Einleitung
Byzanz und das lateinische Abendland – zwei politische und kulturelle Pole, die im Hochmittelalter trotz ihres konfliktreichen und missverständlichen Verhältnisses tief in der gemeinsamen christlichen Religion verwurzelt waren. Diese Gemeinsamkeit konnte jedoch nicht verhindern, dass die Lateiner im April 1204 die byzantinische Hauptstadt Konstantinopel im Rahmen eines Kreuzzuges erstürmten und in blinder Zerstörungswut unermessliche Kunstschätze und ganze Bibliotheken plünderten. Zu dieser Problematik stellte sich mir folgende Frage: Wie konnte es dazu kommen, dass sich ein eigentlich gegen die Expansionsbestrebungen der islamischen Welt gerichteter Heiliger Krieg des westlichen Christentums, den die Kreuzzüge unweigerlich darstellten1, gegen die byzantinischen „Glaubensbrüder“ oder „conchristiani“ richtete ?
Bei der Beschäftigung mit diesem Problem ergaben sic h zahlreiche Parallelen zur aktuellen Weltpolitik und den vor wenigen Monaten ausgesprochenen Überlegungen zur Führung eines neuen „Kreuzzuges“ gegen die fundamentalistisch-islamische Welt seitens des amerikanischen Präsidenten als Antwort auf die Ereignisse des 11. September 2001. Dies ermöglichte die verknüpfende Betrachtung einer modernen Kommunikationsform in der Politik - der Propaganda. Die folgenden Ausführungen sollen zeigen, wie Missverständnisse über gegenseitige Werte, Normen und politische Vo rstellungen über die Jahrhunderte zu propagandistisch leicht verwertbaren Klischees eines aggressiven politischen Konzeptes reifen konnten. 2 Dazu möchte ich im nun zuerst das Selbstverständnis und den Entwicklungsstand der beiden Pole, Byzanz und lateinischer Westen, gegenüberstellen.
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1 Colpe: Der „Heilige Krieg“. S. 56.
2 in Anlehnung an Lake / Rothchild: Containing Fear. S. 104.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Situation des byzantinischen Kaiserreiches
- Stellung und Selbstverständnis
- Reaktion des Westens
- Situation des westlichen Abendlandes
- Stellung der römischen Kirche vor der Kirchenreform
- Exkurs: Modell des Heiligen Krieges
- Entwicklung der römischen Kurie mit Einsetzen der Kirchenreform
- Die Propaganda des Heiligen Krieges gegen Byzanz
- Exkurs: Propaganda
- Begrifflichkeit der westlichen Propaganda
- Das Verhältnis der Normannen zu Byzanz
- Situation des byzantinischen Kaiserreiches
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Vorbedingungen des lateinischen Kaiserreiches am Bosporus und analysiert das Entstehen des Feindbildes vom „treulosen Griechen“ im westlichen Abendland. Sie beleuchtet die Frage, wie es zu dem Konflikt zwischen dem eigentlich gegen den Islam gerichteten Kreuzzug und dem byzantinischen Reich kam. Die Arbeit nutzt die Parallelen zur aktuellen Weltpolitik, insbesondere zur Rhetorik des „Kreuzzugs gegen den Terror“, um die Rolle der Propaganda zu verdeutlichen.
- Das Selbstverständnis und die politische Situation des byzantinischen Kaiserreiches im Hochmittelalter
- Die Entwicklung des westlichen Abendlandes und die Rolle der römischen Kirche
- Die Propaganda des Heiligen Krieges und die Konstruktion des Feindbildes Byzanz
- Das Verhältnis zwischen Byzanz und dem Normannen
- Die Rolle von Missverständnissen und Klischees in der Entstehung des Konflikts
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach den Gründen für den Konflikt zwischen dem Kreuzzug und Byzanz in den Mittelpunkt. Sie vergleicht die Situation des Hochmittelalters mit der aktuellen politischen Diskussion über einen „Kreuzzug“ gegen den islamischen Fundamentalismus und hebt die Bedeutung der Propaganda hervor.
Situation des byzantinischen Kaiserreiches: Dieses Kapitel beschreibt die ambivalente Position des byzantinischen Reiches. Als Erbe Roms und Wegbereiter des christlichen Glaubens im Westen, pflegte es ein hohes Selbstverständnis, welches sich in Arroganz gegenüber den „westlichen Barbaren“ manifestierte. Gleichzeitig war Byzanz durch die ständige Bedrohung durch arabische und persische Expansionen geprägt, was zu einer strategischen Isolation und Abneigung gegenüber fremden Kulturen führte. Die zunehmende Schwäche des Reiches nach dem Tod Kaiser Basileios II. und die darauf folgende Fokussierung auf diplomatische Lösungen, anstatt militärischer Konfrontation, werden ebenfalls beleuchtet.
