Im Fokus der Hausarbeit steht die Besonderheit der Landtagswahl in Baden-Württemberg im März 2016: Bündnis 90/Die Grünen wurden erstmals stärkste Partei bei einer Landtagswahl in der Bundesrepublik - und führten die "Volkspartei" der CDU zwar zurück an die Regierung, jedoch erstmals in der Rolle eines Juniorpartners. Dieses Phänomen wird an Hand der politischen Kultur, der regionalen politischen Kultur und der ihr bedingten Tradition in der Hausarbeit untersucht. Durch den Fokus auf dieses Phänomen stellt die Hausarbeit kein ausführliches Werk dar, sondern vielmehr einen am Phänomen orientierten Abriss über die Frage der Veränderung einer politischen Kultur.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriff der politischen Kultur
3. Begriff der politischen Kultur im Hinblick auf das Land Baden-Württemberg
4. Die Landtagswahl in Baden-Württemberg im März
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
7. Eigenständigkeitserklärung
1. Einleitung
Am 13. März 2016 wählten die Wahlberechtigten im Land Baden-Württemberg einen neuen Landtag. Seit der ersten Landtagswahl im des neu-gegründeten Land Baden-Würt- tembergs im Jahr 1952 ging die CDU als stärkste Kraft aus den Landtagswahlen hervor. Bis 2011 stellte ebendiese auch den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Bereits bei der Landtagswahl 2011 verlor die CDU ihren damaligen Ministerpräsidenten, Stefan Mappus, an eine Koalition aus Bündnis 90/Die Grünen und SPD. Neuer Ministerpräsident von Baden-Württemberg wurde Winfried Kretschmann.
Bei der Landtagswahl 2016 verlor die CDU zudem ihren Status als stärkste Partei im Land Baden-Württemberg. Mit 30,3% (CDU: 27%) wurde Bündnis 90/Die Grünen stärkste poli- tische Kraft. In der Folge kam es zu einer Koalition aus Bündnis 90/Die Grünen und der CDU unter Führung von Bündnis 90/Die Grünen. Der erste und einzige Ministerpräsident der Grünen wurde damit anschließend im Mai 2016 vom Landtag wiedergewählt.
Offensichtlich ist also, dass sich die Wahlergebnisse im Land Baden-Württemberg hin- sichtlich der Parteien drastisch verändert haben. Während Bündnis 90/Die Grünen lange Jahrzehnte eine kleiner Oppositionspartei waren, sind sie heute die regierungsführende Partei. Gleichzeitig ist mit der CDU eine Partei, die fast 60 Jahre lang stärkste politische Kraft war und ebenso lang den Ministerpräsidenten gestellt hat, kleiner Regierungspartner. Wenn gleich sich die Wahlergebnisse drastisch verändert haben, ist jedoch fraglich, ob dies dadurch geschehen ist, dass sich Faktoren der politischen Kultur wie z.B. die Kriterien, an denen Bürger*innen politische Prozesse bewerten, geändert haben oder gleich geblieben sind.
Die Fragestellung, ob die Landtagswahl in Baden-Württemberg im März 2016 also in der Tradition der politischen Kultur steht oder nicht, bedarf also einer über eine bloß statistische Auswertung der Wahlen, hinausgehende Beantwortung.
Daher wird in dieser Hausarbeit im Folgenden der Begriff der politischen Kultur im allgemeinen definiert, auf das Land Baden-Württemberg konkretisiert und abschließend im Hinblick auf die vergangenen Landtagswahlen im März 2016 analysiert.
2. Begriff der politischen Kultur
Zunächst ist daher zu ermitteln, was unter dem Begriff der politischen Kultur zu verstehen ist. Schließlich handele es sich beim Begriff der politischen Kultur um einen umstrittenen Begriff, wie der Politikwissenschaftler Dirk Berg-Schlösser urteilte. Berg-Schlösser vertritt die Auffassung, dass der analytische Status des Konzepts der politischen Kultur in Ab- hängigkeit zur wissenschaftstheoretischen Ausrichtung stehe (Berg-Schlösser/Nohlen, 2006, S. 397). Außerdem ist eine inflationäre Nutzung des Begriffs der politischen Kultur durch politische Parteien und Medien offensichtlich (vgl. Grundtner, 2010, S. 15).
