Im August diesen Jahres erschienen in verschiedenen Medien Berichte uber
einen Mordfall in Grosbritannien, bei dem ein 14-jahriger Junge mit einem
Hammer getotet wurde. Da der Tater ebenfalls noch ein Jugendlicher und gerade
einmal drei Jahre alter als sein Opfer war, kam bald die Frage nach dem Beweggrund
fur diese Tat auf. Schnell war in diesem Zusammenhang der vermeintliche
und alleinige Schuldige gefunden: das Computerspiel „Manhunt“, von dem der
17-Jahrige angeblich nahezu „besessen“ gewesen sein soll (vgl. ausfuhrlicher zu
Manhunt und seiner besonderen Problematik Rotzer 2003h, Willmann 2004 sowie
Rotzer 2004).
An diesem Beispiel lasst sich eine haufig geauserte Sicht in Bezug auf Computerspiele,
insbesondere jene mit gewalttatigen Inhalten, und ihre Auswirkungen
auf die vor allem jugendlichen Nutzer rekonstruieren: Sie werden zumeist misstrauisch
betrachtet und als Gefahrdungen angesehen. So sollen sie im schlimmsten
Fall die Ursache und das Modell fur Gewalthandlungen und aggressives Verhalten
in der Realitat sein, aber doch zumindest beinahe alle anderen Freizeitbeschaftigungen
verdrangen und zur sozialen Isolation der Spieler fuhren. Vereinfacht und
provokant formuliert lasst sich somit sagen, dass Computerspielen unterstellt wird
nahezu alles zu konnen, jedoch keinesfalls einen positiven Nutzen zu besitzen.
Dem soll in dieser Arbeit ein ganzlich anderes Bild entgegen gestellt werden.
Gemas der bereits im Titel geauserten These, soll es das Ziel sein, zu einem neuen
Verstandnis von Computerspielen in der Lebenswelt der Jugendlichen1 zu gelangen,
indem sie als Erlebnis- und Inszenierungsraume in der Virtualitat
verstanden werden. Es soll versucht werden aufzuzeigen, dass viele der
Annahmen uber den Einfluss der Computerspiele und ihre Auswirkungen in der
oben dargelegten ausschlieslich negativen Sichtweise in dieser vereinfachenden
und generalisierenden Form nicht aufrechtzuerhalten sind. Ebenso wie andere
Spiele, bieten jene am Computer den Jugendlichen Raume bzw. Nischen in der
Welt, die es ihnen ermoglichen, sich selbst zu erleben und zu inszenieren. [...]
1 Als jugendlich wird dabei in Anlehnung an die verbreitete Definition dieses Begriffs die Altersgruppe
der 14- bis 21-Jahrigen verstanden (vgl. zu diesem Aspekt unter anderem Raithel
2001b, S. 11, Fusnote 1).
Inhaltsverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definition und Kategorisierung von Computerspielen
2.1. Definition von Computerspielen
2.2. Die „klassischen“ Kategorien der Computerspiele
2.2.1. Actionspiele sind zeitkritisch
2.2.2. Adventurespiele sind entscheidungskritisch
2.2.3. Strategiespiele sind konfigurationskritisch
2.3. Lokalisierungsmodelle von Computerspielen
2.3.1.Von den bipolaren „Köpfchen- und Knöpfchenspielen“ zur „dynamischen Landkarte der Bildschirmspiele“
2.3.2. Das Vektorenmodell der Computerspiele
3. Computerspiele in den Medienwelten von Jugendlichen
3.1. Verbreitung und Bedeutung von Computerspielen
3.1.1. Verbreitung von Computern und ihre Nutzung
3.1.2. Zur Funktion von Computerspielen für Jugendliche
3.2. Motive für die Beschäftigung mit Computerspielen
3.2.1. Strukturelle Kopplungen
3.2.2. Die Erfahrung von Macht und Kontrolle
4. Computerspiele im Spiegel von ausgewählten Theorien des Spiels
4.1. Der phänomenologische Ansatz: Johan Huizinga
4.2. Der funktionalistische Ansatz: Roger Caillois
4.3. Der strukturalistische Ansatz: Spieltheorie in den Wirtschaftswissenschaften
4.4. Bezug der Theorien zu Computerspielen
5. Kontrovers diskutierte Aspekte des Computerspiels
5.1. Das Verhältnis zwischen Spieler und Spielfigur: Von totaler Verschmelzung zur perspektivischen Dopplung
5.2. Zur Bedeutung der Inhalte von Computerspielen
5.3. Wenn zu viel Realität im Spiel ist: zur Problematik der Simulationen
6. Die Rezeption von Computerspielen
6.1. „Klassische“ Annahmen zur Wirkung von Medieninhalten
6.2. Computerspiele und Gewalt
6.2.1. Thesen zur Wirkung von Gewalt in Computerspielen
6.2.2. Computerspiele als Modelle und Verursacher von Gewalt in der Realität?
6.3. Kodieren/ Dekodieren nach Hall
6.4. Das Transfermodell von Fritz
7. Ego-shooter und mods: jugendliche Ausdrucksformen symbolischer Kreativität in virtuellen Welten
7.1. Zur Theorie der symbolischen Kreativität nach Willis
7.2. Computerspiele als Raum für notwendige symbolische Arbeit
7.2.1. DOOM und Co. - die Revolution der ego-shooter auf dem Spielemarkt
7.2.2. Counter-Strike und mods - die Spieler übernehmen die Macht
8. clans und e-sportler: virtuelle Gemeinschaften Jugendlicher
8.1. Entstehung und Formen von clans
8.2. Organisation und Selbstdarstellung von clans
8.3. e-sports als Möglichkeit für Kompetenzerlebnisse Jugendlicher
9. Fazit und pädagogische Relevanz
Literaturverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tabelle 1: Verfügbarkeit im Haushalt und Eigenbesitz ausgewählter Medien bei Jugendlichen
Tabelle 2: Nutzungshäufigkeit von Computerspielen bei Jugendlichen
Tabelle 3: Aspekte, die nach Beendigung des Spiels im Gedächtnis der Nutzer verbleiben
Tabelle 4: Kategorien der Namen von clans mit ausgewählten Beispielen
Tabelle 5: Kategorien von Spielernamen mit ausgewählten Beispielen
Abbildung 1: Das Spiel Pong, eine kommerzielle Weiterentwicklung von "Tennis for Two"
Abbildung 2: Landkarte der Bildschirmspiele
Abbildung 3: Vektormodell zur Lokalisierung von Computerspielen
Abbildung 4: Verschränkung der Elemente des Computerspiels mit den Erwartungen der Spieler
Abbildung 5: Die vier Grundelemente des Spiels und Verbindungen zwischen ihnen
Abbildung 6: Die Auszahlungsmatrix der Spieler im Gefangenendilemma
Abbildung 7: Funktionen der Inhalte von Computerspielen
Abbildung 8: Areale der Lebenswelt und mögliche Transfers zwischen ihnen
Abbildung 9: Vergleich des Originalspiels „Half-Life“ (links) und der mod „Counter-Strike“ (rechts)
Abbildung 10: Vergleich des Originalspiels „Max Payne 2“ (links) und der mod „Hellsing“ (rechts), benannt nach der gleichnamigen bei Jugendlichen beliebten TV-Serie
Abbildung 11: Vergleich des Originalspiels „Unreal tournament 2004“ (links) mit der „deathball-mod“ (rechts), welche eine Mischung aus shooter und Fußball simuliert
„› Die Matrix hat ihre Wurzeln in primitiven Videospielen ‹ sagte der Sprecher, › in fr ü hen Computergrafikprogrammen und militärischen Experimenten mit Schädelelektronen. ‹ [...] › Cyberspace. Eine Konsens-Halluzination, tagtäglich erlebt von Milliarden zugriffsberechtigter Nutzer in allen Ländern, von Kindern, denen man mathematische Begriffe erklärt... Eine grafische Wieder- gabe von Daten aus den Banken sämtlicher Computer im menschlichen Sys- tem. Unvorstellbare Komplexität. Lichtzeilen im Nicht-Raum des Verstands, Datencluster und -konstellationen. Wie die zur ü ckweichenden Lichter einer Stadt... ‹“
(William Gibson „ Neuromancer “ )
Vorbemerkungen:
1. In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulin verwendet. Dabei sind mit Begriffen wie „der Spieler“ immer beide Geschlechter gemeint, auch wenn Frauen immer noch einen äußerst kleinen Anteil der Computerspieler ausmachen. Sprachliche Notkonstruktionen wie „SpielerInnen“ stören durch das große „I“ nur den Lesefluss und das ge- wohnte Schriftbild.
2. Eine Bemerkung vorweg zur Zitiertechnik von Internetseiten. Ich mache auch Gebrauch von Quellenmaterial, das nicht in gedruckter Form, sondern nur elektronisch im Internet veröffent- licht wurde. Einen allgemein anerkannten Standard für das wissenschaftliche Zitieren von on- line-Publikationen gibt es jedoch (noch) nicht. Quellen aus dem Internet werden nach folgendem Muster zitiert:
Autor: Titel des Beitrags, Jahr, veröffentlicht im Internet unter: http://www.adresse.de/Pfad/Do- kument
Des weiteren ist es zumeist nicht möglich bei Internetseiten, etwa im html-Format, Seitenangaben festzulegen. Diese können je nach verwendetem Browser, Drucker, Betriebssystem und Seiteneinstellungen voneinander abweichen. In diesem Fall können innerhalb der gekürzten Quellenangaben im Fließtext Seitenzahlen nur dann aufgeführt werden, wenn der Beitrag in einem Dateiformat veröffentlicht wurde, welches eine eindeutige beziehungsweise unveränderbare Seitennummerierung gewährleistet (zum Beispiel pdf).
3. Im Rahmen der Beschäftigung mit Computerspielen ist es nahezu unvermeidlich, auch englische Begriffe verwenden zu müssen. Diese werden in dieser Arbeit entsprechend der englischen Rechtschreibregeln auch im Falle von Nomen klein geschrieben. Ausnahmen bilden Eigennamen, etwa von Spielen, oder Begriffe, die in die deutsche Sprache schon fest übernom- men wurden.
