Mit der „Einführung in das Recht der Bundesrepublik Deutschland“ führt der Verfasser denjenigen, der sich zu einem Sicherheitsfachmann qualifizieren will, an juristische Grundbegriffe und -prinzipien des deutschen Rechts heran. Der Lernende soll einen Einblick in die Gesamtrechtsordnung erlangen. Er soll in die Lage versetzt werden, die für ihn wichtigen gesetzlichen Bestimmungen und ihre Auswirkungen nicht nur zu lernen, sondern zu verstehen..
Die Reihe „Der Weg in die Sicherheit - Basiswerk Recht“ ist zugeschnitten auf die Berufspraxis und die Belange des Sicherheitsgewerbes. Wer die Sicherheitsinteressen anderer verteidigen will, muss Verständnis für diese individuellen Rechtspositionen entwickeln. Hinzukommen müssen umfassende Kenntnisse der Möglichkeiten, wie der geforderte Interessenschutz ins Werk gesetzt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
1. Ursprung und Definition des Rechts
2. Materielles Recht - formelles Recht - Gerichtsverfassungsgesetz
2.1 Definieren, Ordnen, Bestimmen und Bewerten von Verhältnissen und Verhalten
2.2 Einrichtung von Verfahren zur Rechtsdurchsetzung
2.3 Festlegungen über die Einrichtung, Besetzung und Zuständigkeiten der Gerichte
3. Trennung Öffentliches Recht - Privatrecht
3.1 Das öffentliche Recht
3.2 Das Privatrecht
5. Rechtsquellen: Gesetze, Verordnungen, Satzungen, Gewohnheitsrecht
5.1 Gesetze
5.2 Verordnungen und Satzungen
5.3 Allgemeine Kennzeichen der Rechtsquellen
5.4 Die Normenpyramide
5.5 Gewohnheitsrecht
5.6 Keine Rechtsquellen
5.6.1 Gerichtsurteile
5.6.2 Verwaltungsinterne Richtlinien, Ausführungsbestimmungen etc.
6. „Rechtssprache“ und „Auslegung“
7. Das Grundgesetz - Verfassung und ranghöchstes Gesetz Deutschlands
7.1 Gewaltenteilung
7.2 Repräsentative Demokratie und sozialer Bundesstaat
7.2.1 Repräsentative Demokratie
7.2.2 Bundesstaat
7.2.3 Sozialstaatsprinzip
7.2.4 Bürgerrechte
7.2.5 Bedeutung des Bundesverfassungsgerichtes
8. Besonderheiten verschiedener Rechtsgebiete
8.1 Rechtliches Handeln der staatlichen Verwaltung
8.2 Das Recht im Verhältnis der Bürger zueinander - Zivilrecht
8.2.1 Das Bürgerliche Gesetzbuch - BGB
8.2.2 Das Handelsrecht
8.2.3 Wirtschaftsrecht
8.2.4 Arbeitsrecht
8.2.5 Strafrecht
8.2.6 Recht vor Gericht
9. Kontrollfragen und -aufgaben
Über diese Reihe
Verzeichnis der einzelnen Hefte
Heft 1: Einführung in das Recht der Bundesrepublik Deutschland
Heft 2: Grundrechte im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
Heft 3: Die rechtliche Stellung des Securitymitarbeiters im Unternehmen
Heft 4: Öffentliches Recht
- Die Aufgaben der Polizei- und Ordnungsbehörden sowie der Staatsanwaltschaft in Abgrenzung zu denen privater Sicherheitsdienste
- Die Unterscheidung des Privatrechts vom öffentlichen Recht und ihre Bedeutung für das Sicherheitsgewerbe
Heft 5: Grundbegriffe des bürgerlichen Rechts - BGB
- Besitz und Eigentum, privatrechtliche Schutz- und Abwehrrechte
- Haftung für unerlaubte Handlungen
Heft 6: Strafrecht - Allgemeiner Teil
- Teil I Einführung in das Strafrecht
- Teil II Die Voraussetzungen der Straftat
Heft 7: Strafrecht - Allgemeiner Teil
- Teil III Die Entwicklungsstadien der Straftat
- Teil IV Täterschaft und Teilnahme
Heft 8: Strafrecht - Allgemeiner Teil
- Teil V Strafbarkeit bei unechten Unterlassungsdelikten sowie beim Handeln für einen anderen
