Samstag, 07. Februar 2015, Tivoli-Stadion, Aachen: im Spitzenspiel der Regionalliga West gewinnt Alemannia Aachen vor 30.313 Zuschauern 1:0 gegen Rot-Weiss Essen und stellt damit einen neuen landesweiten Zuschauerrekord für ein Fußballspiel der vierten Spielklasse auf. Obwohl das Chaos um den Verein wohl als eines der größten in diesem Jahrtausend in die deutsche Fußballgeschichte eingeht, scheint das Interesse an dem Klub aus dem Dreiländereck auch in der Vierten Liga weiterhin ungebrochen. Über 10.700 Zuschauer besuchten durchschnittlich die Heimspiele der Alemannia in der abgelaufenen Saison 2014/15, in der im Ligadurchschnitt lediglich knapp 2.000 Zuschauer die Partien verfolgten.
Neben diesen Einnahmen aus dem Spielbetrieb stehen professionellen Fußballklubs, gemäß den jährlichen Saisonreports der DFL und des DFB, zwei weitere relevante Erlöspotentiale zur Verfügung: Einnahmen aus Fernseh- und Hörfunkvermarktung sowie Einnahmen aus Sponsoring und Werbung. Berücksichtigt man jedoch, dass Vereine unterhalb der ersten drei Profiligen keine Erlöse aus einer medialen Verwertung erwirtschaften können , lässt sich erahnen, welche Relevanz die Zuschauereinnahmen für die saisonale Budgetplanung des Managements einnehmen.
Der Konsum eines solchen Fußballspiels ist für die Zuschauer, als Kernprodukt am Spieltag, inzwischen in eine Ansammlung verschiedenartiger Dienstleistungen eingebettet. Von der Anfahrt zum Stadion, über das Catering bis hin zur Unterhaltung in den Halbzeitpausen wird alles versucht dem Stadionbesucher das eigentliche Event am Spieltag so angenehm und interessant wie möglich zu gestalten. Vor allem die Vermarktung eines exklusiven VIP-Bereichs stellt in diesem Zusammenhang ein wesentliches Einnahmepotential für einen professionellen Fußballklub dar, denn der Aufenthalt in einem Solchen lässt sich lukrativ vermarkten. Die VIP-Gäste wollen in einer exklusiven Atmosphäre die Verbindung von Sport, Komfort und besonderem Service genießen und haben sich zu einer bedeutenden Kerngruppe unter den Zuschauern entwickelt, sodass deren Wohlbefinden und Zufriedenheit als substanzielle Determinante für die Einnahmesituation verstanden werden sollte.
Inhalt
I Abkürzungsverzeichnis
II Tabellenverzeichnis
III Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Hypothesenbildung
1.3 Inhaltliche Abgrenzung
1.4 Aufbau der Arbeit
2. Theoretischer Rahmen
2.1 Zuschauersport als Dienstleistung
2.2 Besonderheiten des Produktes Zuschauersport
2.3 Erfolgsfaktoren von Sportveranstaltungen
2.4 Der Zuschauer Businesskunde
2.5 Kundenbindung
2.5.1 Wirkungskette der Kundenbindung
2.5.2 Bedeutung und Auswirkung der Kundenbindung
2.5.3 Kundenbindung im Profifußball
2.6 Kundenzufriedenheit
2.6.1 Theoretischer Ansatz zur Entstehung von Kundenzufriedenheit
2.6.2 Bedeutung und Auswirkung der Kundenzufriedenheit
2.6.3 Kundenzufriedenheit im Profifußball
2.7 Zusammenhang Kundenbindung und Kundenzufriedenheit
3. Der Forschungsgegenstand
3.1 Alemannia Aachen
3.2 Die Spielklasse Regionalliga West
3.3 Der Tivoli
3.4 Vermarktungspartner Infront Sports & Media
3.5 Partnerebenen und Möglichkeiten des Sponsorings
4. Methodisches Vorgehen der Kundenzufriedenheitsanalyse
4.1 Messung von Kundenzufriedenheit
4.2 Das Erhebungsinstrument dieser Arbeit
4.3 Entwicklung und Aufbau des Fragebogens
4.3.1 Allgemeine Grundsätze bei der Entwicklung von Fragebögen
4.3.2 Gütekriterien
4.3.3 Aufbau des Fragebogens für Alemannia Aachen
4.4 Durchführung der Untersuchung
4.5 Vorbereitung der Datenanalyse
5. Darstellung und Interpretation der Ergebnisse
5.1 Beschreibung der Stichprobe
5.2 Aspekte der Kundenzufriedenheit
5.3 Überprüfung der Hypothesen
6. Zusammenfassung und Handlungsempfehlung
6.1 Die Rolle des sportlichen Erfolgs
6.2 Handlungsempfehlung Preis-/Leistungsverhältnis
6.3 Handlungsempfehlung Stimmung
6.4 Handlungsempfehlung Gastronomie
6.5 Handlungsempfehlung Business Bereich
6.6 Allgemeine Ansätze zur Steigerung der Kundenzufriedenheit
7. Schlussbetrachtung
IV Literatur- und Quellenverzeichnis
V Anhang
I Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
II Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Rotierte Komponentenmatrix der Faktorenanalyse
Tabelle 2: Korrelationen Gesamtzufriedenheit
Tabelle 3: Ausgaben für Fanartikel
Tabelle 4: Zusammenhang Gesamtzufriedenheit - Ausgaben für Fanartikel
Tabelle 5: Kreuztabelle Auswertung Preistoleranz
III Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die verschiedenen Dienstleistungsperspektiven
Abbildung 2: Bestandteile von Hospitality-Produkten
Abbildung 3: Vergleich des Anteils "Werbung" am Gesamtertrag
Abbildung 4: Vereinfachte Darstellung der Wirkungskette der Kundenbindung
Abbildung 5: Vergleich der Stadionauslastung in den ersten drei Profiligen
Abbildung 6: C/D-Paradigma als konzeptioneller Bezugsrahmen
Abbildung 7: Linearer Zusammenhang Kundenbindung- und zufriedenheit
Abbildung 8: Progressiver Zusammenhang Kundenbindung- und zufriedenheit
Abbildung 9: Sattelförmiger Zusammenhang Kundenbindung- und zufriedenheit
Abbildung 10: Sponsorenpyramide Alemannia Aachen
Abbildung 11: Überblick Logoeinbindung
Abbildung 12: Geschlechterverteilung der Stichprobe
Abbildung 13: Altersverteilung der Stichprobe
Abbildung 14: Beschäftigungsstand der Stichprobe
Abbildung 15: Herkunft der Befragten
Abbildung 16: Identifikation mit dem Verein
Abbildung 17: Ticketstruktur der Stichprobe
Abbildung 18: Screeplot zur grafischen Bestimmung der Faktorenzahl
Abbildung 19: Ranking der Wichtigkeit der Zufriedenheitsaspekte