4. Diese Arbeit wurde vollständig auf Freier Software geschrieben. Verwendet wurde OpenOffice.org 1.1.2 und das Betriebssystem Kanotix Bug Hunter 05/2004, ein Debian GNU/Linux System basierend auf Knoppix-Technologie.
1. Einleitung
Im August diesen Jahres erschienen in verschiedenen Medien Berichte über einen Mordfall in Großbritannien, bei dem ein 14-jähriger Junge mit einem Hammer getötet wurde. Da der Täter ebenfalls noch ein Jugendlicher und gerade einmal drei Jahre älter als sein Opfer war, kam bald die Frage nach dem Beweg- grund für diese Tat auf. Schnell war in diesem Zusammenhang der vermeintliche und alleinige Schuldige gefunden: das Computerspiel „Manhunt“, von dem der 17-Jährige angeblich nahezu „besessen“ gewesen sein soll (vgl. ausführlicher zu Manhunt und seiner besonderen Problematik Rötzer 2003h, Willmann 2004 sowie Rötzer 2004).
An diesem Beispiel lässt sich eine häufig geäußerte Sicht in Bezug auf Compu- terspiele, insbesondere jene mit gewalttätigen Inhalten, und ihre Auswirkungen auf die vor allem jugendlichen Nutzer rekonstruieren: Sie werden zumeist miss- trauisch betrachtet und als Gefährdungen angesehen. So sollen sie im schlimmsten Fall die Ursache und das Modell für Gewalthandlungen und aggressives Verhalten in der Realität sein, aber doch zumindest beinahe alle anderen Freizeitbeschäfti- gungen verdrängen und zur sozialen Isolation der Spieler führen. Vereinfacht und provokant formuliert lässt sich somit sagen, dass Computerspielen unterstellt wird nahezu alles zu können, jedoch keinesfalls einen positiven Nutzen zu besitzen.
Dem soll in dieser Arbeit ein gänzlich anderes Bild entgegen gestellt werden. Gemäß der bereits im Titel geäußerten These, soll es das Ziel sein, zu einem neu- en Verständnis von Computerspielen in der Lebenswelt der Jugendlichen1 zu ge- langen, indem sie als Erlebnis- und Inszenierungsräume in der Virtualität verstanden werden. Es soll versucht werden aufzuzeigen, dass viele der Annahmen über den Einfluss der Computerspiele und ihre Auswirkungen in der oben dargelegten ausschließlich negativen Sichtweise in dieser vereinfachenden und generalisierenden Form nicht aufrechtzuerhalten sind. Ebenso wie andere Spiele, bieten jene am Computer den Jugendlichen Räume bzw. Nischen in der Welt, die es ihnen ermöglichen, sich selbst zu erleben und zu inszenieren.
Kapitel zwei ist dabei als eine kurze Einführung in die Thematik aufzufassen, in dem zunächst der Versuch unternommen werden soll, den Begriff Computer- spiel in Bezug auf seine äußerlichen Merkmale zu definieren. Um einen Einblick in die inhaltliche Ebene zu erhalten, werden daran anschließend die drei klassischen Genres vorgestellt. Genrebildung erscheint für Computerspiele dringend erforderlich, wenn nicht für jedes Spiel eigene Untersuchungen ange- stellt werden sollen. Ferner ist es nicht angebracht, sie alle unter dem selben Blickwinkel zu betrachten und zu beurteilen, zu groß sind die grundlegenden Dif- ferenzen der einzelnen Kategorien bezüglich zentraler Fragestellungen. In der ak- tuellen Entwicklung zeigt sich jedoch, dass die klare Abgrenzung und Zugehörig- keit einzelner Spiele zu einem Genre immer stärker in der Auflösung inbegriffen ist, weshalb sich mittlerweile eher Lokalisierungsmodelle zur inhaltlichen Beschreibung anbieten.
Daran anschließend soll sich der Bedeutung, die Computerspiele für Jugend- liche haben, zugewandt werden. Einleitend wird hierbei auf den quantitativen Aspekt der Verbreitung von Computerspielen bei Jugendlichen eingegangen, be- vor die Frage der Bedeutungen, die den virtuellen Welten von ihnen beigemessen werden können, in den Fokus der Betrachtungen rückt. Im zweiten Teil des dritten Kapitels erfolgt danach eine Hinwendung zu den Gründen, aus denen sich mit Computerspielen beschäftigt wird. Für die hier untersuchte Altersgruppe sind dies insbesondere strukturelle Kopplungen als Erweiterungen und/ oder Alternativen zu Erlebnissen und sozialen Rollen in der Realität, sowie die Erfahrung von Macht und Kontrolle als Ausgleich für die gerade bei Jugendlichen erlebte Ohn- mächtigkeit in der realen Welt und die Möglichkeit sich selbst als kompetent zu erleben.
Kapitel vier setzt an dem Kritikpunkt an, dass Computerspiele sich von den anderen „normalen“ Spielen unterscheiden würden. Hierauf soll eine Entgegnung dahingehend erfolgen, indem anhand dreier unterschiedlicher Spieltheorien aufge- zeigt werden soll, dass sie sehr wohl den grundlegenden Definitionen, die für diesen Begriff entwickelt wurden, entsprechen. Was unter einem Spiel verstanden wird, kann sehr unterschiedlich sein, wie vor allem der Rückgriff auf die mathe- matisch-wirtschaftswissenschaftliche Theorie zu diesem Aspekt zeigen wird. Auch wird nachgewiesen werden können, dass das Element der Gewaltlosigkeit keinesfalls konstitutiv ist.
Allerdings stellt die oben dargestellte Problematik nicht die einzige umstrittene Eigenschaft eines Computerspiels dar, wie in Kapitel fünf erläutert wird, in dem kontrovers betrachtete Aspekte thematisiert werden sollen. Diese waren zum Einen das Verhältnis zwischen dem Spieler und seiner jeweiligen Spielfigur, das sich zwischen totaler Verschmelzung und einer perspektivischen Dopplung der Person des Benutzers anlegen lässt. In diesem Zusammenhang wird sich aufzeigen lassen, dass es möglich ist, dem Vorwurf, die Jugendlichen würden sich in der Virtualität bedingungslos verlieren, von dieser Warte aus zu widersprechen. Fer- ner soll auf die Funktionen und Bedeutungen der Inhalte von Computerspielen für ihre Nutzer eingegangen werden. Dabei wird sich zeigen, dass ein Computerspiel eben kein Kinofilm ist und sich hier andere Elemente in den Vordergrund und die Wahrnehmung der Spieler drängen. Schließlich wird der zunehmende Einbruch der Realität in die virtuelle Welt anhand der Simulationsspiele thematisiert, woran sich beispielhaft die Frage herleiten lässt, ob Problematiken und Gefährdungen im Zusammenhang mit Computerspielen nicht auf gänzlich anderen Ebenen ent- stehen als bislang angenommen worden ist.
An dieser Stelle bietet sich dann auch die Überleitung zu einem anderen Themenkomplex an, auf den im sechsten Kapitel näher eingegangen werden soll. Einer der Haupteinwände gegen eine positive Sichtweise der Bedeutung von Computerspielen für Jugendliche, wenn nicht sogar der Hauptkritikpunkt, ist der Aspekt, dass die Rezeption von Computerspielen und hier besonders die von ge- walthaltigen zu Verhaltensveränderungen in der Realität führen würde. Es soll versucht werden einen Übergang darzustellen von jenen Theorien, die einen sol- chen Vorgang als zwangsläufig durch das ausgelöst annehmen, was dem Benutzer in den Computerspielen an Rollen- und Handlungsmodellen angeboten wird, hin zu denen, welche den Einfluss des Individuums auf das, was es an Angeboten, Be- deutungen und Informationen aus den Medien für sich auswählt und (weiter)ver- arbeitet, betonen. Anhand des Konzepts der Transfers soll weiterhin erläutert werden, unter welchen Umständen Elemente aus den virtuellen Spielwelten doch einen Weg in die Realität finden können und über welche Kompetenzen die Spieler verfügen müssen, damit dieses nicht unkontrolliert und unbewusst ge- schehen kann.
Hieran anschließend soll in Kapitel sieben mittels eines bisher in dieser Form noch nicht in Literatur und Forschung diskutierten Zusammenhangs dargelegt werden, dass es möglich ist Computerspiele als Inszenierungsräume der Kreativi- tät von Jugendlichen zu begreifen. Anhand von ego-shootern soll dabei beispiel- haft aufgezeigt werden, dass sie die ihnen von der Industrie vorgegebenen Angebote nicht einfach nur benutzen, sondern sie nach ihren Wünschen und Be- dürfnissen als Räume für symbolische Arbeit durch die in der Spieler-Szene so beliebten mods nutzen.
Einen anderen Erlebnis- und Inszenierungsraum stellen die virtuellen Gemein- schaften, die sich durch Computerspiele entwickelt haben, auf der sozialen Ebene dar. Neben der schon relativ gut erforschten Gruppe der online-Rollenspieler, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie die Spielewelten dazu nutzen, sich neue Identitäten und Rollenerfahrungen zu erschaffen, entstand insbesondere im Bereich der jugendlichen Spieler die Szene der clans und e-sportler, auf die im achten Kapitel der Blick gerichtet werden soll. Neben einer Definition dieser beiden Begriffe sollen dabei insbesondere die Organisations- und Selbstdarstel- lungsformen betrachtet werden. Abschließend wird vor dem Hintergrund des Ver- ständnisses der Beschäftigung mit Computerspielen als elektronischem Sport der Frage nachgegangen werden, inwiefern diese Strukturen den Jugendlichen eine Möglichkeit bieten, sich selbst als kompetent zu erleben und somit Anerkennung in einer Gruppe von Gleichgesinnten zu erlangen.
