In diesem Essay werden moralische Werte, die in Wirtschaftsunternehmen gelten und gelten sollten, im wirtschaftsethischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext diskutiert.
Seit der Globalisierung und verschiedenen technischen Entwicklungen haben sich die Strukturen der Weltwirtschaft enorm verändert. Multinationale Unternehmen mit internationalen Wertschöpfungsketten haben weltweit an Einfluss gewonnen. Auf der Suche nach Rentabilität verlagern Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit in weniger restriktive Länder. Den hiesigen Staaten mangelt es an Regulierungsfähigkeit in Form von Durchgriff-, und Sanktionsmöglichkeiten, da die Unternehmen die staatlichen Rechtssysteme gegeneinander ausspielen können.
Während dieser Standortwettbewerb um die ökonomisch günstigsten Rahmenbedingungen auf nationaler Ebene zu einer Erosion von Arbeits-, und Umweltstandards führt, fehlen auf internationaler Ebene bislang verbindliche Gesetze oder Institutionen, die diese kontrollieren und durchsetzen. Diese Dynamik hat in den letzten Jahren zu vermehrter Kritik mangelhafter moralischer Verantwortungsübernahme vonseiten zivilgesellschaftlicher Bewegungen, NGO’s und den Medien gegenüber international tätigen Unternehmen geführt. Um Reputationsverlusten entgegenzuwirken, haben sich schließlich verschiedene Formen von Verantwortungskonzepte vonseiten der Unternehmen etabliert. Ansätzen, wie der Corporate Social Responsibility (CSR), der Corporate Citizenship oder der Corporate Governance mangelt es an einer einheitlichen Definition und Zwang, sodass diesen oft vorgeworfen wird, zu Imagezwecken im Sinne des Eigeninteressens zur Profitmaximierung benutzt zu werden.
Moralische Werte müssen effizient sein
Ökonomische Anreize und Moral
3. April 2016
Seit der Globalisierung und verschiedenen technischen Entwicklungen haben sich die Strukturen der Weltwirtschaft enorm verändert. Multi-nationale Unternehmen mit in- ternationalen Wertschöpfungsketten haben weltweit an Einfluss gewonnen. Auf der Su- che nach Rentabilität verlagern Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit in weniger restrik- tive Länder. Den hiesigen Staaten mangelt es an Regulierungsfähigkeit in Form von Durchgriff-, und Sanktionsmöglichkeiten, da die Unternehmen die staatlichen Rechts- systeme gegeneinander ausspielen können. Während dieser Standortwettbewerb, um die ökonomisch günstigsten Rahmenbedingungen auf nationaler Ebene, zu einer Erosion von Arbeits-, und Umweltstandards führt, fehlen auf internationaler Ebene bislang verbind- liche Gesetze oder Institutionen, die diese kontrollieren und durchsetzen.
Diese Dynamik hat in den letzten Jahren zu vermehrter Kritik mangelhafter morali- scher Verantwortungsübernahme von Seiten zivilgesellschaftlicher Bewegungen, NGO’s und den Medien gegenüber international tätigen Unternehmen geführt. Um Reputati- onsverlusten entgegen zu wirken, haben sich schliesslich verschiedene Formen von Ver- antwortungskonzepte von Seite der Unternehmen etabliert. Ansätzen, wie der Corporate Social Responsibility (CSR), der Corporate Citizenship oder der Corporate Governance, mangelt es an einer einheitlichen Definition und Zwang, so dass diesen oft vorgeworfen wird, zu Image Zwecken im Sinne des Eigeninteressens zur Profitmaximierung benutzt zu werden.
Die Vertreter der Konzernverantwortungsinitiative sehen aufgrund der unzureichenden CSR der Unternehmen, der mangelnden Gesetze, deren Durchsetzung auf nationalstaat- licher und supranationaler Ebene die Notwendigkeit, moralische Mindeststandards in einen gesetzlichen Rahmen zu integrieren.(EvB 2016a, S.1) Die Konzernverantwortungs- initiative ist demnach ein geeignetes Mittel, um die durch die Globalisierung entstande- nen Dilemmastrukturen zu überwinden und aus der sozialen Falle zu kommen.