- Teil VI Die Rechtfertigungsgründe Notwehr, Notstand und vorläufige Festnahme
Heft 9: Strafrecht - Besonderer Teil - Teil I
- Hausfriedensbruch - §§ 123, 124 StGB
- Amtsanmaßung § 132 StGB
- Nichtanzeige einer geplanten Straftat - §§ 138 f. StGB
- Missbrauch von Notrufen pp. - § 145 StGB
Heft 10: Strafrecht - Besonderer Teil - Teil II
- Beleidigungsdelikte - §§ 185 ff. StGB
- Körperverletzungsdelikte - §§ 223 - 233 StGB
Heft 11: Strafrecht - Besonderer Teil - Teil III
- Diebstahl und Unterschlagung - §§ 242 - 248b StGB
- Betrug und Urkundenfälschung - §§ 263, 267 StGB
- Nötigung - § 240 StGB
- Raub und Erpressung - §§ 249 - 255 StGB
Heft 12: Anmerkungen zum Strafverfahrensrecht
Heft 13: Die dreigeteilte Staatsgewalt im Rechtsstaat
Gesetzgebung - Rechtsprechung - Vollziehende Gewalt
Behörden - „Sicherheitsbehörden“
Vorwort
Die Reihe „Der Weg in die Sicherheit - Basiswerk Recht“ ist zugeschnitten auf die Berufspraxis und die Belange des Sicherheits gewerbes. Wer die Sicherheitsinteressen anderer verteidigen will, muss Verständnis für diese individuellen Rechtspositionen entwickeln. Hinzukommen müssen umfassende Kenntnisse der Möglichkeiten, wie der geforderte Interessenschutz ins Werk gesetzt werden kann.
Mit der „Einführung in das Recht der Bundesrepublik Deutschland“ führt der Verfasser denjenigen, der sich zu einem Sicherheitsfachmann qualifizieren will, an juristische Grundbegriffe und -prinzipien des deutschen Rechts heran. Der Lernende soll einen Einblick in die Gesamtrechtsordnung erlangen. Er soll in die Lage versetzt werden, die für ihn wichtigen gesetzlichen Bestimmungen und ihre Auswirkungen nicht nur zu lernen, sondern zu verstehen.
Die Vielzahl von Bestimmungen und Regelungen hat in Deutschland dazu geführt, dass es keine Universaljuristen mehr geben kann. Von dem einzelnen Rechtskundigen ist stets nur ein Teilgebiet des Rechts beherrschbar; gefragt ist auch in diesem Bereich der Spezialist. Der einzelne Mitarbeiter privater Sicherheitsunternehmen muss nun aber nicht zum Rechtsspezialisten ausgebildet werden. Ihm ist ein juristisches Grundverständnis nahe zu bringen und Rechtswissen nur schwerpunktartig zu vermitteln.
Dabei muss sich der Lernende aber über eines klar werden: Das in den Lehrheften betrachtete Recht ist deutsches Recht. Es gilt nur in Deutschland. Schon die angrenzenden Staaten wie Frankreich, Dänemark, Polen etc. unterhalten zum Teil ganz andere Rechtssysteme. Das führt im Vergleich der verschiedenen Länder dazu, dass ein und derselbe Sachverhalt zu sehr unterschiedlichen, mitunter sogar gegenläufigen Beurteilungen führen kann.
Besonderes Anliegen der Lehrheftreihe ist es, Bewusstsein dafür herzustellen, dass Einzelrechte niemals isoliert existieren. Sie sind immer in eine Umgebung von Rechten und Pflichten eingebettet. Der Schutz und die Verteidigung individueller Positionen erfordert also stets Rücksicht auf diese Rechtsumwelt. Wer dieses Erfordernis außer Acht lässt, wird schnell in Konflikte geraten, mit denen nicht nur die verschiedenartigsten Sanktionen verbunden sein können. Gerade solch unprofessionelles Handeln ist häufig Ursache dafür, dass die privaten Sicherheitsdienste immer wieder in die Negativschlagzeilen geraten.
