Schulische Leistungsdefizite resultieren bei vielen Kindern aus der Unfähigkeit, dem Unterrichtsgeschehen aufmerksam folgen zu können. Nicht wahrgenommene Unterrichtsinhalte führen zu Informationslücken, was starke Probleme bei der Bewältigung des Schulalltags nach sich ziehen kann. Eine mögliche Ursache ist dabei das so genannte „Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom“ (kurz: ADS), was keinesfalls nur als medizinisches Problem verstanden werden sollte.
Möglichkeiten der Förderung dieser Kinder und ein theoretischer Hintergrund sollen Hauptgegenstand dieser Arbeit sein. Die Aspekte der außerschulischen Arbeit als Alternative und der zusätzlichen Unterstützung der Eltern wird untersucht und am Beispiel eines Nachhilfeinstitutes exemplarisch erläutert. Durch die langjährige Arbeit mit Kindern in einer Nachhilfeschule sollen Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Förderung aufgezeigt und beschrieben werden.
Fokussiert wird dabei das ADS ohne Hyperaktivität. Neben dem hyperkinetischen Syndrom nimmt ADS ohne Hyperaktivität als Variante des Aufmerksamkeitsdefizits eine untergeordnete Rolle ein, was mit dem Erscheinungsbild dieser Störung zusammenhängen dürfte. Solche Kinder wirken nach Elisabeth Aust-Claus und Petra-Marina Hammer im Unterrichtsgeschehen eher unauffällig, ruhig und angepasst (vgl. Aust-Claus und Hammer 2001, S. 17). Uta Reimann-Höhn weist in diesem Zusammenhang auf eine Studie hin, die Mitte der neunziger Jahre in den USA durchgeführt wurde (vgl. Reimann-Höhn 2003, S. 10). Hieraus ergab sich ein doppelt so hohes Vorkommen des Aufmerksamkeits-Defizit- Syndroms ohne Hyperaktivität im Gegensatz zu der Variante des hyperkinetischen Syndroms. Nach Dieter Krowatschek sind Mädchen statistisch stärker betroffen. Betroffene Schüler benötigen auch im außerschulischen Bereich eine besondere Zuwendung, beispielsweise beim Verfassen ihrer Hausaufgaben (vgl. Krowatschek in: Lernchancen 30/2002). Das Wesen solcher hypoaktiven Kinder wird aus eigener Erfahrung als angenehm empfunden und somit zeigen sich erst bei genauerer Beobachtung die Schwierigkeiten und Komplikationen, mit denen verträumte und passive Kinder konfrontiert sind. Deren Eltern zeigen sich in Gesprächen oftmals hilflos und folgen dem Rat vieler Kinderärzte, diesem Problem medikamentös entgegen zu wirken. Stimulanzien sollen den ADS-Kindern dabei helfen, ihre Aufmerksamkeit auf den schulischen Unterricht besser fokussieren zu können. Doch berichteten viele Eltern von Nebenwirkungen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Einordnung
2.1 Besonderheiten der Aufmerksamkeitsstörungen
2.1.1 Mögliche externe und interne Konflikte der ADS-Kinder
2.2 Entdeckung der eigenen Selbstwirksamkeit
2.3 Nosologie des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms
2.3.1 DSM-IV und ICD-10 im Vergleich
2.4 Ein Spezialfall
2.5 Möglicher Verlauf des ADS
2.5.1 Das Säuglingsalter
2.5.2 Das Vorschulalter
2.5.3 Die Schulzeit
2.5.3.1 Rechnen
2.5.3.2 Rechtschreibung
2.5.3.3 Lesen
2.5.4 Das Jugendalter
3 Ursachen
4 Interventionsmöglichkeiten
4.1 Medikamentöse Interventionsmöglichkeiten
4.2 Wirkungsweisen der Stimulanzien
4.3 Effizienz von Psychopharmaka
4.4 Praktische Umsetzungen in der außerschulischen Förderung
4.4.1 Das Arbeiten mit Verstärkerplänen
4.5 Hilfe zur Selbsthilfe
4.6 Komplikationen
5 Zusammenfassung und Ausblick
Verzeichnis der Abbildungen
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Schulische Leistungsdefizite resultieren bei vielen Kindern aus der Unfähigkeit, dem Unterrichtsgeschehen aufmerksam folgen zu können. Nicht wahrgenommene Unterrichtsinhalte führen zu Informationslücken, was starke Probleme bei der Bewältigung des Schulalltags nach sich ziehen kann. Eine mögliche Ursache ist dabei das so genannte „Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom“ (kurz: ADS), was keinesfalls nur als medizinisches Problem verstanden werden sollte.
Möglichkeiten der Förderung dieser Kinder und ein theoretischer Hintergrund sollen Hauptgegenstand dieser Arbeit sein. Die Aspekte der außerschulischen Arbeit als Alternative und der zusätzlichen Unterstützung der Eltern wird untersucht und am Beispiel eines Nachhilfeinstitutes exemplarisch erläutert. Durch die langjährige Arbeit mit Kindern in einer Nachhilfeschule sollen Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Förderung aufgezeigt und beschrieben werden.
