaften Dietrichepen enthält, diese aber teilweise stark verdreht.
Normalerweise geht das Herausforderungsschema in den aventiurehaften Epen von Dietrich aus. Er fordert mächtige Gegner heraus, um diese zu bestehen und damit seinen eigenen Ruhm zu steigern. Zum Erreichen dieses Ziels begibt er sich deshalb auf Aventiure, manchmal alleine, manchmal auch in Begleitung des alten Hildebrand und/oder anderer Berner Recken. So fordert Dietrich beispielsweise im ‚Jüngeren Sigenot’ den starken Riesen Sigenot heraus, nachdem ihm Hildebrand von diesem berichtet hat. Allerdings wird er von Sigenot besiegt und kann erst gerettet werden, nachdem Hildebrand den Riesen getötet hat. Ebenso ist es im Laurin: Dort kann sich Dietrich erst dann als größter Held und Herrscher bezeichnen, nachdem er die Zwergenaventiure gegen den Zwergenkönig bestanden hat, weshalb er sich mit Witege zum Rosengarten Laurins begibt.
Im ‚Rosengarten A’ ist die Handlung allerdings völlig anders motiviert: Die Herausforderung geht hier nicht von Dietrich, sondern von Kriemhild aus. Obwohl sie als Aufgabe die Bezwingung der zwölf Helden ihres Rosengartens stellt, ist dies für sie nicht primär wichtig. Viel entscheidender ist der Kampf zwischen ihrem Verlobten Siegfried und Dietrich von Bern. Denn mehr als alles andere möchte sie mit der Herausforderung der Berner herausfinden, welcher der beiden großen Helden sich als der stärkere und somit würdigere erweise. Da Dietrich seinerseits keinen Wunsch zur Vergrößerung seines Ruhmes verspürt, kann auch von Aventiuresuche hier keine Rede sein. Aus der Wortwahl des Dichters hat de Boor[43] erkannt, dass „[d]ie Absicht von Dietrichs Zug…mit den Verben strâfen, rechen, schenden, niht vertragen, niht übersehen ausgedrückt [wird]; es geht nicht um den Lohn, sondern um die Demütigung Kriemhilds.“ (de Boor 1959, 236) Analog zu anderen aventiurehaften Dietrichepen ist dagegen der Schluss des Rosengarten-Abenteuers: Die Herausgeforderten kämpfen ehrenvoll in den jeweiligen Zweikämpfen und gehen insgesamt als Sieger hervor, Burgund muss König Gibiche fortan von Dietrich zu Lehen nehmen und die Berner nehmen nach der Bestrafung Kriemhilds durch Ilsan Abschied vom Wormser Hof und kehren nach Bern zurück, wo ihnen ein freudiges Fest gegeben wird.
3.1.2 Märchenmotive im ‚Rosengarten A’
Im Vergleich zu den anderen Epen der mittelhochdeutschen Dietrich-dichtungen, mit Ausnahme vielleicht von Biterolf und Dietleib, weist der Rosengarten zu Worms interessanterweise kaum märchenhafte Züge auf. Fast erscheint es, als wollte der Dichter mit seinem Werk eine ganz andere Wirkung erzielen, da er anscheinend völlig bewusst das typisch Märchenhafte der aventiurehaften Dietrichepik auf Kleinigkeiten beschränkte[44].
In Kriemhilds Rosengarten befinden sich unter den zwölf Helden, die als Wächter des Gartens fungieren, vier Riesen, Pusolt, Ortwin, Schrutan und Asprian, von denen die Berner Folgendes zu berichten wissen: Pusolt ist laut Wolfhart ein Heide (ungetoufter man; Str. 95,1-4); Ortwin hält sich für den kühnsten aller Recken (Str. 96,2); Schrutan ist der unbestrittene Herrscher der Riesen (Str. 97,2); und Asprian kämpft mit zwei riesigen Schwertern im Kampf (Str. 98,2).
Während sich Wolfhart im ersten Zweikampf (Str. 197,1-204, 4) trotz der tiefen Wunden, die sich die Kontrahenten gegenseitig zufügen, gegen Pusolt behaupten kann, werden die folgenden Zweikämpfe der Berner gegen die Riesen zunehmend schwieriger.
