Die Außenpolitik der Schweiz verbindet der Normalbürger vor allem mit dem Stichwort: „Neutralität“. Dieses, für die Schweizer aufgrund ihrer Geschichte ganz selbstverständliche Prinzip der Außenpolitik(1) , konnte jedoch durch multiple Veränderungen und Entwicklungen auf gesamteuropäischer und globaler Ebene nicht mehr länger in seiner klassischen Bedeutung aufrechterhalten werden. Die Schweizer Bürger mußten sich mit dem Gedanken anfreunden, das außen-politische Prinzip Neutralität einem Wandel zu unterziehen. Diese Einsicht folgte aus dem Umstand, daß viele Entscheidungen, die außerhalb des Landes getroffen wurden, unmittelbaren Einfluß auf das Leben der Bürger haben. Die Schweizer Regierungen haben diese notwendige Veränderung schon lange erkannt und binden sie vorsichtig, mit Rücksicht auf die Bürger, in ihr Außenpolitisches Programm ein.
Diese Hausarbeit soll nun einen Überblick über die bisherige Schweizer Außen- politik von 1945 bis 1989 liefern. Ich möchte darstellen, warum die Schweiz bei Themen wie Europäischer Integration, Verkehr und natürlich Umweltschutz nicht länger im klassischen Sinne neutral bleiben konnte und auch in Erwägung ziehen mußte der EU beizutreten , wollte sie weiterhin glaubwürdig bleiben und ihre Interessen zum Wohl der Schweizer Bürger durchsetzen können.
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1 Anm.: Tatsächlich handelt es sich bei Neutralität um ein Prinzip der schweizerischen Außenpolitik, nicht um ein Ziel. Vgl. auch: Bericht über die Aussenpolitik der Schweiz in den 90er Jahren vom 29. November 1993.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Geographische Lage und Eckdaten
3. Die Außenpolitik von 1945 bis 1959
4. Die Außenpolitik von 1960- 1970
5. Die Außenpolitik von 1971 bis 1989
6. Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungen
1. Einleitung
Die Außenpolitik der Schweiz verbindet der Normalbürger vor allem mit dem Stichwort: „Neutralität“. Dieses, für die Schweizer aufgrund ihrer Geschichte ganz selbstverständliche Prinzip der Außenpolitik[1], konnte jedoch durch multiple Veränderungen und Entwicklungen auf gesamteuropäischer und globaler Ebene nicht mehr länger in seiner klassischen Bedeutung aufrechterhalten werden. Die Schweizer Bürger mußten sich mit dem Gedanken anfreunden, das außen-politische Prinzip Neutralität einem Wandel zu unterziehen. Diese Einsicht folgte aus dem Umstand, daß viele Entscheidungen, die außerhalb des Landes getroffen wurden, unmittelbaren Einfluß auf das Leben der Bürger haben. Die Schweizer Regierungen haben diese notwendige Veränderung schon lange erkannt und binden sie vorsichtig, mit Rücksicht auf die Bürger, in ihr Außenpolitisches Programm ein.
Diese Hausarbeit soll nun einen Überblick über die bisherige Schweizer Außen- politik von 1945 bis 1989 liefern. Ich möchte darstellen, warum die Schweiz bei Themen wie Europäischer Integration, Verkehr und natürlich Umweltschutz nicht länger im klassischen Sinne neutral bleiben konnte und auch in Erwägung ziehen mußte der EU beizutreten[2], wollte sie weiterhin glaubwürdig bleiben und ihre Interessen zum Wohl der Schweizer Bürger durchsetzen können.
