1.1 Was ist Offener Unterricht?
„Den Offenen Unterricht gibt es nicht! Man kann ‚Offenen Unterricht‘ als einen Ober- oder Sammelbegriff oder... als eine ‚Bewegung‘ bezeichnen“ (Jürgens 1994, S. 24).
1.1.1 Historischer Kontext
Der Offene Unterricht resultiert aus einer Vielzahl verschiedener reformpädagogischer Strömungen. Jürgens führt als einen Grund für die Notwendigkeit eines Umbruchs der klassischen Lehrmethode auf, daß „die Schule auf Anforderungen von morgen mit den Methoden von gestern reagieren würde.“ (Jürgens 1994, S. 25).
Er bezieht sich dabei auf die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die neue familiale Lebenswirklichkeit, das vielfältigere elterliche Erziehungs- verhalten, den Umgang mit Medien, das umgestaltete Spiel- und Freizeitverhalten und die Vielfalt der Kulturen. Seiner Meinung nach hat Schule nun auch die Pflicht, das „Kind im Wandel“ zu unterstützen. (vgl. Jürgens 1994,S 27 ff.)
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Inhalt
1.1 Was ist Offener Unterricht?
1.1.1 Historischer Kontext
1.1.2 „Offener Unterricht ist eine Bewegung“
1.1.3 Offener Unterricht ist ein Ober- bzw. Sammel- begriff
1.2 Übereinstimmende Merkmale Offenen Unterrichts
1.2.1 SchülerInnenverhalten
1.2.2 LehrerInnenverhalten
1.2.3 Methodisches Grundprinzip
1.2.4 Lern-/Unterrichtsformen
1.2.5 Ein Definitionsversuch
1.2.6 Offener Unterricht: Pro und Kontra
1.2.7 Schlußwort
2 Literaturverzeichnis
1.1 Was ist Offener Unterricht?
„Den Offenen Unterricht gibt es nicht! Man kann ‚Offenen Unterricht‘ als einen Ober- oder Sammelbegriff oder... als eine ‚Bewegung‘ bezeichnen“ (Jürgens 1994, S. 24).
1.1.1 Historischer Kontext
Der Offene Unterricht resultiert aus einer Vielzahl verschiedener reformpädagogischer Strömungen. Jürgens führt als einen Grund für die Notwendigkeit eines Umbruchs der klassischen Lehrmethode auf, daß „die Schule auf Anforderungen von morgen mit den Methoden von gestern reagieren würde.“ (Jürgens 1994, S. 25).
Er bezieht sich dabei auf die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die neue familiale Lebenswirklichkeit, das vielfältigere elterliche Erziehungs- verhalten, den Umgang mit Medien, das umgestaltete Spiel- und Freizeitverhalten und die Vielfalt der Kulturen. Seiner Meinung nach hat Schule nun auch die Pflicht, das „Kind im Wandel“ zu unterstützen. (vgl. Jürgens 1994,S 27 ff.)
Die Ursprünge des Offenen Unterrichts gehen auf zwei spezifisch englische Entwicklungsstränge zurück. Zum einen wäre da die „Infant School“, deren Tradition bis 1809 zurückreicht und zum anderen gibt es den innerschulischen Großraum. In England wurden diese beiden Konzepte unter „Informal Education“ zusammengefaßt.
Grundideen dieses Unterrichtskonzeptes sind zum Beispiel, die Kinder herausfinden zu lassen, anstatt ihnen zu erzählen. „Die Schule macht sich bewußt an die Aufgabe, die für Kinder geeignete Umgebung anzubieten, die ihnen erlaubt, sie selbst zu sein und sich auf die ihnen gemäße Weise und in dem ihnen gemäßen Tempo zu entwickeln. ... Sie legt besonderen Wert auf individuelle Entdeckung, unmittelbare Erfahrung und schöpferische Arbeit. (...)“ (Göhlich 1997, S. 27)
Bevor der Trend zum Offenen Unterricht aber in Deutschland einzieht, macht er in den 60er Jahren eine Zwischenstation in den USA.
Durch die dortigen Unruhen von seiten der Studenten und im Zeichen des gestärkten schwarzen Selbstbewußtseins wirkt hier nun eine politische Bewegung um eine neue pädagogische Konzeption mit. Es wird gefordert, auch die Interessen der Schwarzen und Hispanoamerikaner stärker zur Geltung zu bringen. Das „Open-Corridor-Programm“ wird ins Leben gerufen, welches insbesondere Schulen mit einer großen Zahl von Kindern gesellschaftlicher Minderheiten unterstützen soll. Ziel dabei ist es, die Klassenräume zu „öffnen“.
