Erziehungsbeistandschaft - Zwischen Ehrenamtlichkeit und Profession - Eine Frage der Qualität?
Gliederung
Abkürzungsverzeichnis
Vorwort
1.Einführung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Geschichtlicher Grundriss
2.1.1 Schutzaufsicht nach RJWG
2.1.2 Erziehungsbeistandschaft im JWG
2.2 Rechtliche Einordnung
2.2.1 Rechtsanspruch
2.2.2 Voraussetzung
2.2.3 Lebenswelt
2.2.4 Beendigung
2.3 Einordnung der EB durch die Kinder- und Jugendberichte
2.4 Die Erziehungsbeistandschaft an sich
2.4.1 Aufgabenbereiche
2.4.2 Zieldimensionen
2.4.3 Der Erziehungsbeistand absolutus et perfectus
2.5 Adressatenkreis
3. Fachlichkeit in der Praxis
3.1 Hauptamtliche Fachkräfte
3.1.1 Qualifikation
3.1.2 Methoden
3.1.3 Organisation
3.1.4 Trägerschaft
3.1.5 Charakteristik der Hilfe
3.1.6 Erfolgsquote
3.1.7 Nähe vs. Distanz - Vertrauensbasis mit Pferdefuß?
3.2 Ehrenamtliche Erziehungsbeistände
3.2.1 Charakteristik
3.2.2 Eigene Erfahrungen
4. Vorstellung des Forschungsvorhabens
4.1 Gegenstandsbenennung
4.2 Darstellung des Untersuchungsdesigns
4.2.1 Konstruierung des Fragebogens
4.2.2 Erwartete Ergebnisse
4.3 Die beiden Fragebögen
4.3.1 Pretest
4.3.2 Befragung der Kinder und Jugendlichen
4.3.3 Befragung der Erziehungsbeistände
5. Darstellung der Daten
5.1 Resultate aus der Untersuchung der Erziehungsbeistände
5.2 Resultate aus der Untersuchung der Kinder und Jugendlichen
5.3 Mögliche Fehlerquellen
6. Auswertung der Daten
6.1 Gewonnene Ergebnisse
6.2 Eine eindeutige Tendenz?
6.3 Ziehen einer eigenen Bilanz
7. Schluss
Anhang
Tabellenverzeichnis
Fragebogen 1
Fragebogen 2
Darstellung der Daten der Erziehungsbeistände
Darstellung der Daten der Kinder und Jugendlichen
II Verwendete Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vorwort
Die hier vorliegende Arbeit erhebt keinerlei Anspruch auf Repräsentativität. Sie stellt die Sichtweise der Autorin zu diesem Thema dar und bezieht sich dabei auf die angegebenen Urheber. Zitate und Inhaltsübernahmen der Autoren wurden ordnungsgemäß im Text und in den Fußnoten angegeben. Die Verfasserin dieser Anfertigung versichert, die Magisterarbeit selbst geschrieben zu haben und schließt damit alle unerlaubten Vorgehensweisen, wie beispielsweise bloßes Kopieren einer Textstelle eines anderen Autors ohne Angabe dessen, aus.
Weiterhin wurde auf die Nennung geschlechtsspezifischer Formulierungen, wie zum Beispiel Mitarbeiter/Innen, Sozialpädagog/Innen etc., verzichtet. Allerdings macht die Autorin deutlich, dass dies aufgrund von Rücksicht auf Zeit- und Platzersparnis und nicht aufgrund Diskriminierung gegenüber dem weiblichen Geschlecht realisiert wurde.
An dieser Stelle möchte die Autorin ihren Dank gegenüber allen kooperierenden Jugendämtern der Städte Jena, Köln, München und Passau sowie den beteiligten Erziehungsbeiständen und Kindern bzw. Jugendlichen danken.
Besonderer Dank gilt der Direktorin des Jugendamtes Jena, Frau Brunner, für ihre recht kurzfristig angefragte Zustimmung der Hilfsbereitschaft sowie dem restlichen beteiligten Personal des Amtes.
Ebenfalls muss ein großer Dank dem begleitenden Dozenten, Prof. Dr. M. Winkler für seine inspirierenden Ratschläge und kompetente Unterstützung ausgesprochen werden.
Monika Eckart
Jena, im November 2004
1. Einführung
„Die Erziehungsbeistandschaft ist zu einer überflüssigen Erziehungshilfe
geworden. Zu sehr geprägt von obrigkeitsstaatlichem Aufsichtsdenken, lässt sie
nur wenig Spielraum für ausreichende Beratungs- und Unterstützungsleistungen,
die sich an solche jungen Menschen wenden, die im oft krisenhaften Übergang zu
selbstbestimmten Lebensformen begleitet werden sollen.“[1]
Dies kritische Zitat rückt die erzieherische Hilfe durch Erziehungsbeistände in den Hintergrund, weit ab von relevanten Hilfeformen in der Jugendhilfe. Es wird noch zu klären sein, ob sich die Einschätzung Schrappers von 1989 mit der aktuellen Beurteilung der Erziehungsbeistandschaft deckt.
Zunächst soll aber erst einmal der theoretische Rahmen um die Hilfe zur Erziehung nach § 30 KJHG gezogen werden, bevor die Fachlichkeit des Personals in den Blickpunkt des Interesses gerückt wird. Anschließend sollen die Ergebnisse der Befragung von haupt- und ehrenamtlichen Erziehungsbeiständen sowie von Kindern und Jugendlichen dargestellt und ausgewertet werden.
Was also verbirgt sich hinter der Bezeichnung Erziehungsbeistand?
