Immer mehr Medien sind in den Händen von immer weniger Konzernen. Wie ist es mit der Unabhängigkeit der Medien in diesem Umfeld bestellt und wie leidet die Vielfalt der Meinungen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Den letzten beißen die Hunde / Gründe für den Konzentrationsprozess
2.1 Die ökonomische Komponente
2.2 Die Günther Kommission
2.3 Einfluss auf Meinung und Politik
3. Arten von Konzentration
4. Der Bertelsmannkonzern / Deutschlands größtes Medienunternehmen
4.1 Globale Strategien
4.2 Regulierungsmöglichkeiten
5. Ausblick und Schluss
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Wer sich länger mit Leo Kirch beschäftigt, bekommt leicht Halluzinationen. Weiß manchmal nicht mehr zwischen eingebildeter und echter Bedrohung zu unterscheiden“, schreibt Michael Radtke in seinem Buch „Die Medienmacht des Leo Kirch.“[1] „Ich bin davon überzeugt, dass 98 Prozent übertrieben sind. Zwei Prozent bleiben übrig. Aus ihnen speist sich echte Bedrohung. Angst vor der Macht des Mannes mit dem Gesicht.“ Dabei erreicht die Kirchgruppe mit einem Jahresumsatz von 4,7 Milliarden Euro (Stand 1998) gerade einmal Platz 16 auf der Liste der größten Medienunternehmen.[2] Eine Branche deren Top 50 1998 allein die unglaubliche Summe von 505 Milliarden DM umsetzten. Gegenüber 1995 eine Steigerung von 60%. Doch dürfte dieser Zuwachs nicht allein dem stetig wachsenden Markt, sondern auch etlichen Firmenzusammenschlüssen zu verdanken sein. „Dabei werden die Prozesse von Machtkonzentration und vertikaler Integration, so unsere Prognose, noch erheblich an Wucht und Geschwindigkeit zunehmen“, wie Lutz Hachmeister und Günther Rager in ihrem Buch „Wer beherrscht die Medien?“ schreiben.[3] Denn rein quantitativ nimmt die Zahl der Pressetitel wegen Übernahmen, Zusammenschlüssen und Betriebseinstellungen seit Jahren ab, während die Umsätze steigen.[4] „Nach einer ersten Konzentrationsphase in den sechziger Jahren scheint sich der Übernahmetrend in letzter Zeit wieder verstärkt zu haben“, meint auch Rolf Weber, der die Entwicklungstendenzen in Europa, insbesondere der Schweiz, untersucht hat.[5] Ziel dieser Arbeit soll es deshalb sein, das Wesen der Medien-Konzentrationsprozesses in der darzustellen, seine Besonderheiten und Probleme, sowie die Rolle der Konzerne zu erörtern. Auch auf die Frage nach einer Regulierung werde ich kurz eingehen. Denn wie sagte doch einst der britische Staatsmann Winston Churchill: „Der Preis der Größe heißt Verantwortung.“[6] Doch die will, wie wir sehen werden, kaum einer tragen.
2. Den letzten beißen die Hunde / Gründe für den Konzentrationsprozess
2.1 Die ökonomische Komponente
Auch das alte Sprichwort „Konkurrenz belebt das Geschäft“ scheint in der Medienbranche von eingeschränkter Gültigkeit. So schreibt Matthias Karmasin: „Freier Wettbewerb führt [...] nicht zu einer Vielfalt von Meinungen sondern zu einer Konzentration auf wenige Anbieter.“[7] Diese Sache aber scheint erklärungsbedürftig, wollen wir doch nicht unserem liberalen Wirtschaftssystem die Schuld an der Misere mit der Medienkonzentration geben. Dennoch, so sehr man es auch dreht und wendet, die schwindende Anzahl an unabhängigen Medienunternehmen scheint vorrangig ein Problem ökonomischer Natur. Karmasin spricht von einer „Kostendegression pro Stück mit steigender Ausbringungsmenge“[8] und einer „naturgemäß beschränkten“ Marktgröße[9] als Begünstigungsfaktoren für den Konzentrationsprozess. Viel wichtiger noch aber dürfte die „Anzeigen-Auflagen Spirale sein: „Je höher die Reichweite eines medialen Produkts, desto stärker die Kostendegression, desto niedriger die Anzeigenpreise, desto höher die Anzeigenerlöse.“[10] Das Senken der Produktionskosten auf der einen Seite und das Erschließen neuer Werbemärkte auf der anderen präsentiert sich für die Konzerne also gleich in doppelter Hinsicht als reizvoll. Denn der Werbemarkt steigt und fällt mit der Zahl der Rezipienten . „Dies wiederum begünstigt auflagenstarke Publikationen, die [...] günstige Tausenderpreise anbieten können.“[11] Hiermit ist gemeint, dass Anzeigenpreise bei großen „Blättern“ zwar absolut gesehen teurer sind, als bei kleineren Zeitungen, im Verhältnis zur Auflage aber billiger.