Dass sich naturwissenschaftliche und theologische Konzeptionen über den Beginn der Welt durchaus einig sein können und die Evolutionstheorie mehr als nur eine Hypothese sei, erklärte Papst Johannes Paul II im Jahr 1996. Wenngleich er dabei einschränkte, dass weiterhin der Naturalismus seitens der römisch-katholischen Kirche abgelehnt und eine theistische Evolution angenommen wird. Diese Verkündigung fiel nicht in allen Glaubensgemeinschaften auf fruchtbaren Boden. Fürsprecher der Evolutionstheorie (Darwinismus) und Vertreter des christlich-biblischen Schöpfungsberichts sowie anderer Religionen sind sich bis heute in vielen Fragen uneinig. Problemfelder bezüglich der Evolutionstheorie, die im Verlauf dieser Arbeit erörtert werden sollen, gab es seit Beginn der Konzeptionierung. Lassen sich dennoch wissenschaftliche Erkenntnisse zur Evolutionstheorie und ein religiöser Schöpfungsgedanke in Einklang bringen? Das ist die zentrale Fragestellung dieser Arbeit.
„Wenn Arten aus anderen Arten durch unmerkbare kleine Abstufungen entstanden sind, warum sehen wir nicht überall unzählige Übergangsformen?“ [1]
Seit der französische Botaniker und Zoologe Jean-Baptiste de Lamarck im Jahre 1809 das Konzept über die Veränderlichkeit der Arten postulierte, welches anschließend durch Charles Darwin und Alfred Russel Wallace weiterentwickelt wurde, entfachten seither unzählige Diskussionen über die ursprüngliche Entstehung von Leben. Obwohl Charles Darwin gelehrter Theologe war, stellt er mit seiner Evolutionstheorie fortan die Autorität der Kirche respektive die Lehre von Gott als schöpfende Kraft des Lebens, dieser Erde und des Universums in Frage. Seinen theoretischen Inhalten, basierend auf praktischen Beobachtungen im Bezug auf Selektion, Reproduktion, Variation und Vererbung, folgten bis in die heutige Zeit viele Anhänger der Naturwissenschaften. Da sich kirchliche Institutionen zu jener Zeit zunehmend einer wissenschaftlichen wie gesellschaftlichen Kritik ausgesetzt sahen, interessierten sich darüber hinaus vermehrt konfessionslose, glaubenskritische und nicht religiöse Menschen für diese Thematik. Ein historischer Wendepunkt, denn jahrhundertelang wurden Kirchen- und Religionskritiker als Ketzer und Ungläubige unterdrückt und verfolgt.
Dass sich naturwissenschaftliche und theologische Konzeptionen über den Beginn der Welt durchaus einig sein können und die Evolutionstheorie mehr als nur eine Hypothese sei, erklärte Papst Johannes Paul II im Jahr 1996. Wenngleich er dabei einschränkte, dass weiterhin der Naturalismus seitens der römisch-katholischen Kirche abgelehnt und eine theistische Evolution angenommen wird.[2] Diese Verkündigung fiel nicht in allen Glaubensgemeinschaften auf fruchtbaren Boden. Fürsprecher der Evolutionstheorie (Darwinismus) und Vertreter des christlich-biblischen Schöpfungsberichts sowie anderer Religionen sind sich bis heute in vielen Fragen uneinig. Problemfelder bezüglich der Evolutionstheorie, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch erörtert werden sollen, gab es seit Beginn der Konzeptionierung. Lassen sich dennoch wissenschaftliche Erkenntnisse zur Evolutionstheorie und ein religiöser Schöpfungsgedanke in Einklang bringen? Das ist die zentrale Fragestellung dieser Arbeit.
Obwohl ein Großteil der Menschen die Evolutionstheorie mit ihrem Glauben vereinbaren können und selbige mittlerweile in der Wissenschaft, trotz ihrer Probleme, als zweifelsfrei angesehen wird, traten in den letzten Jahrzehnten immer wieder religiöse Gruppierungen zu Tage, die sich dieser konzeptionellen Schwäche bedienten und eigene Ansichten postulierten. Die Anhänger des sogenannten Kreationismus (lateinisch creatio: Schöpfung) und des Intelligent Design behaupten, dass das Leben auf der Erde höchstens vor 10.000 Jahren durch Gott geschaffen wurde. Sie kritisieren fortwährend, dass die Evolutionstheorie das christliche Menschenbild zerstöre, die Autorität der Bibel in Frage stellt und die funktionale Komplexität des menschlichen Organismus vereinfacht und herabwürdigt. Auf Grundlage der Annahme, dass die biblische Schrift vollständig und wörtlich von Gott gegeben wurde und in allem, was sie lehrt, ohne Irrtum oder Fehler ist, verabschiedeten vorwiegend amerikanisch-evangelikaler Theologen 1978 die Chicago-Erklärung. Die biblische Irrtumslosigkeit wurde somit, nebst anderen Punkten, erstmals schriftlich festgehalten.[3]
Da die Bibel ein reines Menschenwerk ist und vorwiegend auf historischen Erkenntnissen und subjektiven Wahrnehmungen beruht, muss an dieser Stelle zumindest der Freispruch der Unfehlbar- und Irrtumslosigkeit angezweifelt werden. Es gibt dennoch kein älteres Buch, das auch nur annähernd so gut überliefert ist wie die Bibel, obschon es keineswegs als dogmatisches Lehr- oder Regelbuch, wie oft von religiösen Fundamentalisten propagiert, zu verstehen ist. Vielmehr ist es ein Sammelband aus Mythologien, Briefe der Apostel, Berichte über das Leben Jesu, Poesie sowie apokalyptischen Visionen. Doch aus Sicht der Kreationisten bietet die Bibel ausschließlich wahrheitsgetreue Antworten über den Ursprung des Lebens. Das hat mitunter zur Folge, dass sich viele Menschen vom Schöpfungsgedanken beziehungsweise Gott abwenden und alternative Theorien suchen. An diesem Punkt springt die Wissenschaft ein und versucht zusätzlich diesem schöpferischen Glauben – auch auf Grund fehlender empirischer Beweise – Einhalt zu gebieten. Doch auch innerhalb der Wissenschaft ist die Evolutionstheorie nicht unumstritten, denn noch immer überwiegt der Glaube an eine höhere Macht, die für die Entstehung der Menschen, der Erde und des Alls verantwortlich sei.