Die beiden letzten Kapitel nehmen also eine Sonderstellung im Argumenta- tionsgang dieser Arbeit ein. Während der Ansatzpunkt vorher darin bestand, den verbreiteten negativen Auffassung über die Auswirkungen der Beschäftigung Jugendlicher mit Computerspielen entsprechende Gegenpositionen gegenüberzu- stellen und auf diese Weise die grundlegende These zu stützen, stellen die ab- schließend vorgestellten Aspekte Beispiele für diese Annahme dar, weshalb auch ihre besondere Erwähnung im Titel gerechtfertigt erscheint. Im folgenden soll so- mit der Versuch erfolgen, für ein Verständnis von Computerspielen zu plädieren, welches davon ausgeht, dass sie im Zusammenhang mit dem Internet und wei- terführenden neuen Möglichkeiten der aktiven Veränderungen durch die Nutzer den Jugendlichen Möglichkeiten bieten, Erlebnisse zu schaffen, sowie sich selbst oder Bestandteile der eigenen Identität (neu) zu inszenieren. Die einzige Ver- änderung zu den klassischen Spielen besteht darin, dass diese Aktivitäten eben nicht in der realen Welt stattfinden, sondern in der Virtualität des Computers und Internets.
2. Definition und Kategorisierung von Computerspielen
Computerspiele sind einem Großteil der Menschen nichts Unbekanntes mehr. Viele haben an den virtuellen Spielwelten schon persönlich teilgenommen oder zumindest als passiver Zuschauer einen Eindruck gewonnen. Doch nur die Wenigsten werden wohl in der Lage sein genauer zu bestimmen, was ein Compu- terspiel eigentlich ist. Aufgrund der inhaltlichen Bandbreite, welche diese Spiele abdecken, scheint es daher nur möglich zu sein, eine allgemeine Definition auf- grund der äußeren Merkmale vorzunehmen. Für eine übergreifende Darstellung der inhaltlichen Aspekte ist es zunächst eher angebracht auf die Bildung von Gen- res zurückzugreifen. Jedoch sind auch deren Kategorien immer stärker in der Auf- lösung begriffen, so dass es sich vermehrt anbietet, zur inhaltlichen Erfassung von Computerspielen dynamische Darstellungsweisen in Form von Lokalisierungs- modellen vorzuziehen.
2.1. Definition von Computerspielen
Den Begriff Computerspiel zu definieren mag auf den ersten Blick trivial er- scheinen, bei genauerer Betrachtung sieht man sich jedoch mit einigen Schwierig- keiten konfrontiert. Was genau macht ein solches elektronisches Spiel aus? An dieser Stelle soll daher zunächst einmal der Versuch unternommen werden, sich einer näheren Bestimmung des Begriffes von seinem äußerlichen Erscheinungs- bild anzunähern. Wie noch zu zeigen sein wird, umfassen die Inhalte von Compu- terspielen einen so großen Rahmen und sind sie sich auch in vielen ihrer Elemente so unähnlich, dass auf eine allgemeine Definition aufgrund von inhaltlichen Aspekten verzichtet werden muss. So sind weder Spielfiguren, noch -geschichten oder -ziele grundlegende Elemente. Im folgenden sollen allerdings drei Charak- teristika herausgearbeitet werden, die Computerspiele trotzdem definieren können.
Als das wohl herausragendste und auch in der Literatur an erster Stelle hervor- gehobene Merkmal ist das Vorhandensein eines Bildschirms anzuführen, auf wel- chem die Darstellung des Spiels erfolgt (vgl. hierzu u.a. Fritz 1995b, S. 19, Dittler 1993, S. 28, Kürten/ Mühl 2000, S. 74 sowie Müsgens 2000, S.23). Irrelevant ist dabei jedoch, um welche Art eines Bildschirms es sich handelt, so kann dies so- wohl ein Computermonitor, ein normales Fernsehgerät oder auch ein LCD-Moni- tor sein.
Häufig wird zwischen Computerspielen (jenen, die am Personal Computer oder Apple Macintosh gespielt werden), Videospielen (hier wird eine Videospielkon- sole benötigt, die an ein normales Fernsehgerät angeschlossen werden kann) und Telespielen (hierunter fallen die Hand-Hold Geräte2 aber auch die Arcade Games, die in Spielhallen und Kneipen aufgefunden werden können) unterschieden. Besonders herausgehoben werden in diesem Zusammenhang immer die Compu- terspiele, da sie mit dem Personal Computer (PC) auf einer Plattform laufen, die programmierbar ist und nicht ausschließlich dem Zweck der Unterhaltung dienen muss (vgl. Neitzel 2000b, S.1). Im Gegensatz dazu gibt es die Spielekonsolen und Hand-Holds, an deren Programmierung der Nutzer zunächst einmal nichts verändern kann und die auch nur für den alleinigen Zweck des Spielens hergestellt werden.
Um die Bedeutung des Merkmals der Darstellungsform hervorzuheben, führte Fritz den Sammelbegriff „Bildschirmspiele“ ein. „Der Oberbegriff aller Formen dieses so beschriebenen Environments ist ‚Bildschirmspiel‘. Alle Spiele besitzen den Bildschirm als Ausgabemedium, er ist das ‚Fenster zur virtuellen Welt‘.“ (Fritz 2003d, S. 2) In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff „Computerspiel“ simultan zu „Bildschirmspiel“ verwendet. Damit sollen Video- und Telespiele nicht ausgeschlossen werden, vielmehr liegt hier die Argumentation zugrunde, dass alle diese Formen von Bildschirmspielen letztendlich auf Computertechnolo- gie zurückgreifen und somit auch eine Videospielkonsole über einen Computer, wenn auch einen mit sehr stark eingeschränkter Funktionsweise, in ihrem Inneren verfügt. Auch erscheint die genaue Differenzierung zwischen den einzelnen Gattungen nicht zwingend geboten, da sich fast alle Ergebnisse der Studien zu Computerspielen auch problemlos auf die beiden anderen übertragen lassen.3
Die Darstellungsform des Spiels auf einem Bildschirm ermöglicht es dem po- tenziellen Benutzer Bild- und Toninformationen zu erkennen und auf die darge- stellten Zeichen zu reagieren (vgl. Fritz 1995b, S. 19). An diesem Punkt zeigt sich der Übergang zu einem weiteren grundlegenden Element der Computerspiele. Im Gegensatz zu den sonst bekannten Darstellungsformen auf Bildschirmen, wie zum Beispiel beim Fernsehen, ist der Spieler in der Lage auf das Geschehen und seinen Ablauf aktiv Einfluss zu nehmen. Hierzu benötigt er bestimmte Dateneingabegeräte, wie Tastatur, Maus, Joystick oder Controller (vgl. Fritz 1995b, S. 19, Dittler 1993, S. 28 oder Müsgens 2000, S. 23).
In den meisten Fällen wird mit diesen Eingabegeräten eine Spielfigur gesteuert, die als eine Art elektronischer Stellvertreter des Spielers verstanden werden kann. Das Vorhandensein dieser einen konkreten Figur ist jedoch nicht in allen Spielen zwingende Voraussetzung. So kann ein Benutzer auch im Laufe des Spiels ver- schiedene Figuren steuern oder aber wie in vielen Strategiespielen ganze Gruppen von ihnen. Das gemeinsame Element bleibt jedoch die Interaktivität zwischen Spieler und Spiel, ersterer muss aktiv werden und eingreifen, um am Spiel teil- zunehmen und in ihm zu verbleiben.
Diese Möglichkeit der Einflussnahme auf das Geschehen am Bildschirm ist allerdings nur möglich durch die moderne Computertechnologie. Grundlage jedes Computerspiels ist ein Programm, welches das eigentliche Spiel in Form von Graphiken, Figuren, der Geschichte sowie allen Regeln und Handlungsmöglich- keiten der Akteure beinhaltet (vgl. Dittler 1993, S. 28). Mithilfe der Computerpro- gramme ist es somit möglich, jede Einzelheit der virtuellen Welt des Spiels darzu- stellen und zwar „in Form einer Befehlsabfolge: Es wird bestimmt, was nachein- ander passieren soll“ (Fritz 1995b, S. 20). Der Grad der Festlegung der Reihen- folge der Ereignisse kann dabei variieren. So gibt es Spiele, die eine sehr stark lineare Erzählstruktur aufweisen, und solche, die dem Benutzer mehr Möglichkei- ten bieten, den Fortgang der Spielgeschichte selber zu bestimmen.
Sinn und Zweck dieser besonderen Form von Programmen ist es im Gegensatz zu den ernsthaften Anwendungen, dem Nutzer einen Unterhaltungswert zu bieten, ihm schlichtweg Spaß zu machen (vgl. Kürten/ Mühl 2000, S. 74). Die zu dem Programm gehörigen Daten werden mithilfe eines Datenträgers übermittelt. Frü- her handelt es sich dabei meistens um Disketten (bei den Personalcomputern) oder um so genannte Einsteckmodule (bei den Spielekonsolen oder Hand-Holds), heute ist die gängige Darbietungsform von Spielen die CD-ROM und zunehmend auch die DVD.
2.2. Die „klassischen“ Kategorien der Computerspiele
Nach dieser ersten Annäherung an Computerspiele in Form einer Definition ih- rer äußeren Merkmale, soll im weiteren Verlauf das Hauptaugenmerk auf die in- haltliche Ebene gerichtet werden. Angesichts der mittlerweile immensen Menge von Computerspielen, die sich allein aktuell auf dem Markt befinden, soll daher der Übersichtlichkeit halber ein Rückgriff auf die unterschiedlichen Genres vorgenommen werden. Die drei klassischen Kategorien Action, Adventure und Strategie sollen dabei beispielhaft dargestellt werden, um einen ersten Einblick in das zu vermitteln, was Computerspiele inhaltlich ausmacht. Verzichtet werden soll an dieser Stelle auf einen ausführlichen historischen Überblick ihrer Geschichte, welcher zwar sicherlich informativen Charakter hätte, aber für den eigentlichen Gang der Arbeit eher zu vernachlässigen ist (vgl. weiterführend zu diesem Aspekt Lischka 2002 und Mertens/ Meißner 2002).