Fokussiert wird dabei das ADS ohne Hyperaktivität. Neben dem hyperkinetischen Syndrom nimmt ADS ohne Hyperaktivität als Variante des Aufmerksamkeitsdefizits eine untergeordnete Rolle ein, was mit dem Erscheinungsbild dieser Störung zusammenhängen dürfte. Solche Kinder wirken nach Elisabeth Aust-Claus und Petra-Marina Hammer im Unterrichtsgeschehen eher unauffällig, ruhig und angepasst (vgl. Aust-Claus und Hammer 2001, S. 17). Uta Reimann-Höhn weist in diesem Zusammenhang auf eine Studie hin, die Mitte der neunziger Jahre in den USA durchgeführt wurde (vgl. Reimann-Höhn 2003, S. 10). Hieraus ergab sich ein doppelt so hohes Vorkommen des Aufmerksamkeits-Defizit-Syndroms ohne Hyperaktivität im Gegensatz zu der Variante des hyperkinetischen Syndroms. Nach Dieter Krowatschek sind Mädchen statistisch stärker betroffen. Betroffene Schüler benötigen auch im außerschulischen Bereich eine besondere Zuwendung, beispielsweise beim Verfassen ihrer Hausaufgaben (vgl. Krowatschek in: Lernchancen 30/2002). Das Wesen solcher hypoaktiven Kinder wird aus eigener Erfahrung als angenehm empfunden und somit zeigen sich erst bei genauerer Beobachtung die Schwierigkeiten und Komplikationen, mit denen verträumte und passive Kinder konfrontiert sind. Deren Eltern zeigen sich in Gesprächen oftmals hilflos und folgen dem Rat vieler Kinderärzte, diesem Problem medikamentös entgegen zu wirken. Stimulanzien sollen den ADS-Kindern dabei helfen, ihre Aufmerksamkeit auf den schulischen Unterricht besser fokussieren zu können. Doch berichteten viele Eltern von Nebenwirkungen wie Einschlafschwierigkeiten oder einer verstärkten Zunahme der angeregten körperlichen Aktivität, sodass die Verabreichung von Psychopharmaka kritisch betrachtet werden muss[1].
Durch die Arbeit in kleinen Gruppen mit bis zu maximal vier Kindern in einer Nachhilfeeinrichtung zeigten sich Erfolge durch ein Training der eigenen Arbeitsweise. Hypoaktive Kinder werden so mit ihrer Aufmerksamkeitsschwäche vertraut gemacht und lernen diesem Manko entgegen zu wirken.
Aust-Claus und Hammer beschreiben dabei die Idee des „Optimind-Konzeptes“, bei dem Eltern, Lehrer, Ärzte bzw. Therapeuten zusammenarbeiten müssen, um das Kind in seinem Alltag zu unterstützen (vgl. Aust-Claus und Hammer 2001, S. 161 ff.). Diese Bezugspersonen müssen dabei nicht separat, sondern als Team zusammenarbeiten, was eine interne Absprache voraussetzt. Aus eigener Erfahrung ist eine außerschulische Förderung nur mit Rücksprache der Eltern und der einzelnen Lehrer obligatorisch. Etwaige Veränderungen des schulischen Verhaltens, der möglichen Medikamentverabreichung oder der familiären Situation müssen beim Umgang und bei der Gestaltung des Unterrichts bedacht und angepasst werden. Alleine wären die betroffenen Kinder hilflos und etwaige Probleme und Misserfolge würden schnell in ein negatives Selbstwertgefühl und Resignation ausarten.
Schließlich ist es ratsam, mit den Kindern selber über ihre Lernschwierigkeiten zu sprechen. Ihnen muss verdeutlicht werden, dass sie weder unbegabt noch unintelligent sind. In Gesprächen mit ihnen soll dieses Aufmerksamkeitsdefizit erklärt und als „zu bewältigen“ dargestellt werden, wenn gewisse Regeln und Hilfen eingehalten und wahrgenommen werden. Diese Alltagsregeln betreffen alle beteiligten Parteien und sorgen für positive Ergebnisse und Erfahrungen im schulischen und außerschulischen Alltag (ebd.). So ist eine gute Förderung von hypoaktiven Kindern möglich, wenngleich auch das Arbeiten mit ihnen zeitintensiver ist und vieler Vorüberlegungen bedarf. Solche Arbeit mit Kindern in ihrer Freizeit wirkt auf sie motivierend, behebt mögliche Zweifel an den eigenen Leistungen und realisiert so eine kontinuierliche Entwicklung von Schule und außerschulischer Betreuung.
2 Theoretische Einordnung
Die Aufmerksamkeitsstörungen der hypoaktiven und hyperaktiven Kinder sind in einigen Punkten kompatibel und treten verstärkt bei so genannten fremd bestimmten Tätigkeiten, in denen eine längere Aufmerksamkeitsspanne vorausgesetzt wird, etwa bei Hausaufgaben oder im Schulunterricht auf (vgl. Manfred Döpfner in: Franz Petermann 2000, S. 152). Bei dem hyperkinetischen Syndrom können noch Hyperaktivität bzw. Impulsivität dem Erscheinungsbild beitreten, was den oftmals schwer steuerbaren Bewegungsdrang dieser Kinder begründet. Döpfner nennt Varianten komorbider Störungen, welche verstärkt bei aufmerksamkeitsgestörten Kindern auftreten.
