Interkulturelles Deutschland –
wie kommen ausländische Jugendliche in der Pädagogik vor?
1. Einleitung
In der Öffentlichkeit wird das Thema Migration seit längerem unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert. Es zählt als eines der größeren politischen und sozialen Probleme.
Ich habe dieses Thema für meine Vordiplomsarbeit ausgewählt, weil es keinen Bereich in der Pädagogik gibt, der sich nicht damit auseinandersetzen muss. Es interessiert mich, genauer herauszufinden, wie die pädagogische Theorie und die pädagogische Praxis mit den Migranten und den Auswirkungen der Migration umgehen.
Die Präsenz von Fremden in den verschiedenen Bereichen des Lebens wird überraschenderweise selten als normal angesehen.
Das hat zur Folge, dass sich viele Einheimische Fremden gegenüber feindlich oder abweisend benehmen, da sie sich bedroht und verunsichert fühlen. Die fremde Sprache, das Aussehen, Religionszugehörigkeiten oder die Gestik werden als Gründe dafür angesehen.
Im ersten Teil meiner Arbeit gehe ich auf die Migration allgemein ein. Der Begriffsbestimmung (angelehnt an A. Treibel) folgen die Ursachen der Migration, die ich bei F. Nuscheler am besten dargestellt fand, und einige Zahlen, die ich größtenteils der Veröffentlichung der Statistik zur Migration, die von der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen 1997 herausgegeben wurde, entnommen habe.
Bei der Geschichte der Migration stütze ich mich auf H. Czock und das Vier-Phasen-Modell von K.-H. Meier-Braun, der meiner Meinung nach die letzten Jahrzehnte gut strukturiert hat. Ich schließe diesen Teil mit einem Fazit.
[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Migration allgemein
2.1. Begriffsbestimmung
2.2. Ursachen der Migration
2.3. Migration in Zahlen
2.4. Geschichte der Migration
2.4.1. Vier-Phasen-Modell
2.5. Fazit
3. Migrationsforschung
3.1. Pädagogische Einrichtungen und Migration
3.1.1. Kindergarten
3.1.2. Schule
3.1.3. Sozialpädagogik
3.2. Assimilation
3.3. Ausländerpädagogik vs. Interkulturelle Erziehung
3.4. Ausländische Mädchen
4. Identitätsfindung
4.1. Soziale Zugehörigkeiten
4.2. Kulturkonflikte
4.3. Das Fremde
5. Aufstiegsprozesse
6. Resümee
Literaturangabe
1. Einleitung
In der Öffentlichkeit wird das Thema Migration seit längerem unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert. Es zählt als eines der größeren politischen und sozialen Probleme.
Ich habe dieses Thema für meine Vordiplomsarbeit ausgewählt, weil es keinen Bereich in der Pädagogik gibt, der sich nicht damit auseinandersetzen muss. Es interessiert mich, genauer herauszufinden, wie die pädagogische Theorie und die pädagogische Praxis mit den Migranten und den Auswirkungen der Migration umgehen.
Die Präsenz von Fremden in den verschiedenen Bereichen des Lebens wird überraschenderweise selten als normal angesehen.
Das hat zur Folge, dass sich viele Einheimische Fremden gegenüber feindlich oder abweisend benehmen, da sie sich bedroht und verunsichert fühlen. Die fremde Sprache, das Aussehen, Religionszugehörigkeiten oder die Gestik werden als Gründe dafür angesehen.
Im ersten Teil meiner Arbeit gehe ich auf die Migration allgemein ein. Der Begriffsbestimmung (angelehnt an A. Treibel) folgen die Ursachen der Migration, die ich bei F. Nuscheler am besten dargestellt fand, und einige Zahlen, die ich größtenteils der Veröffentlichung der Statistik zur Migration, die von der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen 1997 herausgegeben wurde, entnommen habe.
Bei der Geschichte der Migration stütze ich mich auf H. Czock und das Vier-Phasen-Modell von K.-H. Meier-Braun, der meiner Meinung nach die letzten Jahrzehnte gut strukturiert hat. Ich schließe diesen Teil mit einem Fazit.
