Um die Sprachentwicklung bei Kindern beschreiben zu können, muß man sich zuerst mit dem Erklärungsansatz auseinandersetzen. Es gibt hier zwei Theoriefamilien, die sich schon in ihren Grundannahmen sehr stark von einander unterscheiden.
Da wäre zum einen die Position der "inside-out" -Theorie. Die vorherrschende Annahme besteht hierbei darin, dass den Kindern von Geburt an, und damit schon genetisch vorbedingt ist, Sprache erlernen zu können. Man geht davon aus, dass das Kind schon mit einem großen Teil des grammatikalischen Grundwissens ausgestattet ist und auch über sprachspezifische Fähigkeiten verfügt. Die Spracherwerbsaufgabe besteht somit nicht direkt aus einem Lernprozeß, sondern ist vielmehr eine Art Reifung der bereits vorhandenen Kenntnisse. Hinter dieser Theoriefamilie steht die Annahme, dass das Sprachangebot, mit dem die Kinder umgehen müssen, fehlerhaft und chaotisch ist. Um also diese fehlerhafte Sprache beherrschen zu können, muß das Kind mit einem Grundwissen ausgestattet sein.
Das zweite Theoriekonstrukt wird als "outside-in" bezeichnet. Hier geht man von der Grundannahme aus, dass das Erlernen der Sprache nichts anderes ist, als die Übernahme von vermitteltem Wissen. Es wird hier nicht davon ausgegangen, dass das Kind bereits über Grundwissen oder gar einen Sprachmechanismus verfügt, sondern dass alles gelernt wird und somit auf generellen Lernmechanismen beruht. Die beiden berühmtesten Theorieansätze sind zum einen die kognitiven und zum anderen die sozial-interaktiven Theorien (vgl. Oerter/Montada 1995, S. 736).
Inhalt
2 Das Erklärungsproblem
3 Voraussetzungen und Bedingungen für den Spracherwerb
3.1 Sprachunspezifische Voraussetzungen
3.1.1 Kognitionshypothese von Piaget
3.1.2 Wissensstrukturen
3.1.3 Die Geste als Vorstufe der Sprache
3.2 Sprachspezifische Voraussetzungen
3.3 Soziale Voraussetzungen
4 Meilensteine der Sprachentwicklung
4.1 Phonologische Entwicklung
4.1.1 Rezeptive phonologische Entwicklung
4.2 Lexikalische Entwicklung
4.3 Entwicklung der Syntax und der Grammatik
4.4 Pragmatische Kompetenz
5 Theorien der Sprachentwicklung
5.1 Biologische Grundlagen
5.1.1 Erich H. Lenneberg
5.1.2 Noam Chomsky
5.2 Psychoanalytische Sichtweise
5.3 Soziale Lerntheorie
5.3.1 Operantes Konditionieren
5.3.2 Imitationslernen
6.Schlußbemerkung
7.Literatur
2. Das Erklärungsproblem
Um die Sprachentwicklung bei Kindern beschreiben zu können, muß man sich zuerst mit dem Erklärungsansatz auseinandersetzen. Es gibt hier zwei Theoriefamilien, die sich schon in ihren Grundannahmen sehr stark von einander unterscheiden.
Da wäre zum einen die Position der „inside-out“ –Theorie. Die vorherrschende Annahme besteht hierbei darin, dass den Kindern von Geburt an, und damit schon genetisch vorbedingt ist, Sprache erlernen zu können. Man geht davon aus, dass das Kind schon mit einem großen Teil des grammatikalischen Grundwissens ausgestattet ist und auch über sprachspezifische Fähigkeiten verfügt. Die Spracherwerbsaufgabe besteht somit nicht direkt aus einem Lernprozeß, sondern ist vielmehr eine Art Reifung der bereits vorhandenen Kenntnisse. Hinter dieser Theoriefamilie steht die Annahme, dass das Sprachangebot, mit dem die Kinder umgehen müssen, fehlerhaft und chaotisch ist. Um also diese fehlerhafte Sprache beherrschen zu können, muß das Kind mit einem Grundwissen ausgestattet sein.