Stattdessen soll versucht werden anhand der beispielhaften Darstellung der drei großen Genres Action-, Adventure- und Strategiespiele, die grundlegenden inhaltlichen Merkmale und Unterschiede herauszuarbeiten. Die vorgenommene Kategorisierung lässt sich dabei folgendermaßen begründen:
„Am eingängigsten lässt sich diese Dreiteilung vielleicht durch die Stelle ih- res Risikos und Einsatzes beschreiben. Zeitkritisch ist die Interaktion im Gegenwärtigen von Actionspielen: Sie fordern Aufmerksamkeit bei der Her- stellung zeitlich optimierter Selektionsketten aus einem Repertoire nor- mierter Handlungen. Entscheidungskritisch ist die Navigation durch ein Zu- handenes in Adventurespielen: Sie fordern optimale Urteile beim Durch- laufen der Entscheidungsknoten eines Diagramms. Konfigurationskritisch ist die Organisation eines Möglichen in Strategiespielen: Sie fordern Geduld bei der optimalen Regulierung voneinander abhängiger Werte.“ (Pias 2002, S. 11, Hervorhebungen im Original)
2.2.1. Actionspiele sind zeitkritisch
Das Jahr 1958 wird häufig als Geburtsstunde der Computerspiele bezeichnet. Anlässlich des Tages der offenen Tür an einem militärischen Forschungsinstitut in den USA stellte der Physiker William Higinbotham sein Spiel „Tennis for Two“4 vor (vgl. ausführlicher Lischka 2002, S. 19ff. sowie Abbildung 1). Das Spiel wurde zum Publikumsmagneten an diesem Tag: Die Menschen standen Schlange, um ein- oder mehrmals spielen zu dürfen. Dabei verdeutlichte diese einfache Kon- struktion im Prinzip nur das altbekannte Problem des richtigen timings.
Nach Pias weist „Tennis for Two“ trotz seiner einfachen Form schon alle Merkmale auf, die ein Actionspiel5 ausmachen (vgl. Pias 2002, S. 15f.):
- Bei „Tennis for Two“ findet eine visuelle, weil auf einem Bildschirm stattfindende, Interaktion zwischen dem menschlichen Spieler und der Maschine, dem Computer, statt. Das Besondere hierbei ist weiter, dass die Handlungen von Mensch und Maschine in Echtzeit, jeweils als Re- aktion auf die Handlungen des Anderen stattfinden müssen. Eine verzö- gerte oder ausbleibende Handlung beendet für einen der beiden Interak- tionspartner das Spiel.
- Als zweites - und wohl herausragendstes - Merkmal wäre anzumerken, dass Actionspiele immer zeitkritisch sind. Der Spieler verfügt über be- stimmte vom Spiel festgelegte Handlungsoptionen (zum Beispiel springen, laufen oder in vielen Actionspielen auch schießen), die zur richtigen Zeit am entsprechenden Ort ausgeübt werden müssen. Das ist zugleich auch der besondere Reiz dieser Spiele, unter Stress richtig zu reagieren.
- Des weiteren tritt der Computer in einer Funktion als Messgerät der Leistungen seiner Benutzer auf. Dieses geschieht in Form der bekannten „highscores“: Punktetabellen, die Auskunft über das erfolgreiche - oder weniger erfolgreiche - Abschneiden bei der Bewältigung der vom Spiel gestellten Aufgaben geben und einen Vergleich mit anderen gestatten.
- Auf der zeitlichen Ebene finden Actionspiele in der Gegenwart statt. Der Spieler ist in ein aktuelles Geschehen verwickelt, aus dem es kein Entkommen gibt. Er muss mit den gegenwärtigen Umständen, die ihm angeboten werden, zurechtkommen und zeitnah reagieren.
- Abschließend sei noch darauf verwiesen, dass Actionspiele auch eine Kontrolle der eigenen Lernfähigkeit erlauben. Durch Wiederholungen kann der Spieler seine Entscheidungen und Reaktionszeiten verbessern, das heißt, er lernt, was wann und an welcher Stelle die optimale Ent- scheidung und Handlung sein kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Das Spiel Pong, eine kommerzielle Weiterentwicklung von "Tennis for Two" Quelle: http://www.rebolfrance.net/projets/pong/pong.jpg
Actionspiele zeichnen sich somit durch ihren zeitkritischen Charakter aus. Er- folgt die Reaktion des Benutzers auf die ihm vom Spiel dargebotenen Reize nicht innerhalb des im Programm als akzeptabel festgelegten Zeitrahmens, ist es für ihn beendet.
2.2.2. Adventurespiele sind entscheidungskritisch
Das Genre der Adventurespiele entwickelte sich aus den unter vielen Informa- tikstudenten und Programmierern der 1970er Jahren beliebten „paper und pencil“ Rollenspielen und griff in seinen ersten Erscheinungsformen Grundprinzipien (der Spieler übernimmt die Rolle eines Charakters, der über bestimmte Fähigkeiten verfügt, die er jedoch im Laufe des Spiels verbessern kann) und Inhalte (hier wäre vor allem die starke Anknüpfung an Fantasywelten, die unter anderem aus den Romanen J. R. R. Tolkiens bekannt sind, zu nennen) dieser Spielform auf. Die ersten Adventurespiele für den Computer waren wohl auch deshalb noch rein text- basiert. Der Benutzer musste sich durch seitenweise Beschreibungen der Welt des Spiels lesen und Handlungen wurden durch die Eingabe des entsprechenden Befehls ausgelöst, zum Beispiel „öffne Tür“ oder „attackiere Gegner“ (vgl. hierzu beispielhaft die Darstellung des Spiels ZORK in Lischka 2002, S. 34ff.).
Zu den Aufgaben des Spielers in Adventures gehört neben dem Erledigen be- stimmter Aufgaben und Lösen von Rätseln häufig auch eine topographische Orientierungsleistung. Er muss sich in der Welt des Spiels nicht nur inhaltlich, sondern auch örtlich zurechtfinden. In den Anfängen waren die Welten der Ad- venturespiele meist noch auf Höhlensysteme (häufig als „dungeons“ bezeichnet) beschränkt, mittlerweile umfassen sie jedoch von Städten über komplexe Land- schaften bis hin zu ganzen Weltensystemen (beispielsweise verschiedene Planeten oder so genannte Parallelwelten) eine nahezu schon enorm zu nennende Bandbrei- te.
Adventurespiele lassen sich durch folgende Merkmale charakterisieren (vgl. Pias 2002, S. 123f.):
-Stark abstrahierend lässt sich sagen, dass Adventurespiele auf Karten basieren, genauer gesagt auf Orten und Wegzusammenhängen. Die Orte können dabei konkret beispielsweise als Räume in einer Höhle verstanden werden oder aber auch als Knotenpunkte in einem Netz. Für das Adventurespiel entscheidend ist nur die Lage der jeweiligen Knotenpunkte: Nur sie sind bekannt, der Weg zwischen ihnen ist un- sichtbar. Der Spieler muss die Knoten erreichen, auf welche Weise oder welchem Weg er dieses tut oder auch wie viel Zeit er dafür benötigt, ist im Adventurespiel zumeist nicht relevant.
-Adventurespiele sind aber weiter auch Geschichten, sie verfügen über einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende. Die zentralen Einheiten der Geschichte, die in dem Spiel erzählt wird, lassen sich dabei auch wieder als Knotenpunkte bezeichnen, die jeweils verschiedene Ereig- nisse darstellen. Der Spieler übernimmt also die Hauptrolle einer Ge- schichte.
-Das dritte und wohl entscheidendste Merkmal von Adventurespielen machen aber Entscheidungen aus. Begreift man die einzelnen Ereignisse wie oben beschrieben als Knotenpunkte, muss der Spieler an ihnen mit seinen Handlungen, die als Reaktionen auf die ihm dargebotenen Ereig- nisse verstanden werden können, Entscheidungen treffen, um die Ge- schichte und somit auch das Spiel voranzutreiben. Allerdings bestimmt der Benutzer seine Geschichte nicht selbst; vielmehr können unter- schiedliche Verläufe als mehr oder weniger gelungene Annäherungen an die vom Programmierer des Spiels schon vorgeschriebene „richtige“ Entscheidung an den jeweiligen Stellen interpretiert werden.
-Die Zeitform des Adventures ist die Vergangenheit: Es geht nicht dar- um, dass der Spieler eine eigene Geschichte entwickelt, sondern dass er den Weg der Geschichte, die der Programmierer bestimmt hat, in seinen Entscheidungen an den entsprechenden Knoten nachvollzieht. Das Lö- sen von Rätseln in Adventurespielen stellt also keinesfalls neue Zu- sammenhänge her, sondern ist eher mit der Rekonstruktion einer vergessenen Gebrauchsanleitung zu vergleichen. Adventures haben im Gegensatz zu den Actionspielen „keine Ökonomie der Zeit, sondern nur eine der Entscheidung“ (Pias 2002, S. 133). Gegenstände und Personen verändern sich im Laufe der Spielgeschichte nicht, sie bleiben, was sie schon immer waren und bekommen ihre Geschichte erst, wenn sie ge- braucht werden.
Die Hauptproblematik bei Adventures besteht folglich darin, an den jeweiligen Knotenpunkten der Geschichte die „richtigen“ Entscheidungen zu treffen, also so zu handeln, wie es der Programmierer oder der Entwickler des betreffenden Spiels vorgedacht hat. Im Gegensatz zum Actionspiel kommt es dabei meist nicht zu einem Spielende, wenn der Spieler die Entscheidung nicht schnell genug trifft, sondern nur, wenn er überhaupt nicht entscheidet oder permanent das Falsche wählt.