Abbildung 20: Ranking der Zufriedenheitswerte
Abbildung 21: Gründe für den Stadionbesuch
Abbildung 22: Zufriedenheits-Wichtigkeits-Matrix
Abbildung 23: erster Quadrant Zufriedenheits-Wichtigkeits-Matrix
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
Samstag, 07. Februar 2015, Tivoli-Stadion, Aachen: im Spitzenspiel der Regionalliga West gewinnt Alemannia Aachen vor 30.313 Zuschauern 1:0 gegen Rot-Weiss Essen und stellt damit einen neuen landesweiten Zuschauerrekord für ein Fußballspiel der vierten Spielklasse auf.1 Obwohl das Chaos um den Verein wohl als eines der größten in diesem Jahrtausend in die deutsche Fußballgeschichte eingeht, scheint das Interesse an dem Klub aus dem Dreiländereck auch in der Vierten Liga weiterhin ungebrochen. Über 10.700 Zuschauer besuchten durchschnittlich die Heimspiele der Alemannia in der abgelaufenen Saison 2014/15, in der im Ligadurchschnitt lediglich knapp 2.000 Zuschauer die Partien verfolgten.2 Neben diesen Einnahmen aus dem Spielbetrieb stehen professionellen Fußballklubs, gemäß den jährlichen Saisonreports der DFL und des DFB, zwei weitere relevante Erlöspotentiale zur Verfügung: Einnahmen aus Fernseh- und Hörfunkvermarktung sowie Einnahmen aus Sponsoring und Werbung. Berücksichtigt man jedoch, dass Vereine unterhalb der ersten drei Profiligen keine Erlöse aus einer medialen Verwertung erwirtschaften können3, lässt sich erahnen, welche Relevanz die Zuschauereinnahmen für die saisonale Budgetplanung des Managements einnehmen.
Der Konsum eines solchen Fußballspiels ist für die Zuschauer, als Kernprodukt am Spieltag, inzwischen in eine Ansammlung verschiedenartiger Dienstleistungen eingebettet. Von der Anfahrt zum Stadion, über das Catering bis hin zur Unterhaltung in den Halbzeitpausen wird alles versucht dem Stadionbesucher das eigentliche Event am Spieltag so angenehm und interessant wie möglich zu gestalten. Vor allem die Vermarktung eines exklusiven VIP-Bereichs stellt in diesem Zusammenhang ein wesentliches Einnahmepotential für einen professionellen Fußballklub dar, denn der Aufenthalt in einem Solchen lässt sich lukrativ vermarkten.4 Die VIP-Gäste wollen in einer exklusiven Atmosphäre die Verbindung von Sport, Komfort und besonderem Service genießen und haben sich zu einer bedeutenden Kerngruppe unter den Zuschauern entwickelt, sodass deren Wohlbefinden und Zufriedenheit als substanzielle Determinante für die Einnahmesituation verstanden werden sollte.
Die Kundenzufriedenheit spielt hierbei eine zentrale Rolle, denn betrachtet man die Anbieter von Zuschauersport als Wirtschaftsunternehmen mit einer Gewinnmaximierungsabsicht, kann sie die Voraussetzung für eine lange, profitable Kundenbindung sein,5,6 die sich dann im Weiteren zunehmend positiv auf den sportlichen Erfolg auswirken kann.
1.2 Zielsetzung und Hypothesenbildung
Der Verein Alemannia Aachen befindet sich derzeit in einer Phase des Neuanfangs und muss nach zwei Abstiegen infolge und einer Insolvenz bei vielen Stakeholdern7 Vertrauen zurückgewinnen. Unzufriedene Kunden und Sponsoren könnten in diesem Zusammenhang, neben finanziellen Einbußen aus den Ticketverkäufen am Spieltag selber, bedeutende Einschnitte im gesamten Sponsoringkonzept bedeuten, da die Vermietung von Logen und Business-Seats zumeist mit anderen umfangreicheren Sponsoringengagements eng verknüpft ist.8
Für das Management eines solchen Sportvereins beschreiben Nufer und Bühler, dass betriebswirtschaftliche Kenntnisse sowohl für die Führung als Ganzes, als auch für effiziente ökonomische Entscheidungen in einzelnen Bereichen unerlässlich sind.9 Ergänzend folgert Thieme, dass Sportmanagement die spezielle Betriebswirtschaftslehre des Sports beschreibt,10 sodass Sportmanagement demgemäß auf bekannte Marketingkonzepte und Methoden der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre zurückgreift und aus der Gültigkeit dieser Beziehung gelten müsste:
Hypothese H1: Ökonomische Ansätze zur Messung der allgemeinen Kundenzufriedenheit sind ebenso geeignet, um die Kundenzufriedenheit bei Businesskunden eines Fußballvereins zu erfassen.
Ziel dieser Arbeit ist infolgedessen eine Messung der Kundenzufriedenheit anhand der Performance der Serviceleistungen am Spieltag, rund um das Kernprodukt der eigentlichen sportlichen Darbietung, unter den Businesskunden des Fußball-Regionalligisten Alemannia Aachen. Darauf aufbauend sollen Handlungsempfehlungen entwickelt werden, um Angebote zu optimieren und die Voraussetzung zu schaffen, langfristige Beziehungen zwischen Verein und Kundenstamm zu entwickeln und zu gewährleisten.
Ergänzend werden an dieser Stelle Nebenhypothesen aufgestellt, deren Bildung auf grundlegende Überlegungen allgemeiner Kundenbindungs- und zufriedenheitstheorien, sowie sporttheoretischer Eigenheiten zurückgeht (siehe Kapitel 2.2 und 2.6.2). Diese sollen empirisch untersucht und statistisch ausgewertet werden, sodass anhand dieser methodischen Operationalisierung die Verifikation der Hypothese H1 möglich und im Weiteren verlässlich und konkret bestätigt oder falsifiziert werden kann:
Nebenhypothese NH1: Die Gesamtzufriedenheit der Businesskunden am Spieltag hat einen positiven Effekt auf die Kundenloyalität bzw. die Wiederkaufrate.
Nebenhypothese NH2: Den Spielausgang bewerten die Businesskunden beim Stadionbesuch als Aspekt von größter Wichtigkeit.
Nebenhypothese NH3: Je besser die Businesskunden das gastronomische Angebot beurteilen, desto höher ist die Gesamtzufriedenheit.