Harnach-Beck (1995) bezeichnet den Erziehungsbeistand als eine Person, die junge Menschen und ihre Familien bei auftretenden Problemen berät und unterstützt und besonders ältere Jugendliche auf dem Weg zur Selbstständigkeit hilft. Zwei Ziele sind gerade bei dieser Klientel das behutsame Loslösen vom Elternhaus sowie seinen eigenen Platz in der Gesellschaft finden. Dabei stehen im Gegensatz zu früher das Mitbestimmungs- und auch das Selbstbestimmungsrecht des Kindes bzw. des Jugendlichen im Vordergrund. Der Erziehungsbeistand sollte aber nie den Bezug zur sozialen Umwelt des Minderjährigen missachten, sondern diesen sowie auch das familiäre System bei der Gewährung der Hilfe mit einbeziehen (Gindorf 1995).
Die Stadt Lehrte beschrieb 1992 ihre Auffassung von einem Erziehungsbeistand folgendermaßen:
„Die Aufgaben des Erziehungsbeistandes setzen umfassende Kenntnisse und
Anwendungsmöglichkeiten verschiedener Methoden der Sozialpädagogik/
Sozialarbeit und Kenntnisse über therapeutische Konzepte und deren Anwendung
[…] ebenso voraus wie gleichermaßen Kreativität und Einsatzbereitschaft.
Um der besonderen Aufgabenstellung für das Aufgabengebiet
Erziehungsbeistandschaft gerecht werden zu können, sind mehrjährige berufliche
Vorerfahrungen in sozialpädagogischen Arbeitsfeldern erforderlich und
vorauszusetzen.“[2]
Bis jetzt konnte man also über die ambulante Hilfe der Erziehungsbeistandschaft erfahren, dass deren Umsetzung offenbar erfahrenes Personal, ein umfangreiches Repertoire an Methoden und bestimmte Persönlichkeitsmerkmale wie u.a. Flexibilität und Belastbarkeit verlangt.
An dieser Stelle muss ich mich fragen, ob dies alles auf mich zutreffen kann. Diese berechtigte Frage muss ich mir stellen, da ich selbst seit nunmehr dreieinhalb Jahren als ehrenamtlicher Erziehungsbeistand bei einem öffentlichen Träger, dem Jugendamt Jena, tätig bin. Dieses Ehrenamt war es auch, durch welches mein Interesse an einer empirischen Untersuchung über haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter und deren Erfolge mit ihrer Klientel geweckt wurde.
Denn eines steht deutlich fest: über einen in der Praxis erprobten reichhaltigen Bestand an Methoden verfüge ich bestimmt nicht und zu der Kategorie „erfahrenes Personal“ zähle ich auch nicht. Trotzdem behaupte ich, ein (relativ) erfolgreicher ehrenamtlicher Erziehungsbeistand zu sein. Liegt es also nur an meinen – demzufolge zahlreich vorhanden überragenden – Persönlichkeitsmerkmalen oder muss generell mit zweierlei Maß gemessen werden?
Kann es nicht sein, dass ein ehrenamtlicher Beistand gerade deswegen erfolgreich Kinder und Jugendliche betreut, weil er ehrenamtlich arbeitet – ergo über viel Zeit verfügt, flexibel reagieren kann, sich „echte“ Gefühle wie Zuneigung und Freundschaft leisten kann, da es nicht nur sein „Job“ ist?
Ist es nicht viel mehr möglich, dass besonders Studenten der Erziehungswissenschaft Kinder und Jugendliche mit Erfolg begleiten, weil sie das so eben Gelernte erstmals anwenden können?
Oder liegt gerade darin ihr Defizit?
Ist es andererseits nicht äußerst glaubhaft anzunehmen, dass hauptamtliche Fachkräfte die „besseren“ Betreuer sind, da es schließlich ihre Profession ist und sie exakt dafür ausgebildet worden sind?
Ist es nicht richtig, dass langjährige Sozialarbeiter etc. ihre Arbeit als Erziehungsbeistand auf einträglichere Weise ausüben, da ihr Können schließlich auf beträchtlichen Erfahrungen beruht?
Man könnte geneigt sein, jede dieser Fragen zu bejahen - und würde sich widersprechen. Es könnte also interessant sein, zu schauen, ob es nicht zumindest eine Tendenz in eine der beiden Richtungen gibt. Dies führte nun zu meiner Überlegung, ein Fragebogendesign zu entwerfen, um damit sowohl haupt-, als auch ehrenamtliche Beistände abzudecken, aber vor allem Kinder und Jugendliche zu befragen, inwieweit sie mit ihren Betreuern zufrieden sind und sie ihnen vertrauen können.
Dies wird Gegenstand des fünften Kapitels sein, zuvor soll aber kurz auf die theoretischen Grundlagen geschaut werden.
2. Theoretische Grundlagen
Mit diesem Kapitel soll ein Blick auf einen kurzen historischen Grundriss der Erziehungsbeistandschaft gewährt werden. Anschließend wird die rechtliche Einordnung dargestellt sowie die durch die Kinder- und Jugendberichte.
Daraufhin soll genauer auf das Aufgabenspektrum sowie die Ziele und die Anforderungen eines Erziehungsbeistandes geblickt werden, um schließlich die Adressaten dieser erzieherischen Hilfe näher zu beleuchten.
2.1 Geschichtlicher Grundriss
2.1.1 Schutzaufsicht nach RJWG
Will man die Anfänge der Erziehungsbeistandschaft erfassen, muss man über 100 Jahre in der Geschichte zurückblicken (Gebert/ Schone 1993). Zu dieser Zeit hieß die Form der Erziehungshilfe noch Schutzaufsicht und hatte eher eine Überwachungsfunktion. Offiziell wurde sie 1922 in das Reichjugendwohlfahrtsgesetz (RJWG § 56) aufgenommen (Schwuchow 2002). Zum einen erklärt sich ihre Abstammung aus der Resozialisierung von Begnadigten und sollte fürsorgerisch-pädagogisch sein, zum anderen existiert eine Herleitung über die „Polizeiaufsicht“ und wirkte eher eltern- und kindüberwachend (Gebert/ Schone 1993). Gerade letzterer Ruf sollte dieser Hilfeform noch Jahre später anlasten, sogar heute noch wird ihr von mancher Seite das Stigma einer „Chamäleon-Hilfe“ mit Polizeicharakter nachgesagt.