Abbildung 1: Häufige komorbide Störungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Döpfner in: Petermann 2000, S. 153
Viele dieser zusätzlichen Störungen resultieren aus dem ADS[2]. So sei die Frustrationstoleranz bei ihnen sehr gering und bereits kleinste Irritationen könnten impulsive Verhaltensmuster wie Wutausbrüche zur Folge haben (ebd.). Nach Henryk Holowenko haben zwischen 20 und 40 Prozent der Kinder mit einer Aufmerksamkeitsstörung zusätzlich mit mindestens einer weiteren Lernart in der Schule Schwierigkeiten (vgl. Holowenko 1999, S. 23). Diese Kombination dürfte die Bewältigung der Aufgaben für die betroffenen Kinder erschweren und die Interaktion zwischen ihnen, den Eltern, den Lehrern und Freunden auf eine Bewährungsprobe stellen. So unterschiedlich das äußere Erscheinungsbild beider Störungen ist, die Hauptproblematik ist in beiden Fällen die Konzentrationsschwäche. „Ihre Unfähigkeit, aufmerksam zu sein, wird nicht selten als schlechter Wille oder Desinteressiertheit gebrandmarkt.“ (Alexandra Ortner und Reinhold Ortner 1991, S. 204). Um Pauschalisierungen dieser Art präventiv entgegenzuwirken, sind Verständnis seitens der Lehrkörper und Eltern in diesem Zusammenhang unabdingbar, sowie eine Erkenntnis und Analyse der vorliegenden Aufmerksamkeitsstörung und resultierende interventive Maßnahmen.
2.1 Besonderheiten der Aufmerksamkeitsstörungen
Hypoaktive Kinder wirken nach Cordula Neuhaus vom Wesen her „fröhlich, charmant und unbeschwert“ und zeigen selten auffällige Verhaltensweisen, so es sich dabei nicht um einen Mischtyp mit Impulsivität handelt (vgl. Neuhaus 1999, S. 33). Etwaige Wutausbrüche als Reaktion auf Frustration zeigen sich bei ihnen als beleidigtes Verhalten, was nach außen hin wesentlich ruhiger wirken dürfte. ADS ohne Hyperaktivität wird wegen der beschriebenen Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften selten diagnostiziert. Dies kann ungeahnte Auswirkungen auf die Schullaufbahn des Kindes haben (vgl. Reimann-Höhn 2002, S. 10 ff.). Unaufmerksamkeit und offensichtliche Konzentrationsstörungen haben nichts mit einer etwaigen Unintelligenz zu tun – das vorhandene Intelligenzpotenzial kann vielmehr nicht ausgeschöpft und gezeigt werden (ebd.). Spezielle Förderung und Zuwendung sind wichtig, um diese Kinder nicht auf Grund ihrer Verträumtheit und mangelnden Aufmerksamkeit mit ihren Problemen alleine zu lassen.
Helga Simchen führt in diesem Zusammenhang die positiven Eigenschaften von Kindern mit dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom auf, die eine durchaus vorhandene Intelligenz kombiniert mit weiteren Fertigkeiten demonstrieren (vgl. Simchen 2003, S. 50 f.). So sind diese Kinder sehr kreativ und fantasievoll. Sowohl Simchen als auch Born nennen als starkes Interessengebiet Medien wie den Computer oder das Fernsehgerät, welche sich bei aufmerksamkeitsgestörten Kindern einer großen Beliebtheit erfreuen (vgl. Armin Born und Claudia Oehler 2003, S. 56). Das eigene physische Bedürfnis nach einer hohen Reizstimulation wird auf diesem Wege erreicht und so gestalten sich diese Medien als sehr attraktiv für die Kinder.
Durch den schnellen Bildwechsel, insbesondere bei Zeichentrickfilmen, trainieren die Kinder regelrecht eine kurze Aufmerksamkeitsspanne. Eine geringere Reizqualität, wie sie z. B. im Unterricht besteht, wird für sie dann uninteressant. Langer Fernsehkonsum bedeutet schließlich fehlende Zeit für andere Aktivitäten, so auch für das notwendige Lernen. (Born und Oehler 2003, S. 56).
Das ausgeprägte Interesse an diesen Medien wird durch die Stimulation des Gehirns begründet. Doch wirkt ein unkontrollierter Konsum kontraproduktiv, da die innere Unruhe der ADS-Kinder möglicherweise wieder verstärkt wird. Das eventuell gedämpfte Reizniveau wäre wieder hergestellt und die erreichten therapeutischen Erfolge hinlänglich.
Als Konsequenz sehen Born und Oehler einen sensiblen Umgang mit den Medien seitens der Eltern und mögliche Vereinbarungen über Zeitintervalle zum Nutzen der Medien. Allgemeine Zielstrebigkeit im Schulalltag und Interesse muss bei ADS-Kindern offenbar geweckt werden. Ist dies geschehen, arbeiten ADS-Kinder höchst fokussiert und konzentriert[3] (ebd.). Herausgelöst aus ihrer Traumwelt entwicklen hypoaktive Kinder nach Simchen ein „Hyperfokussieren“ und widmen sich den zu bearbeitenden Aufgaben (vgl. Simchen 2003, S. 49 f.). Dabei könnte die ausgeprägte schnelle Begeisterungsfähigkeit dies noch begünstigen.
Doch neben den positiven Eigenschaften dominieren viele Schwierigkeiten den Alltag der ADS-Kinder. Die gezeigten Verhaltensauffälligkeiten eines konzentrationsschwachen Kindes könnten so nach Ortner soziale Komplikationen bewirken, welche die Lage des Betroffenen noch weiter verschärfen (vgl. Ortner 1991, S. 193).