2.2.3. Strategiespiele sind konfigurationskritisch
Als Strategiespiele lassen sich jene Spiele bezeichnen, bei denen der Spieler durch taktisches Denken und vorausschauende Planung zum Spielerfolg gelangt. Entsprechend ihrer äußerlichen Ausrichtung sind die Spiele inhaltlich häufig im Bereich der kriegerischen Auseinandersetzungen (das genauere Setting kann dabei von historischen, aktuellen oder zukünftigen Schauplätzen bis hin zu Fantasywelten verschiedene Möglichkeiten beinhalten) oder der Ökonomie angesiedelt. Des weiteren fehlt in diesem Genre meistens eine konkrete Spielfigur, die vom Spieler gesteuert wird, stattdessen lenkt er aus einer Art „Gottperspektive“ verschiedene Figuren oder auch Gruppen von ihnen.
Strategiespiele zeichnen sich weiter durch die Nachbildung von komplexen Welten aus, wobei es die Aufgabe des Spielers ist, die verschiedenen Variablen gegeneinander abzuwägen und planerisch vorausschauend zu handeln. Sie setzen ihren Schwerpunkt eindeutig auf die kognitiven Fähigkeiten des Benutzers, be- tonen jedoch mehr als die Adventures den Aspekt des rein strategischen Denkens. Motorische Schnelligkeit erfordern diese Spiele in ihrer Reinform eher nicht (vgl. hierzu ausführlicher Maaß 1996).
Strategiespiele zeichnen sich im wesentlichen durch folgende Merkmale aus (vgl. Pias 2002, S. 195ff.):
- Strategiespiele weisen einen starken Bezug zur mathematisch-wirt- schaftswissenschaftlichen Spieltheorie auf. Grundlage für die Hand- lungen und Entscheidungen der Spieler ist das Prinzip der maximalen Auszahlung. Entscheidend ist jedoch nicht nur dieser „output“, sondern auch der Weg, auf dem zu ihm gelangt wurde (theoriebezogen wird hier von der jeweils gewählten Strategie gesprochen).6
-Von ihrer zeitlichen Ebene her betrachtet haben Strategiespiele einen zukünftigen Charakter. Der Spieler muss seine Züge an das anpassen, von dem er ausgeht, dass sein Gegner oder der Computer tun wird. Gleichzeitig wurden Strategiespiele auch dazu genutzt, um Modelle für zukünftige Handlungsweisen zu gewinnen, beispielsweise im militä- rischen Bereich. Strategiespiele sind mathematisierte Abbilder der Realität, die dazu dienen können deren zukünftigen Zustand vorher zu- sagen.
-Als drittes und hauptsächliches Merkmal sind Strategiespiele konfigura- tionskritisch. Ihre grundlegende Problematik besteht darin, ein genaues Abbild der Welt zu erschaffen, auf deren Rahmen sie zur Modellierung ihrer Variablen zurückgreifen. Inhaltlich kennzeichnen sie also die Her- stellung und Veränderungen von Konfigurationen, verstanden als Zu- stände der jeweiligen Welten. Geht man weiter davon aus, dass ein sol- ches Modell sich in einem Gleichgewichtszustand befindet, dann be- stehen die Aufgaben von Spieler und Computer darin, mit ihren Eingrif- fen in diese Welten Irritationen des Systems herzustellen und entweder die entsprechenden Auswirkungen ihrer Handlungen zu beobachten oder aber auf die Perturbationen zu reagieren, um das ursprüngliche Gleichgewicht wieder herzustellen.
-Im Zusammenhang mit ihrem zeitlichen Charakter kann ferner her- ausgearbeitet werden, dass Strategiespiele hypothetische Ereignisse beschreiben, um nicht zu sagen einen virtuellen Raum kreieren. Die ein- zelnen Zustände der Spielewelten sowie die vom Benutzer und/ oder Computer vorgenommenen Handlungen können dabei als Möglichkei- ten mit jeweils unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten aufgefasst werden.
Ähnlich wie der Spieler im Adventure müssen auch bei Strategiespielen Ent- scheidungen getroffen werden. Allerdings in diesem Genre nicht nach den Katego- rien „Richtig“ oder „Falsch“, sondern dahingehend, dass die Konfigurationen von Variablen innerhalb der Spielewelten verändert werden, womit das Gleichgewicht in ihnen beeinflusst wird. Zu einem vorzeitigen Ende des Spiels kommt es dann, wenn der Spieler Einwirkungen vornimmt, welche entweder das System völlig aus der Balance bringen oder so zu seinen Ungunsten verschieben, dass er nicht mehr gegensteuern kann.
2.3. Lokalisierungsmodelle von Computerspielen
In der neueren Entwicklung der Computerspiele scheint die oben dargelegte Einteilung in Reinform immer schwerer beibehalten werden zu können. Computerspiele orientieren sich immer weniger an ihren klassischen Genres, vielmehr versuchen sie deren Elemente zu vermischen, um etwas Neues zu erschaffen. Eine klare Zuordnung zu einer Kategorie erscheint daher nur noch schwerlich möglich. Aus diesem Grund entstanden vermehrt Modelle, die versuchen, Computerspiele entsprechend ihrer inhaltlichen Bestandteile zwischen verschiedenen Polen zu verorten, anstatt sie einzelnen Genres zuzuweisen.
2.3.1.Von den bipolaren „Köpfchen- und Knöpfchenspielen“ zur „dynamischen Landkarte der Bildschirmspiele“
Der wohl erste Vorschlag zur Thematik der Kategorisierung von Computer- spielen wurde 1984 von Müller und Uhrmeister gemacht und beinhaltet zunächst noch eine Einteilung in die zwei Gruppen der „Eroberungs- und Verteidigungs- spiele“(vgl. Dittler 1993, S 54). Jedoch setzte sich dieses Modell nie wirklich durch. Die beiden Pole schienen zu wenig die tatsächliche inhaltliche Vielfalt des Spielemarktes, der sich entwickeln sollte, wiederzugeben, als dass sie für prak- tikabel befunden wurden. Auch müssten viele Spiele wohl sehr stark abstrahiert werden, um sie der entsprechenden Gruppe zuordnen zu können. So wäre die Frage zu stellen, ob ein Autorennspiel beispielsweise den Eroberungs- (schließlich muss der Spieler die Führungsposition „erobern“) oder den Verteidigungsspielen (führt der Spieler das Teilnehmerfeld an, gilt es schließlich diese Position zu „verteidigen“) zuzuordnen ist.
Viele der Vorschläge, die zu diesem Problem im weiteren Verlauf gemacht wurden, erwiesen sich als ebenso problematisch, weil Unterteilungen in zahlenmä-ßig immer größere Genres vorgenommen wurden, die teilweise willkürlich wirkten. So stellte sich bei vielen dieser Modelle heraus, dass sich die gebildeten Kategorien überlappten oder sich Spiele nicht eindeutig zu einem Genre zuordnen ließen. Somit erscheinen sie als relativ unpraktikabel und darüber hinaus in der Form ihrer Differenzierungen nicht begründbar (vgl. die beispielhafte Vorstellung von zweien dieser Ansätze in: Dittler 1993, S 54ff.).
Unter Rückgriff auf die klassische Idee, Computerspiele in zwei große Haupt- kategorien zu unterteilen, entstand im Gegensatz dazu das Modell von Fritz, wel- ches die beiden großen Genres der „Köpfchen- und Knöpfchenspiele“ beinhaltet (vgl. Fritz 1997 in: Wink/ Lindner 2002, S. 33). Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Spielwelt gegen den Versuch des Spielers, sich in ihr zurechtzufinden und zu agieren, Widerstände entwickelt, die von ihm gemeistert werden müssen. In diesem Zusammenhang werden vor allem zwei Fähigkeiten des Spielers her- ausgefordert, nämlich auf der einen Seite seine kognitiven (das Denken) und auf der anderen seine motorischen Fähigkeiten (das Handeln). „Köpfchenspiele“ sind also jene Spiele, welche die logischen und strategischen Fähigkeiten des Spielenden betonen, während es bei den „Knöpfchenspielen“ mehr um richtiges und schnelles Reagieren geht.7
Neben seiner Unterteilung in zwei große Hauptkategorien nahm Fritz jedoch auch jeweils Unterklassifizierungen vor, so gehören zu den „Knöpfchenspielen“ beispielsweise Sportspiele und Abschießspiele, zu den „Köpfchenspielen“ dagegen unter anderem Abenteuerspiele oder Simulationen (vgl. die ausführliche- re Darstellung bei Fritz 1989 in: Dittler 1993, S. 56ff.). Problematisch bleibt je- doch auch bei diesem Modell, dass „Spiele in den seltensten Fällen nur Merkmale einer der genannten Spielgruppen“ (Dittler 1993, S. 61) aufweisen, eine eindeutige Zuordnung also auch hier nicht zweifelsohne möglich ist. Zwar ist die genauere Unterteilung der beiden Hauptkategorien beliebig veränder- bzw. erweiterbar, je- doch zeigte sich im Laufe der Zeit, dass immer wieder Ergänzungen nötig waren, so dass sich auch dieser Vorschlag nicht als erschöpfend in seiner Genrebildung herausstellte.
Aus diesem Grunde entwickelte Fritz sein Modell weiter. Dabei behielt er die zwei grundlegenden Aspekte „Denken“ und „Action“ bei, ergänzte sie jedoch um einen dritten, nämlich den der Bedeutung der „Geschichte“, um der Entwicklung im Bereich der Computerspiele, die immer mehr spielbaren Filmen mit einer kom- pletten und äußerst komplexen Hintergrundstory ähnelten, gerecht zu werden, denn „[u]ntersucht man die Bildschirmspiele nach übergreifenden und gleichwohl differenzierenden Merkmalen, stößt man auf drei wesentliche Konstruktionsprinzipien, die sich in den Spielen finden lassen.“ (Fritz 1995b, S. 21)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Landkarte der Bildschirmspiele Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Fritz 1995b, S. 23
Fritz' Modell der „Landkarte der Bildschirmspiele“ stellt somit ein Dreieck mit den oben genannten Eckpunkten dar (vgl. Fritz 1995b, S.22 sowie Abbildung 2). Je nach Inhalt des Spiels bzw. seiner Anforderungen an den Spieler tendiert es stärker oder schwächer in die Richtung eines dieser „Pole“ und ist somit innerhalb dieses Dreiecks verortbar (zu einer ausführlicheren Darstellung der einzelnen Pole, ihrer Charakteristika sowie der Frage, welche Arten von Spielen ihnen beispielhaft zugeordnet werden können, vgl. Fritz 2003b, S. 5ff.)