Die maßgeblichen Aspekte der Schutzaufsicht bezogen sich auf Fürsorglichkeit einerseits und Überwachung andererseits; sie wurde in der Regel auf eine richterliche Anordnung hin verfügt. Obwohl eher letzteres bei der Hilfe zum Tragen kam, konnte sich dennoch aus pädagogischer Hinsicht ein wichtiger Gedanke herauskristallisieren: „Erziehung statt Strafe“[3]. Nach Gebert/ Schone (1993) wurde dieser Leitsatz entgegen des streng anmutenden Charakters der Schutzaufsicht weitgehend in der Praxis angewandt. Vertrauen galt folglich schon damals als eines der wichtigsten Instrumentarien des pädagogischen Helfers. Obwohl über der Schutzaufsicht als Leitgedanke „Recht des Kindes auf Erziehung“[4] stand, wurde dies eher als Recht auf Überwachung der elterlichen Erziehung und ihrer Kinder angesehen, um im Zweifelsfall die Erziehung korrigieren zu können.
Trotz der Bezeichnung als präventive Hilfeform wurde die Schutzaufsicht praktisch nur bei schon eingetretener Verwahrlosung angewendet (Schwuchow 2002).
Kritisch wurde auch die enge gesetzliche Ummantelung bei gleichzeitiger Geringschätzung der Hilfe von Seiten des Gesetzgebers betrachtet.
Es war nicht nur problematisch, zu wenig geschulte Ehrenamtliche als Helfer einzusetzen, auch der Mangel an gut ausgebildetem Fachpersonal schadete der Entwicklung der Schutzaufsicht erheblich. Trotz dieser Tatsache stiegen die Zahlen der Schutzaufsichten ab 1928 (Gebert/ Schone 1993) enorm an, was aber eher ihrer Funktion als Fremdunterbringungsersatz zuzuschreiben war, als ihrer strukturellen und fachlichen Qualität. Sogar bis in die heutige Zeit wird die Erziehungsbeistandschaft oftmals als eine Art letzter Rettungsanker vor einer Heim- bzw. Fremdunterbringung angewendet. Im Gegensatz dazu äußert sich Boomgaarden (2001): Er nennt flexible Erziehungshilfen als letzte Möglichkeit, wenn alle anderen Hilfen nicht mehr greifen. Allerdings steht diese Auffassung konträr zu der anderer Autoren[5].
Ein weiteres Manko der damaligen Praxis der Schutzaufsicht war der Aspekt, dass es trotz erhöhter Fallzahlen zu keiner Aufstockung des Personals kam und so dieses die Schutzaufsichten zusätzlich zu ihren anderen Tätigkeiten durchführen mussten. Dies war natürlich nicht einer Verbesserung der Qualität zuträglich.
Am Rande erwähnt sei noch, dass es ebenfalls die Möglichkeit auf eine freiwillige Inanspruchnahme der Schutzaufsicht gab, dies wurde allerdings auch im Rahmen des allgemeinen Rufes als Überwachungshilfe nur äußerst selten wahrgenommen (Schwuchow 2002).
Nachdem 1933 der Nationalsozialismus Deutschland in seinen Fängen hielt, verlor die Schutzaufsicht gänzlich an Bedeutung. Sämtliche Belange die Kinder- und Jugendhilfe betreffend übernahmen die Hitler-Jugend (HJ), die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) und die staatlichen Gesundheitsämter, in deren Aufgabenbereich neben der „Rassenhygiene“ auch die Mütter- und Eheberatung und die Familienfürsorge fiel (Gebert/ Schone 1993). Für solch verwahrloste Jugendliche, die eigentlich exemplarisch für die Schutzaufsicht gewesen wären, wurden polizeiliche Jugendschutzlager geschaffen, die stark Konzentrationslagern ähnelten.
Nach dieser dunklen Zeit nicht nur für die Schutzaufsicht und die gesamte Kinder- und Jugendhilfe, sondern insbesondere für ganz Deutschland und Europa, wurde mit dem JWG eine Novellierung des Gesetzes bezüglich dieser Hilfe zur Erziehung angestrebt.
2.1.2 Erziehungsbeistandschaft im JWG
Diese Reform der Erziehungsbeistandschaft liegt nun mehr schon 43 Jahre zurück, als 1961 ein entscheidender Schritt in Richtung Hilfe und Empathie statt Überwachung und Kontrolle gegangen wurde. Mit der Novellierung des Jugendwohlfahrtsgesetzes (JWG) wurden deutliche Unterschiede zu der früheren Schutzaufsicht eklatant:
Zum einen wurde endlich auf die Schutz- und Überwachungsfunktionen des Schutzaufsichtshelfers verzichtet. Der Erziehungsbeistand sollte freiwillig in Anspruch genommen werden und dann „nur noch“ mit Rat und Unterstützung Hilfe gewähren. Zum anderen kann seit der Novellierung nur noch eine natürliche Person als Erziehungsbeistand fungieren – im Gegensatz zu früher, als es auch möglich war, das Jugendamt als Helfer zu bestellen. Ebenso bestimmt nicht mehr länger das Gericht den Helfer, diese Aufgabe übernimmt in der heutigen Zeit das Jugendamt.