Als sich im nächsten Zweikampf (Str. 205,1-212,4) der Riese Ortwin und Siegstab gegenüberstehen, wird ihre Auseinandersetzung wesentlich brutaler geschildert: In seinem unbändigen Zorn – Ortwin will seinen gefallenen Bruder rächen – gelingt es dem Riesen, dem Berner Helden viele harte Schläge zu verpassen, bevor auch er durch die Hand Siegstabs fällt.
Erste Bedenken hinsichtlich seiner Erfolgsaussichten im Kampf äußert Heime, als er im dritten Zweikampf (213,1-223,4) Schrutan gegenübertreten muss:
Dô sprach der helt Heime: ’ich enwil sîn niht bestân.
er ist ze ungevüege und ouch ze vreissam,
und slüege er mich ze tôde, ez w#re der werlte spot.’ (216,1-3)
Auch Schrutan will sich für den Tod seiner Verwandten rächen, und wahrlich gelingt es ihm, Heime zu Boden zu werfen, nachdem er von diesem durch Provokation erzürnt wurde:
Dô sprach der ritter Heime: ’daz sint die rede dîn.
mir welle got niht helfen, ez muoz dîn ende sîn.’
des erzurnte der ungehiure, er gap im einen slac,
daz der helt Heime gestrecket vor im lac. (219,1-4)
Heime erhebt sich jedoch schnell wieder und vergilt diese Schmach, indem er dem Riesen schwere Verletzungen mit seinem mächtigen Schwert Nagelring zufügt, bevor er ihn zu Boden wirft und ersticht.
Im letzten Riesenkampf (Str. 224,1-244,4) stehen sich schließlich Asprian und Witege gegenüber. Als Hildebrand dabei ist, Witege in den Rosengarten zu senden, bekommt dieser beim Anblick des Riesen, den er als tiuvels man (Str. 228,3) schildert, einen solchen Schreck, dass er, um sein eigenes Leben bangend, den Kampf zu vermeiden sucht (Str. 228,1-231,4). Dietrich und Hildebrand gelingt es schließlich, Witege zum Kampf gegen Asprian zu bewegen, allerdings nur durch das Mittel der Bestechung: Nachdem Witege Dietrichs Angebot, Ländereien als Geschenk für den Kampfantritt zu erhalten, abgelehnt hat (Str. 234,1-235,4), macht Hildebrand ihm ein neues Angebot:
’Neinâ, helt Witege, bestant du den degen,
sô wil dir mîn herre sînen Schemminc geben
umb dînen guoten Valken, gesigest du ime an,
daz guote ros Schemminc wirt dir undertân.’ (236,1-4)
Bei diesem Angebot, dem Tausch eines guten Pferdes gegen ein noch besseres, willigt Witege ein und begibt sich daraufhin in den Rosengarten.[45] Sein Kampf gegen Asprian ist der brutalste Riesenkampf im ‚Rosengarten A’: Asprian kämpft mit zwei riesigen Schwertern. Mit diesen schlägt er Witege viele stark blutende Wunden und ist zudem in der Lage, seinen Schild zu vernichten (Str. 241,1-2). Erst im Zorn – von der zuvor beschriebenen Angst Witeges ist nichts mehr zu spüren – ergreift Witege sein starkes Schwert Mimung mit beiden Händen und fügt dem Riesen so schwere Wunden zu, dass es schließlich heißt
von des risen bluote sô wart der anger naz.