Das oben beschriebene Modell verfügt im Gegensatz zu den starren Genrebil- dungen, die sonst in diesem Zusammenhang zu beobachten sind, über den Vorteil, dass sich hierin auch solche Spiele platzieren lassen, die einen Mix der klassischen Merkmale aufweisen, also nicht nur eines, sondern mehrere der grund- legenden Elemente beinhalten. Ferner lässt sich eine Parallelität zu den oben dargestellten klassischen Kategorien nicht abstreiten. Während dort jedoch noch die Spiele in ihrer Reinform beschrieben werden, liefert Fritz mit seinem Modell eine Möglichkeit, die immer unübersichtlichere Spielelandschaft der jetzigen Zeit zu verstehen.
2.3.2. Das Vektorenmodell der Computerspiele
Das Landkartenmodell von Fritz scheint primär dazu geeignet, einen Überblick über den Spielemarkt zu verschaffen. Dabei geht es mehr darum herauszustellen, welche Elemente Computerspiele prägen und zwischen welchen drei Hauptpolen sie sich verorten lassen. Es ist jedoch nach Meinung der Verfasserin auch möglich, dieses Modell dahingehend weiterzuentwickeln, dass eine prozentuale Bewertung der Anteile der einzelnen Elemente an einem Spiel darstellbar wird. So führt Fritz zwar mit dem Aspekt der Geschichte einen dritten Pol ein, verbleibt jedoch in seiner Darstellungsweise auf der Ebene.
Überführt man diesen Ansatz nun explizit in die dreidimensionale Darstellung und definiert für jeden der drei Eckpole einen Wert von 1 (entsprechend 100%) auf den drei Achsen des Koordinatensystems, so lässt sich zwischen diesen Extrempunkten ein Dreieck als Fläche im Raum aufspannen, innerhalb dessen je- des Spiel als Vektor aus den drei Werten seines Anteils an den Elementen „Ac- tion“, „Denken“ und „Geschichte“ definierbar ist (vgl. Abbildung 3).
Anhand der Darstellung wird auch ersichtlich, wie die Verortung von einzelnen Spielen oder auch kompletten Spielgenres erfolgen könnte. So beschreibt der Be- reich Sa in Abbildung 3b jene Spiele, die sich durch eine hochgradige Orientierung am Element „Action“ auszeichnen und dafür die Aspekte „Denken“ und „Ge- schichte“ nahezu vollständig vernachlässigen. Der Bereich Sm beschreibt dagegen Spiele, die über ein mehr oder weniger ausgewogenes Mischverhältnis aller drei Prinzipien verfügen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Vektormodell zur Lokalisierung von Computerspielen Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 3c zeigt schließlich, wie sich drei fiktive Spiele im Modell darstellen ließen:
- S1 mit dem Vektor (0; 100; 0)8 wäre ein Spiel, das nur aus einer Ge- schichte besteht und vom Spieler weder Handlungen noch Nachdenken erfordert. Das Beispiel scheint also eher einen Film als ein Computer- spiel darzustellen, wäre jedoch theoretisch als Extrem-Kategorie denk- bar.
-S2 (45; 0; 55) beschreibt ein Spiel, das sich aus einer beinahe ausgewo- genen Mischung von Action und Anforderungen an das logische Den- ken zusammensetzt, dabei aber über keine Spielgeschichte verfügt. Te- tris wäre hier als ein mögliches Beispiel zu nennen: Es erfordert lo- gische Kombinationsgabe und vorausschauendes Denken, wegen des immer höheren Spieltempos steigt aber auch der Actionwert, jedoch gibt es keine Geschichte, die in das Spiel einführt oder in ihm weiter- entwickelt wird.
-Spiel S3 (15; 10; 75) kombiniert schließlich in unterschiedlichen Antei- len alle drei Elemente. Ein Beispiel hierfür könnte ein Strategiespiel sein, welches zwar über eine zugrunde liegende Hintergrundgeschichte verfügt, diese jedoch im Spielverlauf vernachlässigt und sich auf den strategischen Aspekt konzentriert, jedoch auch noch einen kleinen An- teil an Action, beispielsweise in Form von plötzlichen Angriffen des (Computer-) Gegners auf die schnell reagiert werden muss, beinhaltet.
Problematisch an dem Modell ist zunächst einmal seine mangelnde empirische Veri- bzw. Falsifikation; es besteht aus der reinen Idee einer Weiterentwicklung und wurde bisher noch nicht auf seine Validität überprüft: Auch für die Zuordnung der Zahlenwerte, die jeweils die einzelnen Koordinaten ausmachen, gibt es noch keine klare Vorschriften.
Dennoch scheint es auch über einige Vorteile zu verfügen. Es bietet die Möglichkeit der Integration sowohl der verschiedenen Ansätze zur Herausbildung von Einzelgenres (ego-shooter, Strategiespiele, Adventures etc.) als auch von neu- en Spielen und hier vor allem von solchen, die sich als Mixturen aus bisherigen Spielekategorien erweisen (ein aktuelles Beispiel wäre Spellforce, ein Adventure, das aber auch über ausgeprägte Strategiespielelemente verfügt). Ferner können die Zahlenangaben dem Außenstehenden einen ersten quantifizierbaren Eindruck über die Inhalte und Anforderungen des Spiels liefern. Zwar sind die jeweiligen Zah- lenwerte im Moment noch auf subjektive Schätzungen zurückzuführen, dennoch kann wohl mit ziemlicher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass ein Spiel wie DOOM9 keine hohen Werte im Bezug auf Anforderungen an logisches Den- ken erhalten wird oder die Hintergrundgeschichte als besonders komplex und spielbestimmend eingestuft wird.
Als Besonderheit dieser Erweiterung des ursprünglichen Landkartenmodells von Fritz wäre somit hervorzuheben, dass der Vorteil darin liegt, Spiele oder Spielgenres nicht nur „vage“ oder „bildhaft“ in Abhängigkeit von den Polen einzuordnen. Stattdessen besteht die Möglichkeit ihnen einen (wenigstens annä- hernd) „objektiven“ Wert zuzuweisen, der zumindest einen Anhaltspunkt für die Inhalte und Anforderungen des Spiels oder Spielgenres bietet. Zum Teil seltsam anmutende Wortneuschöpfungen zur Beschreibung von Spielen, welche die alten Genregrenzen aufbrechen (wie zum Beispiel „strategisches Echtzeit-Rollenspiel“), können somit vermieden und die betreffenden Spiele durch eine ungefähre Angabe der Spiele-Koordinaten von jedem selbst zugeordnet und bewertet werden.
3. Computerspiele in den Medienwelten von Jugendlichen
Medien spielen im Alltag der Menschen eine immer größere Rolle. Viele un- serer alltäglichen Umgangsweisen sind ohne Medienprodukte gar nicht mehr denkbar.10 Auch Jugendliche zeigen sich in ihrem Medienkonsum immer diffe- renzierter und individualisierter. Dabei nutzen sie in zunehmendem Maße nicht nur jene Angebote, die speziell für ihre Altersgruppe konzipiert wurden, sondern wählen aus deren Gesamtheit entsprechend ihren persönlichen Vorlieben (vgl. Kübler 2003, S. 3 und S. 7).
Der Begriff der „Medienwelten“ wurde eingeführt, um das Ausmaß und die zunehmende Komplexität im Bereich der Mediennutzung zu beschreiben und ist eher metaphorischer Natur, angelehnt an den Terminus „Lebenswelten“ von Husserl (vgl. Kübler 2003, S. 3).
„Er soll signalisieren, dass Kinder und Jugendliche heute mit Medien selbst- verständlich aufwachsen, dass sie wichtige Bestandteile ihres Lebens, ihrer Identitätsfindung und ihrer Sozialisation darstellen; er soll sowohl Medien- strukturen und -märkte als auch ihre subjektive Auseinandersetzung, Aneig- nung und die immer wieder zumindest partielle Loslösung von ihnen um- fassen.“ (Kübler 2003, S. 1)
Im folgenden soll dargestellt werden, über welche Rolle Computerspiele im Verbund der Medien, die von Jugendlichen genutzt werden, verfügen. Ausgehend von ihrem Verbreitungsgrad und den Funktionen, die ihnen beigemessen werden, sollen die Motive für die Beschäftigung mit ausgewählten Spielen untersucht werden. Dabei wird sich herauskristallisieren, dass den Jugendlichen hier Erleb- nisse in virtuellen Welten angeboten werden, die für sie spannende Erweiterungen und/ oder Alternativen zu ihren Interessen und Erfahrungen im Alltag sind.
3.1. Verbreitung und Bedeutung von Computerspielen
Computerspiele erfreuen sich einer zunehmenden Beliebtheit. Unter Betrachtung der Zahlen, die der Verband der Unterhaltungssoftware Deutschland (VUD) für das Jahr 2003 veröffentlichte, wird ersichtlich, dass der Spielemarkt ein nicht zu vernachlässigendes Segment ausmacht. Allein im oben genannten Zeitraum haben die Bundesbürger knapp eine Milliarde Euro für Computerspiele ausgegeben und durchschnittlich jeder zweite Deutsche hat ein solches gekauft (eigene Berechnungen auf Basis von: VUD 2004, S. 2).
Es erscheint nur naheliegend, dass auch Jugendliche von dieser Tendenz nicht auszunehmen sind. Gleichzeitig mehren sich jedoch auch die Stimmen, die dieser Entwicklung kritisch gegenüberstehen und befürchten, dass Computerspiele zum alleinigen Freizeitinhalt junger Menschen werden könnten.
