Die Kenntnisse der subjektiven Gesundheitskonzepte Jugendlicher sind von praktischer Relevanz, wenn Gesundheitsförderungsprogramme (mit Sportbezug) für Jugendliche erfolgreich sein sollen. Durch sie kann – im Ggs. zu den weithin vieldiskutierten objektiven Gesundheitskonzepten – der „richtige Hebel“ angesetzt, kann ein Zugang zum Gesundheitsbewusstsein der Jugendlichen eröffnet werden, um den schwerwiegenden Kritikpunkten bereits vorhandener Programme, wie der fehlende Jugendbezug, entgegen zu treten.
Der Ergebnisüberblick zeigt, dass das Motiv „Gesundheit“ kein ausreichendes Motiv für Jugendliche zur Aufnahme sportlicher Aktivitäten ist. Bereits bestehende Gesundheitsförderungsprogramme müssen auf ihre „Jugendtauglichkeit“ hin überprüft und ggf. entsprechend adaptiert werden, wenn diese sinnvoll für Jugendliche eingesetzt werden sollen. Stattdessen muss vielmehr auf das Leistungserleben/Kontrollerleben und auf den Erlebnischarakter der Programme gezielt und das Gesundheitsmotiv aus den Kommunikationsmaßnamen eliminiert werden – nicht trotz, sondern weil implizit die Gesundheit der Jugendlichen (und besonders derer, die bislang nicht ausreichend sportlich aktiv waren) gefördert werden soll. Außerdem bestehen durchaus erhebliche Differenzen innerhalb der Gruppe der Jugendlichen, so dass in der Ausrichtung der Programme genauer differenziert werden muss.
Inhalt
1 Einleitung
2 Problemstellung
3 Das Konstrukt des subjektiven Gesundheitskonzeptes
4 Forschungsstand
5 Zwischenfazit
6 Untersuchung
7 Ergebnisdarstellung
8 Resümee
Literatur
1 Einleitung
Mit der vorliegenden Arbeit soll versucht werden, in einem kurzen Überblick zusammenzutragen, warum die Kenntnis der subjektiven Gesundheitskonzepte jugendlicher Sportler von praktischer Relevanz ist. Hierzu soll insbesondere die Jugendsportstudie NRW (Kurz, Sack & Brinkhoff, 1996) – genauer die Sekundäranalyse dieser Studie von Sygusch (2000, 2001) – herangezogen werden. In einem ersten Schritt werden die Problemstellung präzisiert (Abschnitt 2) und der Definitionsrahmen abgesteckt (Abschnitt 3), bevor es in den folgenden Schritten kurz um den gegenwärtigen Forschungsstand und einem ersten Zwischenfazit (Abschnitte 4 und 5), der Untersuchung selbst und um ausgewählte Ergebnisaspekte geht (Abschnitte 6 und 7). In einem abschließenden Resümee (Abschnitt 8) soll dann die Ausgangsfrage beantwortet werden und ein Ausblick versucht werden.
2 Problemstellung
Im Vordergrund dieser Betrachtung zu den subjektiven Gesundheitskonzepten jugendlicher Sportler stehen – entsprechend der Themenstellung – folgende Aspekte: (1) Der Jugendbezug. Es soll vor dem Hintergrund bereits vorhandener Programme zur Gesundheitsförderung (vgl. u.a. BZgA, 1996, 1999; Selschow & Knaur-Berk, 1999) nachgefragt werden, ob diese in ihrer bestehenden Form überhaupt „jugendgerecht“ sind. Da es im Zuge allgemeiner Gesundheitsförderung auch um die – offensichtlich immer kritischer zu beurteilende – Jugendgesundheit geht, muss eruiert werden, ob möglicherweise hierfür nicht spezielle Bedingungen anzunehmen sind. Im Kern dieser Konzepte steht das Gesundheitsmotiv, und es ist auf Grundlage des aktuellen Forschungsstands fraglich, ob dies für Jugendliche als Motiv ausreichend ist, um gesundheitsfördernde Maßnahmen zu ergreifen. (2) Der Sportbezug. Es wird davon ausgegangen, dass Sport eine Möglichkeit zur positiven Entwicklung von Gesundheit darstellt, und dass die geeignetste Form zur Realisierung von Gesundheitsförderung durch Sport der organisierte Sport, insbesondere der Vereinssport, ist (vgl. Kurz & Tietjens, 1998, S. 106). (3) Der Bezug zu den subjektiven Gesundheitskonzepten. Um jetzt diese jugendlichen Sportler, die im Fokus dieser Betrachtung stehen, mit den Gesundheitsförderungsprogrammen auch zu erreichen, ist es eine notwendige Voraussetzung am „richtigen Hebel“ anzusetzen. Und dieser Hebel sind nach Kolip (1994, S. 16) – im Ggs. zu den weithin vieldiskutierten objektiven Gesundheitskonzepten – die subjektiven Gesundheitskonzepte, die deswegen einen Zugang zum Gesundheitsbewusstsein der Jugendlichen ermöglichen können (S. 16), weil sie Aufschluss über die konkrete Motivation zum Sporttreiben geben. Diese subjektiven Gesundheitskonzepte sind jedoch bisher nur sehr unzureichend untersucht worden (vgl. Sygusch, 2001). Insofern ist Frage nach den subjektiven Gesundheitskonzepten von erheblicher praktischer Relevanz, wenn man versucht, die Jugendlichen für gesundheitsförderliche Maßnahmen zu gewinnen.