Die Initianten sagen, "Die Initiative versteht sich als nationale Umsetzungsmass- nahme eines Kernelements der UNO-Leitprinzipien: Der menschenrechtlichen Sorgfalts- pflicht."(EvB 2016b, S.1) "Die Konzernverantwortungsinitiative will Firmen verpflich- ten, Sorgfaltsprüfungen in sämtliche Geschäftsabläufe einzubauen. Mit dem Ziel, dass Menschenrechte und internationale Umweltstandards respektiert und eingehalten wer- den."(EvB 2016c, S.1) Die Unternehmen stehen demnach in der Pflicht in ihren Ge- schäftsbeziehungen zu prüfen, ob die Menschenrechte und Umweltstandards wie in den UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011 eingehalten werden, und falls nicht, zu handeln und darüber zu berichten. Damit diese Sorgfaltspflicht ein- gehalten wird, haben die Opfer die Möglichkeit in der Schweiz die Unternehmen einzu- klagen.(EvB 2016d)
Der nationale Charakter der Initiative verfehlt leider sein Ziel im Sinne der Institu- tionenethik nach Homann, Lütge (2013), da die Einhaltung dieser moralischen Mindest- standards nicht mehr wettbewerbsneutral ist. Die Multinationalen Unternehmen stehen in einem internationalen Wettbewerb, weil sie international tätig sind und somit auch auf internationaler Ebene konkurrenzfähig sein müssen. Nach Homann, Lütge (2013) müssen entsprechende Gesetzesänderungen auf supranationaler Ebene die Handlungsbe- dingungen ändern. Homann, Lütge (2013) schlagen vor, die Weltrahmenordnung durch neue institutionelle Arrangements auf die neuen Interaktionsbedingungen der globali- sierten Welt zuzuschneiden, weil diese für alle Akteure ausbeutungsneutrale Spielregeln festlegen können, und so die Unternehmen zu glaubwürdigen Verhaltensbindungen brin- gen können. Bei einer nationalen Implementierung dieser Initiative werden schweizer Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil bekommen und aus dem Markt ausscheiden. Könnten die Unternehmen aus diesen moralischen Werten einen ökonomischen Nutzen ziehen, um sich mittels Image von der Konkurrenz zu differenzieren, hätten sie dies be- reits getan.
Selbst wenn wir den Fall betrachten, bei dem schweizer Unternehmen keinen interna- tionalen Wettbewerbsnachteil durch die Einhaltung moralischer Standards haben, ist es im Beispiel Umweltstandards fragwürdig, ob diese durch gesetzliche Richtlinien durch- gesetzt werden können, da sie Eigenschaften von unvollständigen Verträgen aufweisen. Einerseits sind die Leistungen und Gegenleistungen nicht exakt bestimmt, da die Kosten von Umweltverschmutzung bzw. Nutzen von Umweltschutz nur schwer quantifizierbar sind. Andererseits muss man sich fragen, wie justiziabel Umweltstandards sind, da es an Kontrollmechanismen in den betroffenen Ländern sowie international zumeist fehlt. Ausserdem ist es schwer, eine abgeschlossene Menge der Opfer zu bestimmen. Insbe- sondere fehlen diesen oft die Mittel und das Wissen, rechtliche Schritte einzuleiten und stehen oft sogar in einem Abhängigkeitsverhältnis gegenüber der Unternehmung, so dass sich diese nicht getrauen ihre Rechte einzufordern.(Homann, Lütge (2013), S.71ff.)