Im folgenden soll versucht werden sich der Thematik auf zwei Wegen anzunä- hern. Einerseits soll der quantitative Aspekt des Verbreitungsgrades von Compu- terspielen unter Jugendlichen näher betrachtet und der Frage nachgegangen werden, ob sich hier Hinweise darauf finden lassen, dass die Beschäftigung mit Computerspielen unter Jugendlichen tatsächlich den oft unterstellten hohen Stellenwert hat. Andererseits darf jedoch auch die qualitative Seite dieser Thema- tik nicht außer Acht gelassen werden. In diesem Zusammenhang erscheinen vor allem Thesen zur Verdrängung anderer Hobbies durch Computerspiele und zur befürchteten Vereinsamung der Spieler von Interesse. Hierauf soll vor dem Hin- tergrund der Bedeutung, welche die Jugendlichen selbst den Computerspielen bei- messen, eingegangen werden.
3.1.1. Verbreitung von Computern und ihre Nutzung
Um Angaben zum Verbreitungsgrad von Computerspielen unter Jugendlichen machen zu können, erscheint es zunächst sinnvoll einen Blick auf die Verfüg- barkeit jener Medien zu werfen, die quasi als materielle Voraussetzungen für Computerspiele vorhanden sein müssen. Hierunter fallen Computer, Spielekonso- len und Internet-Zugänge.11 Basierend auf den Daten der repräsentativen Um- fragen „Jugend Information (Multi)Media“ (JIM) der Jahre 2002 und 2003 lässt sich dabei besonders hervorheben, dass, den aktuellen Zahlen zufolge, nahezu je- der Jugendliche im Alter von 12-19 Jahren in der Bundesrepublik die Möglichkeit hat, auf einen Computer zuzugreifen bzw. beinahe die Hälfte sogar ein eigenes Gerät besitzt (vgl. hierzu weiterführend mpfs 2003 sowie zu den aktuelleren Zah- len mpfs 2004). Computer sowie das Internet scheinen eine immer stärkere Ver- breitung aufzuweisen und somit wohl schon zur normalen Medienausstattung der Jugendlichen zu gehören (vgl. Tabelle 1).
Diese Tatsache belegen auch die Zahlen zur Nutzungshäufigkeit, vor allem in Bezug auf den Computer. So lassen sich 93% der befragten Jugendlichen mindes- tens als gelegentliche Nutzer einstufen, die den Computer wenigstens einmal im Monat nutzen. Auch bei der Betrachtung der verschiedenen Altersgruppen innerhalb der Befragten lassen sich kaum Unterschiede bezüglich dieses Aspektes ausmachen, in allen liegt der Anteil der Computernutzer über der 90%-Marke (vgl. mpfs 2004, S. 10).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Verfügbarkeit im Haushalt und Eigenbesitz ausgewählter Medien bei Jugendlichen (Angaben in Prozent der befragten Jugendlichen)
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf mpfs 2003, S. 15ff und mpfs 2004, S. 3
Werden weiterführend die Tätigkeiten betrachtet, für die Jugendliche den Computer nutzen, fällt die herausragende Rolle des Spielens auf. So kam Schindler zu dem Ergebnis, dass der Computer von den Jugendlichen eher als Spielemaschine, denn zum Arbeiten, wie von den Eltern gewünscht, genutzt wird. Von den 519 befragten Bremer Schülerinnen und Schülern im Alter zwischen neun und sechzehn Jahren nutzten 90% den PC manchmal und fast die Hälfte sogar häufig zum Spielen (vgl. Schindler 1993, S. 107).
In der von Schwab und Stegmann durchgeführten Studie zum jugendlichen Computernutzungsverhalten gaben 65% der 692 befragten Kinder und Jugendlichen zwischen zehn und einundzwanzig Jahren an, intensiv zu spielen. Fast die Hälfte von ihnen (46%) nannte Computerspiele sogar als die häufigste Tätigkeit, die sie am Computer ausführen, immerhin noch 29% die zweithäufigste (vgl. Schwab/ Stegmann 1999, S. 70ff.).
In der Befragung von 161 Kindern und Jugendlichen zwischen acht und sech- zehn Jahren von Petzold verfügten 90% über die Gelegenheit am Computer zu spielen und 67% konnten hierfür auf eine Spielekonsole zurückgreifen. Weiterhin gaben 45% der Befragten an, den Computer ausschließlich zum Spielen zu nutzen, während 23% neben dem Spielen auch am Computer lernten (vgl. Petzold 2000, S. 51).
In eine ähnliche Richtung gehen auch die Zahlen, die Fromme, Vollmer und Meder in ihrer Studie zur Bedeutung von Computerspielen anführen. Sie ver- weisen auf eine Anzahl von 87% der 1.111 von ihnen befragten Kinder und Jugendlichen im Alter von sieben bis fünfzehn Jahren, die mehr oder weniger regelmäßig Computerspiele nutzen (vgl. Vollmer 2000, S. 28). Auch bei den aktuellen Zahlen lässt sich dieser Trend bestätigen. In der Unter-suchung „BRAVO Faktor Märkte“ stehen Spiele wieder mit 63% der Nennungen an erster Stelle der Tätigkeiten am Computer (vgl. Bauer Media KG 2004, S. 26). Die JIM-Studie 2003 kommt ebenfalls zu einem ähnlichen Ergebnis, wenn auch Computerspiele hier nur an zweiter Stelle der Tätigkeiten stehen, die von den befragten Jugendlichen täglich oder mehrmals pro Woche am Computer ausge-führt werden. Mädchen nannten sie zu 22% und Jungen sogar zu 62% (vgl. mpfs 2004, S. 11).12 Computerspiele scheinen sich also eines großen Beliebtheitsgrades bei den Jugendlichen zu erfreuen und bezüglich der Computernutzung eine Schlüsselrolle einzunehmen.
Angaben zu der konkreten Anzahl von Computerspielen, über die Jugendliche verfügen, sind dagegen äußerst rar. So stellte Schindler in seiner oben erwähnten Untersuchung fest, dass die von ihm befragten Computerspieler im Durchschnitt über 50 verschiedene Spiele verfügten.13 Gleichzeitig gespielt und nach Angaben der Befragten auch richtig beherrscht wurden jedoch nur fünf davon (vgl. Schind- ler 1993, S. 108). Auf aktuellere Zahlen kann an dieser Stelle leider nicht einge- gangen werden, es scheint vielmehr so, als wäre der Aspekt des Spielebesitzes nicht weiter untersucht worden, zumindest waren in den neueren Veröffent- lichungen zu diesem Themenbereich die entsprechenden Angaben nicht aufge- führt.
3.1.2. Zur Funktion von Computerspielen für Jugendliche
Jedoch sagt weder die bloße Feststellung, dass Spielen mit die häufigste Tätig- keit Jugendlicher am Computer ist, noch die Anzahl der besessenen Computer- spiele zwingend etwas darüber aus, welche konkrete Bedeutung die Jugendlichen dieser Beschäftigung beimessen. Aussagekräftiger scheinen Angaben darüber zu sein, welchen Zeitrahmen sie darauf verwenden, sich mit Computerspielen zu beschäftigen. Fromme, Vollmer und Meder gelangten im Rahmen ihrer oben angeführten Untersuchung zu dem Ergebnis, dass sich zwar einerseits der Großteil nicht besonders regelmäßig mit Computerspielen befasst, andererseits aber auch ein Anteil von über einem Viertel täglich spielt und somit wohl auch der Gruppe der Vielspieler zuzurechnen ist (vgl. Vollmer 2000, S. 28 sowie Tabelle 2). Computerspiele scheinen somit eine bedeutende Rolle für Jugendliche zu spielen, schließlich verwenden sie einen entsprechend hohen Anteil ihrer Freizeit auf die Beschäftigung mit ihnen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Nutzungshäufigkeit von Computerspielen bei Jugendlichen (Angaben in Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen) Quelle: Vollmer 2000, S. 28 sowie eigene Berechnungen
Ebenfalls von Interesse in diesem Zusammenhang sind Beobachtungen, die be- züglich der Einwirkungen des Alters auf das Spielverhalten gemacht wurden. Ver- schiedene Untersuchungen stellten dabei immer den gleichen Effekt heraus: Mit zunehmendem Alter lässt die Intensität des Computerspielens nach. Aktuell bestä- tigen dieses vor allem die Zahlen der JIM-Studie aus dem Jahr 2002: Spielen noch 60% der 12-13jährigen mehrmals pro Woche, so beläuft sich dieser Anteil für die 18-19jährigen nur noch auf 27% (vgl. mpfs 2003, S. 33). Als Erklärung hierfür wird angenommen, dass die älteren Jugendlichen einen größeren Anteil ihrer Frei- zeit außerhalb des familiären Umfelds (und damit auch des Orts, an dem sich der Computer oder die Spielekonsole in den häufigsten Fällen befindet) verbringen und durch ihre gestiegene Mobilität sowie die größere Bedeutung von anderen Freizeitmöglichkeiten nicht mehr in dem starken Maße auf Computerspiele zu- rückgreifen (vgl. auch Fritz/ Misek-Schneider 1995, S. 116 und Schwab/ Steg- mann 1999, S. 72f.).
Computerspiele erfüllen vor diesem Hintergrund die Funktion eines Ersatzme- diums. Jugendliche, die nach den Anlässen für die Beschäftigung mit Computer- spielen gefragt wurden, nannten zum Großteil Langeweile als Ursache. Langewei- le ist ein Gefühl, das als negativ empfunden wird und dem sich die Jugendlichen durch Aktivitäten zu entziehen versuchen (vgl. Fritz 2003j, S. 3). Das Computer- spiel hat somit die Funktion eines „Füllmediums“, das genutzt wird, um den Zeit- raum zwischen den bevorzugteren Tätigkeiten zu überbrücken14 (vgl. Fritz/ Misek- Schneider 1995, S. 89). Im Vergleich mit anderen Freizeitbeschäftigungen nimmt es einen Platz hinter den klassischen Hobbies wie beispielsweise Sport treiben, lesen oder Musik hören ein. Computerspiele haben somit im Repertoire der Frei- zeitbeschäftigungen Jugendlicher einen ergänzenden und keinen ersetzenden Charakter (vgl. weiterführend Fromme 2000, S. 54 ff.). Teilweise erscheint die Beschäftigung mit Computerspielen sogar erst „im unteren Drittel der Rang- folgelisten“ (Fritz 1995b, S. 12). Besonders intensiv und zu Lasten anderer Aktivi- täten wird sich dagegen nur mit ihnen beschäftigt, wenn das Medium an sich neu ist oder ein besonders faszinierendes Spiel den Anreiz liefert (vgl. Fromme 2000, S. 51).