Die Vermittlung juristischer Grundbegriffe ist notwendiger Bestandteil der Security-Ausbildung. Der Lernende wird die erworbenen Kenntnisse aber auch außerhalb seiner Berufstätigkeit nutzen können: Aus dem gewonnenen Einblick in juristische Denkweisen leiten sich viele Hinweise für die Behandlung persönlicher Rechtsfragen und -probleme ab.
Im vorliegenden Lehrheft werden noch keine konkreten Handlungsgrundlagen des Sicherheitsgewerbes erörtert. Das erfolgt in insgesamt elf weiteren Ausgaben, die sich mit den Grundrechten, dem Bürgerlichen Recht, dem öffentlichen Recht und natürlich mit dem Straf- und Strafprozessrecht auseinander setzen.
Die hier angeführten Kontrollfragen und -aufgaben dienen der Überprüfung des Lernerfolges durch den Lernenden selbst. Ihre schriftliche Bearbeitung stellt eine gute Prüfungsvorbereitung dar.
Berlin, im Februar 2017
Ulf Erik Finkewitz
1. Ursprung und Definition des Rechts
Recht ist Voraussetzung aber auch Kennzeichen jeder Gemeinschaft von Menschen. Der Mensch ist immer Teil einer Gemeinschaft, ohne die er nicht existieren könnte. Und erst im Kontakt mit anderen entwickelt er die Fertigkeiten, die die Natur in ihm angelegt hat. Menschliches Zusammenleben ist jedoch ohne ordnende Elemente unvorstellbar.
Im Zusammensein mit den anderen strebt der Mensch nach Berechenbarkeit und Verlässlichkeit. Er will nicht ständig von Aktionen des anderen überrascht werden, sondern dessen Lebenshandlungen aber auch seine Reaktionen auf eigenes Tun kalkulieren können. Ihm ist es wichtig, dass das Verhalten seiner Mitmenschen in vergleichbaren Situationen voraussagbar, d.h. regelmäßig und einem Muster entsprechend abläuft.
Die Gemeinschaft will sich auf bestimmte derartige Regelmäßigkeiten verlassen können und verschafft ihnen deshalb Geltung. Dies geschieht dadurch, dass sie von dem Einzelnen in bestimmten Situationen bestimmte Verhaltensweisen erwartet und Verstöße gegen diese Erwartungshaltung „bestraft“: „Unregelmäßigkeiten“ führen fast immer zu spürbaren Reaktionen der Gemeinschaft, die z.B. aus Kritik, persönlicher Abkehr, gesellschaftlicher Ausgrenzung oder auch Kriminalstrafe bestehen können.
Die Vorbestimmung menschlichen Verhaltens vollzieht sich auf mehreren Ebenen, die sich durch einen unterschiedlichen Grad an Verbindlichkeit unterscheiden.
Bräuche sind in geringster Weise mit „Verhaltenserwartungen“ verbunden. Wer in seiner Wohnung keinen Weihnachtsbaum aufstellt, hat kaum Negativreaktionen seiner Umgebung zu fürchten. Wer sich in einem kleinen Dorf allerdings weigert, am Schützenfest teilzunehmen, wird sicherlich nach seinen Gründen dafür gefragt werden.
Ein Verstoß gegen die überlieferten und traditionellen „guten Sitten“ hat fast immer Konsequenzen: Unhöflichkeit, schlechte Tischmanieren, unpassende Bekleidung (z.B. im Trauerfall oder im Geschäftsleben) o.ä. führen schnell ins gesellschaftliche Abseits.
Moral bezieht sich auf die persönliche Einstellung des Einzelnen zu den philosophisch oder religiös bedingten Grundüberzeugungen einer Gemeinschaft. Wer in der Bundesrepublik Deutschland zu erkennen gibt, dass er die Verbindlichkeit der Zehn Gebote für sich in Frage stellt, hat damit die Gemeinschaft praktisch verlassen.
Mit der Möglichkeit, bestimmte Verhaltenspflichten von einem Tag auf den anderen neu definieren, festlegen oder auch abschaffen und bestehende Ansprüche „einklagen“ oder „erzwingen“ zu können, kommt dem Recht das höchste Maß an Verbindlichkeit zu:
Recht ist die Gesamtheit aller Regeln, die dem einen Mitmenschen zu Gunsten eines anderen ein bestimmtes Verhalten vorschreiben oder dem Begünstigten eine Erlaubnis oder Ermächtigung erteilen [1] .