Auch die Kontrolle der Sorgfaltsprüfungen und das Einklagerecht der Opfer unter- liegen dieser Problematik. Da die Initiative keine neue Kontrollstelle oder eine Behör- de vorsieht, sondern die Unternehmen diese selbstständig umsetzen, kontrollieren und darüber berichten sollen, bestehen Mess-, und Informationsprobleme sowie die Gefahr opportunistischen Verhaltens. Da die Opfer meist aus zuvor erwähnten Gründen ihr Einklagerecht nicht nutzen können, funktioniert dieses Einklagerecht unzureichend als Drohpotenzial, um eine Selbstbindung der Unternehmen zu bewirken.(Homann, Lütge (2013), S.75-78)
In solchen Situationen, ist die gesetzliche Regelung sowohl auf nationaler sowie auf su- pranationaler Ebene ineffektiv. Dies ist der Grund, weshalb sich im Thema Umweltstan- dards noch kein Ansatz durchgesetzt hat, und man es sowohl mit supranationalen Ver- trägen (z.B. Kyoto-Protokoll), freiwilliger Selbstverpflichtung (z.B. „Responsible-Care- Programm“ der Chemischen Industrie in Deutschland) sowie mit Präferenzänderungen versucht. Hier fordern Homann, Lütge (2013, S.76-77), um die systematische Unvoll- ständigkeit der Verträge zu kompensieren, eigenständiges moralisches Verhalten von den Unternehmen.
Dieses eigenständige moralische Verhalten der Unternehmen kann nur erfolgen, wenn die moralischen Handlungen als eigeninteressiert und auf Vorteilserwartungen gegründet sind. Es müssen somit anreizkompatible Handlungsbedingungen geschaffen werden, die mit den gewünschten Handlungen konsistent sind. Dies wird erreicht indem aus einer einseitigen eine wechselseitige Abhängigkeit wird und so beide Seiten ein Disziplinierungspotenzial haben.(Homann, Lütge (2013), S.88-89)
Im Beispiel des Umweltschutzes, im Falle dass es nicht vertraglich möglich ist, wird diese wechselseitige Abhängigkeit durch den Aufbau von Reputation, Vertrauen bzw. Sozialkapital ermöglicht, welches bei Nichteinhaltung durch Rufschädigung, öffentlicher Missachtung oder sozialer Ausgrenzung wieder vernichtet werden kann. Im Beispiel in dem Angestellte in betriebsspezifisches Humankapital investiert haben, kann diese wech- selseitige Abhängigkeit durch ein Mitspracherecht dieser Angestellten herbeigeführt wer- den. Dies kann im Beispiel der Menschenrechte als Argument aufgeführt werden. In beiden Fällen ermöglicht eine Form von Kapital als Drohpotenzial, welches in das Un- ternehmen investiert wurde, aber in den Händen der Stakeholdern ist, dass sich das Unternehmen glaubwürdig selbstbindet.(Homann, Lütge (2013), S.75-99)
Sowohl die Umsetzung von Umweltstandards sowie die Einhaltung von Menschen- rechten werden als ökonomische Konfliktfälle betrachtet, was bedeutet, dass diese Hand- lungen moralisch akzeptabel sind, aber mit den ökonomischen Interessen konfligieren. Es besteht ein Trade-off. In diesem Fall kann das Unternehmen versuchen sich durch eigenständiges moralisches Verhalten von der Konkurrenz zu differenzieren. Sofern das Unternehmen nicht imstande ist, diese Wettbewerbsstrategie zu verfolgen, muss sie ver- suchen, über staatliche oder nichtstaatliche Instanzen Einfluss zu nehmen. Das Ziel ist dass diese durch eine Änderung der Rahmenbedingungen das Unternehmen selbst und die Konkurrenten zu Selbstbindung zwingen. Weil keine staatlichen Sanktionen existie- ren, müssen die Unternehmen in Form von Kündigung der Geschäftsbeziehungen oder ähnliches auf informelle Sanktionsmöglichkeiten zurückgreifen.(Homann, Lütge (2013), S.78-81)
Nicht eindeutig ist ebenfalls die Legitimität der moralischen Forderung. Die Forderung nach Einhaltung von Umweltstandards und Menschenrechten scheint für die westliche Kultur einen universellen Anspruch zu haben. Diese Ansicht ist jedoch selbst Produkt der zugrunde liegenden Kultur. Somit führt die Haltung des moralischen Imperialismus unausweichlich zu Widerständen, welche wiederum zu Ineffizienzen führen. Deshalb ver- treten Homann, Lütge (2013, S.103-106) die Ansicht, dass moralische Werte wie die Menschenrechte nicht universell akzeptiert werden müssen, sondern viel mehr über das Argument der Produktivitätssteigerung in Kooperation erlernt und weiterverbreitet wer- den sollen. Nachdem Umweltstandards oder Menschenrechte sich in den verschiedenen Kulturen im Prozess der Leistungserstellung als produktiv bewiesen haben, können diese als Resultat in die Handlungsbedingungen übernommen werden.(Homann, Lütge (2013), S.103-106)
Moralische Werte wie Umweltstandards oder die Menschenrechte können daher in erster Linie nur innerhalb eines gemeinsamen Kulturkreises gesetzlich implementiert und durchgesetzt werden. Gleichzeitig muss das Gesetz immer noch wettbewerbsneutral sein. Dies bedeutet, es dürfen nur Unternehmen betroffen sein, die im selben Kulturkreis operieren. Weiter muss die Anreizkompatibilität erfüllt sein. Dies setzt voraus, dass die Verträge vollständig sind und durchgesetzt werden. Werden diese Bedingungen nicht erfüllt, wird kein effizientes Resultat erzielt.