Nebenhypothese NH4: Je höher sich die Businesskunden mit dem Verein identifizieren, desto höher sind deren Ausgaben für Fanartikel in einer Saison.
Nebenhypothese NH5: Je höher die Businesskunden die Gesamtzufriedenheit empfinden, desto höher ist deren Toleranz bei Preiserhöhungen.
1.3 Inhaltliche Abgrenzung
Diese Arbeit widmet sich ausschließlich der Kundenzufriedenheit unter den Mietern von Business-Seats, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit Businesskunden genannt werden. Da die Mieter der Logen (Logenkunden) ein divergentes Angebot, wie bspw. andere Räumlichkeiten, individuelle Logenausstattung oder eine persönliche Bedienung durch Servicekräfte nutzen, das nur in Teilen mit dem Angebot der Businesskunden vergleichbar ist, wurde eine Untersuchung dieses Kundenklientels hier ausgeklammert. Zudem würde eine ganzheitliche Betrachtung mitsamt der Logenkunden, ebenso wie eine allumfassende Betrachtung der Kundenzufriedenheit des gesamten Leistungsportfolios, über den inhaltlichen Rahmen einer Bachelorarbeit hinausgehen.
1.4 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit ist in sieben Kapitel gegliedert und beschreibt nach einer Einleitung, die theoretischen Grundlagen der Dienstleistung Zuschauersport und deren Besonderheiten. Ferner werden im zweiten Teil dieses Kapitels die Thematik der Kundenbindung und -zufriedenheit definiert, voneinander abgegrenzt und auf das Anwendungsgebiet des Zuschauersports übertragen. Im Anschluss folgt im dritten Kapitel eine Beschreibung des Forschungsgegenstandes Alemannia Aachen und dessen relevanter Aspekte und Gegebenheiten für diese Untersuchung. In Kapitel vier wird die methodische Vorgehensweise einer Kundenzufriedenheitsanalyse unter Beachtung allgemeiner Grundsätze erläutert. Hier werden auch der Aufbau und die Gestaltung des hier zur Anwendung gekommenen Fragebogens sowie die Durchführung der Untersuchung beschrieben. Die Darstellung und Interpretation der Ergebnisse folgt im fünften Kapitel. Es werden zunächst die soziodemographischen Faktoren in einem deskriptiven Analyseteil vorgestellt, bevor im Weiteren die Ergebnisse analytisch, mithilfe statistischer Verfahren untersucht werden. Auch die aufgeworfenen Hypothesen werden in diesem Teil überprüft und entsprechend be- oder widerlegt. Die Zusammenfassung und der Schlussteil bieten abschließend Erkenntnisse für den Verein und sollen zu dessen zukünftigen Managemententscheidungen beitragen.
2. Theoretischer Rahmen
Die wissenschaftlichen Fragestellungen dieser Arbeit beziehen sich auf den Zuschauersport und im Besonderen auf den professionellen Fußball in Deutschland. Viele Produkte des Sports, wie auch der Zuschauersport, sind Dienstleistungen oder vermitteln Dienstleistungscharakter, sodass im Folgenden zunächst auf Besonderheiten des Produktes Zuschauersport eingegangen wird. Im Weiteren werden die Erfolgsfaktoren für Sportveranstaltungen vorgestellt und die Begrifflichkeiten Kundenbindung, Kundenloyalität und Kundenzufriedenheit skizziert und methodisch voneinander abgegrenzt.
2.1 Zuschauersport als Dienstleistung
Entgegen der Sachleistung beschreibt der Begriff der Dienstleistung ein Gut immaterieller Art.11 Meffert, Bruhn und Hadwich unterscheiden den Dienstleistungsbegriff dahingehend innerhalb vier verschiedener Definitionsansätze, gemäß ihrer konstitutiven Merkmale, in einen tätigkeitsorientierten, prozessorientierten, ergebnisorientierten und potenzialorientierten Ansatz.12
Innerhalb der tätigkeitsorientierten Betrachtungsweise wird die Dienstleistung als jede menschliche Verrichtung verstanden, die im Dienste eigener und/oder anderer Interessen erbracht wird. Diese Definition ist sehr weit gefasst und bietet demnach nur geringe Möglichkeiten dienstleistungsmarketingspezifische Besonderheiten herauszustellen.13 Der Grundgedanke der prozessorientierten Perspektive ist schon differenzierter und beinhaltet die eigentliche Leistungserstellung von Dienstleistungen. Eine Dienstleistung stellt vielfach einen eigenen Prozess dar und wird um ihrer selbst willen nachgefragt, d.h. der Kunde erwirbt genau diese Leistung bzw. die Teilnahme an dem Prozess. Der Leistungsprozess kann erst erfolgen, wenn der Dienstleistungsnachfrager einen externen Faktor in den Leistungserstellungsprozess mit einbringt. Dieser kann sowohl personen- als auch objektbezogen sein.14 Typische Beispiele sind der Besuch beim Friseur oder die Unterstützung durch Nachhilfeunterricht. Bei dieser Herangehensweise ist insbesondere das „Uno-Actu-Prinzip“ hervorzuheben. Produktion und Absatz der Leistung finden demnach gleichzeitig statt, sodass bei einer Dienstleistung in der Regel auch keine Lagerfähigkeit möglich ist.15
Die ergebnisorientierte Perspektive greift den prozessorientierten Ansatz weiter auf, erachtet aber nur das Prozessergebnis als marktfähig und Nutzen stiftend.16 Der Kunde nutzt das produzierte Endergebnis, wobei keine Rolle spielt, ob dieses immaterielle oder materielle Komponenten erhält.17 Beispiele hierfür sind die Personenbeförderung durch ein Taxi (immateriell) oder das Schneidern eines Maßanzuges (materiell).
Die potenzialorientierte Perspektive umfasst alle Leistungsvoraussetzungen, die zur Erbringung einer Dienstleistung erforderlich sind (interne Faktoren). Dabei handelt es sich sowohl um die Fähigkeit als auch um die Bereitschaft eines Anbieters, eine Dienstleistung zu erbringen. Zu diesen Voraussetzungen können sowohl psychische als auch geistige oder physische Fähigkeiten gezählt werden. Zudem können auch Sachmittel zum Potenzial einer Dienstleistung gehören. Als Beispiele können allgemein die Gestaltung von Öffnungszeiten, die Ausstattung eines Fitnessstudios oder die finanziellen Mittel einer Bank hervorgebracht werden.18
Unter Einbeziehung aller vier bzw. drei Betrachtungsweisen lässt sich folgende Definition ableiten, die als Grundlage dieser Arbeit dienen soll:
„Dienstleistungen sind selbstständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten verbunden sind (Potenzialorientierung). Interne und externe Faktoren werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert (Prozessorientierung). Die Faktorenkombination des Dienstleistungsanbieters wird mit dem Ziel eingesetzt, an den externen Faktoren, an Menschen und deren Objekten nutzenstiftende Wirkungen zu erzielen (Ergebnisorientierung).“19
Abbildung 1 veranschaulicht die verschiedenen Perspektiven dieser Definition.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die verschiedenen Dienstleistungsperspektiven (eigene Darstellung)
Adaptiert man die erarbeitete Begriffsbestimmung auf das Geschäftsmodell eines professionellen Fußballvereins20 wird deutlich, dass bei der Durchführung von Fußballspielen elementare Wesensmerkmale von Dienstleistungen übereinstimmend erfüllt werden.
