[...] Die Motivation zur Herausgabe eines Deutschen Corporate
Governance Kodex ist darauf zurückzuführen, dass angloamerikanische
Investoren in den vergangenen Jahren zwar Grundsätze
guter Corporate Governance bekannt gegeben haben, deren
unmittelbarer Vergleich mit dem deutschen Rechtssystem war aber nur
schwer möglich, da gerade in Deutschland effektive Regelungen in
Bezug auf Corporate Governance in vielen Gesetzen und
Verordnungen verstreut waren. Insofern ergab sich die Notwendigkeit, das deutsche System in einer transparenten Form offen zu legen, wie
es bereits seitens großer institutioneller Investoren gefordert wurde.3
Ausgelöst durch den internen Druck des Missmanagements und den
externen Wandel durch die Globalisierung der Kapitalmärkte führte die
Corporate-Governance-Diskussion in Deutschland zu einer ganzen
Anzahl von Bemühungen, ein Regelwerk zu schaffen, um damit den
Finanzplatz Deutschland für internationale Investoren attraktiv zu
machen.4
Vor diesem Hintergrund wurde der Deutsche Corporate Governance
Kodex im Auftrag der Bundesregierung in endgültiger Fassung im
Februar 2002 verabschiedet. Der Kodex enthält neben der Wiedergabe
zentraler gesetzlicher Vorschriften ergänzende Standards und markiert
einen wichtigen Schritt zur Effizienzverbesserung der Leitung und
Überwachung von Unternehmen.5
Das Ziel dieser Arbeit ist es, sowohl den Regelungsinhalt des
Deutschen Corporate Governance Kodex in seinen Einzelheiten
darzustellen als auch über die Akzeptanz und die Umsetzung des
Kodex zu berichten.
3 Vgl. Cromme, Gerhard, Die Bedeutung des Deutschen Corporate Governance
Kodex für die Praxis, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 55. Jahrgang,
11/2002, S. 5.
4 Vgl. Dörner, Dietrich/Orth, Christian, Kontrolle ist besser!, in: Risknews, Das
Fachmagazin für Risikomanagement, 2/2004, S. 69.
5 Vgl. Baums, Theodor, Corporate Governance, Aktienrecht für globalisierte
Kapitalmärkte, Verlag Recht und Wirtschaft GmbH, Heidelberg, 2002, S. 23.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Problemstellung und Zielsetzung
1.2. Aufbau der Arbeit
2. Begriffliche Abgrenzung von Corporate Governance
3. Entstehung des Deutschen Corporate Governance Kodex
3.1. Gesetzgeberische Maßnahmen
3.1.1. KonTraG 1998
3.1.2. TransPuG 2002
3.2. Corporate-Governance-Initiativen
3.2.1. Frankfurter Grundsatzkommission
3.2.2. Berliner Initiativkreis
3.2.3. Regierungskommission
3.2.4. Cromme-Kommission
4. Überblick über die Notwendigkeit und die Verbindlichkeits- stufen des Deutschen Corporate Governance Kodex
4.1. Notwendigkeit des Deutschen Corporate Governance Kodex
4.1.1. Kommunikationsfunktion
4.1.2. Qualitätsfunktion
4.2. Verbindlichkeitsstufen
4.2.1. Muss-Vorschriften
4.2.2. Soll-Empfehlungen
4.2.3. Sollte-Anregungen
5. Bestimmungen des Deutschen Corporate Governance Kodex
5.1. Präambel
5.2. Aktionäre und Hauptversammlung
5.2.1. Aktionäre
5.2.2. Hauptversammlung
5.2.3. Einladung zur Hauptversammlung, Stimmrechtsvertreter
5.3. Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat
5.4. Vorstand
5.4.1. Aufgaben und Zuständigkeiten
5.4.2. Zusammensetzung und Vergütung
5.4.3. Interessenkonflikte
5.5. Aufsichtsrat
5.5.1. Aufgaben und Zuständigkeiten
5.5.2. Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsratsvorsitzenden
5.5.3. Bildung von Ausschüssen
5.5.4. Zusammensetzung und Vergütung
5.5.5. Interessenkonflikte
5.5.6. Effizienzprüfung
5.6. Transparenz
5.7. Rechnungslegung und Abschlussprüfung
5.7.1. Rechnungslegung
5.7.2. Abschlussprüfung
6. Die Akzeptanz und Umsetzung des Deutschen Corporate Governance Kodex bei börsennotierten Gesellschaften