Zusammenfassend steht also folgende Annahme zur kritischen Überprüfung: Gesundheit ist auch für Jugendliche ein Motiv für das Sporttreiben.
Wenn dies der Fall ist, so könnten die bestehenden Programme – zumindest unter diesem Blickwinkel – auch zur Gesundheitsförderung für Jugendliche Anwendung finden. Sollte dies allerdings nicht der Fall sein, so müssten Lösungen dafür gefunden werden, wie diese Programme, die im Wesentlichen auf objektiven Gesundheitskonzepten basieren, auf Grundlage der subjektiven Gesundheitskonzepte jugendgerecht aufbereitet werden können, besonders wenn diese auf den Sport als ein (berechtigtes) Mittel zurückgreifen.
3 Das Konstrukt des subjektiven Gesundheitskonzeptes
Wenn im Folgenden von subjektiven Gesundheitskonzepten die Rede ist, wird darunter „die Gesamtheit der gesundheitsbezogenen Kognitionen, Bewertungen und Handlungspläne eines Individuums“ (Mrazek, 1987, S. 83) verstanden. Dieses ist neben Körperschema, Leistungsschema und sozialem Selbstschema innerhalb des Allgemeinen Selbstkonzepts verortet und gliedert sich in physische, psychische und soziale Aspekte (vgl. Belz-Merk, 1995; Sygusch, 2000). Sygusch (2001, S. 381 f.) fasst drei wesentliche Dimensionen subjektiver Gesundheitskonzepte zusammen, die Bedeutsamkeit für Verhalten bzw. Verhaltensänderungen haben (vgl. auch Belz-Merk, 1995): (1) Der Stellenwert von Gesundheit. Hiermit wird die Stellung des Gesundheitskonzeptes innerhalb des Allgemeinen Selbstkonzepts beschrieben. Es wird genau dann zu einer (gesundheitsbezogenen) Verhaltensänderung kommen, wenn diese Stellung vergleichsweise hoch (zentral) ist. (2) Die Elaboriertheit des Gesundheitsschemas und die Position von Subschemen. Analog des Stellenwertes vom Gesundheitskonzept insgesamt innerhalb des Allgemeinen Selbstkonzepts, kommt es zu einer unterschiedlichen Gewichtung der drei Aspekte (physisch, psychisch, sozial) oder Subschemen innerhalb des Gesundheitskonzepts. Diese Gewichtung gibt Aufschluss darüber, wie gezielt das gesundheitsrelevante Verhalten einer Person auf diesen Bereich ist (vgl. Sygusch, 2000, S. 43 f.). (3) Real-Ideal-Diskrepanz. Diese Annahme geht davon aus, dass es dann zu einer gesundheitsbezogenen Motivation und Verhaltensänderung kommt, wenn – bezogen auf das individuelle Selbstkonzept samt der Differenzierungen und Gewichtungen – subjektiv eine Gefährdung der eigenen Gesundheit befürchtet wird, wenn also der (subjektive) Ist-Zustand nicht dem (subjektiven) Soll-Zustand entspricht.
Auf einen sehr bedeutsamen Aspekt im Hinblick auf eine gesundheitsrelevante Verhaltensänderung weist Sygusch (2001) hin: „Nur wenn Gesundheitszustand, Körpersignale und Beeinträchtigungen als individuelle Gefährdung (im Sinne einer Real-Ideal-Diskrepanz) erlebt werden, nur wenn diese in einem elaborierten Gesundheitsverständnis eine zentrale Position einnehmen und nur wenn Gesundheit überhaupt einen bedeutenden Stellenwert einnimmt, ist gezieltes Gesundheitshandeln zu erwarten“ (S. 382). Folglich wäre jede einzelne Dimension eine notwendige Bedingung für gesundheitsrelevante Verhaltensänderungen.