Zum einen ist der Konsum eines Fußballspiels für den Zuschauer ein immaterielles Gut, welches keine Besitz- oder Eigentumsveränderungen nach sich zieht. Zum anderen sind Produktion und Konsum, im Gegensatz zu Sachleistungen, zumindest bei Livespielen, unteilbar und unterliegen dem „Uno-Actu-Prinzip“. Darüber hinaus stellt der Verein interne Produktionsfaktoren wie die Spielstätte oder auch die Spieler zur Verfügung, demgegenüber die Zuschauer externe Produktionsfaktoren in die Leistungserstellung mit einbringen. Die Zuschauer treten in Interaktion mit den Spielern durch Anfeuerung und Rufe und haben damit zumindest mittelbar Einfluss auf das Spielgeschehen. Weiterführende kennzeichnende Merkmale der Dienstleistung „Fußball“ finden sich in Zeltinger (2004), S.34 bis 37.
2.2 Besonderheiten des Produktes Zuschauersport
Der Zuschauersport zeichnet sich durch einen Produktmix verschiedener Dienstleistungen aus und beinhaltet neben dem Kernprodukt, der eigentlichen sportlichen Leistung, weitere Einzelleistungen wie beispielsweise das Rahmenprogram, die Gastronomie oder das Merchandising.21 Darüber hinaus ist der Zuschauersport dadurch gekennzeichnet, dass besondere marktwirtschaftliche Gegebenheiten vorherrschen, die konträr zu gewöhnlichen Wirtschaftsunternehmen zu bewerten sind, sodass im Folgenden vier charakteristische Merkmale des Zuschauersports vorgestellt werden sollen:
Es ist bekannt, dass Sportler und Sportvereine um die höchsten Punktwerte oder schnellsten Zeiten zueinander konkurrieren und versuchen ihre Kontrahenten im Wettkampf hinter sich zu lassen. Allerdings kann kein solcher Anbieter ein Produkt „sportlicher Wettkampf“ isoliert, d.h. alleine anbieten. Es bedarf einer Gemeinschaftsproduktion mehrerer Sportler bzw. Mannschaften einen einzelnen Wettkampf oder gar eine Serie von Wettkämpfen (Liga) herzustellen und diese auszurichten („coopetition“)22. Dies führt gemäß Freyer zu „[…] spezifischen Verhaltensweisen der Marktteilnehmer auf Sportmärkten. Konkurrenzverhalten ist notwendig, […]. Doch auch Kooperation ist erforderlich, um die Attraktivität z.B. der Liga, aufrechtzuhalten.“23 Monopolartige Marktkonstellationen, die in der freien Marktwirtschaft für viele Unternehmen erstrebenswert sein könnten, sind im Sport demzufolge eher nicht zielführend.
Eine weitere Besonderheit des Zuschauersports liegt in der Unsicherheit des Ergebnisses. Der Ausgang eines Wettkampfes ist, unabhängig vorheriger Resultate, kaum vorherzusehen und im Voraus für den Nachfrager nicht qualitativ zu bewerten.24 Die Nachfrager sind sich bewusst, durch den Kauf einer Eintrittskarte keine Garantie für eine hochklassige oder erfolgreiche sportliche Darbietung zu erwerben. Sowohl Anbieter als auch Nachfrager haben nur geringen Einfluss auf das Ergebnis und die Qualität des Kernproduktes „sportlicher Wettkampf“, sodass sich der Zuschauersport demnach allgemein durch eine hohe Qualitätsunsicherheit auszeichnet.25
Ferner ist die besondere emotionale Verbindung der Nachfrager zu den Sportlern und Sportunternehmen herauszustellen. Es gibt kaum andere Produkte, die es verstehen, derart starke Emotionen und eine entsprechend hohe vernunftwidrige Verbundenheit zu erzeugen.26 Denn häufig werden Konsumprodukte aus rationalen Gründen, wie beispielsweise einem guten Preis-/Leistungsverhältnis, konsumiert und unterstehen schnell der Versuchung von anderen, ähnlichen Produkten ersetzt zu werden.
Abschließend unterliegt die Qualitätsbewertung subjektiven Empfindungen und Beurteilungen. Jeder Zuschauer entscheidet individuell, ob er mit der dargebotenen Leistung zufrieden oder unzufrieden war bzw. ob und in welchem Umfang ihm Nutzen gestiftet wurde. Die Gründe für den Besuch einer Sportveranstaltung sind vielschichtig, sodass ein Besuch im Stadion auch durch andere Freizeitangebote ausgetauscht werden könnte. Argumente wie Unterhaltung oder der Genuss sozialer Kontakte könnten ebenso durch einen Besuch im Kino oder einer Bar befriedigt werden, sodass das Interesse der Nachfrager immer eine freiwillige Bindung für den Sport voraussetzt.27
2.3 Erfolgsfaktoren von Sportveranstaltungen
Die zentrale Rolle der Nachfrager ist im Zuschauersport unumstritten. Büch, Maennig und Schulke beschreiben im Hinblick dessen, dass es ohne Mitwirkung der Zuschauer kaum wirtschaftlich erfolgreiche Sportveranstaltungen geben kann. Die Wertschöpfungskette des Sportes sei ohne Zuschauer nicht belastbar.28 Lucerna führt diesen Gedanken weiter und bezeichnet die Zuschauer gar als den „zwölften Mann“, der für den sportlichen Erfolg mitverantwortlich ist,29 sodass aufgrund dieser Relevanz des Zuschauers eine Vielzahl von Einflussgrößen über den Erfolg oder Misserfolg einer Sportveranstaltung entscheidet.