6.1. Methodik der Untersuchung
6.2. Umsetzung des Deutschen Corporate Governance Kodex bei DAX-30-Unternehmen
6.2.1. Qualität der Corporate Governance im Teilgebiet Leitung
6.2.2. Qualität der Corporate Governance im Teilgebiet interne Kontrolle
6.2.3. Qualität der Corporate Governance im Teilgebiet externe Kontrolle
6.2.4. Kritische Soll-Empfehlungen
6.2.5. Kritische Sollte-Anregungen
6.3. Kritische Betrachtung der Ergebnisse
7. Schlussbetrachtung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Ranking für Unternehmen des DAX
Abbildung 2: Ranking für Unternehmen des DAX im Teilgebiet Leitung
Abbildung 3: Ranking für Unternehmen des DAX im Teilgebiet interne Kontrolle
Abbildung 4: Ranking für Unternehmen des DAX im Teilgebiet externe Kontrolle
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: DAX – kritische Soll-Empfehlungen
Tabelle 2: Veröffentlichungspraxis bei Vorstands- und Aufsichtsratbezügen in den DAX-30-Unternehmen
Tabelle 3: DAX – kritische Sollte-Anregungen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Die Unternehmensführung und -kontrolle, im englischsprachigen und häufig auch im deutschsprachigen Raum als Corporate Governance bezeichnet, ist durch diverse Bilanzskandale zum zentralen Thema geworden. Zahlreiche Unternehmensskandale haben die internationalen Kapitalmärkte der Jahre 2000 bis 2002 erschüttert und waren mitverantwortlich für eine anhaltend negative Performance, begleitet durch einen spürbaren Vertrauensverlust der Anleger.[1]
Die Unternehmensskandale Flowtex und Balsam in Deutschland haben die Defizite im deutschen Corporate-Governance-System aufgezeigt. Diese und noch viele andere renommierte Unternehmen hatten über Jahre hinweg nur Luftgeschäfte verbucht, aber dennoch hohe Gewinne ausgewiesen. Derartige Schieflagen bedeutender Unternehmen sowie die Globalisierung der Kapitalmärkte regte die internationale Diskussion über effiziente Formen der Leitung und Überwachung börsennotierter Gesellschaften an.[2]
1.1. Problemstellung und Zielsetzung
Die Motivation zur Herausgabe eines Deutschen Corporate Governance Kodex ist darauf zurückzuführen, dass anglo-amerikanische Investoren in den vergangenen Jahren zwar Grundsätze guter Corporate Governance bekannt gegeben haben, deren unmittelbarer Vergleich mit dem deutschen Rechtssystem war aber nur schwer möglich, da gerade in Deutschland effektive Regelungen in Bezug auf Corporate Governance in vielen Gesetzen und Verordnungen verstreut waren. Insofern ergab sich die Notwendigkeit,
das deutsche System in einer transparenten Form offen zu legen, wie es bereits seitens großer institutioneller Investoren gefordert wurde.[3]
Ausgelöst durch den internen Druck des Missmanagements und den externen Wandel durch die Globalisierung der Kapitalmärkte führte die Corporate-Governance-Diskussion in Deutschland zu einer ganzen Anzahl von Bemühungen, ein Regelwerk zu schaffen, um damit den Finanzplatz Deutschland für internationale Investoren attraktiv zu machen.[4]
Vor diesem Hintergrund wurde der Deutsche Corporate Governance Kodex im Auftrag der Bundesregierung in endgültiger Fassung im Februar 2002 verabschiedet. Der Kodex enthält neben der Wiedergabe zentraler gesetzlicher Vorschriften ergänzende Standards und markiert einen wichtigen Schritt zur Effizienzverbesserung der Leitung und Überwachung von Unternehmen.[5]
Das Ziel dieser Arbeit ist es, sowohl den Regelungsinhalt des Deutschen Corporate Governance Kodex in seinen Einzelheiten darzustellen als auch über die Akzeptanz und die Umsetzung des Kodex zu berichten.