Der nächste Teil beschäftigt sich mit der Migrationsforschung. Ich beginne mit einer kurzen Darstellung der einzelnen pädagogischen Einrichtungen. Hierbei beziehe ich mich auf I. Diehm und F.- O. Radtke. Bevor ich mich mit der Ausländerpädagogik im Vergleich zur Interkulturellen Pädagogik beschäftige, gehe ich auf die Assimilation ein, da dies wichtig für das Verständnis ist. Ich greife zurück auf A. Treibels Auseinandersetzung mit dem Thema. Den Schluss dieses Teils bildet das Kapitel 3.4, ein Exkurs über ausländische Mädchen, ein Thema, das mir persönlich bedeutsam erscheint und mit welchem I. Diehm und F.-O. Radtke kritisch umgegangen sind.
Schließlich behandele ich das Thema der Identitätsbildung. H. Czock und T. Badawia haben sich ausführlich damit auseinandergesetzt und ich möchte die für mich wichtigen Punkte in diesem Kapitel darstellen. Hinzuziehe ich noch Studien von K. Hoffmann und C. Weißköppel, die sich ebenfalls mit der Frage nach der Identität und sozialen Zugehörigkeiten beschäftigt haben.
Das Thema der Identität ist eng verknüpft mit der Frage nach Kultur, auf welche ich im darauf folgenden Kapitel eingehe. Hierbei fand ich Unterstützung bei N. Unger, G. Auernheimer und T. Badawia.
Mein letztes Kapitel von diesem Teil habe ich dem Fremden gewidmet, was ebenfalls in engem Kontakt mit Kultur und Identität steht und deswegen nicht ungenannt bleiben darf. Ich erwähne hier auch die psychoanalytische Sichtweise.
Der letzte Teil meiner Arbeit untersucht Aufstiegsprozesse und bezieht sich stark auf die Grounded Theory- Studie von Tarek Badawia, welche ihr Zentrum auf den spezifischen Erfolg ausrichtet und dessen Forschungszielgruppe Immigrantenjugendliche sind, die das deutsche Schulsystem durchliefen.
Den Schluss der Arbeit bildet ein Resümee.
Ich möchte darstellen, welche Ideen die Pädagogik bisher hatte, wie mit der Migration umgegangen werden soll. Ich gehe der Frage nach, wie die Migrantenjugendlichen in den letzten Jahrzehnten gesehen wurden und ob eine Veränderung zu heute stattfand. Außerdem möchte ich die Identitätsfindung und damit zusammenhängend Fragen nach der Kultur und Fremdheit genauer untersuchen. Sie sind für mich ein wichtiger Bestandteil im Leben eines jeden, nicht nur bei Migranten.
2. Migration allgemein
2.1. Begriffsbestimmung
Der Begriff „Migration“ wird in der Literatur nicht eindeutig definiert. In meiner Arbeit wird diese Bezeichnung in einem weitgefassten Sinn für einen auf Dauer ausgerichteten oder dauerhaft werdenden Wechsel von Personen in eine andere Gesellschaft oder Region verwendet. Damit folge ich Annette Treibels Begriffsbestimmung.[1]
Allerdings verzichte ich auf eine Unterscheidung zwischen einer freiwilligen Migration und einer erzwungenen Flucht, da dies für meine Arbeit nicht relevant ist.
2.2. Ursachen der Migration
Es gibt viele Gründe, warum Menschen sich zur Migration entschließen.
Migrationsgenerierende Faktoren im Ziel- und Herkunftsland, die Pull- und Push-Faktoren (auch Sogfaktoren und Schubfaktoren genannt), wurden oft Gegenstand von Untersuchungen über die Ursachen.
Franz Nuscheler unterscheidet in seinem Modell der Migrationsursachen strukturelle Schubkräfte und besondere Migrationsursachen.[2]
Zu den Schubfaktoren zählt er das internationale Entwicklungs- und Wohlstandsgefälle, ungleiche wirtschaftliche Entwicklungen, Globalisierungsprozesse, sowie den technologischen Fortschritt (Kommunikationstechnologien, Transportwesen).