2. Geographische Lage und Eckdaten
Die Außenpolitik eines Landes ist immer auch „ [...] bestimmt durch seine geo- graphische Lage (Größe, Bodenschätze, Grenzverlauf) seine technologischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten sowie durch seine innenpolitische Verfassung“.[3]
Die Schweiz liegt in Zentraleuropa, im Norden an Deutschland, im Osten an Österreich und Liechtenstein, im Süden an Italien und im Westen an Frankreich grenzend. Diese Lage macht sie zu einem der wichtigsten Transitländer der Nord- Süd-Achse, was das Problem des internationalen Kraftfahrtverkehrs und des Umweltschutzes mit sich zieht. Mit 39550 km² ist die Schweiz etwa doppelt so groß wie das Bundesland Rheinland–Pfalz, jedoch ist von dieser Fläche nur circa 22,8 %, das Mittelland nämlich, bewohnbar. Die Bevölkerungsdichte liegt zum Teil bei 540 Ew/km², eben dadurch bedingt, daß die 7,2 Millionen Einwohner der Schweiz, 18,2 % davon sind Ausländer, nicht die gesamte Fläche bewohnen können. Die Schweiz besitzt kaum Rohstoffe, außerdem müssen 50,5 % des Primärenergiebedarfs in Form von Rohöl importiert werden, durch eigene Produktion können nur circa 38,2 % gedeckt werden.
Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner liegt bei 34.304 US-Dollar, damit be- findet sich die Schweiz an der Spitze der westlichen Industrieländer, noch deutlich vor Japan, Schweden und Deutschland. Auch hinsichtlich der internationalen Wettbewerbsfähigkeit wird die Schweiz nach Japan und Deutschland weltweit unter den Industrienationen an führender Stelle genannt.[4]
Die Schweiz besitzt eine reine Milizarmee, mit allgemeiner Wehrpflicht vom 20. bis zum 50. Lebensjahr. Die Gesamtstärke im Kriegsfall beträgt 48 Stunden nach der Mobilmachung 625.000 Mann. Damit ist die Schweiz nicht nur im pro Kopf Verhältnis von Soldaten/Einwohnern führend, sondern hat auch absolut die größte Armee in Europa.
3. Die Außenpolitik von 1945 bis 1959
Die Lage während des zweiten Weltkriegs war für die Schweiz nicht einfach. Umgeben von Achsenmächten war die Schweiz auf Rohstoff- und Nahrungs- mittellieferungen aus dem Ausland angewiesen, gleichzeitig mußte der Export der eigenen Produkte gesichert sein, um ein Funktionieren der stark exportorientierten Wirtschaft zu ermöglichen. Das Neutralitätsrecht sah lediglich vor, „anfällige Handelsbeschränkungen für militärisch nützliche Güter auf alle Kriegsparteien gleich anzuwenden.“[5] Aus der vorhin beschriebenen Situation resultierten jedoch verschieden umfangreiche Handlungsströme mit beiden Kriegsparteien. Aber selbst nachdem sich das Blatt im Krieg gewendet hatte und die Schweiz von Alliierten umgeben war, gewährten diese der Schweiz nicht die dringend benötig- ten Handelsmöglichkeiten, da die Schweiz bei den Alliierten kein gutes Ansehen hatte. Dieses schlechte Image erwarb die Schweiz sich durch zahlreiche pro- faschistische Aktionen, unter anderem durch die Freilassung von seit Kriegs- beginn internierter deutscher Militärpiloten im Jahre 1940, womit eine elementare Neutralitätspflicht verletzt wurde.[6] Zum Handeln des Bundesrates: „Die Politik des Bundesrates war weder eine Politik des konzessionslosen Widerstandes noch die einer zu jedem Zugeständnis bereiten Anpassung. Sie hielt sich in der Mitte zwischen den Extremen. Sie erstrebte eine Synthese von Abschreckung und Besänftigung, von Widerstandsbereitschaft und deutschfreundlichen Gesten.“[7]
Die Alliierten wollten zu dieser Zeit nur den Krieg möglichst schnell beenden. Um dieses Ziel zu erreichen wurden zahlreiche Maßnahmen getroffen. Am 8. März 1945 wurde das Currie-Abkommen[8] geschlossen, in dem die Schweiz nach langen Verhandlungen schließlich einwilligte, den Export kriegswichtiger Güter nach Deutschland einzustellen und einen Vorschuß von 250 Millionen Franken zum Aufbau Europas zu leisten. Die Hauptaufgabe der Schweizer Außenpolitik nach 1945 war es, wieder Kontakte zu den Westmächten zu knüpfen, von denen die Schweiz „infolge der Ereignisse seit 1940 weitgehend abgeschnürt gewesen war.“[9]
