Das Dayton Abkommen beendete 1995 formell den Bosnienkrieg und gilt seitdem als Beispiel für die gelungene Befriedung von Konflikten durch die internationale Staatengemeinschaft. Zwar konnte der Friedensvertrag ein Ende der Kampf-handlungen erreichen. Der daraus resultierende Staat Bosnien-Herzigowina sah sich jedoch noch lange nach Kriegsende den Ursachen des Konflikts ausgesetzt, sodass seine Funktionsfähigkeit und Legitimität immer wieder bestrittend wurde.
Da der Friedensvertrag masgeblich unter der Ägide westlicher Akteure sowie der UN zustande kam, welche bis heute zu den wichtigsten Kräften in Bosnien gehört stellt sich die Frage in wie weit das Dayton Abkommen als Erfolg im Sinne eines Friedens- und State Buildingprozesses zu betrachten ist.
Im Folgenden werde ich daher zunächst den Weg bis zum Abkommen von Dayton nachvollziehen, wobei ich auf Einzelheiten des Kriegsverlaufs nicht eingehen werde. Vielmehr möchte ich das Zustandekommen sowie die wichtigsten Inhalte des Abkommens und deren Auswirkungen auf die Nachkriegsordnung in Bosnien-Herzegowina darlegen .
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Vom Vance-Owen Plan zum Dayton Abkommen
3. Das Dayton Abkommen
3.1 Äußerer Verhandlungsrahmen
3.2 Inhalte und Folgen des Abkommens
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Dayton Abkommen beendete 1995 formell den Bosnienkrieg und gilt seitdem als Beispiel für die gelungene Befriedung von Konflikten durch die internationale Staatengemeinschaft. Zwar konnte der Friedensvertrag ein Ende der Kampf-handlungen erreichen. Der daraus resultierende Staat Bosnien-Herzigowina sah sich jedoch noch lange nach Kriegsende den Ursachen des Konflikts ausgesetzt, sodass seine Funktionsfähigkeit und Legitimität immer wieder bestrittend wurde.
Da der Friedensvertrag masgeblich unter der Ägide westlicher Akteure sowie der UN zustande kam, welche bis heute zu den wichtigsten Kräften in Bosnien gehört stellt sich die Frage in wie weit das Dayton Abkommen als Erfolg im Sinne eines Friedens- und State Buildingprozesses zu betrachten ist.
Im Folgenden werde ich daher zunächst den Weg bis zum Abkommen von Dayton nachvollziehen, wobei ich auf Einzelheiten des Kriegsverlaufs nicht eingehen werde. Vielmehr möchte ich das Zustandekommen sowie die wichtigsten Inhalte des Abkommens und deren Auswirkungen auf die Nachkriegsordnung in Bosnien-Herzegowina darlegen .
2. Vom Vance-Owen Plan zum Dayton Abkommen
Als im Laufe der Auseinandersetzungen in Bosnien-Herzigowina immer mehr Nachrichten von Kriegsverbrechen nach außen drangen, wurde im August 1992 auf der Londoner Konferenz ein erster Versuch unternommen den Konflikt zu lösen, was mit einem folgenlosen Bekenntnis der Konfliktparteien zum humanitären Völkerrecht endete.[1] Die nächsten Friedensbemühungen, die unter der Vermittlung des EU Beauftragten Lord Owen und dem Gesandten des UN Generalsäkretärs, Cyrus Vance zu stande kamen fanden 1993 in Genf statt. Das Abkommen sah im wesentlichen die Aufgliederung Bosniens in zehn multiethnische Provinzen unter einem stark föderalem Bundesstaat vor. Der Friedensplan wurde jedoch von allen Parteien abgelehnt, da er für Kroaten und Serben den Verlust großer Teile ihrer jeweiligen Eroberungen bedeutete.[2] Im Früjahr 1993 zerbrach die lose Allianz zwischen bosnischen Muslimen und Kroaten. Erstere, mittlerweile von Saudi Arabien und Iran aufgerüstet, gingen teilweise zur Offensive über, womit der Vance-Owen-Plan praktisch gescheitert war.[3] Der im Sommer selben Jahres unter Owen und dem UN-Vermittler Stoltenberg ausgearbeitete Plan blieb ebenso erfolglos. Dieser sah eine Dreiteilung des Landes nach ethnischen Mehrheitsverhältnissen vor, wobei die Teilentitäten sich in einem Bundesstaat organisieren sollten, welcher jedoch nur repräsentative und außenpolitische Kompetenzen erhalten hätte. Hier sahen sich die Muslime im Nachteil, da das Abkommen die Zweiteilung ihres Territoriums in zwei isloierte Gebiete bedeutet hätte.