So unterscheidet Riedmüller neben Ausstrahlungseffekten, die sich aus der jeweiligen Konstellation eines sportlichen Vergleichs innerhalb einer übergeordneten Wettkampfserie ergeben, den aktuellen Stellenwert der Sportart in der Gesellschaft, sowie sportexterne Faktoren wie beispielsweise die Konjunktur oder das Wetter.30 Ferner nennt er messbare Erfolgsfaktoren von Veranstaltungen wie die absolute Zuschauerzahl, deren Auslastungsquote in Abhängigkeit zur Kapazität des Veranstaltungsortes oder die Kundenbindungsrate.
Andere Autoren klassifizieren die Faktoren welche zu einem erfolgreichen Event führen gemäß Riedmüller wiederum ein in31:
- Ökonomische Faktoren (z.B. Einkommen, Eintrittspreis, Anfahrtskosten…)
- Soziodemographische Faktoren (z.B. Einzugsgebiet des Veranstaltungsortes)
- Qualitätsfaktoren (z.B. Platzierung der Spieler / Mannschaften)
- Residualgrößen (z.B. Kapazität des Stadions).
Tomlinson, Buttle und Moores haben nach einer Untersuchung von Basketball-, Baseball- und Footballspielen eine weitere Klassifizierung der Erfolgsdeterminanten vorgeschlagen. Sie unterscheiden insgesamt 34 Faktoren in drei Kategorien. Als „Front-Room Faktoren“ wurden die Faktoren kategorisiert, die direkt während des Events für eine besondere Zufriedenheit der Zuschauer sorgen (z.B. das Catering, der Aufbau des Rahmenprogramms oder die Sauberkeit der Spielstätte). Diese können demnach vom Management aktiv gesteuert werden.
Die zweite Kategorie der „Back-Room Faktoren“ beinhaltet jene Kriterien, die zwar vom Veranstalter zu beeinflussen sind, aber mit der Sportveranstaltung nicht in einer unmittelbaren Verbindung stehen (z.B. die baulichen Verhältnisse der Stadien oder der Zeitpunkt des Spiels). Die dritte Gruppe, die „Circumstantials“ bilden unkontrollierbare Umstände (z.B. das Wetter oder die Leistung des eigenen Teams). Aus den Untersuchungen der Autoren resultiert, dass die Front-Room Faktoren die größte Wirkung auf die Zufriedenheit und die Zuschauerzahl hätten. Sie gehen weiter davon aus, dass nach den Back-Room Faktoren die Circumstantials den geringsten Einfluss hätten.32
Demnach sei die Leistung des eigenen Teams zum Beispiel von geringerer Wichtigkeit als die Sauberkeit des Stadions oder das Angebot der Gastronomie, sodass es scheint, dass es insbesondere durch die gezielte Steuerung der Front-Room Faktoren möglich sei, Zuschauer zu motivieren Sportveranstaltungen live zu konsumieren.
2.4 Der Zuschauer Businesskunde
Bei gesellschaftlichen, kulturellen und sportlichen Anlässen zählte ein Teil der Zuschauer schon immer zur besonderen Gruppe der wichtigen Gäste, mittlerweile als „Very Important Persons (VIP)“ bezeichnet. Dies hat sich bis heute kaum verändert, sodass „Hospitality“33 auch aktuell als wichtiger Bestandteil von Sportveranstaltungen anzusehen ist und vor allem medienattraktive Sportarten mit dieser Form des Angebotes beträchtliche Gewinne erzielen können.34 Die wirtschaftliche Bedeutung der Zuschauereinnahmen im Einnahme-Mix professioneller Fußballklubs beträgt in Deutschland etwa 20 Prozent.35 Nur sechs Prozent dieser Zuschauerplätze in den Stadien der Fußball-Bundesligen entfallen dabei auf Business-Seats oder Logenplätze; sie erwirtschaften jedoch rund 50 Prozent der Zuschauereinnahmen.36
Hospitalityprodukte werden in Abgrenzung zum konventionellen Stadionbesuch in Verbindung mit weitreichenden Leistungen angeboten. Der gesonderte Einlass zu einem Event, ein hochwertiges Catering sowie eine optimale Sicht auf den sportlichen Wettkampf stellen meist zentrale Bestandteile dar37. Weitere mögliche Leistungsbestandteile beschreibt Abbildung 2:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Bestandteile von Hospitality-Produkten
(in Anlehnung an: Marketing im Sport (2013), Digel/Fahrner S.209)
Businesskunden nutzen Hospitalityprodukte häufig als Marketinginstrument für externe Beziehungen, also zur Kundenbindung bzw. zur Kundenakquise und laden Kunden und Entscheidungsträger ein, um in angenehmer Atmosphäre Gespräche über geschäftlich relevante Themen zu führen. Weiterhin kann ein Besuch einer Sportveranstaltung komplizierte Kommunikation auflockern und im Rahmen geschäftlicher Kontakte willkommene Abwechslung bieten. Zudem werden Hospitalityangebote gerne zur Mitarbeitermotivation eingesetzt oder dazu genutzt, im Kreis anderer interessanter Businesskunden zu netzwerken und nutzenstiftende Beziehungen aufzubauen. Schließlich sind Businesskunden häufig selber Anhänger bestimmter Sportler oder Mannschaften und wollen persönliche Interessen abseits von Stehplätzen auf der Tribüne oder Bratwurst in der Halbzeitpause befriedigen.38 Zumeist haben Sponsoren außerdem in ihren vertraglichen Sponsoringvereinbarungen Hospitalityleistungen inkludiert, welchen somit die Möglichkeit eingeräumt wird, eigene Gäste einzuladen und zu betreuen.39 Vergegenwärtigt man sich dahingehend den Anteil der Werbung am Gesamtertrag innerhalb der ersten drei deutschen Fußballligen, lässt sich erahnen, welche Bedeutung dem Hospitality mittlerweile zugeschrieben werden kann. (Abbildung 3)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Vergleich des Anteils "Werbung" am Gesamtertrag
