Gegenstand und Zielsetzung dieser Arbeit
Die vorliegende Seminararbeit soll im wesentlichen die konkrete Poesie im Hinblick auf ihre Formen und die damit verbundenen Intentionen betrachten. Vorweggenommen sei an dieser Stelle, um die Titelwahl verständlich zu machen, dass die konkrete Poesie im wesentlichen eine Reduktion der Sprache vornimmt. Dabei schließt sich dieser Titel der Meinung Eugen Gomringers an, der in der neuen Gedichtform die Möglichkeit sieht, eine Aussage auf wenige Begriffe zu verdichten1.
In einem ersten Schritt wird die frühe Entwicklung und mit ihr die Vorläufer bis zur Entstehung der konkreten Poesie im Vordergrund stehen, um anschließend eine Unterscheidung der lautlichen und visuellen Elemente allgemein und ihrer damit verbundenen Absichten vorzunehmen. Daran anschließend wird im Hauptteil dieser Arbeit das Augenmerk auf eine der zuvor erläuterten Formen, nämlich auf die visuelle Ausgestaltung konkreter Dichtung gerichtet sein, wobei innerhalb dieser dann die gebräuchlichsten Formen orientiert an Eugen Gomringer thematisiert werden. Des weiteren wird an dieser Stelle der Versuch unternommen werden, auf die Frage, wie konkret die konkrete Poesie denn ist, eine Antwort zu finden. Exemplarisch soll dabei unter anderem eine unterschiedliche Umsetzung von Goethes „Wandrers Nachtlied“ unter dem Aspekt der Reduktion der Aussage durch wenige Wörter fokussiert werden. Diese Bewertung wird sich dann bis in die Schlussbetrachtung ziehen, die zum Inhalt haben wird, inwiefern die konkrete Poesie in die konventionelle Gattungstrias einbeziehbar ist und außerdem, inwiefern neuere Entwicklungen der visuellen Poesie diese Einordnung erleichtern oder noch schwieriger gestalten.
Inhaltsverzeichnis:
1. Gegenstand und Zielsetzung dieser Arbeit
2. Die frühe Entwicklung der konkreten Poesie
2.1. Vorläufer und Entstehung
2.2. Formen der konkreten Poesie
3. Visuelle Elemente der konkreten Poesie
3.1. Die gebräuchlichsten Formen nach Eugen Gomringer
3.2. Wie konkret ist die konkrete Poesie ?
4. Schlussbetrachtung
5. Literaturverzeichnis
1. Gegenstand und Zielsetzung dieser Arbeit
Die vorliegende Seminararbeit soll im wesentlichen die konkrete Poesie im Hinblick auf ihre Formen und die damit verbundenen Intentionen betrachten. Vorweggenommen sei an dieser Stelle, um die Titelwahl verständlich zu machen, dass die konkrete Poesie im wesentlichen eine Reduktion der Sprache vornimmt. Dabei schließt sich dieser Titel der Meinung Eugen Gomringers an, der in der neuen Gedichtform die Möglichkeit sieht, eine Aussage auf wenige Begriffe zu verdichten[1].
In einem ersten Schritt wird die frühe Entwicklung und mit ihr die Vorläufer bis zur Entstehung der konkreten Poesie im Vordergrund stehen, um anschließend eine Unterscheidung der lautlichen und visuellen Elemente allgemein und ihrer damit verbundenen Absichten vorzunehmen. Daran anschließend wird im Hauptteil dieser Arbeit das Augenmerk auf eine der zuvor erläuterten Formen, nämlich auf die visuelle Ausgestaltung konkreter Dichtung gerichtet sein, wobei innerhalb dieser dann die gebräuchlichsten Formen orientiert an Eugen Gomringer thematisiert werden. Des weiteren wird an dieser Stelle der Versuch unternommen werden, auf die Frage, wie konkret die konkrete Poesie denn ist, eine Antwort zu finden. Exemplarisch soll dabei unter anderem eine unterschiedliche Umsetzung von Goethes „Wandrers Nachtlied“ unter dem Aspekt der Reduktion der Aussage durch wenige Wörter fokussiert werden. Diese Bewertung wird sich dann bis in die Schlussbetrachtung ziehen, die zum Inhalt haben wird, inwiefern die konkrete Poesie in die konventionelle Gattungstrias einbeziehbar ist und außerdem, inwiefern neuere Entwicklungen der visuellen Poesie diese Einordnung erleichtern oder noch schwieriger gestalten.