Abbildung 2: Hauptsymptome der Konzentrationsschwäche
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Ortner 1991, S. 193
Aus der Aufmerksamkeitsstörung heraus manifestieren sich somit die grafisch dargestellten Symptome wie mangelnde Ausdauer bei der Bewältigung von Hausarbeiten oder Arbeiten in der Schule, Ablenkbarkeit, Verspieltheit und ein diskontinuierliches Arbeitstempo. Diese Probleme erscheinen ohne externe Hilfe für die Kinder unlösbar. Helga Simchen weist in diesem Zusammenhang auf psychosomatische Beschwerden hin, die aus diesen Situationen und dem inneren Konflikt heraus entstehen können (vgl. Simchen 2003 in: www.adhs.ch). Depressives Verhalten und eine Flucht in ihre Traumwelt resultieren daraus und verstärken die Problematik. „Diese hypoaktiven Kinder reagieren vorwiegend introvertiert und bekommen frühzeitig psychosomatische Beschwerden, deren Hintergrund ungelöste Konflikte sind. Sie halten sich für Versager […].“ (ebd.). Aus der Grafik ersichtlich, führen diese Probleme durch Verhaltensauffälligkeiten und Lernschwierigkeiten zur sozialen Außenseiterposition.
Neuhaus bemerkt zum Thema der sozialen Integration, dass das Auskommen von ADS-Kindern mit Gleichaltrigen nie problemlos verlaufen kann (vgl. Neuhaus 1999, S. 182 ff.). Das oft von Eltern gewünschte „liebevolle partnerschaftliches Miteinander“ der Kinder sollte vom Anspruch und den eigenen Erwartungen als „friedliche Koexistenz im Aufbau“ gesehen werden (ebd.). Der Erwartungsdruck minimiert sich dadurch und lässt mögliche Komplikationen im Sozialisationsprozess der Kinder als tolerierbar erscheinen.
2.1.1 Mögliche externe und interne Konflikte der ADS-Kinder
Gerade während konzentrierter Arbeitsphasen in der Schule oder zu Hause scheinen hypoaktive Kinder in einen Teufelskreis zu geraten, in dem sie durch eigene Aufmerksamkeitsmängel und der daraus resultierenden Kritik von extern unter Druck geraten. Rosemarie Farnkopf beschreibt dieses Phänomen als „Widerspruch zwischen Erwartung und Wirklichkeit“ (vgl. Farnkopf 2002, S. 48). Anstrengungen und Bemühungen des betroffenen Kindes reichen nicht aus, um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen. ADS-Kindern, die eher perfektionistisch und anspruchsvoll agieren, gelingt es nicht sich über einen längeren Zeitraum ihrer Arbeit zu widmen (ebd.). Born und Oehler differenzieren den sich aufbauenden Teufelskreis in drei weitere Subklassen, die vom sozialen Umfeld des hypoaktiven Kindes in seinem Alltag abhängig sind (vgl. Born und Oehler 2003, S. 45 ff.).
Dabei zielt der „soziale Teufelskreis“ primär auf die soziale Umwelt der Kinder sowie auf die Interaktion mit den Eltern und Lehrern. Born und Oehler weisen in diesem Zusammenhang auf den Erwartungsdruck hin, mit dem ein Kind im Schulalltag konfrontiert wird. Erfüllt es die Erwartungen nicht, so können Reaktionen der Eltern das Kind weiter beeinflussen. Kritik und Enttäuschungen seitens der Eltern und Lehrer können destruktiv auf das Kompensationsverhalten des Kindes wirken. Dabei wird von den Autoren das Beispiel eines hyperaktiven Jungen und eines hypoaktiven Mädchens angeführt (ebd.). Misserfolg und Unzufriedenheit kompensieren beide Kinder sehr differenziert. Aggressives und oppositionelles Verhalten seitens des ADS mit Hyperaktivität stehen im Kontrast zu innerer Verzweiflung und Depression des ADS ohne Hyperaktivität[4]. Dieses scheinbar ruhigere Verhalten als Reaktion auf den Druck von extern manifestiert sich letztendlich in Schulangst und einer inneren Unzufriedenheit, was in die zweiten Teufelskreis Borns mündet.
Der „innerpsychische Teufelskreis“ eines hypoaktiven Kindes führt oftmals zu Schulangst vor und Verzweiflung auf Grund der zu bewältigenden Aufgaben. Das Selbstwertgefühl eines ADS-Kindes sinkt und endet oftmals in Resignation (vgl. Born und Oehler 2003, S. 46). Misserfolge erscheinen normal und mögliche Erfolge werden nur Glück zugeschrieben.
Aust-Claus und Hammer definieren diese innerpsychischen Probleme ebenfalls als Konsequenz aus negativen Erfahrungen.
Abbildung 3: Die Negativ-Erfahrungs-Spirale
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Aust-Claus 2001, S. 159
Ohne Hilfe durch außerschulische Förderung und der Kooperation zwischen den Lehrern und Eltern befinden sich aufmerksamkeitsgestörte Kinder in einem Teufelskreis und die von Born dargestellte Schulangst lässt die Situation der Kinder als aussichtslos erscheinen. Philip G. Zimbardo et al. verweisen in diesem Zusammenhang auch auf die unterschiedliche Ursachenzuschreibung von Schulleistungen.