Die Schweiz mußte nun dringend in das neu entstehende internationale Staaten- system eingegliedert werden, damit aus dem „verachteten Sonderling“[10] wieder ein geschätztes Mitglied der Gemeinschaft wird. Am 1. Februar 1945 trat Max Petitpierre sein neues Amt als Vorsteher des Politischen Departements (EPD)[11] an. Er stellte die Außenpolitik unter die berühmt gewordene Devise: „Neutralität und Solidarität“. Nachdem die bilateralen Probleme mit den direkten Nachbarn (es handelte sich meist um Probleme die durch den zweiten Weltkrieg entstanden waren) und den beiden Supermächten USA und Sowjetunion[12] einigermaßen ge- löst waren, bewegte sich die Schweiz aus der wirtschaftlichen Isolation heraus. Das von Petitpierre vertretene „Universalitätsprinzip“ hatte zur Folge, „daß die Schweiz ungeachtet ideologischer Gegensätze diplomatische Beziehungen zu prinzipiell allen Ländern unterhielt und dabei nach der Devise handelte Staaten und nicht Regierungen anzuerkennen.“[13] So langsam integrierte die Schweiz sich in die westliche Nachkriegsordnung, es bestand jedoch noch so etwas wie eine politische Isolation, die sich vor allem in der Nichtteilnahme[14] der Schweiz an der Gründungskonferenz der Vereinten Nationen am 26. Juni 1945 zeigte. Eine vom Bundesrat eingesetzte Kommission kam im November 1945 zum einstimmigen Schluß, „dass die Schweiz sich nicht von einer weltumfassenden Organisation fernhalten dürfe, die, wie die Vereinten Nationen, darauf abzielt, einen Zustand dauernden Friedens zu schaffen, dass indessen die sich für die Eidgenossenschaft aus ihrer dauernden Neutralität ergebende besondere Lage gewährt werden sollte.“[15] 1946 wurde im Geschäftsbericht des Bundesrates die Strategie festge- halten, die das Politische Departement gegenüber den Vereinten Nationen zu befolgen hatte:
„1. die in New York geleistete Arbeit genau zu verfolgen;
2. Beitrittsgesuche der Schweiz zum Internationalen Gerichtshof und zu den technischen Organisationen zu stellen;
3. den Vereinten Nationen die Niederlassung in der Schweiz zu erleichtern.“[16]
Um dem ersten Punkt gerecht zu werden, errichtete die Schweiz 1948 am Sitz der Weltorganisation in New York eine ständige Beobachtervertretung. Die Schweiz trat der UNO aus Neutralitätsgründen nicht bei, da sie nicht zu Maßnahmen kollektiver Sicherheit verpflichtet sein wollte, zu denen der UNO-Sicherheitsrat aufrufen konnte. Die Unterscheidung zwischen politischer und technischer UNO ermöglichte es der Schweiz aber, in den meisten Spezial- Organisationen und Spezial-Programmen der UNO mitzuarbeiten. Punkt drei der oben erwähnten Strategie wurde dadurch hinfällig, daß die UNO Genf als europäischen Sitz wählte und damit zu „einem Zentrum der multilateralen Weltpolitik machte.“[17] Der Ausbruch des kalten Krieges hatte zur Folge, daß die Rolle der neutralen Staaten zwischen den Ost-West Blöcken deutlich angehoben wurde. Am 16. April 1948 unterzeichnete die Schweiz schließlich das Abkommen über die europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit, da man mit dem Artikel 14, der sogenannten Schweizer Klausel[18], eine Antwort auf die zweite von drei Bedingungen unter denen die Schweiz an den Arbeiten der OEEC teilnehmen würde, eingefügt hatte. 1950 errichteten die OEEC-Staaten die Europäische Zahlungsunion, mit der Europa „ dem Ziel der Multilateralität ganz wesentlich näher gekommen“[19] sei, weswegen es sich die Schweiz auch nicht leisten konnte diesem Abkommen fern- zubleiben. Ende der 50er Jahre war die OEEC ein günstiger Boden für die Ver- einigung der Anstrengungen einiger europäischer Staaten den Know-how-Rück- stand im Bereich der Atomenergie gegenüber den bedeutendsten Atommächten nicht zu groß werden zu lassen.