Recht verfeinert sich und wird umso umfassender, als sich aus einem menschlichen Zusammenschluss eine Zivilisation entwickelt. Die Bundesrepublik Deutschland stellt eine besonders hoch entwickelte Zivilisation dar. Das macht einsichtig, dass sich dieses Gebilde ein entsprechend anspruchsvolles Recht gegeben hat.
In den folgenden Gliederungspunkten geht es zunächst darum, Verständnis für das deutsche Recht dadurch zu ermöglichen, dass auf dessen charakteristische Strukturen und seine Systematik eingegangen wird.
2. Materielles Recht - formelles Recht - Gerichtsverfassungsgesetz
Das deutsche Recht erfüllt drei wichtige Gruppen von Aufgaben:
2.1 Definieren, Ordnen, Bestimmen und Bewerten von Verhältnissen und Verhalten
Die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland verfolgen u.a. das Ziel, die Verhältnisse der Bürger zueinander und zum Staat klar zu definieren und zu ordnen. Dabei verteilen sie Rechte und Pflichten nach Maßstäben, die normalerweise von der Zustimmung der Mehrheit der Deutschen getragen werden.
Diese Regelungen haben also bestimmenden , ordnenden und bewertenden Charakter. Sie verlangen den Menschen in bestimmten Situationen ganz bestimmte Verhaltensweisen ab. Gleichzeitig legen sie fest, wie Verhaltensweisen zu bewerten sind, die diesen Normen entsprechen bzw. zuwiderlaufen. Recht, das derartige Funktionen erfüllt, bezeichnet der Jurist als materielles Recht.
Beispiel: Aus den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt sich, wer Eigentümer einer Sache ist. Das Strafgesetz schützt das Eigentumsrecht an dieser Sache, indem es jede unrechtmäßige Einwirkung (z.B. Wegnahme oder Beschädigung) mit Strafe bedroht. Damit gebietet das Strafrecht, fremdes Eigentum zu respektieren und verbietet es, diese Sachen wegzunehmen oder zu zerstören. Verstöße gegen diese Pflicht bewertet das Recht als kriminelles Unrecht.
2.2 Einrichtung von Verfahren zur Rechtsdurchsetzung
Erhebliche Teile des Rechts beziehen sich auf die Einrichtung von Verfahren, die dann erforderlich werden, wenn im Einzelfall in der Gemeinschaft Störungen auftreten und klare Verhältnisse erst geschaffen werden müssen.
Im Konfliktfall, wenn es also darum geht, materielles Recht auch durchzusetzen, geschieht das unter Anwendung des Verfahrensrechtes. Das Verfahrensrecht ist dem formellen Recht zuzuordnen.
2.3 Festlegungen über die Einrichtung, Besetzung und Zuständigkeiten der Gerichte
Nachdem nun klar ist, was für jeden einzelnen Menschen verbindlich ist und wie Störungen in diesen Verhältnissen zu begegnen ist, bleibt die Frage offen, wer die Kompetenz haben soll, rechtliche „Schieflagen“ wieder zurechtzurücken.
Diese Aufgabe ist den Gerichten zugewiesen, in denen Berufs- und teilweise auch Laienrichter Urteile fällen bzw. an der Urteilsfindung beteiligt werden. Das Gerichtsverfassungsgesetz legt fest, wer Richter sein kann, aus wie vielen Richtern die einzelnen Gerichte bestehen, welche Gerichte für welche Sachverhalte zuständig sind usw.
3. Trennung Öffentliches Recht - Privatrecht
Das deutsche Recht weist eine strikte Trennung von öffentlichem und privatem Recht auf. Dieses konsequente Auseinanderhalten der verschiedenen Rechtsgebiete ist auch Grund für eine Besonderheit, die bei dem juristischen Laien immer wieder auf Unverständnis stößt und Kopfschütteln auslöst:
Im öffentlich-rechtlichen Gerichtsverfahren werden keine privatrechtlichen Probleme gelöst!