Aspriân wolt ime entrinnen, swie küene er gewesen was. (242,3-4)
In den zwölf Zweikämpfen werden sämtliche Helden der Burgunden von den Bernern besiegt. Lediglich der Kampf zwischen Walther und Dietleib endet unentschieden. Allerdings werden – abgesehen von den 52 Kämpfen Ilsans, bei denen 12 Helden von Worms ihr Leben lassen – im regulären Reihenkampf nur die vier Riesen erschlagen. Ihnen lässt man keine Gnade zuteil werden. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Riesen im Mittelalter allgemein als Unwesen galten, die nur für Angst und Schrecken sorgen, quasi die dämonischen und finsteren Mächte in der Welt verkörpern und demzufolge vom ritterlichen Helden erschlagen werden müssen. Festzuhalten ist noch, dass Witege, Heime und Wolfhart in anderen Dietrichepen ebenfalls als Riesentöter bekannt sind. Und anders als die übrigen Zweikämpfe, die bei den verschiedenen Rosengarten -Versionen vom Personal her stark auseinander gehen, sind die Riesenbezwinger grundsätzlich fester Bestandteil der verschiedenen Fassungen des Rosengarten zu Worms.[46]
Wie weit reicht aber der Glaube an Riesen zurück und wo lassen sich erste Quellen über diese ausmachen? Einerseits gehen Vorstellungen von riesenhaften Wesen auf die reale Existenz großwüchsiger Menschen zurück, denen man nachsagte, Nachkommen von Riesen zu sein. Zudem wurde der Glaube an Riesen noch durch fossile Funde – vermutlich Überreste von Mammutknochen – verstärkt, da man diese in Kirchen ausstellte und daran den Beweis der Existenz der Riesen erbracht zu haben glaubte.[47] Andererseits wurzeln die Ursprünge der Riesen in der Mythologie.
Die griechische Mythologie berichtet von verschiedenen Repräsentanten der Riesengeschlechter. Einerseits ist die Rede von den Titanen[48], welche als das älteste Göttergeschlecht gelten. In der klassischen Mythologie sind sie die Gegenspieler der Götter des Olymps unter der Herrschaft des Zeus.
Zu den anderen Riesengruppen zählen die Kyklopen[49] sowie die Hekatoncheiren[50]. Auch sie sind Söhne und Töchter des Uranos und der Gaia, doch wurden diese von ihrem Vater, aufgrund ihres grotesken Aussehens, wieder in die Erde zurückgestoßen, wo sie von Zeus befreit wurden. Später halfen sie ihm im Kampf gegen ihre Brüder und Schwestern, die Titanen. Diese wurden nach schweren Kämpfen besiegt, gefesselt und von Zeus in den Tartaros (also die Hölle/Unterwelt) geworfen. Ein Entkommen aus diesem Ort war nicht mehr möglich, da der Meeresgott Poseidon eine schwere eiserne Tür errichtete und die Hekatoncheiren als Wächter einsetzte. Die Kyklopen allerdings wurden vom Gott Apollon getötet, als dieser gegen Zeus rebellierte. Zeus hatte nämlich Apollons Sohn Asklepios mit einem Blitz erschlagen, da dieser mehrere Tote wieder zum Leben erweckte und der Gottvater befürchtete, dass dadurch schon bald kein Mensch mehr sterben müsse.
Da es sich bei dem in der mittelhochdeutschen Dietrichepik verarbeiteten Dietrich-Sagenstoff um einen germanisch-deutschen Sagenkreis handelt, liegt die Vermutung nahe, dass vor allem die germanische Mythologie einen großen Einfluss auf die deutschen (Riesen)Sagen des Mittelalters hatten. In der germanischen Mythologie lassen sich vielfach Riesen in verschiedenartiger Gestalt ausmachen. So ist am Anbeginn der Zeit von dem Ur-Riesenpaar Burr und Bestla die Rede, wobei die Riesin Bestla Mutter der ersten Götter Odin, Vili und Vé ist. Und außerdem erscheint am Weltanfang auch der Riese Ymir, der von Odin und seinen Brüdern erschlagen wird und aus dessen Überresten die Welt erschaffen wird[51]. In der Mythologie der Germanen werden die Riesen im Allgemeinen als übernatürlich groß, brutal und bedrohlich für Menschen und Götter geschildert, denn sie verkörpern die unkontrollierbaren Naturgewalten (Eis-, Feuer-, Wasser-, Stein-, Sturmriesen). Während die männlichen Riesen stets vergeblich um die Hand von Göttinnen werben, sind seitens der Götter verschiedene Liebesabenteuer mit Riesinnen bekannt (z.B. Odin und Gunnlöd, Njörðr und Skadi, Freyr und Gerd)[52]. Da es Riesen also seit Anbeginn der Zeit gibt, werden diese auch als sehr weise angesehen. Beispielsweise wendet sich Odin an den weisen Riesen Mimir, um aus dessen Weisheitsquelle trinken zu können. Als er dies tut, wird er allwissend, muss aber dafür sein Auge als Pfand geben. Dass die Riesen aber im Großen und Ganzen den Göttern feindlich gegenüberstehen, davon berichten zwei Sagen der germanischen Mythologie. Die eine erzählt, wie der Eisriese Thrym Mjöllnir, den Hammer des Donnergottes Thor, entwendete, um zum Austausch die Göttin Freya als Gattin zu erlangen. Thor verspricht Thrym, die Göttin zur Gemahlin nehmen zu können und zieht daraufhin, in Verkleidung der Freya zu ihm. Bei der Hochzeitszeremonie überreicht Thrym seiner angeblichen Braut den Hammer, worauf sich Thor zu erkennen gibt und in seinem unermesslichen Zorn jeden anwesenden Riesen erschlägt. Die andere Sage betrifft Ragnarök, die Endzeit der Welt. Am Tag des Weltuntergangs – so berichtet die germanische Mythologie – werden sich die Riesen gegen die Götter auflehnen und zusammen mit den finsteren Mächten, dem Fenriswolf, der Hel und der Midgardschlange, den Kampf gegen die Götter aufnehmen. Die letzte große Schlacht endet mit der gegenseitigen Vernichtung.