2. Die Entstehung der konkreten Poesie und ihre Vorläufer
Will man die Entstehung und die Entwicklung bis zur Entstehung der konkreten Poesie beleuchten, so ist die Vorgeschichte eine lange. Ziel dieses ersten Aspekts der vorliegenden Seminararbeit soll es nun sein, einige mögliche Wegbereiter der konkreten Dichtung aufzuzeigen und in einen Zusammenhang mit dem avantgardistischen Literaturverständnis zu bringen, das die Sprache nicht mehr vordergründig in den Dienst der Beschreibung eines Sachverhaltes stellt, sondern ihr vielmehr einen Selbstzweck zugesteht[2] und zwar in der Form, dass das Sprachzeichen selbst fokussiert wird. Im Rahmen dieser Seminararbeit, angesichts des knapp bemessenen Umfangs, kann es an dieser Stelle aber nicht darum gehen, avantgardistische Literaturströmungen und deren Autoren bis ins letzte Detail vorzustellen, sondern vielmehr darum, exemplarisch den Dadaismus als wesentlichen Meilenstein der Literaturentwicklung, sowie eine kleine Auswahl an für die Entwicklung der konkreten Poesie relevanten Schriftstellern kurz zu skizzieren, um mögliche Wurzeln zu erarbeiten.
Des weiteren wird in dieser entstehungs- und entwicklungsgeschichtlichen Betrachtung am Ende dieses ersten Teils zu berücksichtigen sein, welche Formen dieser Auseinandersetzung mit einer traditionellen symbolischen Redeweise Ausdruck verleihen. Dies beinhaltet also eine Antwort auf die Frage, in welcher Weise die konkrete Dichtung das Material der Sprache als Medium begreift.
2.1. Vorläufer und Entstehung
Der Frage, ob Eugen Gomringer als „Vater der konkreten Poesie (Emmet Williams)“[3] bezeichnet werden kann, oder ob er sie lediglich popularisiert hat, wird im folgenden zunächst nachgegangen werden. Der Begriff ‚Konkrete Dichtung’ wird von Eugen Gomringer zum erstem Mal in seiner gleichnamigen Darstellung aus dem Jahre 1954 verwendet, die inhaltlich vor allem auf eine Differenzierung der Sprachgebilde der konkreten Poesie auf der einen Seite und den Gedichten in konventioneller Form auf der anderen Seite abzielt. Dabei lehnt sich Gomringer an den Schweden Öyvind Fahlström an, der mit seinem „HÄTILA RAGULPR PÄ FÄTSKLIABEN. Manifest för konkret poesie“[4] diesen Begriff bereits ein Jahr zuvor geprägt hat.
1953 erscheint in der ‚Spirale’, einer Schweizer Zeitschrift Gomringers Gedicht ‚avenidas’, in Form einer Konstellation, welche zu einem entscheidenden Grundtyp der konkreten Poesie werden wird. Vor allem dieser Veröffentlichung in dem von ihm selbst gemeinsam mit Diter Roth und Marcel Wyss gegründeten Organ verdankt es Eugen Gomringer, Vater jener neuen Literaturgattung genannt zu werden.
Des weiteren erscheint ein Jahr darauf das erste Manifest Gomringers mit dem Titel „Vom Vers zur Konstellation“[5], in dem er ankündigt, dass die Sprachen sich auf dem Weg der formalen Vereinfachung befänden, durch die sich reduzierte knappe Formen ergäben[6]. Als eine Möglichkeit dieser Reduktion von Sprache popularisiert Eugen Gomringer die Form der Konstellation:
„Was Gomringer, eigenen Angaben zufolge, am meisten bewog, die von ihm geprägte Technik der Konstellation zu kreieren, war der Wunsch, für den ihn biologisch bewegenden Drang nach ständiger Umkehrbarkeit des Denkens sowie In-Frage-Stellen gemachter Formulierungen ein adäquates Mittel zu finden.“[7]
Aus dieser Darstellung geht Eugen Gomringer als Schöpfer dieses Grundtypus der konkreten Dichtung hervor. Betrachtet man aber auch andere Quellen, so hat bereits Hans Arp, ein Mitbegründer des Dadaismus, 1930 rückblickend über seine Texte festgehalten:
„In diesen Gedichten verwende ich öfters die gleichen Wörter. [...] Ich schrieb Gedichte mit einer beschränkten Anzahl Wörter, die in verschiedenen Konstellationen auftreten. [...] Die Beschränkung in der Zahl der Wörter bedeutet keine Verarmung des Gedichts, vielmehr wird durch die vereinfachte Form der Darstellung der unendliche Reichtum in der Verteilung, Stellung, Anordnung sichtbar.“[8]
Die Beschränkung in der Anzahl der Wörter, ist aber auch für Gomringer konstitutiver Bestandteil seiner Konstellationen, wenn er von ebendieser als „einfachste Gestaltungsmöglichkeit der auf dem Wort beruhenden Dichtung“[9] spricht. Auch nach Gomringer sind in dieser Konstellation durch „zwei, drei oder mehr, neben- oder untereinandergesetzten Worte – es werden nicht zu viele sein – eine gedanklich stoffliche Beziehung gegeben.“[10] Schon dieses Beispiel zeigt, dass eine durch den Mitbegründer des Dadaismus vorgenommene Beschränkung auf nur noch wenige Worte bereits Ansätze für die konkrete Poesie liefert, an die diese dann anknüpfen kann.