Einer Studie zufolge bezweifeln neun von zehn US-Amerikanern die wissenschaftliche Evolutionstheorie und eine erst kürzlich veröffentliche Umfrage der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) stützte noch einmal diesen Sachverhalt. Weiter ergab die Umfrage, dass 76 Prozent der türkischen und 59 Prozent der deutschen Lehramtsstudenten muslimischen Glaubens die Abstammung des Menschen aus affenartigen Vorfahren bestreiten und folglich die Evolutionstheorie ablehnen.[4] Der deutsche Philosoph Michael Schmidt-Salomon und Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung sprach in diesem Zusammenhang von einer bildungspolitischen Katastrophe und formulierte weiter:
„Wer religiös so voreingenommen sei, dass er nicht einmal die hunderttausendfach belegte Tatsache der Evolution akzeptieren könne, habe keinen universitären Abschluss verdient.“ [5]
Obwohl die Evolutionstheorie mittlerweile als das beste empirisch belegte Modell zur Entstehung der Arten und der Natur gilt, findet selbige keine größere Akzeptanz unter den Menschen. Doch woher kommt das Desinteresse gegenüber der Evolutionstheorie? Ist alles auf Dogmatismus und religiöse Verblendung zurückführen? Oder wird die Theorie oft verkürzt und somit unzureichend vermittelt? Um diese Fragen zu beantworten und die Diskrepanz zwischen Wissenschaft und Glauben aufzuheben, ist es erst einmal notwendig die Evolutionstheorie in Mikro- und Makroevolution zu unterscheiden, wenngleich einige Wissenschaftler diese Unterscheidung vermeiden.
Die Mikroevolution, charakterisiert durch Anpassungs- und Optimierungsversuche einer bestimmten biologischen Art sowie einer durch Mutation und Selektion fortlaufenden genetischen Veränderung der Struktur, gilt in wissenschaftlichen Kreisen mittlerweile als bewiesene Tatsache. Die Mikroevolution, sprich deren Übergänge über Arten und Gattungen hinaus, die wiederum komplett neue Arten hervorbringt, gilt hingegen weiter als umstritten.
Das Fehlen der fossilen Übergangsformen zwischen verschiedenen Tierklassen bereitete auch Charles Darwin seinerzeit große Schwierigkeiten. Anhänger des Kreationismus setzen meist an diesem Punkt an und postulieren daraufhin eigene Schöpfungsgeschichten basierend auf einer wörtlichen Auslegung der Bibel. Obwohl weiterhin viele Fossilreihen unvollständig sind, konnte der Vorwurf bezüglich des Fehlens makroevolutiver Großübergänge durch zahlreiche Fossilfunde verschiedener Tierarten zumindest teilweise entkräftet werden.[6]
Dennoch gibt es beim Übergang vom Primaten zum Menschen – wie beispielsweise beim Fund des sechs bis sieben Millionen Jahre alten Sahelanthropus tchadensis, einer ausgestorbenen Art von Menschenaffen – noch immer wissenschaftliche Unstimmigkeiten. Dieser Fund wurde unter anderem infolge fehlender Merkmale im Knochenbau nachträglich zur Entwicklungslinie der Menschenaffen respektive der Gorillas zugeordnet.[7] Dass der Mensch tatsächlich vom Primaten abstammen könnte, verdeutlichen zahlreiche paläoarchäologische Hinweise sowie die nur geringfügig abweichende genetische Erbsubstanz von ungefähr zwei Prozent. Doch kann die Naturwissenschaft generell Aussagen über den Ursprung des Lebens treffen? Warum gibt es überhaupt Leben? Was ist das Ziel der Evolution? Um diese Fragen beantworten zu können, muss vorerst konstatiert werden, dass die Evolutionstheorie dem Verständnis des erkenntnistheoretischen Materialismus zu Grunde liegt. Diese im 18. Jahrhundert populär gewordene Grundrichtung der Philosophie beschreibt sinngemäß, dass die Entstehung des Universums durch den Urknall verursacht wurde und über Milliarden von Jahren Galaxien und Planeten hervorbrachte. Daraufhin entwickelten sich durch anorganisch-chemische Reaktionen erste organische Verbindungen und schlussendlich lebende Einzeller. Ob komplexe organische Verbindungen überhaupt aus anorganischer Materie hervorgehen können, muss an dieser Stelle hinterfragt werden. Und selbst organische Verbindungen erfüllen längst nicht die Kriterien einer lebendigen Existenz, denn es fehlt ihr noch immer an Bewusstsein. Doch Anhänger des Materialismus sehen in der Materie die wahre Realität und die Ursache aller Phänomene. Darüber hinaus beschränkt der Materialismus alle geistigen Phänomene einzig auf die physische Natur. Selbst das Gehirn sei nur ein Produkt biologischer Evolution.