Beispiel: Im Streit darüber, dass geborgtes Geld nicht zurückgezahlt wird, droht der Gläubiger mit dem Staatsanwalt. Um ihn zur Rückzahlung des geliehenen Geldes zu zwingen, kündigt der Gläubiger an, den Schuldner wegen Betruges anzeigen zu wollen.
Dabei wissen viele Gläubiger nicht, dass das Strafgericht nur die Frage prüft, ob sich der Schuldner durch sein Verhalten strafbar gemacht hat und ggf. eine Sanktion verhängt.
Selbst eine Verurteilung wegen Betruges bringt dem Gläubiger noch keine direkte Möglichkeit, an sein Geld heranzukommen. Dazu ist vielmehr eine Klage vor einem Zivilgericht nötig, das nach den Regeln des Privatrechts über die Berechtigung der (Rück-)Forderung entscheidet. Dabei ist das Zivilgericht auch nicht an die Feststellungen gebunden, die Grundlage eines eventuell in gleicher Sache ergangenen Strafurteils geworden sind.
3.1 Das öffentliche Recht
Das öffentliche Recht gestaltet die Beziehungen des Einzelnen zum Staat und zu seinen Organisationen (z.B. Bund, Länder und Gemeinden) und das Verhältnis dieser Verbände untereinander.
Es sieht den Einzelnen dabei zumeist in der Rolle dessen, der seine Interessen denen des Gemeinwohls unterzuordnen hat (z.B. im Steuerrecht, Verkehrsrecht, Strafrecht, Verwaltungsrecht usw.).
Der Einzelne ist dem Staat und seinen Organisationen untergeordnet und tritt ihm selten gleichberechtigt gegenüber. Das öffentliche Recht bestimmt also u.a. die Einzelheiten und Konsequenzen von Über- und Unterordnung in diesem Verhältnis.
3.2 Das Privatrecht
Das Privatrecht, zu dem das Bürgerliche Recht gehört, regelt die Rechtsverhältnisse der einzelnen Menschen untereinander.
Es geht dabei im Allgemeinen von der Gleichberechtigung aller Einzelnen aus. Zum Privatrecht gehören z.B. die Vorschriften über Kauf und Miete, über Eigentum und Besitz.
4. Sechs verschiedene Gerichtsbarkeiten
Es gibt in Deutschland keine allzuständigen Gerichte. Neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit gibt es fünf „Spezialgerichtsbarkeiten“, die Konflikte auf speziellen Rechtsgebieten nach jeweils besonderen Verfahrensgesetzen entscheiden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
5. Rechtsquellen: Gesetze, Verordnungen, Satzungen, Gewohnheitsrecht
5.1 Gesetze
Gesetze sind Regelungen, die für alle am Rechtsleben Beteiligten, also für Bürger, Behörden und Gerichte gleichermaßen verbindlich sind. Sie spiegeln die Vorstellungen wider, auf die sich die Mehrheit in einer Gemeinschaft verständigt hat.
In der repräsentativen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland kommen Gesetze dadurch zu Stande, dass die gewählten Volksvertreter im Bundestag oder in den einzelnen Landtagen diese Rechtsregeln mehrheitlich beschließen. Dieses Verabschieden von Gesetzen vollzieht sich in einer Art und Weise, die vom Grundgesetz oder von den Landesverfassungen genau festgelegt ist.
Merke: Gesetze werden in einem in der Verfassung (Grundgesetz bzw. Landesverfassung) genau beschriebenen Verfahren vom Parlament (Bundestag bzw. Landtag/Abgeordnetenhaus) beschlossen.
5.2 Verordnungen und Satzungen
Verordnungen und Satzungen fehlt die unmittelbare demokratische Legitimation. Sie werden nicht von den Volksvertretungen beschlossen, sondern von Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts erlassen.
Gesetze geben oft nur die „Eckwerte“ einer Regelung vor. Immer wieder enthalten diese Gesetze Bestimmungen, wonach die Einzelaspekte der Regelung von anderen staatlichen Stellen ausgestaltet werden dürfen oder sollen. Derartige Ermächtigungen oder Aufträge können an staatliche Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts gerichtet sein.