Abbildung 4: Emotionale Reaktionen bei unterschiedlichen Interpretationen für Erfolg und Misserfolg (nach Weiner 1980)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Zimbardo et al. 1995, S. 438
Kinder, die auf Grund von Negativerfahrungen ihre Schullaufbahn misserfolgsorientiert absolvieren, sehen keinen Sinn zur Anstrengungsbereitschaft. Mögliche Bemühungen in Arbeiten haben schlechte Ergebnisse und führen zu eigenem Schuldgefühl oder Peinlichkeit. Aggressive Verhaltensmuster und Angst sind somit möglich sowie ein Zweifeln an der eigenen Persönlichkeit. Das Entdecken der nicht offensichtlichen Talente aufmerksamkeitsgestörter Kinder ist nach Holowenko eine der wichtigsten Aufgaben von Lehrern und Eltern (vgl. Holowenko 1999, S. 60 f.). Entsprechen die Begabungen dieser Kinder nicht den Erwartungen und Ansprüchen der Umwelt gilt es dennoch, sie zu erkennen und lobend zu erwähnen. Kompetenzen können so genutzt werden und in den Kindern wird ein Vertrauen in die eigene Leistung und die eigenen Fähigkeiten erzeugt. Ein Kind aufzugeben und nicht mehr zu fordern oder zu fördern ist nach Krowatschek eine Stagnation des möglichen Lernprozesses und Lernzuwachses. „Wenn ein Schüler nicht mehr herausgefordert wird, wird er auch nichts mehr leisten.“ (Krowatschek in: Lernchancen 30/2002). So sind die Lernmöglichkeiten und das Interesse bei hypoaktiven Kindern zwar vorhanden, die praktische Umsetzung ist jedoch schwieriger zu handhaben. Ohne externe Hilfe überließe man die Kinder ihrem Schicksal.
Born und Oehler schließen ihr Teufelskreismodell mit der Verstärkung durch das „System Schule“ im „pädagogischen Teufelskreis“ (vgl. Born und Oehler 2003, S. 47 f.). Bemühungen seitens der Lehrer fruchten nicht alle Male und die gewählte Methodik im Unterricht ist nicht selten auch die falsche. Bei nicht vorhandener Aufdeckung eines ADS, was sich durch das ruhige Auftreten der hypoaktive Kindern äußerst diffizil gestalten kann, werden diese Kinder oftmals zu spät richtig gefördert und befinden sich bereits in einer möglichen resignativen Einstellung, die eigene Anstrengungen fast unmöglich macht. Problematisch ist im Schulsystem dabei der Maßstab der Leistungsmessung. Noten bewerten die Kinder und lösen im schulischen Umfeld im negativen Fall die im „sozialen Teufelskreis“ erwähnten Reaktionen aus. Die Autoren kritisieren dabei neben dem enttäuschten oder verärgerten Verhalten eine mögliche Schonung seitens der Eltern (ebd.). Dringend notwendiges Üben wird aus Sorge vor Überanstrengung nicht praktiziert und wirkt kontraproduktiv auf eine notwendige Förderung des Kindes.
Die Hilfe für das Kind sollte dabei in Anlehnung an das in der Einleitung erwähnte „Optimindkonzept“ erfolgen. Ein Zusammenwirken von Eltern, Lehrern und u. U. auch Therapeuten oder Ärzten ist dabei unabdingbar und schafft eine vertrauensvolle Basis zwischen ihnen (ebd.).
2.2 Entdeckung der eigenen Selbstwirksamkeit
Zimbardo et al. verweisen auf die Untersuchungen Fontaines et al. von 1974, nach denen misserfolgsorientierte Menschen bei der Wahl der Aufgabenschwierigkeit leichtere Niveaus wählen, die mit den eigenen geringen Kompetenzen lösbar sind (vgl. Zimbardo et al. 1995, S. 439). Schulkinder haben in diesem Zusammenhang wenige Möglichkeiten einfachere Aufgaben zu wählen und dürften weiter entmutigt sein.
Eine Steigerung der Selbstwirksamkeit[5] als Erklärungsänderung der eigenen Leistungen wäre eine theoretische Überlegung, um hypoaktiven Kindern zu demonstrieren, dass eine angenommene mangelnde Intelligenz nicht der Grund für ihre negativen Leistungen ist. Vielmehr könnten dies unglückliche Umstände beim Arbeiten oder mangelnde Anstrengung seitens des Kindes sein (vgl. Zimbardo et al. 1995, S. 439). So ist demnach ein mögliches Anheben des Leistungsniveaus der Kinder möglich, da die erkannte Selbstwirksamkeit die Motivation zum Erreichen der gesteckten oder vorgegebenen Ziele fördern kann.
Durch höhere wahrgenommene Selbstwirksamkeit wird die Leistung besser, und die emotionale Erregung sinkt. Die Wahrnehmung der Selbstwirksamkeit beeinflußt sowohl die Auswahl der Bewältigungsmuster in Reaktion auf Streß als auch das Niveau der physiologischen Erregung. Im Gegensatz dazu kann ein Gefühl der self-inefficacy (geringere Selbstwirksamkeit) zu Apathie, Mutlosigkeit, einem Gefühl der Vergeblichkeit und der Ansicht, man sei ein Opfer äußerer Umstände, führen. (ebd.).