(eigene Darstellung in Anlehnung der Saisonreports 13/14 von DFL und DFB)
Bei den Hospitalityprodukten sind die Unternehmenslogen und die Business-Seats voneinander zu unterscheiden. Während Business-Seats gepolsterte Sitzplätze mit Armlehnen und größerem Reihenabstand beschreiben, können die Logen, als eigenständig abgegrenzte Räumlichkeiten, im Corporate Design40 des Unternehmens gestaltet werden. Sie sind auf einer exklusiven Ebene des Stadions untergebracht und ihnen sind Business-Seats mit bester Sicht auf das Spielfeld vorgelagert. Zudem sind sie zusätzlich mit eigenen Flachbildfernsehern, eigenen Bars etc. ausgestattet. Im Gegensatz zu den Businesskunden können die Logenkunden wählen, ob sie das Catering in der Loge oder im Businessbereich des Stadions einnehmen möchten. Businesskunden haben die Möglichkeit, das Cateringangebot im Loungebereich des Stadions zu nutzen und haben dort reservierte Plätze abseits der Logenkunden.41
Häufig sind die verschiedenen Hospitalityprodukte verknüpft mit werblichen Präsenzen. So werden Business- und Logenkunden zumeist im Rahmen von Gemeinschafts- und Sammeldarstellungen in den verschiedenen Vereinsmedien geführt oder dürfen selbst nach außen mit der bestehenden Partnerschaft werben.42
2.5 Kundenbindung
Fälschlicherweise wird der Begriff der Kundenbindung häufig mit Termini wie Kundenzufriedenheit oder Kundenloyalität gleichgesetzt. Der Grundgedanke der Kundenbindung besteht jedoch zunächst generell in der Geschäftsbeziehung zwischen einem Anbieter und einem Kunden. Bruhn definiert dahingehend in Anlehnung an Diller, Meyer/Oevermann:
„Kundenbindung umfasst sämtliche Maßnahmen eines Unternehmens, die darauf abzielen, sowohl das tatsächliche Verhalten als auch Verhaltensabsichten eines Kunden gegenüber einem Anbieter oder dessen Leistungen positiv zu gestalten, um die Beziehung zu diesem Kunden für die Zukunft zu stabilisieren bzw. auszuweiten.“43
Daraus abgeleitet lässt sich erkennen, dass sowohl in eine nachfrager- (der Kunde bindet sich an einen Anbieter) als auch in eine anbieterbezogene Sicht der Kundenbindung (der Kunde soll gebunden werden) zu unterscheiden ist und das mehrere Faktoren innerhalb dieser Definition herauszuarbeiten sind.44
Zum einen liegt der Fokus auf der Gestaltung bestehender Geschäftsverbindungen mit aktuellen Kunden. Zum anderen beschreibt Bruhn einen Managementprozess, welcher die Kundenbindung analysiert, plant, realisiert und abschließend kontrolliert. Ferner steht im Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit die Langfristigkeit, welche vor allem künftige Geschäftsabschlüsse realisieren soll und den ganzheitlichen Kundenwert betrachtet. Diese sollen schlussendlich ausgebaut, vorangetrieben und auf verschiedenen Ebenen miteinander verknüpft werden.45 In diesem Kontext ist anzumerken, dass allgemein davon ausgegangen wird, dass Kundenbindung sowohl den Aspekt tatsächlichen Verhaltens der Konsumenten (Wiederkauf, Zusatzkauf, Weiterempfehlung), als auch nur die Verhaltensabsicht derer widerspiegelt.46
Die Ursachen und das Ausmaß der Kundenbindung unterscheiden Meyer/Oevermann in diesem Zusammenhang innerhalb fünf verschiedener Faktoren47:
- psychologische Faktoren
- situative Faktoren
- rechtliche Faktoren
- ökonomische Faktoren
- technologische Faktoren.
Während die psychologische Bindung von persönlichen Beziehungen und Gewohnheiten des Kunden wie etwa der Kundenzufriedenheit ausgehen, beschreiben die situativen Faktoren äußere Umstände wie die Marktsituation oder die günstige Erreichbarkeit des Geschäftes für den Kunden unmittelbar um die Ecke. Die rechtlichen Faktoren beziehen sich auf vertragliche Bindungen wie sie beispielsweise im Geschäftsmodell des Bertelsmann Buchclubs zu finden waren. Die ökonomische Bindung besteht für den Kunden, wenn die Beendigung einer Geschäftsbeziehung zu finanziellen Nachteilen führt. Dementsprechend verhindern hohe Wechselkosten oder bereits getätigte Investitionen die Abwanderung. So werden Besitzer einer Bahnkarte vermutlich mindestens so viele Bahnfahrten tätigen, bis sich die Anschaffung dieser auch rentiert. Abschließend spricht man von technologischer Bindung, sobald technische Abhängigkeiten in Form fehlender branchenweiter Standardisierung entstehen. Individuelle Computerschnittstellen wie Apples Lightning-Anschluss oder Bohrmaschinen, für die einzig bestimmte Bohrer notwendig sind, können als Beispiele für diese Art der Kundenbindung aufgeführt werden.
Für die verschiedenen Maßnahmen zur Kundenbindung empfehlen Meyer/Oevermann ferner die Unterscheidung in leistungsprogramm- und leistungsbezogene (Kern- bzw. Zusatzleistungen), kontrahierungspolitische (Treue- und Mengenrabatte, finanzielle Anreize, Finanzierungshilfen, Preisdifferenzierung) sowie kommunikationsgerichtete (Kundenzeitschriften, Direktmarketing, Persönliche Nachkaufkommunikation) Kundenbindungsaktivitäten.48 Das Ziel dieser Kundenbindungsinstrumente ist es, den „Erstkäufer“ überhaupt erst zum „Kunden“ zu entwickeln und den Prozess des Aufbaus einer längerfristigen Beziehung nachhaltig zu unterstützen.