1.2. Aufbau der Arbeit
Den Ausgangspunkt meiner Arbeit bildet eine Einführung in die allgemeine Begriffsbestimmung von Corporate Governance.
Im nachfolgenden Kapitel wird die Entstehungsgeschichte des Deutschen Corporate Governance Kodex betrachtet, wobei auf die wesentlichen gesetzgeberischen Maßnahmen, aber auch auf Corporate-Governance-Initiativen eingegangen wird.
In Kapitel vier wird ein Überblick über die Notwendigkeit, die Funktionen und die drei Verbindlichkeitsstufen des Deutschen Corporate Governance Kodex gegeben.
Den thematischen Schwerpunkt meiner Arbeit bildet Kapitel fünf, das sich mit der Erläuterung, aber auch mit der kritischen Auseinandersetzung der Einzelbestimmungen des Kodex befasst.
Untersuchungsgegenstand des sechsten Kapitels ist die Überprüfung der Akzeptanz und der Umsetzung des Deutschen Corporate Governance Kodex bei börsennotierten Gesellschaften, wobei sich die Interpretation der Ergebnisse nur auf die im DAX 30 gelisteten Unternehmen bezieht. Grundlage der Ergebnisse sind die Befunde der Corporate Governance Quality Study 2004, die unter der Leitung von Prof. Dr. Alexander Bassen erhoben wurden.
Der letzte Teil dieser Arbeit enthält eine zusammenfassende Schlussbetrachtung.
2. Begriffliche Abgrenzung von Corporate Governance
Der Begriff Corporate Governance fasst die Regeln über Unternehmensleitung und -kontrolle zusammen. Diese Regeln betreffen die Aufgaben und die Organisation der Organe, das Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat, die Auswahl der Organmitglieder, die Vergütungsprinzipien und die Verhaltensregeln für Vorstand und Aufsichtsrat sowie die Unternehmenskommunikation.[6]
Die Bundesregierung definiert Corporate Governance als rechtliche und tatsächliche Verteilung der Aufgaben zwischen Aufsichtsrat, Vorstand und Eigentümern. Eine optimale Verteilung der Aufgaben sichert den Erfolg eines Unternehmens und schafft Vertrauen in das Unternehmen.[7]
Es existieren jedoch weitere zahlreiche Definitionen für Corporate Governance. Dieser Vielzahl an Definitionen kann entnommen werden, dass grundsätzlich zwei Verständnisweisen vorherrschen. Einerseits wird eine rechtliche Interpretation vorgenommen, bei der im Wesentlichen die Aufbau- und Ablauforganisation innerhalb des Unternehmens in den Vordergrund gestellt wird. Andererseits wird sich aus einer kapitalmarktorientierten Sichtweise auf die Außenbeziehungen des Unternehmens bezogen, wobei die Kommunikation bzw. die Transparenz die Hauptrolle spielt.[8]
3. Entstehung des Deutschen Corporate Governance Kodex
3.1. Gesetzgeberische Maßnahmen
Grundsätzlich könnten sämtliche Aktienrechtsnovellen als Initiativen zur Verbesserung der Corporate Governance in Deutschland betrachtet werden, wenngleich auch der Begriff seinerzeit noch nicht bekannt war. Unbestritten ist hingegen, dass mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) ein Meilenstein in diesem Zusammenhang gesetzt worden ist.[9]
Im Folgenden wird auf eine umfassende Beschreibung der Gesetze verzichtet und auf die einschlägige Literatur verwiesen.