Klaus Balster spricht der Bewegung im Unterricht und in den Schulpausen eine große Bedeutung zu (vgl. Balster in: Lernchancen 30/2002). Durch die Möglichkeiten, im Sportunterricht oder im sonstigen Freizeitverhalten die eigenen, möglicherweise noch ungeahnten, Fähigkeiten an einem Parcours beispielsweise zu entdecken, erkennen aufmerksamkeitsgestörte Kinder ihre Selbstwirksamkeit und präsentieren diese vor den anderen Kindern. Selbstvertrauen baut sich auch hier auf und wirkt einer inneren Unzufriedenheit und Zerrissenheit entgegen. Das Wissen und die Erkenntnis der eigenen, wirklich vorhandenen Fähigkeiten dürften auf diesem Wege das aufmerksamkeitsgestörte Kind motivieren und Zweifel an sich selber beseitigen. Holowenko spricht in diesem Zusammenhang auch über ein solch positives Denken seitens der Eltern und Lehrkräfte (vgl. Holowenko 1999, S. 59 f.). Lob auch vor dem sozialen Umfeld des Kindes stärkt das eventuell gelittene Selbstbewusstsein weiter und hebt das Kind aus seinem innerpsychischen Teufelskreis heraus[6].
Das Optimindkonzept könnte eine solche Ausweglosigkeit unterbinden, setzt jedoch ein Bemühen um Intervention zur Hilfe voraus. ADS tritt nach Meinung von Aust-Claus und Hammer nicht alleine auf, sondern ist meist kombiniert mit den dargestellten innerpsychischen und verhaltens- und lernbezogenen Schwierigkeiten des Kindes (vgl. Aust-Claus und Hammer in: www.optimind.de). Training des Kindes ist hierbei wichtig und zielt auf Kooperation der sozialen Umwelt des aufmerksamkeitsgestörten Kindes.
Unsere Erfahrung zeigt, daß man ein A-D-S-Kind nie isoliert als Einzelperson behandeln kann. Die Behandlung hat nur Erfolg, wenn man die Bezugspersonen, mit denen das A-D-S-Kind täglich zu tun hat, konsequent mit einbezieht. […] OptiMind ist ein Trainings-Programm, in dessen Mittelpunkt das A-D-S-Kind steht. […] Die Grundidee von OptiMind ist das Team-Konzept: Jede Bezugsperson des A-D-S-Kindes übernimmt im Team ganz bestimmte Aufgaben. (vgl. Aust-Claus und Hammer 2001, S. 6 f.).
Neben den schulischen Arbeiten sind somit auch mögliche Lernschwierigkeiten zu Hause problematisch und es bedarf einer gut durchdachten Förderung. Außerschulische Förderung in einem Nachhilfeinstitut kann die Elternarbeit dabei in einem erheblichen Umfang unterstützen. Gezieltes Arbeiten an den Lernschwierigkeiten des hypoaktiven Kindes soll im Einzelnen noch detaillierter beschrieben werden.
2.3 Nosologie des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms
Döpfner beschreibt eine Aufmerksamkeitsstörung bei Kindern als diskontinuierliche Arbeitsweise beim Absolvieren von Aufgaben im kognitiven Bereich (vgl. Döpfner 2000 in: Petermann 2000, S. 151 ff.). Man unterscheidet dabei drei grundlegende Symptome, die je nach Ausprägung und Kombinationsmöglichkeiten das ADS als hyperaktives oder hypoaktives Verhaltensmuster definieren[7].
Vorzeitiges Abbrechen der zu absolvierenden Aufgaben, verstärkte Ablenkbarkeit und massive Aufmerksamkeitsschwierigkeiten sind dabei Hauptaspekte des ersten Kernsymptoms „Störungen der Aufmerksamkeit“. Döpfner spricht in diesem Zusammenhang von „fremd bestimmten Aufgabenfeldern“, welche im Schulalltag dieses Problem sehr ausgeprägt ans Tageslicht treten lassen und das Arbeiten mit den betroffenen Kindern massiv erschweren (ebd.). Der Begriff „Aufmerksamkeit“ wird vom Autor noch weiter in die Subklassen „selektive Aufmerksamkeit“ und „Daueraufmerksamkeit“ unterteilt. „Selektive Aufmerksamkeit“ lässt aufgabenrelevante Reize fokussieren und ignoriert irrelevante Reize. So ist die „Ablenkbarkeit“ eines Kindes eine starke Ausprägung dieses eben beschriebenen Aufmerksamkeitsfeldes. „Daueraufmerksamkeit“ hingegen befähigt die betroffene Person, die Aufmerksamkeit auch über die Zeit aufrecht zu erhalten.
Die „Impulsivität“ als zweites Kernsymptom begründet Verhaltensmuster, welche unüberlegtes und abruptes Handeln sowie ungeduldiges Abwarten in Alltagssituationen beschreiben. Nach Döpfner ist damit auch oftmals eine so genannte „motivationale Impulsivität“ verbunden. Die Fertigkeit, das eigene Mitteilungsbedürfnis ein wenig aufzuschieben und zu warten, bis man aufgefordert wird etwas zu sagen, ist für Kinder, welche unter diesem Symptom leiden, sehr schwierig.