Mit der Verbreitung des Christentums wurden die Riesen schließlich mit biblischen Motiven versehen. Über Riesen sagt die Bibel allgemein aus: „In jenen Tagen gab es auf der Erde die Riesen, und auch später noch, nachdem sich die Gottessöhne mit den Menschentöchtern eingelassen und diese ihnen Kinder geboren hatten.“ (Gen 6,4). Doch ein wichtiger Aspekt des mit biblischen Motiven versehenen Riesen war sein Unglaube. Daher standen die Riesen symbolhaft als heidnische Kämpfer, die von einem gläubigen Christ überwunden werden mussten. Das berühmteste Beispiel der Bibel ist hierbei ganz klar der Kampf des jungen David gegen den Riesen-Kämpfer Goliath, der von David im Kampf mit einer Steinschleuder zu Fall gebracht und anschließend von diesem enthauptet wird (1 Sam 17,1-54). Es gab aber auch immerhin einen Riesen, dem die Kirche ein positiveres Image verpasste. Die Legenda aurea [53] des Dominikaners Jacobus de Voragine erzählen u.a. auch von der Heiligenlegende des Christopherus: Er ist ein Riese von erschreckender Gestalt, der dem mächtigsten Herrscher auf Erden seinen Dienst anbieten will. Doch erweisen sich die ihm genannten mächtigsten Herrscher alles andere als allmächtig (der größte menschliche Herrscher gesteht seine Angst vor dem viel mächtigeren Teufel; dieser wiederum fürchtet sich vor dem Gottessohn). Auf seiner langer Suche nach Christus gelangt er eines Tages zu einem Einsiedler, der ihm aufträgt, hilfsbedürftige Menschen durch einen gefährlichen und tiefen Fluss von einem Flussufer zum anderen zu tragen, sodass sich ihm Christus offenbaren würde. Christopherus erfüllt die Bitte des Einsiedlers und hilft den Menschen durch die Fluten. Nach ein paar Tagen erscheint ein junger Knabe, den Christopherus ebenfalls über den Fluss tragen soll. Bei seinem Marsch durch das Wasser mit dem Jungen auf seinem Rücken wird der Knabe mit jedem Schritt, den der Riese macht, zu einer größeren Last, sodass Christopherus fast zu ertrinken droht. Mit letzter Kraft gelingt es ihm jedoch, dass Ufer zu erreichen und er erklärt dem Jungen:
In magno periculo, puer, me posuisti et adeo ponderasti, quod, si totum mundum super me habuissem, vix maiora pondera praesensissem.
(Du hast mich in große Gefahr gebracht, Junge, und warst mir eine so große Last, daß ich mir kaum eine größere Last hätte vorstellen können, auch wenn ich die ganze Welt auf den Schultern gehabt hätte.)
(LA, 248/249)
Der Knabe gibt sich daraufhin zu erkennen und beschwichtigt den riesenhaften Mann mit den Worten:
Ne mireris, Christophore, quia non solum super te totum mundum habuisti, sed etiam illum, qui creavit mundum, tuis umeris baiulasti. Ego enim sum rex Christus tuus, cui in hoc opere ipse deservis.
