Aktuell und in den zurückliegenden Jahren meiner beruflichen Tätigkeit waren häufig strukturelle und personelle Umwälzungen im Berufsfeld notwendig, nicht zuletzt durch finanzielle Belange. Ich arbeite in einer Einrichtung der stationären Behindertenhilfe, wodurch sich ein besonders intensiver Kontakt zum Klientel entwickelt hat, da man quasi in der Wohnung der zu betreuenden Menschen mit geistiger Behinderung tätig ist.
Durch die Größe der Einrichtung habe ich intensiven Kontakt zu vielen Mitarbeitern und konnte gerade in der jüngeren Vergangenheit feststellen, dass immer mehr „Alteingesessene“ und langjährige Kollegen zunehmend ihr Engagement zurücknehmen, häufig nur noch kritisierend gegenüber neuen Ideen auftreten, oder gar „Dienst nach Vorschrift“ machen, es wirkt fast so, als würde ihre Energie und Arbeitsfreude verloren gegangen sein.
Dieses Phänomen kann man verstärkt und zeitlich häufig nah bei oben erwähnten Veränderungen beobachten. Kontakte zu anderen Mitarbeitern der Behindertenhilfe zeigten mir jedoch auf, dass Veränderung auch Unsicherheit birgt, die Ängste und Zurückhaltung mit sich bringen, jedoch im Laufe der Zeit oft als hilfreich empfunden werden. Daher stellt sich die Frage, ob nun gerade das Arbeitsfeld „stationäre Wohneinrichtung“ besondere Ursachen setzt, um das so genannte „Ausbrennen“ oder auch Burnout der Mitarbeiter im helfenden Bereich zu beschleunigen.
Das sehr vielfältige und schwer definierbare Burnout-Syndrom wird in meinem Werk beschrieben, verschiedene Ursachen und der Verlauf werden dargestellt sowie die spezifischen Faktoren, die die stationäre Behindertenhilfe auf diese Art von Erschöpfung haben könnte.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Burnout-Syndrom
2.1. Beschreibung des Burnout-Syndroms
2.2. Die drei Komponenten von Burnout
2.2.1. Körperliche Erschöpfung
2.2.2. Emotionale Erschöpfung
2.2.3. Geistige Erschöpfung
3. Ursachen und Verlauf von Burnout
3.1. Merkmale der Person
3.1.1. Geschlecht und Demographie
3.1.2. Der Praxisschock
3.1.3. Die Kompetenzkrise
3.1.4. Emotional belastende Arbeit
3.2. Institutionale Belastungen
3.2.1. Überlastung
3.2.2. Finanzielle Aspekte
3.2.3. Hierarchie und Arbeitsatmosphäre
3.3. Der Verlauf von Burnout
3.4. Fazit
4. Arbeit im Behindertenheim – ein besonderes Burnoutrisiko?
4.1. Geschichtlicher Überblick
4.2. Besondere Aufgaben in der stationären Behindertenhilfe
4.3. Mitarbeiterkonstellationen
4.4. Arbeitsbedingungen
4.5. Fazit
5. Resümee
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In den zurückliegenden Jahren habe ich in meiner beruflichen Tätigkeit häufig strukturelle und personelle Umwälzungen in meinem Berufsfeld erleben dürfen und müssen. Ich arbeite in einer Einrichtung der stationären Behindertenhilfe, wodurch sich ein besonders intensiver Kontakt zum Klientel entwickelt hat, da man quasi in der Wohnung der zu betreuenden Menschen mit geistiger Behinderung tätig ist.
Durch die Größe der Einrichtung habe ich vielfältigen Kontakt zu vielen Mitarbeitern und konnte gerade in der jüngeren Vergangenheit feststellen, dass immer mehr „Alteingesessene“ und langjährige Kollegen zunehmend ihr Engagement zurücknehmen, häufig nur noch kritisierend gegenüber neuen Ideen auftreten, oder gar „Dienst nach Vorschrift“ machen, es wirkt fast so, als würde ihre Energie und Arbeitsfreude verloren gegangen sein.
Dieses Phänomen kann man verstärkt und zeitlich häufig nah bei oben erwähnten Veränderungen beobachten. Kontakte zu anderen Mitarbeitern der Behindertenhilfe zeigten mir jedoch auf, dass Veränderung auch Unsicherheit birgt, die Ängste und Zurückhaltung mit sich bringen, jedoch im Laufe der Zeit oft als hilfreich empfunden werden.
Daher stellt sich die Frage, ob nun gerade das Arbeitsfeld „Behindertenheim“ besondere Ursachen setzt, um das sogenannte „Ausbrennen“ oder auch Burnout der Mitarbeiter im helfenden Bereich zu beschleunigen.
Nachfolgend möchte ich versuchen, das sehr vielfältige und schwer definierbare Burnout-Syndrom zu beschreiben, verschiedene Ursachen und den Verlauf darstellen, sowie auf die spezifischen Faktoren eingehen, die die stationäre Behindertenhilfe auf diese Art von Erschöpfung haben könnte.