Einer der wichtigsten Unterschiede bezieht sich darauf, wann überhaupt ein Erziehungsbeistand eingesetzt wird: Die Schutzaufsicht verlangte als Voraussetzung für ihr Wirken die Verwahrlosung eines Minderjährigen bzw. das Verhüten dieser. Währenddessen kommt bei der Erziehungsbeistandschaft nach dem JWG ein Helfer
zum Einsatz, wenn eine Entwicklungsgefahr besteht bzw. ein Entwicklungsschaden beseitigt werden soll (Becker, In: Gebert/ Schone 1993).
Aber die vielleicht bedeutendste Neuerung beschreibt die Möglichkeit auf Antrags-stellung durch die Personensorgeberechtigten auf eine freiwillige Inanspruchnahme der Hilfe nach §56 Abs. 1 JWG (Münder 1978; Gindorf 1995).
Durch die Einführung der Erziehungsbeistandschaft sollte besonders deutlich gemacht werden, dass die Erziehung der Kinder in erster Linie Aufgabe und vor allem Entscheidung der Eltern ist. Trotz dieser Stärkung der elterlichen Gewalt (Trapper 2002) durch die Rücknahme der jugendamtlichen Überwachung, gab es immer noch einschränkende Kontrollinstanzen (Geißler 1997), die sich einerseits
darin ausdrückten, dass Erziehungsbeistände immer noch gerichtlich angeordnet werden konnten - so zum Beispiel durch das Vormundschaftsgericht oder das Jugendgericht. Außerdem existierten weiterhin das Zutrittsrecht zu der Wohnung, in welcher der Minderjährige seit längerer Zeit vermutet wird, sowie die Auskunftspflicht gegenüber dem Betreuer betreffend den Minderjährigen. Zwar gab es diese Einschränkungen nur, um das Wohl des Minderjährigen zu sichern und sollten auch nur bei ausreichendem Verdacht auf Gefährdung angewendet werden, trotzdem stellten sie den Ruf der Erziehungsbeistandschaft als vertrauenswürdige Unterstützung der Familie arg in Frage. Laut Geißler fielen die Kontrollinstanzen (Zutrittsrecht, Anordnung durch das Vormundschaftsgericht) mit dem Inkrafttreten des KJHG 1991 weg, Schwuchow äußert allerdings, dass bereits in den 70er Jahren „auf das formale Bestellungsverfahren (§§ 56, 57 JWG) sowie auf das Auskunfts- und Zugangsrecht (§ 58 JWG) […] verzichtet“[6] wurde. Gebert/ Schone (1993) schreiben dazu, dass zwar schon auf diese Einschränkungen verzichtet wurden, dies allerdings „in der Praxis“ geschah, offiziell wurde darauf erst mit der Einführung des KJHG verzichtet.
Zwar bemühte sich das JWG stark darum, die Rechte der Eltern als Erzieher zu wahren, dennoch blieb der zweifelhafte Ruf der Erziehungsbeistandschaft nicht nur bei den Experten, sondern auch bei Klienten im Gedächtnis. Er beruhte maßgeblich auf der Freiwilligkeit der Hilfe einerseits, die u.a. durch Vertrauen und Unterstützung als pädagogische Schlagwörter proklamiert wurde und dem entgegenwirkend auf immer noch gerichtlich bestellte Beistandschaften andererseits (Gebert, In: Birtsch 2001). In dieser Zweideutigkeit offenbarte sich der viel kritisierte Doppelcharakter der Erziehungsbeistandschaft von damals.
Es gingen zwar im Laufe der Zeit die gerichtlichen Anordnungen stetig zurück[7], dennoch konnte sich diese Hilfe lange nicht von ihrem Stigma lösen.
Das war unter anderem auch dem Versäumnis des JWG, die Bestellung eines hauptamtlichen Erziehungsbeistandes, also einer qualifizierten Fachkraft, gesetzlich festzuhalten, zu verdanken (3. Jugendbericht NRW 1979).
Der recht beträchtliche Mangel an Fachpersonal konnte nicht durch den Einsatz von ehrenamtlichen Kräften ausgeglichen werden, so dass die Zahlen dieser Hilfeform rückläufig waren und die Erziehungsbeistandschaft stark an Bedeutung verlor.
Doch nicht nur wegen der fehlenden gesetzlichen Normierung zu den fachlichen Anforderungen war eine relativ kontinuierliche Stagnation der Fälle zu verzeichnen, auch die verstärkte Nutzung anderer ambulanter Hilfeformen wie beispielsweise die Sozialpädagogische Familienhilfe (SPHF) oder die Soziale Gruppenarbeit, führten zu einer vergleichsweise geringen Inanspruchnahme der Erziehungsbeistandschaft im Zeitraum von etwa 1975 bis ca. 1990[8].
Aber gerade durch solche Neuerungen in der ambulanten Kinder- und Jugendhilfe erweiterte sich zwangsläufig auch das Leistungsspektrum der Erziehungsbeistand-schaft. Auch durch das Einsetzen von qualifiziertem Fachpersonal und dem Verzicht von Ehrenamtlichen wurde der Einsatz von Methoden wie Einzelfallhilfe, soziale Gruppenarbeit und systemische Familienberatung unerlässlich (Gebert/ Schone 1993).
Obwohl bereits eine qualitative Weiterentwicklung in der Erziehungsbeistandschaft abzusehen war, blieb das Problem der Stagnation der Fallzahlen weiterhin präsent, so dass einige Reformforderungen immer lauter wurden. Dazu gehörten nicht nur ein Antragsrecht des Minderjährigen und die Beteiligung aller an der Planung der Hilfe, sondern auch die Einstellung der gerichtlichen Anordnungen, das Einsetzen von
hauptamtlichen Kräften sowie die Vereinfachung des ganzen Verfahrens (gemeint sind hier formlose Bestellungen und auch die stillschweigende Zustimmung der Personensorgeberechtigten als ausreichend für die Bestellung eines Beistandes).