(Wundere dich nicht, Christophorus, denn du hattest nicht nur die ganze Welt auf deinen Schultern, sondern du trugst auch den, der die Welt geschaffen hat. Ich bin nämlich Christus, dein König, dem du mit deiner Arbeit dienst.)
(LA, 248/249)
Auf diese seltene Art und Weise wurde also ein Riese in den Verbund der Menschen aufgenommen, denn dadurch dass sich ihm Christus offenbarte, wandte er sich vom Heidentum ab und wurde ein gläubiger Christ und sogar ein Heiliger.
In der mittelalterlichen Heldenepik sind die Riesen aber keine für Helden angenehmen Zeitgenossen, und schon gar keine Heiligen. Dort sind sie brutale Raufbolde, meist Heiden und bedrohen – ähnlich den mythologischen Riesen – die Welt der Menschen. Daher dienen sie hauptsächlich als Gegenspieler des Helden, der auf Aventiure auszieht und, indem er die Welt von diesen Unwesen befreit, seinen eigenen Ruhm vergrößert. Dies trifft für die Berner Recken im ‚Rosengarten A’ zu, denn sie besiegen nicht einfach nur die Riesen im Kampf, sondern befreien die Welt von ihnen, indem sie sie erschlagen. Gleiches bzw. Ähnliches findet sich auch in anderen Dietrichepen: In der Virginal finden neben Drachenkämpfen auch vielfach Auseinandersetzungen der Berner mit Riesen statt, bei denen die meisten Riesen das Leben verlieren. Und im Eckenlied löscht Dietrich nach seinem Kampf gegen den Riesen Ecke noch dessen gesamte Sippschaft aus.
Noch in der modernen Zeit ist die uralte Überlieferung von Riesen überall spürbar, da sie sich ihren Weg in Literatur und Film gebahnt haben. Beispielsweise ist die Sage um Rübezahl, den Riesen bzw. Erdgeist, der im Riesengebirge haust, berühmt geworden. Und wer könnte sich die Riesen aus Grimms Kinder- und Hausmärchen noch wegdenken (z.B. in der Erzählung „Das tapfere Schneiderlein“). Auf der Leinwand erscheinen die Riesen in verschiedenen Fantasy-Filmen. Typische Vertreter des Fantasy-Genres stellen dabei vorrangig die Adaptationen von J.K. Rowlings Harry Potter -Romanen sowie J.R.R. Tolkiens Herr der Ringe -Trilogie dar. Und auch der Glaube an Riesen oder zumindest riesenhafte Erscheinungen ist selbst heute noch nicht völlig aus den Köpfen der Menschen vertrieben worden. Man möge sich vor allem an Berichte über den Bigfoot erinnern, der in den Wäldern Nordamerikas zu Hause sein soll, und natürlich auch über Sichtungen des Yeti-Schneemenschen[54].
Wie bereits aus den Riesenkämpfen ersichtlich wird, benötigen große Helden neben ihrer Stärke und ihrem Mut auch besondere Schwerter, mit denen sie jeden noch so starken Gegner besiegen können. Heime greift mit seinem Schwert Nagelring den mächtigen Riesen Schrutan an (Str. 221,1-4) und Witege kämpft mit dem wunderbaren Schwert Mimung (Str. 239,1-4), mit dem er Asprian schwere Wunden zufügt. Ja sogar die beinahe Unbesiegbarkeit Siegfrieds wird u.a., d.h. von seiner körperlichen Stärke und dem Hornhautpanzer abgesehen, auf sein starkes Schwert Balmung zurückgeführt (Str. 330,3-4).
Doch welchen Ursprung und welche Bedeutung haben Schwerter? Marheincke[55] stellt einen Zusammenhang zwischen der historischen Wirklichkeit des Schwerts und dessen Mystifizierung her. Er erklärt, dass die ersten jemals hergestellten Schwerter aus Bronze geschmiedet wurden. Da Bronze allerdings für lange und dünne Schwertklingen zu weich und spröde war, konnte man mit diesen Schwertern keine großen Kämpfe bestreiten. So waren Langschwerter aus Bronze reine Luxusobjekte, die von edlen Leuten als Symbol der Macht und des Wohlstandes getragen wurden. Für kämpferische Auseinandersetzungen im Bronzezeitalter wurden vor allem kurze Schwerter und Dolche, aber auch Pfeil und Bogen, Steinschleudern, Streitäxte, Streitkolben und Speere verwendet.