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[1] Anm.: Tatsächlich handelt es sich bei Neutralität um ein Prinzip der schweizerischen Außenpolitik, nicht um ein Ziel. Vgl. auch: Bericht über die Aussenpolitik der Schweiz in den 90er Jahren vom 29. November 1993.
[2] Anm.: in einem Referendum von 1992 lehnten die Bürger einen Beitritt zur EU ab, mittlerweile beurteilen angesehen Beobachter der Schweiz die Erfogschancen für ein solches Referendum jedoch las realistisch
[3] LexiROMÓ; 1995-1996; Microsoft CorporationÓ und Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG; Eintrag: Außenpolitik
[4] Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden; 19. Völlig neu überarbeitete Auflage; Mannheim; Brockhaus Bd.18 Sch.; 1992;
[5] Linke, Manfred von Winterthur; Schweizerische Außenpolitik der Nachkriegszeit; Dissertation Nr. 1645;
Zürich 1995;
[6] Rings, Werner; Schweiz im Krieg; 1933-1945; 8., erweiterte Auflage; Zürich 1990; S. 202;
[7] Ebd.; S. 245;
[8] Anm.: benannt nach Lauchlin Currie, der die Verhandlungen damals für die Alliierten führte und folgende Meldung seinen Vorgesetzten zukommen ließ: „After 3 weeks of continuous negotiation with our exerting the strongest pressure against strong resistance and a stalemate yesterday, the Swiss delegation capitulated today...“ Schiemann, Catherine; Neutralität in Krieg und Frieden; Zürcher Dissertation; Rüegger; Chur/Zürich 1991;
[9] Bundesrat; Geschäftsbericht des Jahres 1945; S. 126;
[10] Linke, Manfred, von Winterthur; Schweizerische Außenpolitik der Nachkriegszeit; Dissertation Nr. 1645;
Zürich 1995;
[11] Anm.: 1979 änderte das Politische Departement seinen Namen in Departement für auswärtige Angelegenheiten.
[12] Anm.: Erst nachdem die Schweiz die Rückkehr der russischen Internierten nach Moskaus Wunsch geregelt hatte, nahm man im Frühjahr 1946 formelle diplomatische Beziehungen auf. Nach 28 Jahren Unterbrechung schloß die Schweiz damit die schwerwiegendste Lücke ihrer Außenpolitik.
[13] Altermatt, Urs; Vom Ende des zweiten Weltkriegs bis zur Gegenwart; S. 63; in: Neues Handbuch der schweizerischen Außenpolitik; Hrsg. Riklin/Haupt/Probst; Wien 1992;
[14] Anm.: Neutrale Nationen waren zur Gründungskonferenz gar nicht eingeladen, weil sie die Bedingungen, man mußte Deutschland vor dem 1. März 1945 den Krieg erklärt haben, nicht erfüllten. Die Führungsmächte waren auch nicht bereit der Schweiz einen Sonderstatus wie im Völkerbund zuzugestehen.
[15] Bundesrat; Geschäftsbericht 1945; S. 112;
[16] Bundesrat; Geschäftsbericht 1946; S. 142;
[17] Linke, Manfred, von Winterthur; Schweizerische Außenpolitik der Nachkriegszeit; Dissertation Nr. 1645;
Zürich 1995;
[18] Bundesblatt der schweizerischen Eidgenossenschaft (BBl) 1948 II 1206
[19] Bundesrat; Botschaft betreffend den Beitritt der Schweiz zum Abkommen über die Errichtung einer Europäischen Zahlungsunion (Vom 22. September 1950); in: BBl 1950 II 977
- Quote paper
- Frank Livani (Author), 1998, Die Außenpolitik der Schweiz im Wandel der Zeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3600