Auch eine Vernetzung mit anderen ambulanten Hilfeformen gehörte zum Reformkatalog (Münder 1978).
Dass die Erziehungsbeistandschaft als formlose erzieherische Hilfeform einen positiven Eindruck bei dem Klientel hinterlassen hat, konnte von Fachleuten laut Gindorf (1995) bereits Ende der 80er bestätigt werden.
Ungefähr zu dieser Zeit, Ende der 80er bzw. Beginn der 90er, erlebte die Erziehungsbeistandschaft erneut eine bedeutende Veränderung in ihrer Geschichte.
In dem Gesetz von 1991 wurde ihr Profil neu dargelegt und ist bis zum jetzigen Zeitpunkt aktuell. Die Rede ist vom Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG). Vielleicht ist es auch gerade dem zu verdanken, dass es inzwischen in 96% aller Jugendamtsbezirken[9] in Deutschland die Erziehungsbeistandschaft in der Angebotsstruktur gibt.
2.2 Rechtliche Einordnung
2.2.1 Rechtsanspruch
Es besteht für jeden Minderjährigen ein Recht auf Hilfe. Der Rechtsanspruch auf einen Erziehungsbeistand ist bei Vorliegen der Voraussetzungen auf diese Hilfe für jeden Klienten geltend (Günder 1997). Der Paragraph 8 des KJHG sichert den Minderjährigen die Möglichkeit der Mitsprache. Laut Gesetz sollen sie an allen sie betreffenden Entscheidungen teilhaben können, sofern ihr Entwicklungsstand dies zulässt. Einem 15- jährigen Jugendlichen muss nach dem Sozialgesetzbuch (SGB І § 36 Abs. 1) ein vollständiges Beteiligungs- und Mitbestimmungsrecht zugesprochen werden (Gebert/ Schone 1993).
Dabei darf der öffentliche und/ oder freie Träger in keinem Maße finanzielle Forderungen gegenüber dem Leistungsempfänger stellen. Diese Hilfe ist in jedem Falle kostenfrei (Schellhorn 2000), auch wenn die finanzielle Situation des Trägers bzw. der Kommune angespannt ist, muss die Hilfe bei bestehendem Anspruch gewährt werden.
2.2.2 Voraussetzung
Zu den Voraussetzungen zählt, dass eine Störung der kindlichen Entwicklung vorhanden oder zu erwarten sein muss und es demzufolge auch zu Entwicklungsproblemen kommen kann.
In der Praxis heißt es gern, dass Jugendliche durch Auffälligkeiten im Verhalten und so genannte Anpassungsschwierigkeiten in eine Betreuung eines Erziehungs-beistandes gekommen sind (Gebert/ Schone 1993). - Doch was sind Verhaltensauffälligkeiten?
Ist ein Kind verhaltensauffällig, weil es im Unterricht dazwischen redet und oft den „Klassenclown“ markiert? Gehört jemand zu den Verhaltensauffälligen, weil er oft die Schule schwänzt, stiehlt und sich in ungünstigen Milieus herumtreibt?
Sicherlich sind dies zwei gegensätzliche Beispiele, dennoch beschreiben beide die Vorstellung von den meisten Menschen über stereotypische Auffällige. Dabeisteht erstere Person am Anfang der „Auffälligkeitsskala“, die andere an deren Ende.
Das sollte zumindest eins deutlich machen, dass die Grenzen und vor allem die Definitionen von Jugendlichen mit Verhaltensschwierigkeiten stark verwischen können.
Dies führt wieder zurück zu der Frage, welche Voraussetzungen denn nun erfüllt werden müssen? Probleme im Umgang mit anderen, im Verhalten, im Anpassen an gesellschaftliche Riten – ja. Aber wer bestimmt das Maß, an dem wir mit der Messlatte ansetzen?
Merchel empfiehlt eine Betreuung durch den Erziehungsbeistand, sobald der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) mit einer „allgemeinen (formlosen) Beratung und Betreuung“[10] nicht mehr greift. Damit wäre man erneut bei der Erziehungsbeistandschaft als „letztem Versuch“ angekommen.
Vielleicht heißt das aber auch nur, dass mit der Abbestellung eines Beistandes für einen Jugendlichen Bereitschaft gezeigt wird, sich intensiv und empathisch um ihn zu kümmern.
Wie schaut es nun mit weiteren Bedingungen für diese Hilfe aus?
Eine Erziehungsbeistandschaft wird ebenso erforderlich, wenn sich Eltern mit ihren Erziehungspflichten gegenüber dem Kind überfordert fühlen bzw. diesen nicht
ausreichend nachkommen (Mrozynski 1998). Man kann auch formulieren, dass eine Gefährdung des Kindeswohls durch Mängel hervorgerufen wird. Mängel dieser Art können beispielsweise bezüglich Anregung, Kommunikation, pädagogischer
Unterstützung sowie hinsichtlich des Bildungs- und Ausbildungsbereiches, aber auch des geeigneten Lebensraums auftreten (Günder 1997).
Harrer (1980) erwähnt eine weitere Voraussetzung für ein Intervenieren durch einen Erziehungsbeistand: Minderjährigkeit. Zu diesem Zeitpunkt unterstand diese ambulante Maßnahme allerdings noch dem JWG.
Seit einigen Jahren jedoch ist es in der Praxis üblich geworden, auch Erziehungs-beistandschaften über des 18. Lebensjahres hinaus anzuwenden, zum Teil bis zu einem Alter von 27 Jahren[11].