Als man schließlich Kenntnis über die Gewinnung von Eisen erhielt, konnten fortan sehr viel stärkere und widerstandsfähigere Waffen entwickelt werden.
Auch wenn nun Schwerter in größeren Mengen hergestellt und auch einfachen Soldaten verfügbar gemacht wurden, so blieb ein wirklich gutes Schwert weiterhin Symbol für Freiheit, Macht und Wohlstand, welches nur von großen Persönlichkeiten getragen werden durfte. In Armeen wurden Langschwerter beispielsweise hochrangigen Offizieren vorbehalten. Und oftmals dienten Schwerter auch als Grabbeigabe angesehener und wohlhabender Leute oder wurden von Generation zu Generation als Erbstück weitergegeben.
Für Könige war neben dem Zepter und der Krone vor allem das Schwert ein Symbol der Herrschaft, das sie zu verschiedenen Handlungen wie beispielsweise die Rechtsprechung und den Ritterschlag legitimierte. Noch heute dient das Schwert symbolhaft als Machtbefugnis des Monarchen. Man kennt es zum Beispiel aus England: Dort wird eine Person, die sich durch gewisse Handlungen besonders hervorgetan hat, durch die Queen zum Ritter geschlagen.
Und sogar im religiösen Bereich kommt dem Schwert eine tragende Rolle zu: In Kombination erscheint das Schwert mit dem Schlüssel, „die Attribute Petri und Pauli, der Patrone Roms und des Papsttums, [die]…damit zu Symbolen der Totalität päpstlicher Gewaltenfülle [werden].“ (LexMa 7, 1645)
Soviel also zur historischen Bedeutsamkeit des Schwertes. Noch interessanter ist ein Nebenaspekt, der aus der Eisenzeit hervorgegangen ist:
[Es] entstand ein neuer Mythos: der des zauberkundigen Schmiedes. Bronzeschmiede waren gute, geachtete Handwerker. Die Eisen-gewinnung dagegen war ein überaus geheimnisvoller Prozeß: hier wurde aus „wertlosem Dreck“ (Raseneisenerz) wertvolles Metall – die für den nicht Eingeweihten unbegreifliche Verwandlung von einer Art Materie in eine andere. Schon die Schmiede war ein unheimlicher Ort: rußgeschwärzte Gestalten, das Fauchen der Blasebälge, die stiebenden Funken, die ungeheuer heiß brennenden Feuer. Sie waren das irdische Abbild der unterirdischen Welt des hinkenden Schmiedegottes Hephaistos. (Marheincke 2000, k. A.)
[...]
[1] „The Lament of Deor“ (‚Deors Klage’), ein aus dem 10. Jahrhundert stammendes altenglisches Gedicht aus dem Codex Exoniensis, greift verschiedene mythologische und historische Figuren auf und erzählt von deren Unglück. Von Theoderich wird hier berichtet, dass er die Festung in Meran für 30 Jahre (30 Winter) besetzt hielt.
[2] Der Waldere ist eine nur fragmentarisch erhaltene angelsächsische Dichtung, die als einzige die Sage um den germanischen Helden Walther im Altenglischen schildert. In Fragment 2 lobt der Sprecher sein Schwert, welches er als das beste überhaupt bezeichnet. Er erwähnt auch Theoderich, dem dieses mächtige Schwert einst gehört habe.
[3] Die Thidrekssaga ist eine in Prosa verfasste altnordische Großdichtung, die als einzige Dichtung überhaupt das gesamte Leben des Helden Thidreks von der Geschichte seiner Vorfahren bis zur Stunde seines Todes schildert. Sie stellt damit quasi eine Heldenbiographie Thidreks dar.
[4] ‚Rosengarten A’: Ältere Vulgat-Fassung; ‚Laurin A’: Ältere Vulgat-Fassung
[5] ‚Eckenlied L’: ‚Donaueschinger Eckenlied’
[6] ‚Eckenlied d’: ‚Dresdner Eckenlied’
[7] Brévart, Francis B.: Das Eckenlied. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Stuttgart 1986.