[4] Kroaten und Serben erhöhten daher den militärischen Druck auf die bosnischen Muslime um diese zur Annahme des Vertrags zu drängen. Dies führte dazu, dass der Vermittlungsversuch eine weitere Eskalation zur Folge hatte.[5] Die seit April 1994 für eine Verhandlungslösung zuständige Kontaktgruppe[6] hatte, im Gegensatz zum Owen-Stoltenberg-Plan, der explizit das Recht auf Sezession vorsah, die staatliche Einheit Bosnien-Herzigowinas zum Ziel.[7] Der Entwurf, der den Konfliktparteien im Juli 1994 vorgestellt wurde, sah die Teilung Bosnien-Herzegowinas in einen muslimisch-kroatischen und einen serbischen Teil vor. Die zuvor gegründete Allianz zwischen bosnischen Muslimen und Kroaten ließ das Vorhaben zunächst als durchführbar erscheinen. Die bosnischen Serben lehnten das Abkommen jedoch ab, da sie zu keinen territorialen Zugeständnisen bereit waren. Als Muslime und Kroaten schließlich zur Offensive übergingen und die Serben mit einer Gegenoffensice reagierten, musste auch der Vermittlungsversuch der Kontaktgruppe als gescheitert betrachtet werden.[8] Die kroatisch-muslimischen Verbände konnten nun zunehmend Erfolge gegen die Serben verzeichnen, zumal die Nato nach der Eroberung Srebrenicas durch serbische Truppen massive Luftschläge gegen serbische Stellungen durchführte. Das somit geschaffene Kräfteverhältnis bildete im September 1995 die Grundlage für erneute Friedensverhandlungen unter der Prämisse der staatlichen Einheit Bosnien-Herzegowinas.[9] Ab dem 12. Oktober trat schließlich ein Waffenstillstand in Kraft, sodass auf der US-Luftwaffenbasis in Dayton Ohio direkte Friedensverhandlungen zwischen den Präsidenten Kroatiens, Serbiens und Bosnien-Herzegowinas stattfinden konnten.[10] Der dort ausgearbeitete Friedensvertrag wurde am 14. Dezember in Paris unterzeichnet.
3. Das Dayton Abkommen
3.1 Äußerer Verhandlungsrahmen
Die Konferenz von Dayton selbst beschreibt Daniel Eisermann als konklaveähnlich, womit er sowohl auf den Luftwaffenstützpunk als Verhandlungsort als auch auf den Druck abzielt, der auf den Verhandlungsführern lastete.[11] So sah sich insbesondere die serbische Delegation der latenten Drohung neuer Bombardements ausgesetzt.[12] Die oft als schleppend empfundenen Verhandlungen begründet Eisermann mit der Verhandlungs-struktur selbst:
"Die Pendeldiplomatie, so kann man es sich veranschaulichen, wird dabei letztlich auf die räumliche Dimension des Konferenzortes 'heruntergezoomt'. Die Unterhändler können die Delegationen eine nach der anderen zu Fuß aufsuchen und müssen nicht mehr umständlich per Flugzeug von Hauptstadt zu Hauptsadt pendeln." [13]
Die äußeren Verhandlungsbedingungen waren also bereits problematisch und so scheint es nicht weiter verwunderlich, dass der amerikanische Chefunterhändler Holbrooke in der Konferenz wenig mehr als eine Absicherung des Waffenstillstandes sah.[14]
3.2 Inhalte und Folgen des Abkommens
Das Abkommen sah zunächst die Stationierung von 60.000 Mann, der Implementation Force (IFOR) unter amerikanischer Führung vor, die den Frieden erfolgreich sichern konnte. Mark Almond konstatiert jedoch ein Andauern ethnischer Säuberungen unter Mitwirkung der IFOR, was wiederum das Dayton Abkommen in den Ruf brachte die Ergebnisse vorangegangener Vertreibungen zu verfestigen.[15] Im Bezug auf die territorialen Fragen sah das Abkommen eine Aufteilung Bosnien-Herzigowinas in eine serbische und eine kroatisch-muslimische Teilrepublik vor, wobei den Serben 49 Prozent des Gebiets und der kroatisch-bosnischen Föderation 51 Prozent zukamen. Beide Entitäten waren jedoch weitgehend unabhängig, so dass der bosnischen Zentralregierung vor allem außen- und wirtschaftspolitische Kompe-tenzen zufielen.[16] Patrice McMahon und Jon Western fassen die dezentrale Struktur des bosnischen Staates und die damit verbundene Problematik treffend zusammen:
"To prevent any one group from dominating, quotas were adopted in national institutions. Bosnia's three-member presidency, for example, requires one Muslim representative, one Croat, and one Serb, and each representative can veto legislation that he believes undermines his own groups vital interests. As a result, almost every important issue at the central government level is deadlocked." [17]
Die schwache bosnischen Zentralgewalt wurde also zusätzlich noch durch die oft gegenläufigen Interessen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen behindert, so dass der Hohe Repräsentant, der von mehreren Staaten ernannt und vom UN-Sicherheitsrat bestätigt wird, mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet wurde. So konnte Carlos Westendorp beispielsweise eigenmächtig die gemeinsame Währung des Landes, die Nationalfahen sowie einheitliche Reisepässe und Autokennzeichen festlegen, was Bosnien-Herzigowina zuweilen als Protektorat der UN erscheinen ließ.[18] Auch beim Aufbau neuer politischer Institutionen und der Auslegeung strittiger Fragen des Abkommens, die den zivilen Wiederaufbau des Landes betrafen, hatte der Hohe Repräsentant das letzte Wort.[19] Einen Großteil dieser umfassenden Befugnisse kamen dem Amt zu, als 1997 die blockierende Wirkung der verschiedenen Nationalismen auf den Friedens- und Statebuildingprozess unübersehbar wurden und sich die Erkenntnis durchsetzte, letztere im Zweifel mit mehr Druck vorantreiben zu müssen.[20] Im Zuge dessen wurde der damalige Hohe Repräsentant, Carl Bildt mit den Vollmachten ausgestattet, die es seinem Nachfolger Carlos Westendorp ermöglichten, Dekrete zu erlassen wo von Seiten der Volksgruppenpolitiker keine Einigung zu erwarten war.[21] Eisermann bewertet diese Situation daher äußerst ernüchternd, wenn er schreibt: "Näher betrachtet, war diese zupackende Vorgehensweise des 'Gouverneurs' des bosnischen 'Halbprotektorats' eher ein Ausdruck der Schwäche. Von allein rührte sich zu wenig. Laufend mußte die Staatengemeinschaft den Friedensprozeß mit Geld und politschem Druck von außen anschieben."[22]
[...]
[1] Hullmann, Christian: Konsens oder Zwang. Völkerrechtliche Friedensregelungen der internationalen Gemeinschaft für Bosnien-Herzegowina und Irak, Diss., Berlin 2005, S. 140.
[2] Krech, Hans: Bewaffnete Konflikte nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes. Bd, 2: Der Bürgerkrieg in Bosnien-Herzigowina (1992-1997), Berlin 1997, S. 67.
[3] Ebd., S. 67-68.
[4] Hullmann: Konsens oder Zwang, S. 140.142.
[5] Krech, Hans: Bewaffnete Konflikte nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes, S. 68.
[6] Die Kontaktgruppe war zusammengesetzt aus Vertretern der USA, Russlands, Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und Deutschlands, vgl. Hullmann, S.144.
[7] Hullmann: Konsens oder Zwang, S. 142-143.
[8] Ebd, S. 144.
[9] Ebd, S. 145.
[10] Krech: Bewaffnete Konflikte nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes, S. 139.
[11] Eisermann, Peter: Der lange Weg nach Dayton. Die westliche Politik und der Krieg im ehemaligen Jugoslawien 1991 bis 1995. Baden-Baden 2000, S. 363.
[12] Almond, Mark: Dayton und die Neugestaltung Bosnien-Herigowinas, in: Der Jugoslawien Krieg. Handbuch zu Verlauf, Vorgeschichte und Konsequenzen, hrsg. v. Dunja Melčić, Wiesbaden 2007, S. 442.
[13] Eisermann: Der lange Weg nach Dayton, S. 363.
[14] Almond: Dayton und die Neugestaltung Bosnien-Herigowinas, S. 442.
[15] Ebd, S. 442-443.
[16] Eisermann, Peter: Der lange Weg nach Dayton, S. 376.
[17] McMahon Patrice, Western Jon: The Death of Dayton. How to Stop Bosnia From Falling Apart, in Foreign Affairs, Nr. 5, S. 73.
[18] Almond, Mark: Dayton und die Neugestaltung Bosnien-Herigowinas, S. 443-444.
[19] Eisermann, Peter: Der lange Weg nach Dayton, S. 379.
[20] Ebd, S. 391.
[21] Ebd, S. 392.
[22] Ebd, S. 392.
- Quote paper
- Johannes Konrad (Author), 2013, Das Abkommen von Dayton und seine Auswirkungen auf Bosnien-Herzegowina, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/357265
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