Da die Erziehungsbeistandschaft eine der längerfristigen erzieherischen Angebote ist, macht es Sinn, diese anzuwenden, wenn abzusehen ist, dass die Probleme des Klienten vielfältiger Natur sind und daher kurzfristig angelegte Maßnahmen eher unzureichend erscheinen.
Nach meiner dreieinhalbjährigen Erfahrung als Erziehungsbeistand ist aber folgende Voraussetzung eine der wichtigsten für das erfolgreiche Zustandekommen einer Beistandschaft: die Freiwilligkeit aller Beteiligten. Nicht nur das Kind bzw. der Jugendliche selbst muss die Hilfe wollen, auch die Personensorgeberechtigten – meistens die Eltern – müssen zumindest ein Mindestmaß an Interesse und Zustimmung der Betreuung entgegenbringen.
Im KJHG selbst beschreibt der Paragraph 30 die Notwendigkeit des Einsatzes eines Erziehungsbeistandes in folgender Form:
„Der Erziehungsbeistand […] soll das Kind oder den Jugendlichen bei der
Bewältigung von Entwicklungsproblemen möglichst unter Einbezug des sozialen
Umfeldes unterstützen und unter Erhaltung des Lebensbezugs zur Familie seine
Verselbständigung fördern.“[12]
2.2.3 Lebenswelt
Die Erhaltung des Lebensbezuges zur Familie meint an erster Stelle die Vermeidung von Fremdunterbringung, vor allem aber den Versuch, das System Familie zu erhalten. Auf der anderen Seite sollten für eine Inanspruchnahme einer Erziehungsbeistandschaft zumindest noch elementare Beziehungen unter den Familienmitgliedern vorhanden sein (Günder 1997).
Diese gilt es dann durch die Begleitung des Beistandes zu erhalten, um dem Minderjährigen ein Leben im gewohnten familiären Umfeld zu ermöglichen.
Die Passage „unter Einbezug des sozialen Umfeldes“ dagegen beschreibt die Notwendigkeit, den Minderjährigen nicht aus seinem Bezugssystem herauszureißen. Im Gegensatz zu der früheren einzigen Methode der Einzelarbeit, soll nun auch das bestehende Netzwerk an Beziehungen zum unmittelbaren Umfeld des Minderjährigen miteinbezogen werden. Janssen (1993) spricht hier insbesondere von einer intensiven Eltern- bzw. Personensorgearbeit, aber in der Literatur ist auch von der Einbeziehung von Schulkameraden, Verwandten allgemein und von Freunden sowie Wohn- und Freizeitmilieu die Rede[13].
Als nicht nur ratsam, sondern erforderlich sehen Chassé und von Wensierski (2002) die Ansiedlung des Büros des Erziehungsbeistandes im direkten Einzugsgebiet seiner Klienten an. Das Arbeiten im so genannten sozialen Brennpunkt - sprich im unmittelbaren sozialen Umfeld der Kinder und Jugendlichen – sei notwendig, um einen möglichst freien Zugang zum Feld zu bekommen und um vor allem die dort angesiedelten Ressourcen kennen zu lernen und so die Klienten bestmöglich unterstützen zu können.
Wie gerade beschrieben, sind in der Gesetzgebung der Anspruch auf Hilfe sowie die Voraussetzungen und der Kontext der erzieherischen Maßnahme geregelt. Nach einem über 100 Jahre andauernden Prozess der Weiterentwicklung, nicht nur der Erziehungsbeistandschaft als Hilfe selbst, sondern auch der des Gesetzes, kann man behaupten, im Vergleich mit der Schutzaufsicht erhebliche Fortschritte gemacht zu haben. Doch selbst noch in der Gegenwart gibt es Kritiker, die mit der derzeitigen Formulierung des Paragraphen 30 KJHG unglücklich sind. Gegenstand der kritischen Stimmen ist die enorme gesetzliche Fixierung der Erziehungsbeistandschaft gegenüber anderen ambulanten Hilfen. Problematisch dabei ist vor allem die gemeinsame Nennung von Erziehungsbeistandschaft und Betreuungshelfer unter einem Paragraphen (Textor 1995). Dies könnte zu Verwirrungen führen, da beide Maßnahmen völlig unterschiedlich sind.
Eine ungewollte Verbindung der Erziehungsbeistandschaft zur Maßnahme des Betreuungshelfers, der hauptsächlich durch einen Gerichtsbeschluss Jugendlichen „aufgebrummt“ wird, liegt da nahe.
Demzufolge sind Stimmen lauter geworden, dies im Gesetzestext zu ändern, damit sich die Erziehungsbeistandschaft endgültig von dem Ruf einer doppelzüngigen Hilfe, die sich immer noch nicht vom Polizeicharakter der Schutzaufsicht lösen konnte, befreien kann.
2.2.4 Beendigung
Die Hilfe der Erziehungsbeistandschaft endet entweder oder wird aufgehoben. Sie kann mit der Volljährigkeit enden oder unter bestimmten Voraussetzungen darüber hinaus noch fortgeführt werden. Nach dem JWG trat das Ende bei dem Tod bzw. der Todeserklärung ein, wobei eine Eheschließung nicht automatisch als Ende gewertet, jedoch als „anderweitige Sicherstellung“[14] gehandelt wurde.
Aufgehoben wurde die Hilfe, wenn das Erziehungsziel erreicht bzw. anderweitig sichergestellt wurde. Außerdem wurde eine Aufhebung der Erziehungsbeistandschaft rechtskräftig, wenn ein Personensorgeberechtigter einen Antrag dafür stellte.
Unabhängig von Veränderungen zum KJHG begleitet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) die Kinder- und Jugendarbeit, beobachtet die Situation der Kinder und Jugendlichen in Deutschland allgemein und wendet sich in jeder Ausgabe einem bestimmten Leitmotiv zum Thema Kindheit und Jugend besonders zu.