2. Das Burnout-Syndrom
Der Begriff Burnout hat eine nun schon etwas längere und steile Karriere hinter sich, bis heute ist es aber schwer, eine allgemeingültige Definition darzustellen[1], ja es gibt bisher keine verbindliche Definition.[2]
Die Beschreibung von Burnout begann in den helfenden Berufen und wurde insbesondere diesen zugeschrieben und mündetet gerade in Deutschland in der Diskussion um die „Hilflosen Helfer“, die Schmidtbauer in den siebziger Jahren beschrieb.[3]
Burnout ist wörtlich übersetzt das „Durchbrennen“, was ein Mensch eher nicht kann, denn es bedeutet auch, dass nach diesem Prozess nichts mehr ginge, also alles beendet ist, ähnlich der elektrischen Sicherung, die durchbrennt. Burnout zieht sich jedoch über einen langen Zeitraum, ohne abruptes Ende.[4]. Auch das „Ausbrennen“ erscheint nicht der richtige Sinn von Burnout zu sein, aber natürlich kommt er dem Prozess des langsamen Ermüdens und dem Entstehen einer gewissen Leere recht nahe.[5]
Am treffendsten erscheint mir der Begriff der beruflichen Deformation[6], im Übrigen soll hier darauf verwiesen werden, dass eine Beschreibung der Beobachtung des Syndroms durchaus zulässig ist, da in Forschung, Lehre und Schrifttum eben keine anerkannte Definition existiert.[7]
2.1. Beschreibung des Burnout-Syndroms
Berufliche Deformation (Burnout) beschreibt schon namentlich, dass es sich um Veränderungen im Erleben, Verhalten und Denken handelt, die, beruflich bedingt, im Laufe der Berufstätigkeit auftreten. Sie umfasst alle Arten von Abnutzungen, Verschleißerscheinungen, Realitätsverlusten, Fehlentwicklungen und Schädigungen.[8]
Burnout wird auch als ein seelischer Zustand beschreiben, der häufig bei Menschen eintritt, die mit anderen Menschen arbeiten, also sich um die Probleme anderer Menschen kümmern. Ausbrennen ist hier die schmerzliche Erkenntnis, diesen Menschen nicht mehr helfen zu können, sei es aus eigener Erschöpfung oder aufgrund von äußeren Grenzen, die zu durchbrechen man nicht mehr in der Lage ist.[9]
Diese definitorische Aufarbeitung erscheint mir ein wenig zu begrenzt auf die helfenden Berufe, da es auch in anderen Berufsgruppen diese Erschöpfungsmerkmale gibt (der Abteilungsleiter hat keine Lust zur Arbeit zu gehen).[10] Daher verwende ich im folgenden den Begriff Burnout sowohl im Sinne von „Ausbrennen“ als auch im Sinne von „Überdruss“, womit alle Arten von Erschöpfung, selbstverständlich vorrangig im Bereich der helfenden Berufe, gemeint sind.[11]
Das „Ausbrennen“ selbst wird in drei Kategorien beschrieben, die ich nachfolgend ausführen möchte.[12]
2.2. Die drei Komponenten von Burnout
Das Burnout-Syndrom äußert sich häufig auf verschiedenen Ebenen des Allgemeinbefindens der Betroffenen. Kategorisiert kann man von körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung sprechen.[13]
2.2.1. Körperliche Erschöpfung
Hier sind die Merkmale psychosomatischer Natur. Man fühlt sich niedergeschlagen und müde, man kann auch nachts nicht schlafen, da die Probleme in Alpträumen auftauchen, oder ein und derselbe Gedanken einen quält. Weiterhin ist die Vulnerabilität, Krankheiten gegenüber, stark erhöht, Kopfschmerzen, Verspannungen und dergleichen mehr belasten den Betroffenen.
Hinzu kommt eine Art Kompensationsverhalten, welches sich durch verstärkten Genuss von Alkohol, Nikotin und anderen Drogen äußert. Auch über- und regelmäßige Störungen des Essverhaltens sind Anzeichen einer körperlichen Erschöpfung.[14]
2.2.2. Emotionale Erschöpfung
Emotionale Erschöpfung meint, dass man sich durch den ständigen Kontakt mit Menschen ausgelaugt und emotional überfordert fühlt, da man das Gefühl hat, alle Energie zu brauchen, um den eigenen Alltag zu bewältigen. Wenn die emotionalen Reserven eines Menschen erschöpft sind, kann er nicht mehr auf sein Gegenüber eingehen, sie gehen im quasi „auf die Nerven“, dies bedeutet auch, man kann nichts mehr geben. Das äußert sich vor allem in Ungeduld und Unhöflichkeit, Anderen gegenüber, auch die innere Verzweiflung und Leere nehmen zu, Depression, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung machen sich breit.