Das zweite Theoriekonstrukt wird als „outside-in“ bezeichnet. Hier geht man von der Grundannahme aus, dass das Erlernen der Sprache nichts anderes ist, als die Übernahme von vermitteltem Wissen. Es wird hier nicht davon ausgegangen, dass das Kind bereits über Grundwissen oder gar einen Sprachmechanismus verfügt, sondern dass alles gelernt wird und somit auf generellen Lernmechanismen beruht. Die beiden berühmtesten Theorieansätze sind zum einen die kognitiven und zum anderen die sozial-interaktiven Theorien (vgl. Oerter/Montada 1995, S. 736).
3. Voraussetzungen und Bedingungen für den Spracherwerb
3.1 Sprachunspezifische Voraussetzungen
3.1.1 Kognitionshypothese von Piaget
Piaget war der Annahme, Kinder seien nicht mit einem Grundwissen ausgestattet, sondern nur mit Reflexen und Wahrnehmungsmöglichkeiten, sowie den Prozessen der Assimilation, der Akkomodation und der Äquilibration. Auf Grund dieser bereichsunspezifischen Voraussetzungen kann das Kind aufgrund der Auseinandersetzung mit Gegenständen Schemata entwickeln, um diese dann auf Sprache anzuwenden. So entwickeln Kinder nach Piaget erste Grundlagen für den Satzbau, indem sie lernen, einzelne Kisten ineinander zu stapeln.
Der große Irrtum, der dabei übersehen wurde, war wohl der monokausale Zusammenhang zwischen den vorsprachlichen Handlungsmustern und dem Erwerb von Sprachstrukturen. Piaget hat in der Sprache kein notwendiges Element des Denkens gesehen, sondern betrachtete das Denken als Quelle der Sprache (vgl. Oerter/Montada 1995, S. 739). Gegen Piagets Kognitionshypothese sprechen unter anderem die folgenden vier Argumente:
(1) Kinder erwerben den Satzbau vor dem jeweiligen Denkschema.
(2) Auch körperlich eingeschränkte Kinder sind in der Lage, ohne das Spielen Sprache zu erlernen und ebenso haben geistig behinderte Kinder die Möglichkeit, sprechen zu lernen und sehr ausgeprägte Satzstrukturen zu bilden.
(3) Zwischen dem senso-motorischen Schema und dem Schema der Sprache muß noch eine Art Brücke gebaut werden, die das Reale in eine Vorstellung, also ein Bild modifiziert und danach erst sprachfähig macht.
(4) Piaget hat sich nicht mit den sozialen Bedingungen beschäftigt und auch nie hinterfragt, warum ein Kind überhaupt ein Interesse daran hat, Sprache zu erlernen. (vgl. Oerter/Montada 1995, S. 739-740)
3.1.2 Wissensstrukturen
Im Gegensatz zu Piaget gehen viele andere Entwicklungspsychologen von der Annahme aus, dass Kinder schon mit angeborenen abstrakten Verarbeitungsmöglichkeiten zur Welt kommen. Das Kind sucht von Anfang an nach Regeln in den Informationen, die es um sich herum aufnimmt. Dabei benutzt es die kognitiven Ausstattungen der Mittel-Ziel-Verknüpfung, der Transaktionalität, der Systematik und der Abstraktheit (vgl. Oerter/Montada 1995, S. 740). Das Kind versucht also schon sehr früh, das Erlebte in ein Schema einzubauen und verallgemeinert es somit, um es auf weitere Situationen und Gegenstände übertragen zu können. Die Wissensstrukturen des Kindes werden dazu benutzt, Mittel zu finden um an ein bestimmtes Ziel zu kommen. Die Ergebnisse dieser Versuche werden gespeichert und so zu einer Verknüpfung zwischen Ziel und Mittel gemacht.