[12] Eine Kartellkommission sprach 1969 in der Schweiz, in der eine ähnliche Situation vorherrscht, auch von einer „Politik der Inserenten, Titel zu bevorzugen, die in einer ökonomischen Region oder einem bestimmten Zielpublikum besonders verankert sind.“[13] Als weitere Gründe wird eine Sättigung des Pressemarktes „im Vergleich zu Anzahl Leser und Umfang des Inseratevolumens“ eine Stagnation der Leserzahlen von Tageszeitungen und der Notwendigkeit finanzieller Investitionen „im Hinblick auf die Konkurrenz durch die elektronischen Medien und im Zusammenhang mit neuen Druckzentren“ [14] genannt. So lassen sich zum Beispiel TV-Supplements in Tageszeitungen oder Eigenproduktionen im Film- und Fernsehbereich durch Kooperationen oder eigene Druckereien weitaus günstiger produzieren. In diesem Zusammenhang ist vor allem der Bertelsmann Konzern zu nennen, der über 18 Druckereien, eine Papierfabrik und den Deutschen Supplement Verlag sein Eigen nennt. Letzterer stellt unter anderem die bekannte „rtv-Fernsehbeilage“ her, die in vielen Tageszeitungen zu finden ist.[15]
2.2 Die Günther Kommission
Doch diese Erkenntnis ist nicht neu. Bereits in den 60er Jahren sah sich die Bundesregierung genötigt, der zunehmenden Zeitungskonzentration, die in den 70ern ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen sollte, mit entsprechenden Maßnahmen entgegenzusteuern. Dafür setze sie zwei Untersuchungskommissionen ein: „Die Günther-Kommission wurde beauftragt, die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz von Presseunternehmen und die Folgen der Konzentration für die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland zu untersuchen.“[16] Sie kam 1967 zu dem vorläufigen Ergebnis, dass die Pressekonzentration eine Folge der technischen Umwälzung im Verlagswesen war. Investitionskosten[17], die gerade für viele kleinere Verlage nicht zu tragen waren und die deshalb zu einer Fusionswelle führten. „Diese die Pressefreiheit gefährdende Entwicklung könne nur durch gesetzliche Maßnahmen aufgehalten werden“[18] so deshalb das einstweilige Fazit. Die Kommission, die übrigens unter dem Vorsitz des Präsidenten des Bundeskartellamtes, Dr. Günther, stand, schlug deshalb vor, kleinere Verlage durch steuerliche und andere Hilfen zu unterstützen, um das Zeitungssterben aufzuhalten. Auch legte sie Grenzwerte für Marktanteile fest, ab denen die Meinungsfreiheit als gefährdet (20%) oder beeinträchtigt (40%) anzusehen ist.[19] Das sollte einem zu denken geben, wenn man bedenkt, dass allein der Axel Springer Verlag 1991 einen Anteil von 22,4 % am Tageszeitungsmarkt und 69,2 % am Kaufzeitungsmarkt besaß.[20] 1989 waren die Zahlen sogar noch höher.
Zu erwähnen wäre auch die sogenannte „Michel-Kommission“,[21] die das Wettbewerbsverhältnis zwischen Presse, Rundfunk und Fernsehen untersuchte. Dabei kam sie zum dem Schluss, das die Wirkung des Fernsehens auf den Konzentrationsprozess in der Tagespresse in keinem kausalen Zusammenhang steht. Sie stellte aber auch fest, dass vor allem die regionalen Tageszeitungen nicht an der Ausdehnung der „überregionalen Markenartikelwerbung“ durch das Fernsehen partizipieren konnte.[22] Ein Umstand, der nicht unwesentlich zum Konzentrationsprozess beigetragen haben dürfte, schließlich war es nötig, neue Märkte zu erschließen. Aus diesem Hintergrund heraus dürfte später auch der Einstieg großer Verlagsgruppen ins Privatfernsehen oder die Vernetzung von lokalem Hörfunk und Tageszeitungen zu erklären sein. „Durch den privaten Rundfunk haben Unternehmen wie Bertelsmann mit der Tochterfirma Ufa Film und Fernseh-GmbH, der Axel Springer-Verlag, der Burda Verlag oder der Holtzbrinck-Konzern ihre Stellung als Medienanbieter enorm ausgeweitet. Diese bedeutenden Medienunternehmen mit Jahrsumsätzen zwischen einer und zwölf Mrd. DM sehen ihre Zukunft im Medienverbund.“[23] Falsch wäre es jedoch, das Problem der Medienkonzentration nur in seiner wirtschaftlichen Dimension zu sehen, denn nicht selten geht mit der ökonomischen auch eine politische Komponente einher.