Überträgt ein Gesetz einer Behörde, z.B. einem bestimmten Ministerium, die Aufgabe, „das Nähere zu regeln“, so bezeichnet man die von dort getroffenen Anordnungen als (Rechts-) Verordnungen. Eine der bekanntesten Verordnungen ist die Straßenverkehrsordnung. Sie füllt den Rahmen aus, der vom Straßenverkehrsgesetz vorgegeben ist.
Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ein Zusammenschluss von Menschen, dem die Bewältigung bestimmter öffentlicher (Verwaltungs-)Aufgaben zukommt.
Der Zusammenschluss kann auf einer freiwilligen oder auch auf einer erzwungenen Mitgliedschaft beruhen. So sind Gemeinden (= Kommunen = Gebietskörperschaften) genauso Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie Anwaltskammern, Handwerksinnungen, Ortskrankenkassen und Universitäten.
Körperschaften sind berechtigt, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zur Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten Recht zu setzen (Selbstverwaltungsrecht). Darüber hinaus kann sie der Gesetzgeber u.U. in den von ihm erlassenen Gesetzen verpflichten, für bestimmte Einzelfragen Regelungen zu treffen.
Das von den Körperschaften vor diesem Hintergrund erlassene Recht bezeichnet der Jurist als Satzung (=Statut).
Satzungen sind z.B. die örtlichen Bebauungspläne oder die Bestimmungen über die Höhe der Grund(stücks)steuer.
(Im Privatrecht hat der Begriff „Satzung“ noch eine andere Bedeutung: Dort bezeichnet er die schriftlich fixierte Grundordnung eines rechtlichen Zusammenschlusses, z.B. eines Vereins oder einer Aktiengesellschaft. Privatrechtliche Satzungen werden nicht erlassen. Ihre Verbindlichkeit entsteht dadurch, dass sich Menschen auf ihre Gültigkeit verständigen, d.h. sich darüber einigen.)
5.3 Allgemeine Kennzeichen der Rechtsquellen
Gesetze, Verordnungen und Satzungen bezeichnet man auch als die Quellen des Rechts. Ihnen ist gemeinsam, dass sie
- abstrakt formuliert sind,
Durch die abstrakte Formulierung wird erreicht, dass die getroffene Regelung auf alle die Sachverhalte anwendbar wird, die den genau beschriebenen Rahmenbedingungen entsprechen. Damit trägt das Recht dem Umstand Rechnung, dass in einer Bestimmung nicht alle denkbaren Abwandelungen eines regelungsbedürftigen Problems aufgelistet werden können.
- generell gültig sind,
Recht richtet sich immer an einen offenen und unbestimmten Kreis von Menschen. Gesetze, Verordnungen oder Satzungen, die nur die Angelegenheiten ganz bestimmter, namentlich feststehender Personen betreffen können, sind in Deutschland unzulässig.
Es muss immer Gewähr leistet sein, dass der Kreis der Betroffenen dem Namen nach nicht ein für alle Mal bestimmt ist. Vielmehr muss er offen sein für das Hinzukommen oder Ausscheiden unbestimmt vieler Personen.
- normalerweise Teil einer systematisch gegliederten Gesetzessammlung sind und themenbezogenen in einem Gesetzbuch (=Kodex) zusammengefasst werden. Dieses geschriebene Recht wird daher auch als positives oder kodifiziertes Recht bezeichnet.
In Großbritannien und Amerika leitet sich Recht nicht aus den Sammlungen abstrakt formulierter Vorschriften her. Dort existiert ein „Fall-Recht“, bei dem die Lösung einer aktuellen Rechtsfrage von Gerichtsurteilen abhängt, die in vergleichbaren Fällen früher bereits einmal gefällt worden sind.
5.4 Die Normenpyramide
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten [2]
Die Rechtsquellen stehen nicht gleichrangig nebeneinander. Vielmehr sind sie in eine bestimmte Rangfolge eingebunden. Diese Hierarchie der Normen hat eine ganz praktische Auswirkung:
Recht mit niedrigerem Rang darf Recht mit höherem Rang nicht zuwiderlaufen. Kommt es insoweit zum Konflikt, so verdrängt die höherrangige Vorschrift die rangtiefere. Im Falle der Unvereinbarkeit rangverschiedener Normen muss die Ungültigkeit (Nichtigkeit) der beanstandeten Vorschrift immer erst in ganz bestimmten Verfahren durch ein Gericht festgestellt werden.