3.1.1. KonTraG 1998
Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) trat am 1. Mai 1998 in Kraft und führte zu umfangreichen Änderungen von Wirtschaftsgesetzen, insbesondere des AktG, des GmbHG, des HGB sowie des PublG.[10]
Unter Corporate-Governance-Aspekten lassen sich die wesentlichen Reformziele des KonTraG wie folgt zusammenfassen:
- Reform der Aufsichtsratsarbeit und Steigerung der Effizienz der Überwachungstätigkeit,
- Erhöhung der Transparenz der Aufsichtsratstätigkeit,
- Stärkung der Zusammenarbeit von Abschlussprüfer und Aufsichtsrat,
- Stärkung der Kontrolle durch die Hauptversammlung,
- Abbau von Stimmrechtsdifferenzierungen,
- Zulassung moderner Finanzierungs- und Vergütungsinstrumente,
- kritische Prüfung des Beteiligungsbesitzes von Kreditinstituten.[11]
3.1.2. TransPuG 2002
An den Kontroll- und Transparenzgedanken des KonTraG knüpft auch das Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (TransPuG) an, welches am 26. Juli 2002 in Kraft trat und den gesetzlichen Ordnungsrahmen für den Deutschen Corporate Governance Kodex darstellt.[12]
Im Mittelpunkt dieser Reform steht der Aufsichtsrat, der die konkrete Umsetzung der deutschen Corporate-Governance-Bewegung bestimmt. Der Aufsichtsrat erhält mehr Rechte, aber auch erheblich mehr Pflichten.[13]
Das TransPuG behandelt in Bezug auf die Corporate Governance insbesondere:
- Informationsversorgung des Aufsichtsrats durch Vorstand und Abschlussprüfer,
- Gestaltung und Optimierung des aufsichtsratsinternen Informationsflusses,
- Informationsverarbeitung durch den Aufsichtsrat,
- Berücksichtigung der Kodexempfehlungen im Rahmen der Entsprechens-Erklärungen von Aufsichtsrat und Vorstand.[14]
Durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz wurde der § 161 in das Aktiengesetz eingeführt, der von enormer Wichtigkeit ist:
§ 161 Erklärung zum Corporate Governance Kodex
„Vorstand und Aufsichtsrat der börsennotierten Gesellschaft erklären jährlich, dass den vom Bundesministerium der Justiz im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemachten Empfehlungen der Regierungskommission Deutscher Corporate Kodex entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden. Die Erklärung ist den Aktionären dauerhaft zugänglich zu machen.“[15]
Die Interpretation des § 161 AktG ist im Kapitel 4.2.2. nachzulesen.
Neben den KonTraG und TransPuG wurde noch eine Reihe von Reformgesetzen verabschiedet, die aber in meiner Arbeit keine Berücksichtigung finden.
3.2. Corporate-Governance-Initiativen
In Deutschland wird seit etwa drei Jahren intensiv über Corporate Governance diskutiert. Die Hauptakteure waren zunächst zwei selbst ernannte Kommissionen, die im Jahr 2000 einen Code of Corporate Governance (Berliner Initiativkreis) bzw. Corporate-Governance Grundsätze für börsennotierte Gesellschaften (Frankfurter Grundsatzkommission) vorlegten.[16]
3.2.1. Frankfurter Grundsatzkommission
Der von der Frankfurter Grundsatzkommission geprägte Code zielt auf generelle Fragen der Corporate Governance in Deutschland sowie auf die Anforderungen an Vorstände und Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen. Aufbauend auf dem Code of Best Practice wurde von der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) eine so genannte Balanced Scorecard entwickelt, welche die Kriterien guter Corporate Governance präzisiert und zu einem Gesamtscore zusammenführt.[17]
3.2.2. Berliner Initiativkreis
Der vom Berliner Initiativkreis veröffentlichte German Code of Corporate Governance (GCCG) bezieht sich vorrangig auf besondere Anforderungen an das Verhalten des Vorstands und des Aufsichtsrats.[18] Ausgangspunkt für die einzelnen Bestimmungen ist ein betriebswirtschaftliches Führungskonzept für wettbewerbsfähige