Letztendlich nimmt die allgemeine Zufriedenheit am Beruf stark ab, Glück und Hoffnung schwinden zusehends.[15]
2.2.3. Geistige Erschöpfung
Bei der geistigen Erschöpfung in der Arbeit beginnen die Betroffenen, sich selbst negativ zu bewerten. Sie fühlen sich immer weniger kompetent und haben gleichzeitig auch das Gefühl, nicht mehr erfolgreich zu sein. Die Arbeit befriedigt einen insgesamt nicht mehr.
Die negative Grundhaltung äußert sich auch in Ausdehnung von arbeitsfreien Zeiten, man kommt zu spät und geht früher, auch Pausen werden überdehnt.
Die negative Einstellung sich selbst gegenüber hat aber auch zur Folge, dass man anderen dieses negative Gefühl entgegenbringt, was hauptsächlich daraus resultiert, dass eigene Ansprüche nicht mehr erfüllt werden, also versucht man diese woanders zu kompensieren. Wird auch vom Kollegen diese Befriedigung nicht erbracht, ja es wird legetimerweise Unverständnis und Missfallen geäußert, flüchten Betroffene häufig in Zynismus.[16]
Das Ausbrennen führt also nicht nur zu negativer Selbsteinschätzung, sondern auch zu negativer Einstellung gegenüber seinen Kollegen und möglicherweise, je nach Berufsgruppe, auch gegenüber seinen Klienten.
3. Ursachen und Verlauf von Burnout
Wie oben schon dargestellt[17], ist Burnout nicht als ein plötzlich auftretendes Ereignis zu betrachten, sondern ein langer Prozess, der verschiedenartig verlaufen kann. In der Literatur wird einhellig nicht von statisch auftretenden Ursachen, sonder von beeinflussenden Faktoren gesprochen. Je nach dem, welche Faktoren wie wirken, kann der Prozess des Ausbrennens unterschiedlich verlaufen[18]. Als Hauptursache wird der Stress, oder auch die Belastung[19], allgemein angesehen, egal, von welcher Seite er auf die betroffene Person wirkt[20]. Grundsätzlich ist eine gesunde Portion Stress sogar hilfreich, ja lebensnotwendig, ohne Stress würde man auch nicht existieren können[21], es handelt sich hier um Eustress (griech eu=gut)[22]. Hingegen meint die Stressforschung bei der Ursache des Burnout den Disstress (lat. dis=schlecht)[23]. Nachfolgend erwähnter Stress meint immer den Disstress.
Trotz der Vielfalt des Burnoutkonzepts in der Forschung, kann man doch einige Schwerpunkte in den Definitionen hervorheben: So lassen sich die Beschreibungen einmal dahingehend unterteilen, ob eher die Persönlichkeit des Helfers, die organisatorischen bzw. institutionellen Bedingungen oder gesellschaftliche Prozesse in den Vordergrund gerückt werden.[24]
[...]
[1] Wagner, P. „Ausgebrannt“, S. 10f, Burisch, M. „Das Burnout-Syndrom“, S. 4f
[2] Fengler, J. „Helfen macht müde“, S. 32
[3] Burisch, M. „Das Burnout-Syndrom“, S. 4f
[4] ebenda,, S. 5
[5] ebenda
[6] Fengler, J. „Helfen macht müde“, S. 32
[7] Wagner, P. „Ausgebrannt“, S. 10f, Burisch, M. „Das Burnout-Syndrom“, S. 4ff, Fengler, J. „Helfen macht müde“, S. 32f, Pines, A.M., „Ausgebrannt…“, S. 13ff
[8] Fengler, J. „Helfen macht müde“, S. 32
[9] Pines, A.M., „Ausgebrannt…“, S. 25
[10] Burisch, M. „Das Burnout-Syndrom“, S. 13
[11] Pines, A.M., „Ausgebrannt…“, S. 27
[12] ebenda
[13] Wagner, P. „Ausgebrannt“, S. 31 nach A. Pines
[14] Pines, A.M., „Ausgebrannt…“, S. 28
[15] ebenda, S. 29
[16] Pines, A.M., „Ausgebrannt…“, S. 31
[17] siehe Pkt. 2
[18] Burisch, M. „Das Burnout-Syndrom“, S. 28 m.w.N.
[19] Fengler, J. „Helfen macht müde“, S. 48ff
[20] Pines, A.M., „Ausgebrannt…“, S. 60f, Burisch, M. „Das Burnout-Syndrom“, S. 43ff
[21] Müller, E. „Ausgebrannt – Wege aus...“, S. 104
[22] Duden
[23] ebenda
[24] vgl. Enzmann, D „Helfer-Leiden...“, S. 21
- Arbeit zitieren
- Jochen Hermann (Autor:in), 2004, Burnout in der stationären Behindertenhilfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36207
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