Gleich wenn auch Klaus Schubert und Martina Klein diese umstrittene Begrifflichkeit des Begriffs der politischen Kultur attestieren (vgl. Schubert/Klein, 2016, S. 233), stellen sie im Hinblick auf die Frage des Begriffs der politischen Kultur fest:
P. K. bezeichnet die konkrete Struktur und die tatsächliche Wirkung der politischen Einrichtungen eines politischen Gemeinwesens auf die Einstellungen und Werte, Forderungen und Leistungen der Bürger und Bürgerinnen gegenüber diesen Ein- richtungen sowie im Gegenzug die (verantwortungsbewusste) Teilnahme der Bürg- er und Bürgerinnen an diesen Einrichtungen (z. B. Einstellung gegenüber Radikalismus, Engagement für sozialpolitische Einrichtungen, Wahlbeteiligung, persönlicher Einsatz für die Grundrechte etc.). Ugs. bezeichnet P. K. den Stil der politischen Auseinandersetzung (Streitkultur). (Schubert/Klein, 2016, S. 233)
Aus dieser Definition folgt zunächst, dass das Phänomen der inflationären Nutzung des Begriffes der politischen Kultur insbesondere durch die umgangssprachliche Nutzung des Begriffes als Synonym für Streitkultur resultiert. Politische Kultur als wissenschaftlicher Begriff, und eben nicht als umgangssprachliches Synonym, bezeichnet also nicht Streitkultur, sondern macht drei zentrale Facetten aus, die in Gesamtheit die politische Kultur bezeichnen; Hier ist zum einen die konkrete Strukturierung von politischen Einrichtungen, die Wechselwirkung zwischen politischen Einrichtungen und Bürger*innen im Hinblick auf z.B. Werte oder Leistungsanforderungen zu nennen und weiter die Frage, wie und ob Bürger*innen an diesen politischen Einrichtungen teilnehmen.
Dies bedeutet also, dass der Begriff der politischen Kultur sich nicht fokussiert auf Bürger*innen oder politische Einrichtungen bezieht, sondern dies bedeutet, dass sich der Begriff der politischen Kultur stark auf Teile der Interaktionsprozesse zwischen Bürger*innen und politischen Einrichtungen bezieht.
3. Begriff der politischen Kultur im Hinblick auf das Land Baden-Württemberg
Durch die allgemeine Definition des Begriffes der politischen Kultur kann jedoch nicht beantwortet werden, inwieweit ein politisches Phänomen von einer politischen Kultur abweicht. Schließlich muss die politische Kultur, zu der eine Abwe- ichung geprüft werden soll, hierzu konkretisiert werden, was die konkrete politische Kultur theoretisch und praktisch zu bedeuten hat.
In der Frage, was also die politische Kultur für das Bundesland Baden-Württemberg zu bedeuteten hat, wird zunächst deutlich, dass das Land Baden-Württemberg in seiner Gründung und Struktur einer gewissen Typik für föderale Strukturen innerhalb der Bundesrepublik entspricht. So ist das Land durch die Zusammenlegung mehrerer historisch-gewach- sener Regionen gegründet worden (vgl. Werz/Koschkar, 2016, S. 165).
Gleichzeitig sind aber auch die tatsächlichen Besonderheiten, die das Bundesland BadenWürttemberg (und das Land Rheinland-Pfalz) prägen von zentraler Bedeutung. So ergibt sich durch eine Prägung des Landes durch dörfliche Strukturen folgender politischer Anspruch für Parteien:
Sie spielen eine Doppelrolle: Auf der einen Seite passen sie sich den gegebenen Verhältnissen an und verleihen ihnen politisch Ausdruck; auf der anderen Seite sind sie immer aber auch „Kultivierungsparteien“, die mit ihren Programmen und ihrer praktischen Politik die bestehenden Zustände interpretieren und gestalten.(Werz/ Koschkar, 2016, S. 169 f.)
Weiter machen Werz und Koschkar deutlich, dass Ministerpräsidenten in Baden-Württem- berg eine deutlich übergeordnete Rolle als z.B. der Bundeskanzler spielen. So verfügten Ministerpräsidenten, insbesondere bei einer längeren Regierungszeit, über Instrumente der symbolischen Politik und des Regierungsstils um Wähler*innen an ihre Partei zu binden und sie im Sinne einer parteipolitischen Kultivierung „mit auf den ´Weg´ zu nehmen“. (Werz/Koschkar, 2016, S. 170f.).
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- Quote paper
- Max Lucks (Author), 2016, Die Landtagswahl in Baden-Württemberg im März 2016. Ein Umbruch der politischen Kultur oder in ihrer Tradition?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/355011
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