Durch diese stringente Beschränkung der metaphysischen Phänomene auf die Natur (auch Naturalismus genannt) entstanden Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten modernen Naturwissenschaften. Der Mensch als einzigartiges Wesen und göttliche Schöpfung verlor zu jener Zeit zunehmend sein Alleinstellungsmerkmal und wurde ins Reich der Tier degradiert sowie auf seine Instinkte und Erbanlagen reduziert. Doch was genau Materie und Natur im Wesentlichen sein sollen, das vermögen selbst heutige Naturwissenschaften nicht zu erklären. Die Essenz beziehungsweise das Wesen der Natur scheinen noch immer ungewiss und eine exakte Definition des Naturbegriffs steht bis heute aus.[8]
Kritik am Materialismus und Naturalismus gab es demzufolge, wie auch bezüglich der Religionen, seit jeher. Das heutige Wissen, hinsichtlich des Urknalls und dem Beginn allen Lebens, obliegt dennoch eine Theorie, die keineswegs, wie allgemein angenommen, vollends bewiesen ist. Das Schweizer Kernforschungszentrum CERN versucht hierbei durch Teilchenbeschleuniger Aussagen über den elementaren Aufbau der Materie und den Urknall zu treffen. Ob diese kostenintensive Forschungseinrichtung jemals bahnbrechende Erfolge und die allseits ersehnte Weltformel vorbringen kann, ist aktuell nicht absehbar. Obschon der Bereich der Quantenphysik in den letzten Jahrzehnten gewinnbringende Erkenntnisse vermelden konnte. Ob Schleifenquantengravitation, Supersymmetrie oder Stringtheorie, inzwischen wird sogar über eine Zeit vor dem Urknall gesprochen. Es könnte demnach auch zu Vorgänger- und Paralleluniversen wie auch zu mehreren Urknallen gekommen sein. Letzteres Phänomen lässt sinnbildlich erkennen, dass sich das Universum wie ein lebender Organismus verhält und schon seit Ewigkeiten zyklische Gesetzmäßigkeiten durchläuft. Nach anfänglicher Ausweitung zieht sich das Universum wieder zusammen und endet in einem einzigen Punkt. Jedoch lässt sich ein ewig oszillierendes Universum auf Grund des Entropieproblems mit den derzeitig verifizierbaren physikalischen Gesetzen nur schwer vereinbaren.[9] Doch können all diese wissenschaftlichen Bemühungen jemals die grundlegende Frage beantworten, warum es überhaupt Leben gibt? Was ist der fundamentale Grund für Leben? Muss für diese Betrachtung doch eine schöpferische Instanz herangezogen werden?
[...]
[1] Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl, 2016, S. 180.
[2] Vgl. Kutschera, Ulrich: Evolutionsbiologie, Stuttgart 2015, S. 300.
[3] Vgl. Lachmann, Rainer: Christentum und Religionen elementar. Lebensweltlich - theologisch - didaktisch, Göttingen 2010, S. 352.
[4] Vgl. Graf, Dittmar : Die Akzeptanz der Evolution verschiedener Lehramtsstudierendengruppen in Deutschland und der Türkei, Gießen 2017, o.S.
[5] Schmidt-Salomon, Michael: Mehrheit der muslimischen Lehramtsstudenten bestreitet die Evolution, Besslich 2017, o.S.
[6] Vgl. Kutschera, Ulrich: Evolutionsbiologie, Stuttgart 2015, S. 255.
[7] Vgl. Brunet, Michel et al.: Palaeoanthropology. Sahelanthropus or „Sahelpithecus“?, In: Nature. Heft 419, 2002, S. 582.
[8] Vgl. Keil, Geert: Kritik des Naturalismus, Berlin 1993, S. 360.
[9] Vgl. Neidhart, Ludwig: Unendlichkeit im Schnittpunkt von Mathematik und Theologie, Göttingen 2008, S. 661.
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- Sebastian Scholz (Autor), 2017, Sind Schöpfungslehre und Evolutionstheorie miteinander vereinbar?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/366668
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