2.3 Einordnung der Erziehungsbeistandschaft durch die Kinder- und Jugendberichte
Die Geschichte der veröffentlichten Jugendberichte begann vor knapp 40 Jahren, als 1965 der erste dieser Reihe in Bonn erschien. Seitdem bringt das BMFSFJ in regelmäßigen Abständen – ab 1986 im Vier-Jahres-Rhythmus – einen Bericht zur Lage der Kinder und Jugendlichen in der Bundesrepublik heraus:
1. Jugendbericht 1965: „Bericht über die Lage der Jugend und die Bestrebungen auf
dem Gebiet der Jugendhilfe gemäß § 25 Abs. 2 des JWG“[15]
2. Jugendbericht 1968: „Bericht über die Lage der Jugend und die Bestrebungen auf
dem Gebiet der Jugendhilfe“[16]
3. Jugendbericht 1972: „Aufgaben und Wirksamkeit der Jugendämter in der
Bundesrepublik Deutschland“[17]
4. Jugendbericht 1978: „Sozialisationsprobleme der arbeitenden Jugend in der
Bundesrepublik Deutschland – Konsequenzen für
Jugendhilfe und Jugendpolitik“[18]
5. Jugendbericht 1980: „Situation und Perspektiven der Jugend. Problemlagen und
gesellschaftliche Maßnahmen“[19]
6. Jugendbericht 1984: „Verbesserung der Chancengleichheit von Mädchen in der
Bundesrepublik Deutschland“[20]
7. Jugendbericht 1986: „Jugendhilfe und Familie – die Entwicklung
familienunterstützender Leistungen und ihre Perspektiven“[21]
8. Jugendbericht 1990: „Bericht über Bestrebungen und Leistungen der
Jugendhilfe“[22]
9. Jugendbericht 1994: „Die Situation der Kinder und Jugendlichen und die
Entwicklung der Jugendhilfe in den neuen Bundesländern“[23]
10. Kinder- und Jugendbericht 1998: „Bericht über die Lebenssituation von Kindern
und die Leistungen der Kinderhilfen in Deutschland“[24]
11. Kinder- und Jugendbericht 2002: „Bericht über die Lebenssituation junger
Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in
Deutschland[25]
12. Kinder- und Jugendbericht 2006: „Bericht über die Bildung und Erziehung
außerhalb der Schule"[26]
Da ich nur Einsicht in die Berichte von 1990 bis 2002 (achter bis elfter Kinder- und Jugendbericht) hatte, kann natürlich nur von diesen vier Ausgaben im Folgenden die Rede sein. Auffällig ist bei allen Darstellungen, dass die Erziehungsbeistandschaft nur beiläufig erwähnt wird.
Der Achte Bericht lobt die Erziehungsbeistandschaft zwar als eine „besondere, offene“[27] Hilfe, die Jugendliche durch individuelle Unterstützung betreuen kann, beklagt aber dennoch ihre geringe Nutzung. Obwohl der Bericht von einer relativ erfolgreichen Bilanz dieser Hilfe ausgeht, wird der Erziehungsbeistandschaft alles in allem noch nicht einmal eine Seite im gesamten Jugendbericht gewidmet.
Ihre Bedeutung und auch Erfolge konnten nicht sonderlich hoch sein, wenn die Erziehungsbeistandschaft so „stiefmütterlich“ selbst vom zuständigen Ministerium behandelt wurde.
Der Neunte Jugendbericht verkürzte seine Darstellung über die Erziehungsbeistand-schaft darauf, dass er einen Ausbau dieser neben anderen Hilfeformen fordert (Neunter Jugendbericht 1994).
Im Zehnten Kinder- und Jugendbericht wird kritisiert, dass die Jugendhilfe „die Erziehungsbeistandschaft aus dem Blick verloren“[28] habe und auch praktisch eher andere ambulante Hilfen zum Zuge kommen. Trotz der Anwendung von vielfältigen Methoden und der Ausrichtung an eher ältere Kinder und Jugendliche sei es der Erziehungsbeistandschaft noch nicht gelungen, ein „eigenständigeres Profil“[29] zu entwickeln. Damit meint der Bericht vor allem einen engeren Bezug zur Familie als Ganzes und nicht nur zum Kind bzw. zum Jugendlichen allein.
Der Elfte Kinder- und Jugendbericht reiht sich mit seiner marginalen Erwähnung dieser Hilfe in die Riege seiner Vorgänger ein und nennt den Erziehungsbeistand einmal als Hilfe, die zur Verselbständigung eines schon etwas älteren Jugendlichen
dienlich sein könnte und das zweite Mal als die Hilfeform, in der ausländische männliche Jugendliche häufig vertreten sind (Elfter Kinder- und Jugendbericht 2002).
Wie der Zwölfte Kinder- und Jugendbericht mit der Hilfe Erziehungsbeistandschaft umgehen wird, kann hier noch nicht geklärt werden. Die geringschätzig anmutende Nennung der Hilfeform in den vorangegangenen Berichten allerdings liegt in hohem Maße der Entwicklungsgeschichte der Erziehungsbeistandschaft zu Grunde:
Wie bereits erwähnt, verschwand sie für einige Jahre beinahe in den Geschehnissen der Kinder- und Jugendhilfe und musste lange mit einem ambivalenten Ruf leben. So scheint es nicht verwunderlich, dass dies mit einer recht unscheinbaren Betrachtung quittiert wurde.
Der folgende Abschnitt soll nun die verschiedenen Spektren der Hilfeform Erziehungsbeistandschaft aufzeigen, so dass ihre Funktion, ihre Ziele und Aufgaben, aber auch die Anforderungen und Erwartungen an einen Beistand näher beleuchtet werden.