Eine vorstellbare, kompatible Umsetzung mit der Institutionen Ethik wäre, dass zum Beispiel die Schweiz als Kulturkreis und somit Wertegemeinschaft entscheidet, dass sie einen moralischen Standard wie Umweltstandards oder Menschenrechte für Produkte in ihrem Land durchsetzen wollen. Woraufhin sie ein Gesetz einführen, das sämtliche Produkte, welche diesen Kulturkreis betreten versuchen nach ihrem moralischen Stan- dard überprüft, sowie den moralischen Standard innerhalb des gesetzlichen Machtgebiets durchsetzt und kontrolliert. Durch die Importbeschränkungen werden somit die morali- schen Standards eingehalten. So entstehen keine Konflikte mit wirtschaftlichen Interes- sen, da die inländischen Unternehmen durch die korrekte Durchsetzung der Standards einen effizienteren Zustand erreicht haben und somit konkurrenzfähig im Ausland sind. Gleichzeitig können die Unternehmen im Inland nicht durch die im Ausland tätigen Un- ternehmen durch tiefere moralische Standards ausgebeutet werden. Das Land steht für seine moralischen Werte ein, ohne dass es mit den Werten anderer Länder konfligiert. Auf diese Weise könnte eine entsprechende Initiative moralische Werte anreizkompatibel in die Wirtschaft implementieren und nachhaltig verändern.
Literatur
[Erklärung von Bern(2016a)] Die Konzernverantwortungsinitiative - Erklärung von Bern , Factsheet 5: Der Initiativtext mit Erklärungen, zuletzt geprüft am: 28.03.2016 https://www.evb.ch/themen-hintergruende/unternehmensregulierung/die- konzernverantwortungsinitiative/
[Erklärung von Bern(2016b)] Die Konzernverantwortungsinitiative - Erklärung von Bern , Factsheet 3: Sorgfaltsprüfungspflicht - der Kern der Konzernverant- wortungsinitiative, zuletzt geprüft am: 28.03.2016 https://www.evb.ch/themen- hintergruende/unternehmensregulierung/die-konzernverantwortungsinitiative/
[Erklärung von Bern(2016c)] Die Konzernverantwortungsinitiative - Erklä- rung von Bern , Fragen und Antworten zur Konzernverantwortungs- initiative, zuletzt geprüft am: 28.03.2016 https://www.evb.ch/themen- hintergruende/unternehmensregulierung/die-konzernverantwortungsinitiative/
[Erklärung von Bern(2016d)] Die Konzernverantwortungsinitiative - Erklä- rung von Bern , Unternehmensregulierung, zuletzt geprüft am: 28.03.2016 https://www.evb.ch/themen-hintergruende/unternehmensregulierung/die- konzernverantwortungsinitiative/
[Homann, Karl; Lütge, Christoph(2013)] Einführung in die Wirtschaftsethik , Lit-Verl. Münster , 3., überarb. Aufl.
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- Citation du texte
- Anonyme,, 2016, Kann Moral effizient sein? Moralische Werte im wirtschaftsethischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Diskurs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/354660