2.5.1 Wirkungskette der Kundenbindung
Die Entstehung der Kundenbindung besteht für Bruhn in fünf Phasen.49 In der ersten Phase wird durch den Kauf eines Produktes oder den Konsum einer Dienstleistung der erste Kontakt mit dem Kunden hergestellt. Der Kunde bewertet daraufhin in der zweiten Phase diese Inanspruchnahme und bildet sich sein persönliches Zufriedenheitsurteil. Erfolgt eine Bestätigung der vorher bestehenden Erwartungen oder wurden sie sogar übertroffen, kann Kundenloyalität entstehen. Es wird ein Vertrauensverhältnis zum Anbieter aufgebaut, sodass die Wechselbereitschaft zu anderen Konkurrenzprodukten sinkt und sich in einer nächsten Konsumsituation erneut für den Anbieter entschieden wird. Sollte der Kunde Wiederkauf-, Cross Buying50 - oder Weiterempfehlungsverhalten zeigen, ist in der vierten Phase der Übergang zur Kundenbindung beschritten, aufgrund dessen sich ökonomischer Erfolg mit dem Abschluss der Wirkungskette einstellt. Der gesamte Ablauf der Wirkungskette wird zusätzlich beeinflusst durch interne bzw. externe Faktoren. Diese können sich extern, beispielsweise durch die Dynamik und Komplexität des jeweiligen Marktes oder die vorhandene Anzahl an Alternativen am Markt äußern. Interne Faktoren beschreiben dagegen die eigene Leistung des Produktes bzw. der Dienstleistung oder die Motivation und Serviceorientierung der eigenen Mitarbeiter.51 (Abbildung 4)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Vereinfachte Darstellung der Wirkungskette der Kundenbindung
(in Anlehnung an: Handbuch Kundenbindungsmanagement (1999) Bruhn/ Homburg, S.10)
2.5.2 Bedeutung und Auswirkung der Kundenbindung
Der Kunde ist aufgrund des hohen Wettbewerbs- und Kostendrucks zuletzt immer mehr in den Vordergrund der Betrachtung vieler Unternehmen gerückt. Vor dem Hintergrund stagnierender Märkte, dem damit einhergehenden Verdrängungswettbewerb und der zunehmenden Austauschbarkeit von Produkten und Dienstleistungen scheint es zunehmend wirtschaftlicher, bestehende Altkunden zu binden, statt fremde Märkte aufwendig zu identifizieren und Neukunden zu akquirieren.52 Das Konstrukt der Kundenbindung ist dabei Ausdruck einer mehr oder weniger ausgeprägten Abhängigkeit gegenüber dem Anbieter.53 So gibt es Kunden, die nur einmalig konsumieren und bei denen keine Verbundeffekte für künftige Kaufentscheidungen zu erwarten sind („Transaction Buying“). Andere Kunden zeigen hingegen ein konkretes Bindungsverhalten in Bezug auf künftige Kaufentscheidungen, bei dem bereits erlebte Erfahrungen und bestimmte Erwartungen gegenwärtige Kaufentscheidungen mitprägen („Relationship Buying“).54 Diese Verbindung veranlasst den Kunden zu Wiederholungskäufen. Die Stärke der Kundenbindung hängt von verschiedenen Austrittsbarrieren ab. Entweder hat der Kunde ein Eigeninteresse am Wiederkauf, weil es für ihn vorteilhaft ist (z.B. in Form von gewährten Rabatten, Vergünstigungen etc.). Oder er sieht sich aus zweckgebundenen Gründen veranlasst, die Transaktionen mit dem Anbieter weiter durchzuführen, indem beispielsweise räumliche Gegebenheiten den Kunden zwingen auf ein regionales Unternehmen zurückzugreifen, bestimmte Prozesse und Anlagen auf den Anbieter angepasst wurden oder der Kunde seine gesamten Kapazitäten ausschließlich auf die Zusammenarbeit mit einem bestimmten Unternehmen ausgelegt hat.55
Für den Anbieter kann, bei einer zu stark auf einen bestimmten Kundenkreis fokussierten Unternehmensstrategie, die Gefahr bestehen, dass neue Marktentwicklungen und damit einhergehende Entwicklungen zu spät oder gar nicht erkannt werden. Aufgrund eines sehr intensiven Informationsaustausches mit den Kunden ist es denkbar, dass diese versuchen die Entscheidungen der Anbieter zu beeinflussen und letztlich sogar mitzubestimmen.56 Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass die Neukundenakquisition nie völlig vernachlässigt wird. Wird der Fokus zu sehr auf die Bindung bestehender Geschäftskontakte gelegt, kann sich der Kundenstamm nie wirklich erhöhen und Gewinne werden stagnieren. Es muss also neben Maßnahmen zur Kundenbindung auch aktive Neukundengewinnung betrieben werden, um einseitige Kundenstrukturen zu vermeiden und ein ausgewogenes Kundenportfolio zu erreichen.57
Zuletzt ist darauf zu achten, dass sich bestehende Kunden nicht durch differenzierte Kundenbindungsmaßnahmen ungerecht behandelt fühlen. Werden Kunden anhand ihrer ökonomischen Wertigkeit bewusst kategorisiert und entsprechend bevorteilt, kann dies zur Abwanderung unzufriedener, benachteiligter Kunden führen, sodass sich Kundenbindungsmaßnahmen durchaus als Chance für Unternehmen eignen.58 Jedoch ist darauf zu achten, grundlegende Instrumente und Schritte im Voraus deutlich abzuwägen und entsprechend sensibel einzusetzen. Nicht richtig angewandte Maßnahmen können nämlich auch schnell zum Verlust von bestehenden Kunden führen.
2.5.3 Kundenbindung im Profifußball
Aufgrund seiner Emotionalität hat das Management eines professionellen Fußballunternehmens einen entscheidenden Vorteil bei der Vermarktung des Produktes „Fußball“ gegenüber konventionellen Produkten und Dienstleistungen. Der Kauf von Eintrittskarten oder Merchandisingprodukten ist für Fans zumeist keine Überlegung wert, sondern vielmehr eine Selbstverständlichkeit. Auch freiwillige Unterstützung und Spenden bei finanziellen Engpässen von Fußballvereinen wären außerhalb des Fußballsports bei Unternehmen der freien Wirtschaft undenkbar. Betrachtet man die Auslastung der Stadien der ersten drei Profiligen wird diese Annahme bestätigt. Vor allem in der ersten Bundesliga beträgt die Zuschauerauslastung seit Jahren über 90 Prozent (Abbildung 5) und selbst in der Dritten Liga gibt es Vereine die es verstehen, entsprechende Auslastungen und Zuschauerzahlen zu erreichen (Bsp. Dynamo Dresden Saison 14/15: Auslastungsquote 76,97 Prozent bei einem Durchschnitt von 22.748 Zuschauern pro Heimspiel).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Vergleich der Stadionauslastung in den ersten drei Fußballligen
(eigene Darstellung)
Viele Vereine haben sich in den letzten Jahren weiterentwickelt und verstanden, dass eine sinnvolle Kombination verschiedener Kundenbindungsinstrumente wirtschaftlichen Erfolg initiiert. Sie setzen dabei auf unterschiedlichste Maßnahmen und versuchen, das eigentliche Kernprodukt zu individualisieren. So wird Anhängern die Chance gegeben, bei Fragen zum Design der Spielkleidung mitzubestimmen, „Follower“ werden weitreichend im Zuge des Online-Marketings auf sozialen Plattformen wie Facebook und Twitter auf kommende Spiele vorbereitet oder Fans erhalten die Möglichkeit von Preisrabatten zu profitieren, wenn gleich zu Beginn der Saison eine Dauerkarte für alle Heimspiele erstanden wird. Wartezeiten für Solche erstrecken sich dann, teilweise über mehrere Jahre hinweg und häufig werden die begehrten Stammplätze nur noch innerhalb des Familien- und Freundeskreises weitervererbt.