Unternehmen. Der Kodex soll ein zweckmäßiges und effizientes Zusammenspiel von Vorstand und Aufsichtsrat ermöglichen.[19]
3.2.3. Regierungskommission
Ein Jahr später folgte die Regierungskommission Corporate Governance – Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle Modernisierung des Aktienrechts unter Vorsitz von Prof. Dr. Baums (Baums-Kommission) und legte einen über 300 Seiten starken Abschlussbericht vor, in dem etwa 150 Empfehlungen zu den Themen Leitungsorgane, Aktionäre, Anleger, Unternehmensfinanzierung, Informationstechnologie, Publizität, Rechnungslegung und Prüfung gegeben wurden.[20]
Die angestrebte Modernisierung des Unternehmens sollte zu einer Verbesserung von Transparenz und Kontrolle der Unternehmen führen und entspricht im Wesentlichen den Zielen des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG).[21]
3.2.4. Cromme-Kommission
Zur Umsetzung eines Teils dieser Empfehlungen wurde eine weitere Regierungskommission „Deutscher Corporate Governance Kodex“ unter Leitung von Gerhard Cromme eingesetzt. Die Aufgabe der Cromme-Kommission lag darin, einen deutschen Kodex zu entwickeln, der die Verhaltensregeln für die Führung und Kontrolle börsennotierter Unternehmen in Deutschland festlegt.[22] Um eine Gleichberechtigung aller Stakeholder- und Shareholder-Interessen zu garantieren, wurden
Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, Wirtschaftsprüfer und Wissenschaftler, institutionelle Anleger sowie Vertreter von Arbeitnehmern, Börse und Schutzgemeinschaften für Aktionäre einbezogen. Der Kodex wurde am 26. Februar 2002 fertig gestellt und der Bundesjustizministerin übergeben.[23]
Der Kodex spiegelt „Best Practice“ in der Unternehmensführung wieder, die einer sehr dynamischen Entwicklung unterliegen. Deshalb muss er entsprechend schnell an neue Entwicklungen anzupassen sein, um so eine kontinuierliche Verbesserung zu erfahren.[24]
Neben den eben erwähnten Kodizes gibt es noch einige weitere Regelwerke, die jedoch in der Öffentlichkeit keine große Bedeutung fanden. Zu nennen ist die veröffentlichte Schrift „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“ von der Schmalenbach-Gesellschaft und das Positionspapier des Instituts der Wirtschaftsprüfer Deutschland e. V., in dem es vor allem um eine verbesserte Unternehmens-überwachung und verstärkte Publizität geht.[25]
4. Überblick über die Notwendigkeit und die Verbindlichkeits- stufen des Deutschen Corporate Governance Kodex
4.1. Notwendigkeit des Deutschen Corporate Governance Kodex
Die Regelungen des Deutschen Corporate Governance Kodex knüpfen an fünf international geäußerte Kritikpunkte an der deutschen Unternehmensverfassung an. Dabei handelt es sich um
- mangelhafte Ausrichtung der Unternehmen an den Aktionärsinteressen,
- duale Unternehmensverfassung mit Vorstand und Aufsichtsrat,
- mangelnde Transparenz deutscher Unternehmens- führung,
- mangelnde Unabhängigkeit deutscher Aufsichtsräte und
- eingeschränkte Unabhängigkeit des Abschlussprüfers.[26]
Zusammengefasst enthält der Deutsche Corporate Governance Kodex 72 Standards, die sich mit den eben genannten Kritikpunkten auseinander gesetzt haben.[27]
Durch die zunehmende Bedeutung international tätiger institutioneller Anleger könnte es durch Fehlen eines einschlägigen Kodex zum erheblichen Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen kommen,[28] da das Vertrauen der Kapitalgeber nur durch einen Corporate Governance Kodex und dessen umfangreicher Umsetzung zurückgewonnen werden kann.[29]
Das Hauptanliegen des Deutschen Corporate Governance Kodex ist somit die Attraktivitätssteigerung des Standorts Deutschland für nationale und internationale Investoren.[30]
Zu diesem Zweck soll der Kodex im Kern zwei Aufgaben erfüllen, die als Kommunikationsfunktion und als Qualitätsfunktion bezeichnet werden können.