[8] Heinzle, Joachim: Einführung in die mittelhochdeutsche Dietrichepik. Berlin, New York 1999.
[9] Attila (396-453); Theoderich der Große (454-526)
[10] Detaillierte Informationen zu Dietrichs Flucht: Heinzle (1999), S. 58-83; Wisniewski (1986), S. 134-138
[11] Detaillierte Informationen zur Rabenschlacht: Heinzle (1999), S. 58-83; Wisniewski (1986), S. 139-143
[12] Detaillierte Informationen zu Alpharts Tod: Heinzle (1999), S. 83-94; Wisniewski (1986), S. 129-133
[13] Bernreuther, Marie-Luise: „Herausforderungsschema und Frauendienst im ‚Eckenlied’“. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 117 (1988), S. 173-201.
[14] Ebd., 173f
[15] Detaillierte Informationen zur Virginal: Heinzle (1999), S. 135-144; Wisniewski (1986), S. 194-204
[16] Detaillierte Informationen zum Sigenot: Heinzle (1999), S. 127-134; Wisniewski (1986), S. 204-215
[17] Detaillierte Informationen zum Eckenlied: Heinzle (1999), S. 109-127; Wisniewski (1986), S. 218-227
[18] Detaillierte Informationen zu König Laurins Rosengarten: Heinzle (1999), S. 145-169; Wisniewski (1986), S. 233-240
[19] Heinzle (1999), S. 158f
[20] Detaillierte Informationen zum Goldemar: Heinzle (1999), S. 104-109; Wisniewski (1986), S. 241-243
[21] Detaillierte Informationen zum Wunderer: Heinzle (1999), S. 188-194; Wisniewski (1986), S. 229-233
[22] Detaillierte Informationen zum Rosengarten zu Worms: Heinzle (1999), S. 169-187; Wisniewski (1986), S. 245-261
[23] Detaillierte Informationen zu Biterolf und Dietleib: Wisniewski (1986), S. 262-265
[24] Detaillierte Informationen zu Dietrich und Wenezlan: Heinzle (1999), S. 94-97; Wisniewski (1986), S. 143-145
[25] Detaillierte Informationen zu Ortnit: Heinzle (1999), S. 41f; Wisniewski (1986), S. 149-153
[26] Detaillierte Informationen zu Wolfdietrich: Heinzle (1999), S. 42f; Wisniewski (1986), S. 153-166
[27] Eine umfangreiche, wenn auch knapp gefasste Übersicht bietet vor allem: Lienert, Elisabeth (Hg.): Dietrich-Testimonien des 6. bis 16. Jahrhunderts. Tübingen 2008.
[28] Uecker, Heiko: Germanische Heldensage. Realien zur Literatur. Sammlung Metzler Band 106. Stuttgart 1972, S. 50-63.
[29] Ebd., 54f
[30] Benedikt, Erich: „Die Überlieferungen vom Ende Dietrichs von Bern“. In: Festschrift für Dietrich Kralik. Horn 1954, S. 99-111
[31] Ebd., 105
[32] Haubrichs, Wolfgang: „Ein Held für viele Zwecke. Dietrich von Bern und sein Widerpart in den Heldensagenzeugnissen des frühen Mittelalters“. In: Wolfgang Haubrichs et al. (Hg.): Theodisca. Beiträge zur althochdeutschen und altniederdeutschen Sprache und Literatur in der Kultur des frühen Mittelalters. Berlin, New York 2000, S. 330-363.
[33] Ebd., 345
[34] Flood, John L.: „Dietrich von Bern“. In: Ulrich Müller und Werner Wunderlich (Hg.): Herrscher, Helden, Heilige. Mittelaltermythen. Band 1. St. Gallen 1996, S. 287-304.
[35] Heinzle (1999), S. 9
[36] Habiger-Tuczay, Christa (Hg.): Die aventiurehafte Dietrichepik. Laurin und Walberan, der jüngere Sigenot, das Eckenlied, der Wunderer. Text mit Übertragung. Göppingen 1999, S. 307-357.
[37] Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch Nach dem Text von Karl Bartsch und Helmut de Boor ins Neuhochdeutsche übersetzt und kommentiert von Siegfried Grosse. Stuttgart 2002.