Auch Firmenkunden erhalten immer neue Möglichkeiten, sich im Rahmen des Spieltages zu präsentieren, sodass das Management von Fußballklubs fortwährend nach neuen Werbeflächen sucht und Möglichkeiten eruiert, weitere Sponsorendarstellungen am Spieltag zu ermöglichen. Wöchentlich werden Business-Newsletter versandt, welche über neue Angebote informieren. Professionelle Key-Account-Manager, die jederzeit eine bedarfsgerechte Betreuung der einzelnen Partner gewährleisten sind in den Vermarktungsagenturen und Sponsoringabteilungen der Vereine mittlerweile zum Standard geworden,59 sodass in der Gesamtheit davon ausgegangen werden kann, dass im professionellen Fußballsport allgemein eine hohe Kundenbindung vorzufinden ist.
[...]
1 kicker.de, 2015
2 fupa.net, 2015
3 rp-online.de, 2014
4 Vgl. Bsp. FC Schalke 04 in Finanzierung von Fußballstadien (2001), NORD/LB Volkswirtschaft, S.30
5 Vgl. „Erfolgskette des Qualitätsmanagements für Dienstleistungen“ in Qualitätsmanagement für Dienstleistungen (2013), Bruhn, S.13
6 Rosenstiel/Neumann in Handbuch der Kundenzufriedenheit (2005), Künzel, S.23ff
7 Der Begriff Stakeholder bezeichnet alle „Koalitionspartner und Anspruchsnehmer (beispielsweise Anteilseigner, Kunden, Banken, Sponsoren, Staat), deren Interesse das Unternehmen berücksichtigen muss. […]“ Lexikon der Betriebswirtschaft (2011), Schneck, S.924
8 Interview mit Jens Bachmann vom 21.12.2015
9 Management im Sport (2012), Nufer/Bühler, S.30f
10 Zur Konstitution des Sportmanagements als Betriebswirtschaftslehre des Sports (2011), Thieme, S.56
11 Lexikon der Betriebswirtschaft (2011), Schneck, S.240
12 Dienstleistungsmarketing (2015), Meffert/Bruhn/Hadwich, S.12f
13 Gegenstand und Besonderheiten des Dienstleistungsmarketing in Wirtschaftspolitische Blätter 3/2006, Bruhn, S.250
14 Dienstleistungsmanagement (2015), Haller, S.12
15 Ebenda, S.9f
16 Dienstleistungsmarketing (2015), Meffert/Bruhn/Hadwich, S.13
17 Dienstleistungsmanagement (2015), Haller, S.13
18 Ebenda, S.11f
19 Dienstleistungsmarketing (2015), Meffert/Bruhn/Hadwich, S.14
20 Nach Fritz besteht das Geschäftsmodell eines Fußballunternehmens in der Teilnahme an sportlichen Wettbewerben, der damit verbundenen Durchführung von Fußballspielen sowie der Vermarktung der sich aus diesen Spielen ergebenden Rechte. Vgl. Fußball und Strategie (2006), Fritz, S.24
21 Management-Handbuch Sportmarketing (2001), Riedmüller, S.273
22 „coopetition“ = ein zusammengesetztes Kunstwort aus cooperation (Kooperation) und competition (Wettbewerb) aus Sport-Marketing (2011), Freyer, S.96
23 Ebenda
24 Ökonomie des Profifußballs (2001), Kohl, S. 35f
25 Sport-Marketing (2011), Freyer, S.87
26 Kundenbindung im Zuschauersport (2012), Berlin, S.16
27 Ebenda, S.16f
28 Der Sportzuschauer als Konsument (2006), Büch/Maennig/Schulke, S.3
29 Vermarktung von Sportereignissen (1997), Lucerna, S.224
30 Management-Handbuch Sportmarketing (2001), Riedmüller, S.274f
31 Ebenda, S.276
32 nach Tomilson/ Buttle/ Moores in Management-Handbuch Sportmarketing (2001), Riedmüller, S.276
33 Der dem Englischen entlehnte Begriff „Hospitality“ bedeutet übersetzt Gastfreundschaft und wird im Marketing als eigenständiges Produkt mit der Einladung und Bewirtung von betriebswirtschaftlich wichtigen Kunden bezeichnet
34 Hospitality Marketing im Sport, Digel/Fahrner in Marketing im Sport (2013), S.208
35 Vgl. DFL Bundesligareport 2014/15, S.8 und DFB Saisonreport 3. Liga, S.46
36 welt.de, 2012
37 Hospitality Marketing im Sport, Digel/Fahrner in Marketing im Sport (2013), S.209
38 Hospitality Marketing im Sport, Digel/Fahrner in Marketing im Sport (2013), S.216f
39 Interview mit Jens Bachmann vom 21.12.2015
40 Der Begriff Corporate Design bezeichnet die „unverwechselbare Gestaltung der Elemente die zum Erscheinungsbild des Unternehmens gehören z.B. der Firmenname bzw. das Firmenzeichen, die Firmenfarben oder das Unternehmens- und Produkt-Design […]“ Lexikon der Betriebswirtschaft (2011), Schneck, S.213
41 Interview mit Jens Bachmann vom 21.12.2015
42 Ebenda
43 Kundenorientierung (2007), Bruhn, S. 113
44 Ebenda. S.112f
45 Ebenda. S113
46 Ebenda. S.111f
47 Handwörterbuch des Marketing (1995), Tietz, Köhler, Zentes, S. 1342
48 Ebenda, S.1347
49 Handbuch Kundenbindungsmanagement (1999), Bruhn/Homburg, S.10
50 Der Begriff Cross Buying bezeichnet „Zusatz- oder Folgekäufe, die ein Kunde bei demselben Unternehmen tätigt. War der Kunde mit einem Produkt oder einer Dienstleistung zufrieden, wird er es in Erwägung ziehen, weitere Produkte aus dem Leistungsprogramm der Firma zu kaufen. […]“ Lexikon der Betriebswirtschaft (2011), Schneck, S.216
51 Ebenda
52 nach Heribert Meffert in Handbuch Kundenbindungsmanagement (1999), Bruhn/Homburg, S.117
53 Handbuch Kundenbindungsmanagement (1999), Bruhn/Homburg, S.67
54 Ebenda
55 Handbuch Kundenbindungsmanagement (1999), Bruhn/Homburg, S.79
56 Kundenbindung als Kernaufgabe im Marketing (2000), Dittrich, S.17
57 Ebenda, S.20
58 Ebenda, S.18f
59 Kundenbindungsinstrumente im deutschen Profifußball (2004), Bieling/Eschweiler/Hardenacke, S.190
- Quote paper
- Patrick Oligschläger (Author), 2016, Kundenzufriedenheit im Zuschauersport. Eine empirische Untersuchung der Businesskunden des Fußball-Regionalligisten Alemannia Aachen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/356858
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