In Deutschland findet 1969 ein Grundschulkongreß statt, der insbesondere an den schlecht ausgestatteten, konzeptionslosen Schulen ohne Ansehen Ausbesserungen vornehmen möchte. In dem daraus entstandenen Strukturplan des Deutschen Bildungsrates wird zwar der rechtliche Grundstein für eine Offenere Schule gelegt, indem der Hinweis auf Binnendifferenzierung und Stunden Freier Arbeit gegeben wird, jedoch ist diese Wende weg vom herkömmlichen Unterricht kein Schritt in Richtung „informal education“. Es wird eher eine strikte Unterrichtsplanung angestrebt, in der lernzielorientierte Unterrichtsplanung dominiert.
Als Brügelmann 1972 einen Aufsatz mit der Überschrift „Offene Curricula“ veröffentlicht, der sich auf die englischen Unterrichtsprojekte bezieht, wird auch in Deutschland ernsthaft über diese Unterrichtsmethode diskutiert. Jedoch diesmal nicht (wie in England) als „Informellen Unterricht“, sondern als „Offenen Unterricht“, wie in den USA.
Der erste Versuch des Transfers und der Erzeugung des Offenen Unterrichts, der sich komplett auf die englischen Wurzeln bezieht, ist das Tempelhofer Projekt an der Berliner Paul-Klee-Schule, welches 1974 ins Leben gerufen wird. Bis zum Ende der 70er Jahre bleibt der Offene Unterricht in Deutschland sehr einflußreich, erhält aber 1977 sowohl Unterstützung als auch Konkurrenz durch die wiederentdeckte Freinetpädagogik. Unterstützung, indem sie den von den Grundschulen befürworteten schriftsprachlichen Aspekt (Schuldruckerei, Klassenkorrespondenz) anführt.
Erst Mitte der 80er Jahre ist diese Unterrichtsform in Anfangsklassen der Grundschule zumindest als Idee, weniger in der Praxis verbreitet. (vgl.: Göhlich 1997, S. 26 ff.)
1.1.2 „Offener Unterricht ist eine Bewegung“
Öffnung heißt Bewegung! Das Alte, das Gesicherte wird durch das Neue und Unbekannte ersetzt. Für einige Menschen bedeutet das die totale Neugesinnung und es entsteht die Angst vor dem Ungewissen. „Jeder Mensch merkt eben recht schnell, daß ‚Öffnung der Schule‘ gut klingt, aber auch Bewegung bedeutet, (...).“ (Wallrabenstein 1994, S. 16)
Jürgens bezeichnet Offenen Unterricht als ein Produkt aus „unterschiedlichen zusammenströmenden Denk-, Motiv- und Handlungsformen -... -, denen der mehr oder weniger radikale Bruch mit der traditionellen Erziehungs- und Unterrichtspraxis des Schulwesens gemeinsam ist.“ (Jürgens 1994, S.24)
Die Öffnung von Unterricht wendet sich demnach gegen das bestehende starre Schulsystem.
Jürgens spricht in diesem Zusammenhang einmal über eine innere Dynamik, die sich aus der Gegenüberstellung unterschiedlicher Begriffsauffassungen und
Konzeptualisierungen entwickelt. Diese kann unter Umständen zu divergenten Ergebnissen in Theorie und Praxis führen. Im Idealfall sollte sie zu Kritik und Selbstkritik herausfordern.
Ein weiteres Merkmal für die Bewegung ist die nach außen dringende Dynamik. Sie macht sich durch pädagogische, schulpolitische und gesellschaftliche Reaktionen auf Seiten des Herkömmlichen bemerkbar.
Trotz gemeinsamer Ausgangspunkte und gemeinsamen Motiven ist diese Bewegung nicht einheitlich und läßt sich auch nicht vereinheitlichen, da schon die Begründungen für die Öffnung des Unterrichts zu unterschiedlich sind. (vgl.: Jürgens 1994, S. 24)
1.1.3 Offener Unterricht ist ein Ober- bzw. Sammelbegriff
Wie bereits angemerkt besteht der Offene Unterricht aus vielen verschiedenen Strömungen. Jürgens führt dazu Elemente der Freinet-, der Montessori- und der Petersen-Pädagogik, der Arbeitsschulbewegung, des Gesamtunterrichts sowie Grundgedanken der antiautoritären Erziehung, der Gestaltpädagogik, der Kinderladenbewegung, der Tätigkeitstheorie der sowjetischen kulturhistorischen Schule und der humanistischen Psychologie an. (vgl.: Jürgens 1994, S. 41)
Zu diesen unterschiedlichen Ansätzen kommt auch noch die Persönlichkeit der beteiligten Personen hinzu. Der Offene Unterricht wird nicht (wie der ‚geschlossene‘) nur noch vom Lehrkörper bestimmt, sondern von SchülerInnen, LehrerInnen und allen anderen Beteiligten gleichermaßen.
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- Arbeit zitieren
- Kathrin Im Winkel (Autor:in), 2001, Offener Unterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3609