4.1.1. Kommunikationsfunktion
Grundzüge des deutschen Corporate-Governance-Modells sollen in kompakter Form dargestellt und insbesondere für ausländische Investoren verständlich gemacht werden. Diese Aufgabe ist von besonderer Wichtigkeit, weil das deutsche Two-Board-System – gekennzeichnet durch die Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat, das Kollegialprinzip für den Vorstand und die unternehmerische Mitbestimmung – im internationalen Vergleich gravierende Unterschiede aufweist. Diese Tatsache und das Problem, dass ausschlaggebende Regelungen des Governance-Rechts zur Leitung und Überwachung börsennotierter Gesellschaften über mehrere Gesetze verstreut sind, lassen die deutsche Unternehmensverfassung im Ausland oft nicht ausreichend transparent erscheinen. Misstrauen und Argwohn seitens ausländischer Investoren sind die Folge.[31]
Nur durch die Nachvollziehbarkeit des deutschen Systems und der seitens der Unternehmen praktizierten Grundsätze kann das Vertrauen der Kapitalmarktteilnehmer gewonnen und die Gefahr von Missverständnissen minimiert werden. Die Transparenzfunktion bildet den Grundpfeiler des Corporate-Governance-Systems: Den
Informationsbedürfnissen der Kapitalmarktteilnehmer soll Rechnung getragen werden.[32]
Der Transparenzgedanke ist durch die Übersetzung des Regelwerks ins Englische, Französische, Spanische und Italienische weitergetragen worden.[33]
Kurzum, die Investoren verlangen Transparenz und Verantwortlichkeit als Gegenleistung für ihr Kapital. In diesem Zusammenhang zeigte eine Studie, dass über 75 % der institutionellen Anleger bereit sind, für Aktien von Unternehmen mit überzeugender Corporate Governance einen Aufschlag von bis zu 14 % auf den Kaufpreis zu zahlen.[34]
4.1.2. Qualitätsfunktion
Bei der Qualitätsfunktion handelt es sich um gesetzergänzende Kodexnormen. Die im Kodex festgelegten Normen sind in Empfehlungen und Anregungen unterteilt, in so genannte „Best Practices“. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern Europas gab es bis vor kurzem keinen Deutschen Corporate Governance Kodex.[35]
Da die Governance-Grundsätze unterhalb der gesetzlichen Ebene formuliert sind,[36] ist eine relativ unkomplizierte und schnelle Anpassung an ein dynamisches Umfeld möglich. So ist die flexible Aufnahme sich in Zukunft abzeichnender internationaler „Best Practice“ in den nationalen Kodex gewährleistet und die Qualität der deutschen Corporate-Governance-Grundsätze gesichert.[37]
4.2. Verbindlichkeitsstufen
Der Deutsche Corporate Governance Kodex enthält drei verschiedene Kategorien von Regelungen, die sich im Hinblick auf ihre Verbindlichkeit unterscheiden:
- Alle Informationen über das geltende Recht sind durch das Wort Muss beschrieben.
- Alle Empfehlungen sind durch die Verwendung des Wortes Soll gekennzeichnet.
- Alle Anregungen sind durch die Wortwahl Sollte oder Kann geprägt.[38]
[...]
[1] Vgl. Königswieser, Roswita/Artho, Sigrid, Corporate Governance, Reformen von innen heraus, in: io new management, Nr. 5, 2004, S. 40.
[2] Vgl. Wirl, Franz/Brändle, Udo, Corporate-Governance-Normen – Ein Weg aus der Krise?, in: Das Wirtschaftsstudium, Heft 07/04, S. 906.
[3] Vgl. Cromme, Gerhard, Die Bedeutung des Deutschen Corporate Governance Kodex für die Praxis, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 55. Jahrgang, 11/2002, S. 5.
[4] Vgl. Dörner, Dietrich/Orth, Christian, Kontrolle ist besser!, in: Risknews, Das Fachmagazin für Risikomanagement, 2/2004, S. 69.
[5] Vgl. Baums, Theodor, Corporate Governance, Aktienrecht für globalisierte Kapitalmärkte, Verlag Recht und Wirtschaft GmbH, Heidelberg, 2002, S. 23.
[6] Vgl. Nonnemacher, Rolf, Kapitalgeberansprüche, Marktwertorientierung und Unternehmenswert, Verlag Franz Vahlen, München, 2003, S. 1.
[7] Vgl. Rechkemmer, Kuno, Corporate Governance, Oldenbourg Wirtschaftsverlag, München, 2003, S. 3.
[8] Vgl. Pfitzer, Norbert/Oser, Peter, Deutscher Corporate Governance Kodex, Schäffer-Pöschel Verlag, Stuttgart, 2003, S. 6.