Die „Hyperaktivität“ als letztes Kernsymptom weist eine motorische Unruhe bzw. unkontrollierte Aktivität des Kindes auf. Döpfner spricht von „strukturierten und organisierten Situationen“, in denen diese hyperkinetischen Verhaltensmuster[8] meist auftreten (ebd.). Da nach Döpfner das Kernsymptom „Hyperaktivität“ bei hypoaktiven Kindern nicht existent ist, werden nur die beiden erst genannten Symptome näher betrachtet.
2.3.1 DSM-IV und ICD-10 im Vergleich
Döpfner vergleicht zur Klassifizierung der Aufmerksamkeitsstörung zwei vorliegende Klassifikationssysteme, das „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV)“ und das „International Classification of Diseases (ICD-10)“.
Beide Manuale definieren die Aufmerksamkeitsdefizitstörung wie folgt:
- Die Symptome müssen mindestens sechs Monate auftreten und im Verhältnis zum kindlichen Entwicklungsstand ein nicht tolerierbares Ausmaß angenommen haben.
- Die Probleme müssen vor dem siebten Lebensjahr auftreten.
- Betroffen müssen mindestens zwei soziale Lebensbereiche sein, an denen man die Kinder eingehend beobachten kann.
- Merkmale der Beeinträchtigung des sozialen oder schulischen Lebens müssen beobachtbar sein.
Abbildung 5: Symptomkriterien der hyperkinetischen Störung nach ICD-10 (Forschungskriterien) und der Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung nach DSM-IV:
A) Unaufmerksamkeit
1. Beachtet häufig Einzelheiten nicht oder macht Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten, bei der Arbeit oder bei anderen Tätigkeiten.
2. Hat oft Schwierigkeiten, längere Zeit die Aufmerksamkeit bei Aufgaben oder Spielen aufrechtzuerhalten.
3. Scheint häufig nicht zuzuhören, wenn andere ihn ansprechen.
4. Führt häufig Anweisungen anderer nicht vollständig durch und kann Schularbeiten, andere Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht zu Ende bringen (nicht aufgrund von oppositionellem Verhalten oder Verständnisschwierigkeiten).
5. Hat häufig Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren.
6. Vermeidet häufig, hat eine Abneigung gegen oder beschäftigt sich häufig nur widerwillig mit Aufgaben, die länger andauernde geistige Anstrengungen erfordern (wie Mitarbeit im Unterricht oder Hausaufgaben).
7. Verliert häufig Gegenstände, die er/sie für Aufgaben oder Aktivitäten benötigt (z. B. Spielsachen, Hausaufgabenhefte, Stifte, Bücher oder Werkzeug).
8. Läßt sich oft durch äußere Reize leicht ablenken.
9. Ist bei Alltagstätigkeiten häufig vergeßlich.
B) Hyperaktivität
1. Zappelt häufig mit Händen oder Füßen oder rutscht auf dem Stuhl herum.
2. Steht {häufig} in der Klasse oder in anderen Situationen auf, in denen Sitzenbleiben erwartet wird.
3. Läuft häufig herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend ist (bei Jugendlichen oder Erwachsenen kann dies auf ein subjektives Unruhegefühl beschränkt bleiben).
4. Hat häufig Schwierigkeiten, ruhig zu spielen oder sich mit Freizeitaktivitäten ruhig zu beschäftigen.
5. {Ist häufig „auf Achse" oder handelt oftmals, als wäre er „getrieben."}
[Zeigt ein anhaltendes Muster exzessiver motorischer Aktivität, das durch die soziale Umgebung oder durch Aufforderungen nicht durchgreifend beeinflußbar ist.]
C) Impulsivität
l. Platzt häufig mit der Antwort heraus, bevor die Frage zu Ende gestellt ist.
2. Kann häufig nur schwer warten, bis er/sie an der Reihe ist [bei Spielen oder in Gruppensituationen].
3. Unterbricht und stört andere häufig (platzt z. B. in Gespräche oder in Spiele anderer hinein).
4. Redet häufig übermäßig viel [ohne angemessen auf soziale Beschränkungen zu reagieren]. {Im DSM-IV unter Hyperaktivität subsumiert.}
Quelle: Döpfner 2000 in: Petermann 2000, S. 153
Die aufgezeigten Kriterien wurden so vom Autor aus beiden Manualen integrativ in eine Tabelle eingeordnet[9] und erscheinen auf den ersten Blick kompatibel. Doch werden Unterschiede beim genaueren Betrachten ersichtlich. Ausschlusskriterien sind in beiden Systemen tief greifende Entwicklungsstörungen, die im ICD-10 als Depressionen oder Angststörungen konkretisiert werden. Das DSM-IV umschreibt dies weitläufiger und verweist dabei auf die nicht vorhandene Möglichkeit einer anderen psychischen Störung, das vorliegende Symptom des Kindes genauer beschreiben zu können.
Doch sucht man Hinweise und Möglichkeiten, das ADS in weitere Subtypen zu differenzieren, was zur Untersuchung der hypoaktiven Aufmerksamkeitsstörung obligatorisch wäre, so wird man im ICD-10 nicht fündig. Es weist keine Hinweise auf hypoaktive Verhaltensmuster auf und ist aus diesem Grunde irrelevant zur möglichen Diagnose einer Hypoaktivität.