2.3 Einfluss auf Meinung und Politik
„Im Gegensatz zu diesen Ausprägungen der Konzentrationsvorgänge des Handels und der Industrie handelt es sich bei der Pressekonzentration nicht nur um die Verdichtung ökonomischer Faktoren, sondern auch um die Verdichtung publizistischer Elemente. Zu nennen sind hierbei vor allem der publizistische Einfluss, die Wirkungsintensität einzelner Zeitungen auf Meinungen und politische Entscheidungen und die Bedeutung einzelner Presseorgane als politische Informationsquelle.“[24] heißt es bei Claus Diekel. Doch welche Rolle spielen die Medienunternehmen überhaupt bei der Bildung der öffentlichen Meinung. Rolf Weber gibt hier in seinem Buch Medienkonzentration und Meinungspluralismus eine Antwort: „Der Prozess der Meinungsbildung erfolgt in der Gesellschaft durch fortlaufende Koordination individueller Meinungsäußerungen . [...] Die gegebenen Verhaltensregeln führen dazu, dass zwischen denjenigen Personen, die unterschiedliche Problemlösungen anbieten, ein Wettbewerb entsteht. Gleichzeitig lassen sich die Ergebnisse der Erfahrungen von erfolgreichen Personen nachahmen, was gerade im publizistischen Bereich zur Verstärkung von Meinungstendenzen bedeutsam ist.“[25] Das Problem ist nun, dass die „Anbieter unterschiedlicher Problemlösungen“ immer weniger werden, was auf den ersten Blick nicht weiter schlimm scheint. Schließlich liest der Durchschnittsmensch selten mehr als eine Zeitung. Doch gilt es auch zu bedenken, dass sich somit die Zahl der zur Auswahl stehenden unabhängigen Titel reduziert. Last but not least fällt so auch ein Moment der Kontrolle weg, das unterschiedliche Anbieter aufeinander ausüben. Abgesehen davon liest der Mensch ja nicht nur Zeitung, sondern ergänzt sein Wissen durch Fernsehen und Radio. Durch unterschiedliche Sichtweisen und Präsentation kann sich der Rezipient somit kritisch mit einem Themenschwerpunkt auseinandersetzen und sich eine eigene Meinung bilden, anstatt das Vorgesetzte lediglich „nachzukauen.“. Dies alles hat letztendlich auch Konsequenzen für die Politik: „Die gemeinsame Meinungsbildung ist eine Grundlage der demokratischen Gesellschaftsordnung. Indem Menschen ihre Handlungen fortlaufend koordinieren und gewisse gemeinsame Verhaltensregeln befolgen schaffen sie spezifische Strukturen, die zwar auf (mehrheitlichen) Konsenslösungen beruhen, gleichzeitig aber individuelle Verhaltensspielräume einschränken.“[26] Doch man sollte nicht allzu sehr verallgemeinern und schließlich ist Medien-Konzentration nicht gleich Medien-Konzentration, so dass die Folgen je nach ihrer Beschaffenheit, Ausprägung und Richtung durchaus andere sind. Deswegen soll im Anschluss kurz auf diesbezügliche Aspekt eingegangen werden.
[...]
[1] Radtke, Michael: Ausser Kontrolle. Die Medienmacht des Leo Kirch. Bern/München 1994, Seite IX.
[2] Vgl. Hachmeister, Lutz; Günther Rager: Wer beherrscht die Medien? Die 50 größten Medienkonzerne der Welt. Jahrbuch 2000. München 2000, S. 21ff.
[3] Hachmeister, S. 21.
[4] Vgl. Weber, Rolf: Medienkonzentration und Meinungspluralismus. Entwicklungstendenzen in Europa und Diskussionsstand in der Schweiz. Zürich, 1995, S. 13.
[5] ebenda, S. 13
[6] Duden: Zitate und Aussprüche. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich, 1993, S. 628.
[7] Karmasin, Matthias: Das Oligopol der Wahrheit. Medienunternehmen zwischen Ökonomie und Ethik. Böhlau, 1993, S. 314
[8] ebenda, S. 314
[9] ebenda, S. 314
[10] ebenda, S. 315
[11] ebenda, S. 316
[12] Diekel, Claus: Pressesubventionen und Pressekonzentration. Oldenburg, 1999, S. 58.
[13] Weber, S. 17
[14] ebenda, S. 17
[15] Vgl. Hachmeister, Lutz / Günther Rager: Wer beherrscht die Medien? Die 50 größten Medienkonzerne der Welt. München, 1997, Seite 29
[16] ebenda, S. 67
[17] später z. B. auch Umstellung von Blei- auf Photosatz
[18] ebenda, S. 68
[19] vgl. ebenda, S. 68
[20] Röper, Horst / Pätzold, Ulrich: Medienkonzentration in Deutschland. Medienverflechtungen und Branchenvernetzungen. Dortmund, 1993, S. 32f.
[21] Vgl. Diekel, S. 66f.
[22] Diekel, S. 66
[23] Röper, Seite 185
[24] Diekel, S. 33
[25] Weber, S.75f.
[26] ebenda, S. 75
- Arbeit zitieren
- Andreas Hempfling (Autor:in), 2001, Pressekonzentration: Deutung eines publizistischen und ökonomischen Phänomens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3636