4 Forschungsstand
Zu den drei verhaltensrelevanten Dimensionen subjektiver Gesundheitskonzepte soll kurz der aktuelle Forschungsstand skizziert werden. (1) Stellenwert von Gesundheit. Sowohl zum Stellenwert von Gesundheit generell (vgl. zusammenfassend Sygusch, 2000, S. 72 f.), als auch in Bezug zu sportlicher Aktivität (Sygusch, 2001) muss konstatiert werden, dass Gesundheit einen „peripheren Charakter“ (Sygusch, 2000, S. 72) hat. Und das obwohl Jugendliche in Befragungen besonders in Bezug auf sportliche Aktivität Gesundheit als einen der ersten Gründe angeben (vgl. u.a. Brehm, 1990; Tietjens, Strauß & Kurz, 1998). Dieses muss aber vor dem Hintergrund der Übernahme eines gesellschaftlichen Stereotyps („Sport ist gesund.“) im Sinne sozialer Erwünschtheit interpretiert werden (vgl. dazu Mrazek, 1987). Gesundheit ist aber subjektiv bedeutungslos. Die Gesundheit wird nur dann verhaltensrelevant, wenn die sportliche Funktionalität oder der Körper selbst eingeschränkt ist. (2) Die Elaboriertheit des Gesundheitsschemas und die Position von Subschemen. Nach Nordlohne und Kolip (1994, S. 127 ff.) besitzen Jugendliche bereits ein mehrdimensionales Verständnis von Gesundheit, welches sich am Übergang zur Adoleszenz weitgehend ausdifferenziert hat. Dabei nehmen bei den Mädchen Befindensaspekte, bei den Jungen Funktionsaspekte eine Schlüsselposition ein, und auch insgesamt stehen Wohlbefinden und Funktionsfähigkeit im Vordergrund des jugendlichen Gesundheitsverständnisses. Franzkowiak (1987) weist darauf hin, dass die subjektiven Gesundheitskonzepte durchaus gegen objektiv funktionale Zusammenhänge laufen können. Interessanterweise kommt Brehm (1990) zu dem Ergebnis, dass sich Sportler generell durch ein insgesamt differenzierteres Gesundheitsverständnis auszeichnen als Nicht-Sportler. (3) Real-Ideal-Diskrepanz. Eine solche Diskrepanz ist auf Basis der vorliegenden Untersuchungen nicht festzustellen (vgl. u.a. Kolip, Nordlohne & Hurrelmann, 1995). Sygusch (2001) konstatiert diesen Umstand – kurz und prägnant – wie folgt: „Gesundheit ist für Jugendliche offenbar kein Problem und damit auch kein zentrales Thema im Alltag“ (S. 384).
5 Zwischenfazit
Vor der Folie der skizzierten Befunde können bereits drei weiterführende Schlussfolgerungen gezogen werden: (1) Sowohl in Bezug auf die Real-Ideal-Diskrepanz, als auch im Hinblick auf den Stellenwert von Gesundheit, stellt das Gesundheitsmotiv – von Ausnahmen abgesehen – für Jugendliche keinen ausreichenden Anreiz für gesundheitsrelevantes Verhalten generell ebenso wie für das Sporttreiben dar. Bezogen auf die eingangs formulierte Annahme, ob Gesundheit auch für Jugendliche ein Motiv für das Sporttreiben ist, muss also das Gegenteil festgestellt werden. Somit ergibt sich die Notwendigkeit einer näheren Betrachtung der subjektiven Gesundheitskonzepte von Jugendlichen, um zu praxisrelevanten Ergebnissen zu gelangen. Hinweise hierfür können in den Untersuchungen zur Elaboriertheit gefunden werden, nämlich dort wo sich (2) Geschlechterdifferenzen abzeichnen. Vermutlich stehen diese auch mit Differenzen der ausgeübten Sportarten in Zusammenhang, da sich diese mit ihrer eigenen Sportartentypik eher dem einen oder eher dem anderen Geschlecht anbieten. (3) Weiter geben die Befunde Hinweise dafür, dass der (organisierte) Sport positive Effekte auf das subjektive Gesundheitskonzept hat. Dies wiederum verstärkt nur noch die Forderung nach einer differenzierten Untersuchung der subjektiven Gesundheitskonzepte, da das gewählte Mittel (der Sport) die Jugendlichen sich als immer gesünder empfinden lässt, so dass per definitionem das Gesundheitsmotiv immer weniger handlungsrelevant wird. Und jetzt sind eben gerade die „anderen“ Motive von entscheidender Bedeutung, möchte man die Jugendlichen – wenn auch nicht explizit kommuniziert – durch den Sport zu gesundheitsfördernden Verhaltensweisen anregen.[1]
[...]
[1] Eine differenzierte Betrachtung zu „gesundheitsfördernden“ oder „gesundheitsschädlichen“ Sportarten muss an anderer Stelle erfolgen und kann z.B. bei Sygusch (2000) zumindest teilweise nachvollzogen werden.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Rosenkranz (Autor:in), 2005, Subjektive Gesundheitskonzepte jugendlicher Sportler, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36556
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