[9] Vgl. Dörner, Dietrich/Orth, Christian, a.a.O., S. 70.
[10] Vgl. Prengel, Melanie, Die Auswirkungen des Deutschen Corporate Governance Kodex auf die Investor Relations Arbeit, Verlag GoingPublic Media AG, Wolfratshausen, 2003, S. 32.
[11] Vgl. Theisen, Manuel René, Herausforderung Corporate Governance, in: Die Betriebswirtschaft, 63. Jahrgang, 2003, S. 447.
[12] Vgl. Dörner, Dietrich/Orth, Christian, a.a.O., S. 70.
[13] Vgl. Pfitzer, Norbert/Oser, Peter, a.a.O., S. 25.
[14] Vgl. Theisen, Manuel René, a.a.O., S. 449.
[15] NWB-Redaktion, Wichtige Wirtschaftsgesetze, Verlag Neue Wirtschafts-Briefe, Herne/Berlin, 2003, S. 234.
[16] Vgl. Nonnemacher, Rolf, a.a.O., S. 1.
[17] Vgl. Dörner, Dietrich/Orth, Christian, a.a.O., S. 70.
[18] Vgl. Dörner, Dietrich/Orth, Christian, ebenda, S. 70.
[19] Vgl. Theisen, Manuel René, a.a.O., S. 442.
[20] Vgl. Prengel, Melanie, a.a.O., S. 43.
[21] Vgl. Wolfram, Jens, Corporate Governance in Deutschland, BDI-Drucksache Nr. 322, Berlin, 2000, S. 31.
[22] Vgl. Nonnemacher, Rolf, a.a.O., S. 1.
[23] Vgl. Prengel, Melanie, a.a.O., S. 43.
[24] Vgl. Von Werder, Axel/Wiedmann, Harald, Internationalisierung der Rechnungslegung und Corporate Governance, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 2003, S. 250.
[25] Vgl. Prengel, Melanie, a.a.O., S. 37 f.
[26] Vgl. Hucke, Anja/Ammann, Helmut, Der Deutsche Corporate Governance Kodex, Verlag Neue Wirtschafts-Briefe, Herne/Berlin, 2003, S. 11.
[27] Vgl. Pfitzer, Norbert/Oser, Peter, a.a.O., S. 18.
[28] Vgl. Hucke, Anja/Ammann, Helmut, a.a.O., S. 11 ff.
[29] Vgl. Kuhnes, Horst, Manager mauern bei den Moneten, in: Westdeutsche Zeitung, 22.06.2004, S. 13.
[30] Vgl. Franck, Egon/Arnoldussen, Ludger/Jungwirth, Carola, Marktwertorientierte Unternehmensführung – Anreiz- und Kommunikationsaspekte, Verlagsgruppe Handelsblatt, Düsseldorf, 2003, S. 17.
[31] Vgl. Franck, Egon/Arnoldussen, Ludger/Jungwirth, Carol, a.a.O., S. 18.
[32] Vgl. Pfitzer, Norbert/Oser, Peter, a.a.O., S. 18.
[33] Vgl. Hommelhoff, Peter/Hopt, Klaus J./Von Werder, Axel, Handbuch Corporate Governance, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 2003, S. 738.
[34] Vgl. Hommelhoff, Peter/Hopt, Klaus J./Von Werder, Axel, a.a.O., S. 739.
[35] Vgl. Siegwart, Hans/Mahari, Julian, Corporate Governance, Shareholder Value & Finance, Verlag Vahlen, Band 9, München, 2002, S. 14.
[36] Vgl. Franck, Egon/Arnoldussen, Ludger/Jungwirth, Carola, a.a.O., S. 18.
[37] Vgl. Pfitzer, Norbert/Oser, Peter, a.a.O., S. 17.
[38] Vgl. Hommelhoff, Peter/Hopt, Klaus J./Von Werder, Axel, a.a.O., S. 742.
- Arbeit zitieren
- Diplom Betriebswirt Mario Pasalic (Autor:in), 2004, Der Deutsche Corporate Governance Kodex - Die Akzeptanz und Umsetzung des Deutschen Corporate Governance Kodex bei börsennotierten Gesellschaften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35670
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