5.5 Gewohnheitsrecht
Gewohnheitsrecht ist ungeschriebenes Recht, das allerdings auch als Rechtsquelle angesehen werden muss. Es stellt, geschichtlich betrachtet, die erste Entwicklungsstufe von Recht dar und entsteht, wenn sich bestimmte rechtlich bedeutsame Verhaltensweisen „einbürgern“.
Diese müssen sich zu einer dauernden und gleichmäßigen Übung entwickeln. Diese Übung wiederum muss im Einklang mit den Prinzipien der Gesamtrechtsordnung stehen und von den Betroffenen als Dauerlösung einer Rechtsfrage akzeptiert sein. Das bedeutet, dass Gewohnheitsrecht geschriebene Gesetze ergänzen, abändern und u.U. sogar aufheben kann.
Im Strafrecht z.B. kann Gewohnheitsrecht zwar keine neuen Straftatbestände schaffen und auch bestehende Strafandrohungen nicht erhöhen[3]. Zulässig dagegen ist es, dass Gewohnheitsrecht zur Aufhebung bestehender Strafgesetze führt oder z.B. neue Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsgründe bildet. Konkretes Beispiel dafür ist der „übergesetzliche, entschuldigende Notstand“:
In diesen Fällen größter Gewissensnot rettet der Täter in einer schicksalhaften Situation ein bedrohtes Rechtsgut dadurch, dass er - unter Verwirklichung eines Straftatbestandes - ein anderes, gleichwertiges Rechtsgut verletzt.
(In den „Euthanasieurteilen“ der Nachkriegszeit hatten Gerichte über Ärzte zu urteilen, die durch die Nationalsozialisten in einen unlösbaren Gewissenskonflikt gebracht worden waren: Das totalitäre Regime hatte diesen Medizinern die Vernichtung der Geisteskranken ihrer Krankenanstalten befohlen. In dieser ausweglosen Situation hatten einige Ärzte in begrenztem Umfange an der von dem Unrechtsregime befohlenen Ermordung solcher Patienten mitgewirkt. Sie sahen darin die einzige Chance, viele andere Kranke vor dem sonst sicheren Tod zu bewahren. Sie fürchteten nämlich, im Falle uneingeschränkter Verweigerung, durch skrupellose Ärzte ersetzt zu werden, die alle Kranken in den Tod geschickt hätten.)
5.6 Keine Rechtsquellen
5.6.1 Gerichtsurteile
In den Medien wird immer wieder auf aktuelle Urteile meist höherer Gerichte hingewiesen. Diese Gerichte werden dort in der Weise zitiert, dass sie eine bestimmte Rechtsfrage in ganz bestimmter Weise entschieden haben. Damit entsteht der falsche Eindruck, dass Gerichtsurteile allgemeinverbindlich sind.
Gerichte entscheiden normalerweise nur den Einzelfall. Ihre Urteile berühren zumeist nur die an diesem Verfahren beteiligten Personen bzw. Einrichtungen und die zwischen ihnen streitige Rechtsfrage. Das Urteil entfaltet - von Ausnahmen der Verfassungsgerichtsbarkeit einmal abgesehen - nur für diesen Sachverhalt unmittelbare Wirkung. Dieselbe Rechtsfrage kann ein anderes Gericht u.U. ganz anders beurteilen. Der Hinweis auf bestimmte Urteile gibt also allenfalls Anhaltspunkte dafür, wie ein bestimmtes rechtliches Problem gelöst werden kann.
5.6.2 Verwaltungsinterne Richtlinien, Ausführungsbestimmungen etc.
Der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Art. 3 GG) verpflichtet den Staat, seine Gesetze auf alle Menschen in gleicher Weise anzuwenden. Von diesem Grundsatz darf nur dann abgewichen werden, wenn aus verfassungskonformem Grunde eine Ungleichbehandlung ausnahmsweise geboten ist.
Um die Gleichbehandlungspflicht überhaupt erfüllen zu können, muss zunächst die einheitliche Ausführung der Gesetze sichergestellt werden. Der Staat erreicht dieses Ziel u.a. dadurch, dass er seinen Beamten und anderen Beschäftigten vorschreibt, wie sie die Gesetze anzuwenden haben. Die erlassenen „Wie-Vorschriften“ (z.B. Verwaltungsverordnungen, Richtlinien, Ausführungsbestimmungen) verpflichten jedoch nur die Behörden und ihre Beschäftigten.