Zu Piagets Annahme, Kinder seien mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Objekt- und Ereignisschemata zu bilden, sei noch hinzuzufügen, dass sie zudem noch in der Lage sind, konzeptuelle Systeme zu entwickeln. Die auf diese Weise erworbenen Schemata bilden in der weiteren Sprachentwicklung eine Nahtstelle zwischen Wahrnehmung und Sprache.
Angeborene Lernmechanismen finden also bei den meisten Entwicklungspsychologen einen hohen Stellenwert, wobei über die Frage nach spezifischem Vorwissen und spezifischer Vorvorstellungen über Objekte und Ereignisse oft diskutiert wird (vgl. Oerter/Montada 1995, S. 740).
3.1.3 Die Geste als Vorstufe der Sprache
Man unterscheidet zuerst einmal drei Arten von Gesten. Da wären zum ersten die so genannten deiktischen, also hinweisenden Gesten, die das Kind verwendet, um etwas zu bekommen oder um Aufmerksamkeit zu erlangen. Diese Form der Gestik ist vorsymbolisch, da man deren Sinn nur aus dem Zusammenhang erschließen kann.
Die zweite Art wird als referentielle Geste bezeichnet, da das Kind direkt auf Gegenstände zeigt und somit einen präzisen Referenten bestimmt.
Um schließlich einen Bedeutungs-Handlungszusammenhang aufzuzeigen, benutzen Kinder die konventionalisierten Gesten, wie zum Beispiel das Nicken zur Bejahung. (vgl. Oerter/Montada 1995, S. 740-741)
Die Gestik kann allerdings nicht allein für die weitere Sprachentwicklung verantwortlich gemacht werden, da diese nicht kontinuierlich verläuft, also einen Schritt nach dem anderen geht. Es ist eher so, dass immer neue Sprachqualitäten hinzukommen und zu einer Unstetigkeit führen. So benutzen gehörlose Kinder im Alter von zehn bis zwölf Monaten deiktische Gesten. Nach ihrem ersten Lebensjahr lernen sie die offizielle Gebärdensprache, benutzen aber immer noch die deiktischen Gesten für Dinge, deren offizielle Gebärde sie noch nicht kennen. Jedoch benennen sie Personen nicht mehr mit Personalpronomen, sondern mit dem jeweiligen Namen. Diese Entwicklung läßt sich auch bei Kindern feststellen, deren Sprachentwicklung nicht gestört ist. Mit dem Alter von ungefähr 22 Monaten kehrt bei den gehörlosen Kindern die Zeigegeste wieder ein, aber sie vertauschen die Personalpronomen in der Weise, dass sie sich selbst als „du“ bezeichnen und ihren Gesprächspartner mit „ich“. Der richtige Gebrauch setzt allerdings später wieder ein. (vgl. Oerter/Montada 1995, S. 741)
Betrachtet man die eben beschriebene Entwicklung vom korrekten hinweisenden Gebrauch von Gesten über das Einsetzen von Namen zum falschen Gebrauch von Pronomen, so läßt sich daraus schließen, dass kein einfacher Übergang erfolgt, sondern dass eine spezifisch linguistische Fähigkeit hinzukommt, die es dem Kind ermöglicht, von dem Gestengebrauch zu den Sprach–Zeichen zu gelangen. „Der theoretisch hoch interessante Befund ist, dass vor-linguistische Gesten, die sich in derselben Modalität abspielen, für einen Beobachter zwar nicht unterscheidbar, aber doch grundsätzlich verschieden sind.“ (Oerter/Montada 1995, S. 741).
3.2 Sprachspezifische Voraussetzungen
Die folgenden Argumente beziehen sich auf die Annahme, Kinder seien bereits mit angeborenen sprachspezifischen Voraussetzungen ausgestattet.
Dabei sei zuerst einmal gesagt, das jeder normale Säugling zu ungefähr dem selben Zeitpunkt beginnt, sich zu verständigen und auch ungefähr die selbe Zeit braucht, um Sprache zu erlernen.
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- Arbeit zitieren
- Kathrin Im Winkel (Autor:in), 2001, Sprachentwicklung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3608