Eine weitere Funktion, die Computerspiele erfüllen können, ist jene des Ab- baus von Aggressionen oder Stress. Viele Jugendliche greifen gezielt zu (hier vor allem gewalthaltigen) Computerspielen, um frustrierende oder negative Erfah- rungen im Alltag zu verarbeiten, die sie auf anderem Weg nicht so einfach los- werden können. Diese „Instrumentalisierung“ der Spiele kann dabei teilweise so planvoll vorgehen, dass zunächst ein actionlastigeres Spiel gewählt wird, um sich abzureagieren und anschließend auf ein Denkspiel zurückgegriffen wird, um sich wieder zu beruhigen. Auch zur Ablenkung lassen sich Computerspiele nutzen, wobei sie ähnlich wie das Medium Fernsehen eingesetzt werden. Ziel dieser Handlungen ist es, sich nicht mehr mit der gerade vorherrschenden Problematik beschäftigen zu müssen, sie - wenn auch nur für kurze Zeit - zu vergessen (vgl. zu diesen Aspekten: Fritz/ Misek-Schneider 1995, S. 90). Computerspiele werden in diesem Zusammenhang also gezielt und somit auch bewusst zu einer Art „Ge- fühlsmanagement“ eingesetzt.
Darüber hinaus betonen die Jugendlichen ebenfalls die Bedeutung der gemein- samen Beschäftigung mit Computerspielen. Für viele scheint sich ihr Wert noch zu steigern, wenn die Möglichkeit besteht gemeinsam mit anderen (in der Regel sind dies Freunde, seltener Geschwister oder die Eltern) zu spielen (vgl. Fromme 2000, S. 49 und 58). Zusammen zu spielen bietet die Möglichkeit sich gegenseitig an schwierigen Stellen im Spiel zu helfen, aber auch das eigene Können mit dem der Anderen zu vergleichen. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit untereinander Wettbewerbe durchzuführen. Außerdem können Computerspiele und die Beschäf- tigung mit ihnen das auslösende Element für die Zugehörigkeit zu einer Clique sein. Sie stellen bei den Jugendlichen, die sich mit ihnen befassen, ferner einen wichtigen Gesprächsstoff dar, indem man sich gegenseitig über Neuheiten auf dem Markt oder Lösungswege austauscht (vgl. Fritz/ Misek-Schneider 1995, S. 110f.). Besonders talentierte Spieler erhalten innerhalb solcher Gemeinschaften schnell den Status von Experten, auf die andere bei Problemen, zum Beispiel wenn sie in einem Spiel nicht mehr weiter wissen, zurückgreifen (vgl. hierzu die beispielhafte Darstellung bei Fritz/ Fehr 1995, S. 138f.). Die Vorstellung, dass die Beschäftigung mit Computerspielen zu einer sozialen Isolation der jugendlichen Nutzer führt, ist somit nicht haltbar. Vielmehr scheint sich das Gegenteil einzu- stellen.15
Zwar findet sich häufig die Annahme, dass es bei der Beschäftigung mit Computerspielen zu Lernprozessen kommt, jedoch soll auf diesen Aspekt hier nicht weiter eingegangen werden. Die Begründung hierfür liegt darin, dass nach Meinung der Verfasserin die oben dargestellten Funktionen von den Jugendlichen bewusst ausgewählt werden, während Lernen beim Computerspielen ein Prozess ist, der eher nebenher verläuft und nicht auf einer Entscheidung dafür oder dagegen seitens der Spieler beruht.16
3.2. Motive für die Beschäftigung mit Computerspielen
Computerspiele zeichnen sich heutzutage durch eine unglaubliche Vielfalt aus. Nahezu für jeden Geschmack und jedes Interesse gibt es ein entsprechendes Angebot in der virtuellen Welt und allem Anschein nach wirkt ein Großteil von ihnen besonders attraktiv auf Jugendliche. Im folgenden soll daher der Frage nach- gegangen werden, welche Motive sie haben können, sich mit Computerspielen zu beschäftigen. Gleichzeitig bieten die dargestellten Modelle auch Erklärungen da- für, nach welchen Kriterien die Auswahl eines Spiels erfolgt und welche Formen von Erlebnisräumen die virtuellen Computerwelten ihnen bieten.
[...]
1 Als jugendlich wird dabei in Anlehnung an die verbreitete Definition dieses Begriffs die Alters- gruppe der 14- bis 21-Jährigen verstanden (vgl. zu diesem Aspekt unter anderem Raithel 2001b, S. 11, Fußnote 1).
2 Unter Hand-Hold Geräten versteht man die kleinen tragbaren Spielekonsolen. Zu den bekann- testen gehören der Game Boy von Nintendo und der Game Gear von Sega.
3 Eine Ausnahme stellen jene Aspekte dar, auf die in den Kapiteln sieben und acht eingegangen werden soll. Es ist für den Nutzer bis heute nicht möglich Spiele einer Videokonsole inhaltlich zu verändern und die technischen Voraussetzungen zum Spielen in lokalen Netzwerken oder über das Internet sind erst seit ca. drei Jahren in diesem Bereich vorhanden.
4 „Tennis for Two“ stellt dabei eine Art virtuelles Tennis oder Ping Pong dar. Der Spieler steuert einen von zwei am rechten und linken Bildschirmrand nach oben und unten beweglichen weißen Strichen, die mit (Tisch-) Tennisschlägern verglichen werden können. Ein weißer Punkt markiert den Ball.
5 „Action“ wird in diesem Zusammenhang im Sinne seiner eigentlichen Bedeutung, nämlich von Aktion und Handlung, verstanden. Es handelt sich also mit anderen Worten um Computerspiele, deren Hauptmerkmal darin besteht, dass sie beim Spieler Handlungen, im Sinne von Reaktionen auf dargebotene Reize, auslösen.
6 Zur näheren Beschreibung dieses Ansatzes und seines Bezuges zu Computerspielen vgl. Kapi- tel 4.3.
7 Diese Gruppe der Spiele verdankt ihren Namen der Tatsache, dass es hierbei meist darauf an- kommt besonders schnell oder zur richtigen Zeit das entsprechende „Knöpfchen“ seiner Maus, Tastatur oder seines Controllers zu drücken.
8 Die Reihenfolge der Angaben im Vektor erfolgt dabei nach der Syntax (A; G; D). Der erste Wert beschreibt also immer die Position auf der Action-Koordinate, der zweite die Ausprägung des Merkmals Geschichte und der dritte den Anteil an kognitiven Anforderungen an dem Spiel.
9 Zur ausführlicheren Darstellung dieses Spiels vgl. Kapitel 7.2.1.
10 Ein Beispiel hierfür ist sicher die Verbreitung und Rolle des Handys. Es scheint immer wichtiger, sowohl im Berufsleben als auch im Alltag, ständig erreichbar zu sein, andererseits aber auch beispielsweise private Verabredungen spontan „von Unterwegs“ treffen zu können.
11 Die Angaben zur Häufigkeit von Internet-Zugängen mögen in diesem Zusammenhang zunächst fehl am Platz wirken, jedoch gewinnt der Aspekt, Spiele auch online gegen andere menschliche Gegner spielen zu können, vermehrt an Bedeutung, so dass die entsprechenden Werte an dieser Stelle in die Darstellung aufgenommen werden sollen.
12 Leider wurde in der Darstellung der JIM-Studie 2003 auf die Angaben von geschlechtsüber- greifenden Zahlen zu dieser Thematik verzichtet, so dass hierauf kein direkter Bezug genom- men werden kann. Unter der Annahme, dass der Anteil von männlichen und weiblichen Jugend- lichen in der Stichprobe annähernd ausgewogen ist (vgl. mpfs 2004, S. 2), lässt sich jedoch ein Mittelwert von etwa 39% der PC-Nutzer, die den Computer öfter zum Spielen nutzen, berech- nen (eigene Berechnung auf Basis der JIM-Studie 2003). Diese Zahl erscheint auch vor dem Hintergrund der Vorjahresergebnisse plausibel: Hier wurde ein geschlechterübergreifender Wert von 44% ermittelt (vgl. mpfs 2003, S. 32).
13 Problematisch hierbei war allerdings der, damals noch hohe, Anteil an Raubkopien, da Disketten relativ einfach zu kopieren waren, weil noch kein halbwegs sicherer Kopierschutz existierte. Im Schnitt besaß Schindler zufolge jeder der Befragten nur fünf Originale (vgl. Schindler 1993, S.108f.).
14 Eine Ausnahme in diesem Bezug stellt sicher die Gruppe der Vielspieler dar (vgl. weiterfüh- rend zur Beschreibung dieser besonderen Gruppe jugendlicher Computerspieler: Fritz 2003f).
15 Als Beispiele hierfür können auch clans und die Mehrpersonen-Rollenspiele im Internet dienen (vgl. dazu Kapitel 8).
16 Zur Vertiefung dieses Aspektes sei aber beispielhaft auf die Arbeit von Kraam-Aulenbach verwiesen, die sich mit der Förderung der Fähigkeit Probleme zu lösen durch Computerspiele beschäftigt (vgl. Kraam-Aulenbach 2003). Zu beachten ist weiterhin, dass es hier um Lernpro- zesse beim Spielen geht, nicht um speziell zu diesem Zweck entwickelte Lernsoftware. Dass in diesem Fall eine bewusste Entscheidung der Nutzer für oder gegen das Lernen getroffen wird, soll natürlich keinesfalls angezweifelt werden.
- Arbeit zitieren
- Tanja Adamus (Autor:in), 2004, mods, clans und e-sportler – Computerspiele als virtuelle Erlebnis- und Inszenierungsräume Jugendlicher, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35681
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