Für Bürger und Gerichte sind diese Bestimmungen kein verpflichtendes Recht. Insbesondere sind die Gerichte nicht gezwungen, die von der Verwaltung auf diesem Wege festgeschriebenen Grundsätze ihren Entscheidungen zu Grunde zu legen. Für die Verwaltung jedoch ist die Bindungswirkung der erlassenen „Wie-Vorschriften“ allerdings so stark, dass sich der Bürger auf die getroffenen Festlegungen berufen und die darin verankerten „Wenn-Dann-Beziehungen“ notfalls auf dem Klagewege einfordern darf.
Der Fachmann spricht hier von der „Selbstbindung der Verwaltung“.
6. „Rechtssprache“ und „Auslegung“
Der Lernende kennt nun die Quellen des Rechts. Er hat zur Kenntnis genommen, dass Recht aus einer Vielzahl abstrakter Regelungen besteht. Hat er aber auch verstanden, dass es gerade diese Abstraktheit ist, die das geschriebene Recht für den Laien häufig so unzugänglich macht?
Der Blick ins Gesetzbuch lässt bei dem Leser, der einer bestimmten Rechtsfrage nachgeht, zwei völlig entgegengesetzte Eindrücke entstehen:
- Gesetze sind so kurz und so eingängig formuliert, dass gar nicht erkennbar ist, wie viele Fragen dieser Text noch offen lässt.
Beispiel: Im (vollständigen!) Wortlaut:
Art. 31 GG - Vorrang des Bundesrechts
Bundesrecht bricht Landesrecht.
- Gesetze sind unverständlich. Oft erschließt sich die Bedeutung schier endloser Bandwurmsätze auch nach mehrmaligem Lesen nicht. Amtssprache, zahlreiche „wenn“ und „aber“, eingeschobene Bedingungen, umständliche Formulierungen u.v.m. führen mitunter dazu, dass Deutschen ihre eigene Sprache als Fremdsprache erscheint.
Beispiel: Vgl. Art. 29 GG - Neugliederung des Bundesgebiets
Anders als die Medizin, die auf eine Vielzahl lateinischer Fachausdrücke zurückgreift, bedient sich das Recht fast ausschließlich der deutschen Sprache. Der Jurist setzt die deutsche Sprache aber viel disziplinierter ein, als das der juristische Laie gewohnt ist.
Kommt es „normalerweise“ nur darauf an, mit Sprache z.B. Vorstellungen und Bilder zu vermitteln oder Gefühle „anzusprechen“, will der Rechtsanwender z.B. „festlegen“, „abstecken“, „definieren“. Ihm ist es wichtig, der Mehrdeutigkeit von Aussagen entgegenzuwirken und möglichst klare Verhältnisse zu schaffen, die keinen Raum für unterschiedliche Interpretationen lassen.
Die Rechtswissenschaft zielt also u.a. darauf, sprachliche Eindeutigkeit herzustellen. Dazu ist es erforderlich, die Bedeutung einzelner Worte genau festzulegen.
Beispiel: Das Wort „fremd“ im Diebstahlsparagraphen[4] hat die Bedeutung: Nicht im Alleineigentum des Täters und auch nicht herrenlos.
[...]
1 Lehmann-Hübner, Allgemeiner Teil des BGB, 16. Auflage, Berlin 1966, Seite 79
2 unter einem förmlichen Gesetz (nicht verwechseln mit dem formellen Gesetz) ist ein Gesetz zu verstehen, das von der Volksvertretung auf verfassungskonformem Wege und in der insoweit vorgeschriebenen Form erlassen wurde
3 Vgl. § 1 StGB und Art. 103 Abs. 2 GG
4 § 242 StGB: Wer eine fremde bewegliche Sache ... wegnimmt, ... wird ... bestraft.
- Citar trabajo
- Ulf Erik Finkewitz (Autor), 2017, Einführung in das Recht der Bundesrepublik Deutschland. Elementarwissen für das Sicherheitsgewerbe, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/355512
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