Als Sogfaktoren nennt F. Nuscheler das Angebot in den Zielländern, wie beispielsweise Wohlstand und Freiheit, welches attraktiv auf Mitglieder anderer Nationen wirkt.
Ein heute geläufiger Zugang ist die Beschreibung von internationalen Wanderungsbewegungen in einer globalen, historischen und strukturellen Perspektive (vgl. dazu beispielsweise M. Bös 1997, F. Nuscheler 1995, B. Santel 1995). Erklärungsansätze in der Form der Pull- und Push-Theorien werden bei den oben genannten Autoren durch eine größere Berücksichtigung langfristig wirksamer historischer Einflüsse, wie die Folgewirkung der Kolonisation, Politik, Handel oder kulturellen Bindungen, erweitert.
Migration ist folglich nicht unbedingt eine individuelle Entscheidung (wie es die meisten Pull- und Push-Theorien nahe legen), sie ist ein komplizierter Prozess, eingelagert in wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Gefügen und abhängig von historischen Entwicklungen.
2.3. Migration in Zahlen
Die Zahl der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland hat sich seit Anfang der 50er Jahre von einer halben Million bis zur Wiedervereinigung auf über fünf Millionen erhöht.
Laut der Veröffentlichung der Statistik zur Migration, die von der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen 1997 herausgegeben wurde (siehe H. W. Lederer (Hg.), 1997), hatte im Jahr 1996 jeder elfte Bewohner keine deutsche Staatsangehörigkeit, der
Ausländeranteil erreichte 8,9% (7,3 Millionen Menschen).
Insgesamt leben Menschen aus 176 verschiedenen Nationen hier.
Ähnlich wie bei den Migranten insgesamt nahm auch der Anteil der Jugendlichen unter den Einwanderern zu. 1967 lebten 143.000 ausländische Kinder unter fünfzehn Jahren in Deutschland. Nur sechs Jahre später verdreifachte sich die Zahl (475.000). 1975 waren es 670.900 und drei Jahre später erhöhte sich die Zahl auf 763.100.[3]
Von 1965 bis 1994 verzwanzigfachte sich die Anzahl der ausländischen Schüler in Deutschland, während die Zahl der deutschen Schüler zurückging. Ab 1991 konnte man mehr als eine Million Schüler mit ausländischem Pass in (west-)deutschen Schulen zählen, somit hatte etwa jeder 10. Schüler eine nicht-deutsche Staatsbürgerschaft.[4]
2.4. Die Geschichte der Migration
2.4.1. Das Vier-Phasen-Modell (von K.-H. Meier-Braun)
Die Wandlungen in der Migration sind an den Theoretikern nicht unbemerkt vorbeigegangen und es wurden verschiedene Einteilungen vorgenommen. Ich verwende hier zur Übersichtlichkeit das von K.-H. Meier-Braun (1984) entwickelte Modell, auf das sich auch H. Czock bezieht.[5]. Es stellt ein Grundmuster dar, in welches sich andere verfeinerte Ideen integrieren lassen. K.-H. Meier-Braun teilt das Modell in vier Phasen nach den verschiedenen politischen Standpunkten hinsichtlich der Ausländerbeschäftigung ein.
In der ersten Phase von 1955 bis 1973 begann Deutschland mit dem Anwerben ausländischer Arbeitskräfte. Der deutsche Arbeitsmarkt konnte die Nachfrage nicht alleine bewältigen.
Mit Italien wurde als erstes Land 1955 eine Anwerbevereinbarung getroffen, es folgten Spanien und Griechenland 1960, die Türkei 1961, Marokko 1963, Portugal 1964, Tunesien 1965 und Jugoslawien 1968.[6]
Von den in den dreizehn Jahren angeworbenen Arbeitskräften waren 20%
Frauen. Annette Treibel betont diesen Aspekt, da dies im Gegensatz zu vielen Veröffentlichungen steht, in denen es heißt, Frauen seinen bloß ins Land nachgeholt worden und haben nicht selbst aktiv eine Rolle gespielt.[7]
H. Czock bemerkt, dass die ausländischen Arbeitnehmer gezielt den Bedürfnissen deutscher Betriebe entsprechend ins Land geholt wurden. Von offizieller Seite wurden nur die Formalitäten erledigt wie Einreise-,
Gesundheits- und Unterbringungsbestimmungen. In den 70er Jahren wurde Ausländerpädagogik primär als Beratung und Hilfe bei Ämtern und anderen eher formellen Problemen betrieben.