Aber aus dem Dadaismus ergeben sich noch weitere Anknüpfungspunkte für die Poesie. Denn die unter dem Eindruck des ersten Weltkrieges entstandene internationale Kunst- und Literaturrichtung hat in ihren Anfängen unter anderem im Rahmen des Cabaret voltaire gegen Kunstformen und ästhetische Wertmaßstäbe des Bürgertums durch provokative Gegenprogramme in Form von Geräuschkonzerten, Lautgedichten und literarischen Montagen protestiert. Insofern waren die Dadaisten „begeisterte Vorkämpfer der konkreten Dichtung“.[11]
In den Kreis der Dadaisten wird für gewöhnlich auch Kurt Schwitters mit einbezogen, der mit seiner Merz-Sammlung jegliches konventionelle Kunst- und Literaturverständnis in Frage gestellt hat. An dieser Stelle ist das Bildgedicht mit dem Titel ‚i-Gedicht’[12] von besonderer Bedeutung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
An diesem Bespiel von Schwitters wird deutlich, dass sein Bildgedicht Buchstaben als grafische Zeichen thematisiert. Somit kann dieses Gedicht als eine Steigerung des Reduktionsprozess betrachtet werden: Hatte Arp sich noch für die Beschränkung auf wenige Wörter ausgesprochen, entdeckt Schwitters den Buchstaben als das ursprüngliche Material der Dichtung.
Ein weiterer Vertreter und Mitbegründer der Dada-Bewegung neben Hans Arp ist Hugo Ball. In seinem Gedicht ‚Karawane’, lassen sich zwei Merkmale erkennen, die dann auch für die konkrete Dichtung relevant werden:
Karawane
jolifanto bambla ô falli bambla
grossiga m'pfa habla horem
égiga goramen
higo bloiko russula huju
hollaka hollala
anlogo bung
blago bung
blago bung
bosso fataka
ü üü ü
schampa wulla wussa ólobo
hej tatta gôrem
eschige zunbada
wulubu ssubudu uluw ssubudu
tumba ba- umf
kusagauma
ba - umf[13]
Zum einen spiegelt dieses Gedicht in sehr eindeutiger Weise die Haltung des Dada wieder, wenn diese Bewegung die absolute Sinnlosigkeit in der Kunst und Literatur proklamiert. So ist auch der Ausspruch Hugo Balls zu verstehen, als er im Eröffnungsmanifest formulierte: „Ich will keine Worte, die andere erfunden haben. Alle Worte haben andere erfunden“[14] und proklamiert damit die Forderung nach einer Auseinandersetzung mit der traditionellen Redeweise. Damit wird eine Parallele zur konkreten Poesie angeboten, wenn Gomringer fordert, eine Position für den bewussten Gestaltungswillen einzunehmen.
[...]
[1] Cf. Gomringer: Träume, S. 22.
[2] Cf. Wikipedia: Konkrete Poesie.
[3] Gomringer: Träume, S. 5.
[4] Döhl: Wurzeln experimenteller Literatur.
[5] Gomringer: Konkrete Poesie, S. 53.
[6] Cf. Ebd. S. 155.
[7] Gomringer: Träume, S. 16.
[8] Döhl: Wurzeln experimenteller Literatur.
[9] Gomringer: Konkrete Poesie, S. 159.
[10] Ebd.
[11] Döhl: Wurzeln experimenteller Literatur.
[12] Lach: Kurt Schwitters, S. 206.
[13] Henzler: Untersuchung, S.57.
[14] Keil-Sagawe: Dadaismus.
- Citation du texte
- Anneke Veltrup (Auteur), 2005, Verdichtete Dichtung - Visuelle Formen der konkreten Poesie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36522
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