Situation des westlichen Abendlandes: Dieses Kapitel beschreibt die Situation im westlichen Abendland vor und nach der Kirchenreform. Es beleuchtet die Rolle der römischen Kirche und entwickelt das Konzept des Heiligen Krieges als ideologischen Rahmen für die Kreuzzüge. Die Entwicklung der römischen Kurie und ihre Bedeutung im Kontext der Kreuzzüge werden analysiert.
Die Propaganda des Heiligen Krieges gegen Byzanz: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die westliche Propaganda, die das Bild des "treulosen Griechen" schuf. Es analysiert die verwendeten Begriffe und Strategien, die dazu beitrugen, Byzanz als Feind darzustellen und den Kreuzzug gegen das Reich zu rechtfertigen.
Das Verhältnis der Normannen zu Byzanz: Dieses Kapitel untersucht die komplexen Beziehungen zwischen den Normannen und Byzanz. Es beleuchtet die wechselseitige Abhängigkeit und die Konflikte, die zu einer Verschärfung der Spannungen zwischen Ost und West beitrugen.
Schlüsselwörter
Byzanz, Kreuzzüge, Heiliger Krieg, Propaganda, Feindbild, römische Kirche, West-Ost-Konflikt, Normannen, Hochmittelalter, Selbstverständnis, Missverständnisse, Klischees, Politische Kommunikation.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Vorbedingungen des lateinischen Kaiserreiches am Bosporus
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Vorbedingungen für die Entstehung des lateinischen Kaiserreiches am Bosporus und analysiert die Entstehung des Feindbildes "treuloser Grieche" im westlichen Abendland. Ein zentraler Punkt ist die Klärung des Konflikts zwischen dem eigentlich gegen den Islam gerichteten Kreuzzug und dem byzantinischen Reich. Die Rolle der Propaganda wird anhand von Parallelen zur aktuellen Weltpolitik (z.B. "Krieg gegen den Terror") verdeutlicht.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themenschwerpunkte: Das Selbstverständnis und die politische Situation des byzantinischen Kaiserreiches im Hochmittelalter; die Entwicklung des westlichen Abendlandes und die Rolle der römischen Kirche; die Propaganda des Heiligen Krieges und die Konstruktion des Feindbildes Byzanz; das Verhältnis zwischen Byzanz und den Normannen; und die Rolle von Missverständnissen und Klischees in der Entstehung des Konflikts.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in ihnen?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, einen Hauptteil und ein Fazit. Die Einleitung stellt die Forschungsfrage. Der Hauptteil umfasst Kapitel zur Situation des byzantinischen Kaiserreiches (inkl. Selbstverständnis und Reaktion des Westens), zur Situation des westlichen Abendlandes (inkl. Rolle der römischen Kirche vor und nach der Kirchenreform und dem Modell des Heiligen Krieges), zur Propaganda des Heiligen Krieges gegen Byzanz (inkl. Begrifflichkeit und Strategien), und zum Verhältnis der Normannen zu Byzanz. Das Fazit fasst die Ergebnisse zusammen.
Wie wird die Rolle der Propaganda dargestellt?
Die Arbeit analysiert die westliche Propaganda, die zum Feindbild des "treulosen Griechen" beitrug. Sie untersucht die verwendeten Begriffe und Strategien, um den Kreuzzug gegen Byzanz zu rechtfertigen. Parallelen zur heutigen politischen Rhetorik (z.B. "Kreuzzug gegen den Terror") werden gezogen, um die Wirkung von Propaganda zu verdeutlichen.
Welche Rolle spielen Byzanz und die Normannen in der Arbeit?
Byzanz wird als ein Reich mit ambivalenten Positionen dargestellt: Erbe Roms und Wegbereiter des christlichen Glaubens im Westen, aber gleichzeitig geprägt von ständiger Bedrohung durch arabische und persische Expansionen und strategischer Isolation. Die Normannen werden im Kontext ihrer komplexen Beziehungen zu Byzanz betrachtet, die durch wechselseitige Abhängigkeit und Konflikte gekennzeichnet waren und die Spannungen zwischen Ost und West verschärften.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Byzanz, Kreuzzüge, Heiliger Krieg, Propaganda, Feindbild, römische Kirche, West-Ost-Konflikt, Normannen, Hochmittelalter, Selbstverständnis, Missverständnisse, Klischees, Politische Kommunikation.
Welche Forschungsfrage steht im Mittelpunkt der Arbeit?
Die zentrale Forschungsfrage lautet: Warum kam es zum Konflikt zwischen dem Kreuzzug (eigentlich gegen den Islam gerichtet) und dem byzantinischen Reich?
- Citation du texte
- Florian Schmidt (Auteur), 2002, Die geistige Vorbereitung eines Lateinischen Kaiserreiches am Bosporus: Das Feindbild vom treulosen Griechen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36274