[...]
[1] vgl. Schrapper, Ch. 1989, In: Gebert, A./ Schone, R. (1993): Erziehungsbeistände im Umbruch, S. 5
[2] vgl. Stadt Lehrte 1992, In: Gebert, A./ Schone, R. (1993): Erziehungsbeistände im Umbruch, S. 86
[3] vgl. Gebert, A./ Schone, R. (1993): Erziehungsbeistände im Umbruch, S. 10
[4] vgl. Schwuchow, K. (2002): Die Bedeutung der Erziehungsbeistandschaft für Klienten eines
privatgewerblich orientierten Trägers der freien Jugendhilfe, S.12
[5] vgl. Gebert, A., S. 525, In: Birtsch, V. (2001): Handbuch Erziehungshilfen: „[…] so dass die
Erziehungsbeistandschaft häufig als ´letzter Versuch´ vor der Heimerziehung gesehen wurde.“;
vgl. Gebert, A./ Schone, R. (1993): Erziehungsbeistände im Umbruch, S.13:
„Erziehungsbeistandschaft retardierte somit zum letzten Versuch (ultima ratio) vor der
Heimerziehung.“;
vgl. Schwuchow, K. (2002): Die Bedeutung der Erziehungsbeistandschaft für Klienten eines
privatgewerblich orientierten Trägers der freien Jugendhilfe, S. 14: „[…] dass die
Erziehungsbeistandschaft somit […] als letzte pädagogische Eingriffsmöglichkeit vor der stationären
Unterbringung definiert wurde.“
[6] vgl. Schwuchow, K. (2002): Die Bedeutung der Erziehungsbeistandschaft für Klienten eines
privatgewerblich orientierten Trägers der freien Jugendhilfe , S. 15
[7] vgl. siehe Anhang Tab.16: Hornstein 1982; Tab.17: Textor (Hrsg.) (1992): Hilfen für Familien: ein
Handbuch für psychosoziale Berufe
[8] vgl. Gebert, A., In: Birtsch, V. (2001): Handbuch Erziehungshilfen: 1975 6.685 Betreuungen im
Vergleich mit 1990 6.982 Betreuungen
[9] vgl. Santen, E. van/ Mamier, J./ Pluto, L./ Seckinger, M./ Zink, G. (2003) : Kinder- und Jugendhilfe
in Bewegung – Aktion oder Reaktion?, S. 186
[10] vgl. Merchel, J. (Hrsg.) (1999): Qualität in der Jugendhilfe, S. 221
[11] vgl. Anhang Tab.5, Tab.7, Tab.9: Treptow, R. u.a. (1999): Bericht zur Situation der Kinder und
den Leistungen der Kinderhilfen in Thüringen
[12] vgl. KJHG § 30, In: Münder, J. (1998): Frankfurter Lehr- und Praxiskommentar zum KJHG/ SBG
VIII, S. 282
[13] vgl. Seithe, M: Praxisfeld (2001): Hilfen zur Erziehung, S. 51: „Einbeziehung verschiedener
Lebensweltebenen […] Schule, Familie, peers, Wohngebiet, Freizeit“;
vgl. Schwuchow, K. (2002): Die Bedeutung der EB für Klienten eines privatgewerblich orientierten
Trägers der freien Jugendhilfe, S. 23: „[…] richtet sich das Augenmerk der Erziehungsbeistände
auch auf das sozio-räumliche Umfeld der Kinder und Jugendlichen“
[14] vgl. Münder, J. (1978): Frankfurter Kommentar zum Gesetz für Jugendwohlfahrt, S. 278
[15] vgl. www.jugendserver.de/wai1/showcontent.asp?ThemaID=429; Zugriffsdatum: 05.10.2005
[16] vgl. www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung5/Pdf-Anlagen/anlage-mehr-wissen-_C3_BCber-
die-jugend,property=pdf.pdf; Zugriffsdatum: 05.10.2005
[17] vgl. www.jugendserver.de/wai1/showcontent.asp?ThemaID=429; Zugriffsdatum: 05.10.2005
[18] vgl. www.jugendserver.de/wai1/showcontent.asp?ThemaID=429; Zugriffsdatum: 05.10.2005
[19] vgl. www.jugendserver.de/wai1/showcontent.asp?ThemaID=429; Zugriffsdatum: 05.10.2005
[20] vgl. www.jugendserver.de/wai1/showcontent.asp?ThemaID=429; Zugriffsdatum: 05.10.2005
[21] vgl. www.jugendserver.de/wai1/showcontent.asp?ThemaID=429; Zugriffsdatum: 05.10.2005
[22] vgl. www.jugendserver.de/wai1/showcontent.asp?ThemaID=429; Zugriffsdatum: 05.10.2005
[23] vgl. www.jugendserver.de/wai1/showcontent.asp?ThemaID=429; Zugriffsdatum: 0 5.10.2005
[24] vgl. www.jugendserver.de/wai1/showcontent.asp?ThemaID=429; Zugriffsdatum: 05.10.2005
[25] vgl. Elfter Kinder- und Jugendbericht (2002), BMFSFJ
[26] vgl. http://cgi.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=260; Zugriffsdatum: 05.10.2004
[27] vgl. Achter Jugendbericht (1990), BMFSFJ, S. 136
[28] vgl. Zehnter Jugendbericht (1998); BMFSFJ, S. 246
[29] vgl. Zehnter Jugendbericht (1998); BMFSFJ, S. 246
- Arbeit zitieren
- Monika Eckart (Autor:in), 2004, Erziehungsbeistandschaft - Zwischen Ehrenamtlichkeit und Profession - Eine Frage der Qualität?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36206
-
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