Abbildung 6: Diagnosen nach ICD-10
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Döpfner 2000 in: Petermann 2000, S. 155
Kombinationen der drei erläuterten Kernsymptome führen nach dem ICD-10 zwangsläufig zu einer hyperaktiven Verhaltensweise (F 90.0), welche sich nur in einem konkreten Fall auch auf Komplikationen im sozialen Leben auswirken kann (F 90.1). Mögliche Kombinationen der Kernsymptome untereinander sind nicht erwähnt und treten offensichtlich nur zusammen als Summe auf. Hinsichtlich der Wertung der in Abbildung 5 dargestellten Symptomkriterien legt das ICD-10 fest: Sechs der neun aufgelisteten Kriterien der „Unaufmerksamkeit“ müssen erfüllt sein, drei der fünf Kriterien der „Hyperaktivität“ und mindestens eins der vier Impulsivitätskriterien, um wenigstens von einer so genannten „einfachen Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung“ F 90.0 sprechen zu können. F 90.1 versteht das ICD-10 als zusätzliche Störung im Sozialverhalten des Kindes. Die auftretenden Probleme und Verhaltensauffälligkeiten sollen in beiden Fällen dabei in mindestens zwei Lebensbereichen auftreten (ebd.)[10].
[...]
[1] „Sinnvoll wäre auch eine kontinuierliche Zusammenarbeit von Ärzten, Eltern und Lehrern, um Veränderungen im Verhalten des Kindes rechtzeitig zu registrieren und darauf zu reagieren. Manchmal verlieren oder verändern Medikamente auch ihre Wirkung. Die Kinder wirken apathisch, das Medikament muss angepasst, ausgetauscht oder abgesetzt werden.“ (Reimann-Höhn in: www.familienhandbuch.de).
[2] Nach Döpfner sind oppositionelle Verhaltensstörungen bei hyperaktiven Kindern am häufigsten. An zweiter Stelle stehen dabei die für hypoaktive Kinder relevanten emotionalen Störungen, wie meist Ängste oder Depressionen (vgl. Döpfner 2000 in: Petermann 2000, S. 153 ff.).
[3] „Versteht es die Lehrkraft, die Kompetenzinseln der Kinder zu entdsecken und geschickt in den Unterricht einzubauen, erntet sie […] steigende Motivation, Zuwachs an Lernerfolg und Selbstvertrauen.“ (Rosemarie Farnkopf 2002, S. 58 f.).
[4] Reimann-Höhn bezeichnet solche Verhaltensmuster als „Hilferuf“. Angst vor den Reaktionen der Klassenkameraden im Unterricht reihen sich in den „inneren Rückzug“ ein und stehen im Gegensatz zu dem eher oppositionellen Verhalten der ADS mit Hyperaktivität (vgl. Reimann-Höhn 2002, S. 41).
[5] „Das Konzept der Selbstwirksamkeit […] bezieht sich auf das Selbstvertrauen einer lernenden Person und deren Einfluß auf das individuelle Lernverhalten und dessen Ergebnis. Mit Selbstwirksamkeit ist allerdings keine allgemeine Selbsteinschätzung angesprochen, sondern die subjektive Einschätzung bereichsspezifischer Handlungskompetenz.“ (www.paeps.psi.uni-heidelberg.de/fs-vorlesung/Kognitionen/SWtext.htm).
[6] Soziale Kontakte können vielfach durch das verträumte Verhalten der hypoaktiven Kinder gelitten haben. Reimann-Höhn bemerkt, dass diese Kinder oft wenig von ihren Mitschülern mitbekommen und somit den Anschluss an die Klassengemeinschaft verpassen könnten. Eine Intervention von den Eltern und Lehrer ist hier obligatorisch und lässt das Kind nicht ins soziale Abseits ohne Sozialkontakte gleiten (vgl. Reimann-Höhn in: www.familienhandbuch.de/cmain/f_Aktuelles/a_Schule/s_670.html).
[7] Bevor man ein ADS diagnostizieren kann, grenzt man andere Störungen wie intellektuelle Minderbegabung, organische Schädigungen, allgemeine Depressionen, etc. in Form einer „Differenzialdiagnose“ aus. Diese Störungen können zwar ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom vortäuschen, haben die Ursachen jedoch in anderen Bereichen (vgl. Simchen 2003, S. 23 f.).
[8] Der Begriff „hyperkinetisches Syndrom“ entstammt dem ICD-10 und wird im DSM-IV mit „Hyperaktivitätsstörung“ als Teil des ADS umschrieben (vgl. Döpfner 2000 in: Petermann 2000, S. 155).
[9] Formulierungen, welche ausschließlich im DSM-IV aufzufinden sind, wurden von Döpfner mit geschweiften Klammer {} versehen, Formulierungen, die nur dem ICD-10 entstammen mit eckigen Klammern [].
[10] Beobachtungen in verschiedenen Lernbereichen sollten über einen längeren Zeitraum stattfinden. Rolf Werning bemerkt, dass ADS-Kinder in neuen Lernumgebungen anfangs oft ihr Verhalten regulieren können, typische Konflikte aber nach kurzer Zeit auftreten (vgl. Rolf Werning in: Lernchancen 30/2002).
- Arbeit zitieren
- Lars Antoch (Autor:in), 2005, Förderung von hypoaktiven Kindern in der Grundschule und Interventionen in der Nachhilfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36136
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