[38] Dinzelbacher, Peter (Hg.): Sachwörterbuch der Mediävistik. Kröners Taschenausgabe. Band 477. Stuttgart 1992, S. 353.
[39] Hoffmann, Werner: „Der Hildebrandston“. In: Ders.: Altdeutsche Metrik. Stuttgart 1967, S. 77f.
[40] Ebd., 78
[41] Bertau, Karl Heinrich; Stephan, Rudolf: „Zum sanglichen Vortrag mhd. strophischer Epen“. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 87 (1957), S. 253-270.
[42] Ebd., 257
[43] de Boor, Helmut: „Die literarische Stellung des Gedichtes vom Rosengarten zu Worms“. In: Kleine Schriften II. Berlin 1959, S. 229-245.
[44] Ebd., 238
[45] Diese Szene im ‚Rosengarten A’ stellt eine Verbindung zum Verrat Witeges und dessen anschließender Flucht vor Dietrich in der Rabenschlacht her: Da Witeges Pferd Schemming viel schneller ist als Dietrichs Falke, kann dieser der grausamen Rache durch den Berner entfliehen.
[46] Wisniewski (1986), S. 253
[47] LexMa 9, 727-729
[48] Die Titanen waren die dritte Generation von Riesen-Nachkommen des Uranos und der Gaia. Anders als ihre Brüder und Schwestern, die Kyklopen und die Hekatoncheiren, wurden diese von ihrem Vater nicht in die Erde zurückgestoßen, da Gaia sie heimlich zur Welt brachte und vor Uranos verbarg. Aus dem grauen Stahl formte sie eine Sichel und gab sie an ihren Jüngsten, Kronos, der damit seinen Vater entmannte und die Herrschaft über die Welt antrat. Aus der Verbindung mit seiner Schwester Rhea gingen schließlich die Kroniden (Hestia, Hera, Demeter, Poseidon, Hades, Zeus) hervor. Da er aber fürchtete, seinen Herrschaftstitel durch eines seiner Kinder verlieren zu können, verschlang er diese mit Ausnahme von Zeus, den seine Mutter in Sicherheit bringen konnte. Später löste Zeus seinen Vater als oberste Gottheit ab und seine Brüder und Schwestern wurden von Kronos wieder freigegeben.
[49] Die Kyklopen hatten als besonderes Merkmal nur ein einziges Auge, das sich mitten auf der Stirn befand. In der griechischen Mythologie sind namentlich Brontes, Steropes und Arges bekannt. Für ihre Rettung aus ihrem Erdgefängnis beschenkten sie Zeus mit Donner und Blitz und fertigten einen Jagdbogen für Artemis.
[50] Die Hekatoncheiren werden als unglaublich hässliche Wesen dargestellt, die einhundert Arme und fünfzig Köpfe besitzen. Im großen Kampf der Götter gegen die Titanen bewarfen die „Hundert-armigen“ ihre Feinde mit Steinen und konnten letztlich den Sieg gegen diese erringen.
[51] Nachdem Ymir erschlagen war, begannen Odin, Vili und Vé damit, aus den einzelnen Körperteilen des Riesen Stück für Stück die Welt zu erschaffen. Die Erde enstand aus dem Fleisch des Riesen, das Meer aus dessen Blut. Seine riesigen Zähne bildeten die Felsen, die Bäume enstanden aus Ymirs Haaren. Und aus den Augenbrauen entwickelte sich Midgard, die Stadt der Menschen. Während der Himmel aus dem Schädel des Riesen erschaffen wurde, zierten Ymirs Gehirnstücke diesen als Wolken.
[52] Bellinger, Gerhard (Hg.): Knaurs Lexikon der Mythologie. München 2005, S. 426
[53] Jacobus de Voragine: Legenda Aurea. Lateinisch/Deutsch. Ausgewählt, übersetzt und herausgegeben von Rainer Nickel. Stuttgart 1988, S. 244-249.
[54] Habiger-Tuczay (2000), S. 657
[55] Marheincke, Martin: „Schwert und Zauberei: Der ‚historische Kern’ der magischen Schwerter“. [26.Sept. 2000] <http://www.mmsseiten.de/ga-002.htm>
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- Stefan Podewin (Author), 2009, Dietrich von Bern in der aventiurehaften Dietrichepik. Märchen- und Sagenmotive, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/367050
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