H. Czock beschreibt die Strategie der Ausländerbeschäftigung, welche eine Rotation vorsah, das heißt einen Austausch der Arbeitskräfte nach einigen Jahren. Sie wurden weniger als Personen denn als Arbeitspotenzial angesehen. Dadurch erkannte man keine Notwendigkeit, Vorkehrungen für die Gastarbeiter für einen längeren Aufenthalt zu treffen, wie z.B. Sprachkurse, Wohnungsbau, ausländische innerbetriebliche Qualifikation und Beschulungsmaßnahmen für Kinder, da sie in ihr Heimatland zurückgehen sollten und dies anfangs auch selbst vorhatten. Diese Annahme erwies sich allerdings als Trugschluss, da die Unternehmen einerseits nicht immer wieder neue Arbeiter anlernen wollten und die Gastarbeiter andererseits anfingen, ihre Familien in das neue Land nachzuholen, wie H. Czock beschreibt.
Auch F. Nuscheler beschreibt dieses Phänomen in ähnlicher Weise.
„Von den 14 Millionen Gastarbeitern, die zwischen 1955 und 1973 in die Bundesrepublik gekommen waren, kehrten nur 11 Millionen wieder zurück. Drei Millionen waren nicht mehr ‚Gastarbeiter’ auf Zeit, sondern Einwanderer.“ (Franz Nuscheler 1995, S.115).
Darauf folgte eine Phase der Konsolidierung (1973-1978), wie K.-H. Meier-Braun sie benennt, während dieser erkannt wurde, dass die Gastarbeiter höhere Ausgaben verursachten als angenommen, da sie nicht länger als vorübergehende Erscheinung behandelt werden konnten, sondern mit ihren Bedürfnissen wahrgenommen werden mussten. Als es zu einer kritischen Arbeitsmarktlage um 1974 kam, versuchte die Regierung schlagartig die Zuwanderung zu reduzieren.
Es erfolgte ein Anwerbestop am 23. November 1973, zwei Jahre später wurde die Kindergeldregelung geändert und die in der BRD lebenden Kinder bekamen eine höhere Zuwendung. A. Treibel berichtet, dass dies die Zahl der Beschäftigten verringerte mit gleichzeitiger Zunahme der Niederlassungen von Familienangehörigen, so dass 1979 nur noch 1,9 Mio. Ausländer beschäftigt waren im Vergleich zu einer ausländischen Wohnbevölkerung von 4,1 Mio.[8]
Durch die Familienzusammenführungen und ein hohes Geburtenaufkommen änderte die Maßnahme wenig am Zuwachs der ausländischen Bevölkerung.
H. Czock erwähnt Beratungsgremien, die Ratgeber und Empfehlungen konzipieren sollten, um die Anwesenheit von Arbeitsmigranten zu bewältigen. In der Politik wurden Integration und Rückkehrförderung diskutiert.
[...]
[1] vgl. A. Treibel 1990, S. 18f.
[2] vgl. F. Nuscheler 1995, S.34ff.
[3] vgl. H. Czock 1993, S.66
[4] vgl. H. W. Lederer (Hg.), 1997 CD-ROM-Ausgabe
[5] vgl. H. Czock 1993, S. 11
[6] vgl. H. Czock 1993, S. 12
[7] vgl. A. Treibel 1997, S. 13
[8] vgl. A. Treibel 1997, S. 15
- Citation du texte
- Sandra Krauß (Auteur), 2002, Interkulturelles Deutschland - wie kommen ausländische Jugendliche in der Pädagogik vor?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36115
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