Mit dem Wanken der Erde wanken auch menschliche Lebensräume. Die rasende Flut verschlingt Menschen, gleich welcher Nationen. In Sekundenschnelle verbreiten sich Tod und unermessliches Leid. Sterben und Trauer gewinnen in diesem Zusammenhang eine individuelle Bedeutung. In Anbetracht dieser aktuellen, kaum fassbaren Situation wollen wir uns speziell den Kindern, die von ihren Eltern auf Lebenszeit getrennt sind, zuwenden. Kleine Menschen für die die Zukunft in Trümmern beginnt. Im Folgen werden wir versuchen, diese aufwühlenden Emotionen, welche durch die Medien, insbesondere die der visuellen, transportiert werden, in einen entsprechenden theoretischen Kontext einzubetten. Besonders wichtig erscheinen uns hierbei die Begriffsbestimmungen des Todes, der Trauer und des Traumas. Die Phasen des Sterbens, wie sie von Elisabeth Kübler-Ross oder Erika Schuchardt beschrieben werden, spielen für die von einer Sekunde auf die andere zu Tode gekommenen Menschen keine Rolle. Der Glaube und das Gefühl an Sicherheit, Kontrollierbarkeit und Gerechtigkeit bricht zusammen und manchmal auch der Glaube an Gott.
Gliederung
1 Einleitung
2 Definition Tod
2.1 Trauer – die Möglichkeit gesunden Abschieds
2.2 Trauerbegleitung – ein Aspekt menschlicher Beziehungen
3 Das belastende Ereignis »critical incident«
3.1 Die akute Belastungsreaktion
3.2 Die posttraumatische Belastungsstörung
3.3 Traumatabehandlung
3.4 Hilfe bei Trauer und Traumata nach der Flut
4 Kinder als Überlebende
4.1 Tod und Trauer im Erleben der Kinder
4.2 Die psychologische Relevanz und die Konsequenzen von Elternverlust
4.3 Psychische Erste Hilfe bei Kindern
5 Schlusswort
1 Einleitung
Mit dem Wanken der Erde wanken auch menschliche Lebensräume. Die rasende Flut verschlingt Menschen, gleich welcher Nationen. In Sekundenschnelle verbreiten sich Tod und unermessliches Leid. Sterben und Trauer gewinnen in diesem Zusammenhang eine individuelle Bedeutung. In Anbetracht dieser aktuellen, kaum fassbaren Situation wollen wir uns speziell den Kindern, die von ihren Eltern auf Lebenszeit getrennt sind, zuwenden. Kleine Menschen für die die Zukunft in Trümmern beginnt.
Im Folgen werden wir versuchen, diese aufwühlenden Emotionen, welche durch die Medien, insbesondere die der visuellen, transportiert werden, in einen entsprechenden theoretischen Kontext einzubetten. Besonders wichtig erscheinen uns hierbei die Begriffsbestimmungen des Todes, der Trauer und des Traumas. Die Phasen des Sterbens, wie sie von Elisabeth Kübler-Ross oder Erika Schuchardt beschrieben werden, spielen für die von einer Sekunde auf die andere zu Tode gekommenen Menschen keine Rolle.
Der Glaube und das Gefühl an Sicherheit, Kontrollierbarkeit und Gerechtigkeit bricht zusammen und manchmal auch der Glaube an Gott.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild online unter http://www.unicef.de/1641.html, 06.01.05
2 Definition Tod
Der Tod ist ein untrennbarer Teil des Lebens. Tod und Abschied ragen immer wieder in unser Leben hinein, berühren es, lassen uns innehalten. In der Vorbereitung auf den Tod finden viele Menschen Kraft im Glauben. Ihre Hoffnung auf das Jenseits erleichtert das Lebensende und gibt ihnen Trost und Zuversicht.
Aus biologischer Sicht stirbt der Körper nicht plötzlich. Selbst der schnellste Tod ist ein Prozess. Bevor das Gehirn eines Menschen stirbt, durchläuft der sterbende Organismus eine Abfolge verschiedener Phasen. Die bekannteste ist die so genannte Agonalphase, bei der die letzten Lebensvorgänge sichtbar zum Erliegen kommen. Der Mensch mag schon bewusstlos sein, doch die Übersäuerung seines Blutes führt zu letzten Bewegungen. Manchmal atmet der Sterbende noch ein oder mehrere Male tief durch oder bäumt sich sogar auf. Mit dem Tempo, in dem die Blutzirkulation absinkt, sterben dann auch, je nach ihrem Sauerstoffbedarf, die einzelnen Gewebetypen im Lebewesen.[1]
Sterben und Tod sind eng miteinander verflochten. Sterben ist der Übergang vom Leben in den Tod. Abgesehen von Todesfällen, die durch äußere Gewalteinwirkungen, wie beim Seebeben von Asien zur plötzlichen Vernichtung des Lebens führen, ist Sterben ein allmählicher Übergang mit einem stufenweisen Abbau der Lebensfunktionen. Der klinische Tod umfasst Merkmale ausgefallener Funktionen, die als unsichere Todeszeichen zu bewerten sind: Herzstillstand, Pulslosigkeit, Atemstillstand, Bewusstlosigkeit, Hautblässe und Temperaturabfall. Mit dem Hirntod ist das Ende des Organismus in seiner funktionellen Ganzheit definiert, wobei nicht gleichzeitig der Tod aller Einzelteile vorausgesetzt werden kann. Das Sterben der Einzelzellen ist ein progredienter, organabhängiger Vorgang, der nach dem Absterben aller Zellen im biologischen Tod sein Ende findet.[2]
Nach Meinung des Christentums verfügt Gott über den Tod des Menschen, das heißt der Ausfall eines Organs, auch des Gehirns, bedeutet noch nicht den Tod des Menschen, da der Mensch mehr ist als die Summe seiner Teile. Der Hirntote sei ein Sterbender und kein toter Mensch. Wer den Hirntoten als Sache erkläre, verdinglicht ein von Gott gegebenes Geschenk.[3]
Diese unterschiedlichen Auffassungen lassen somit keine eindeutige Definition zu. Das deutsche Recht drängt jedoch auf die Notwendigkeit der genauen Bestimmung, da mit dem Tod die Rechtsfähigkeit abläuft, das Erbrecht einsetzt und die Renten, sowie die Versorgungsansprüche erlöschen.[4] Hinterbliebene müssen oft tagelang bangen, bevor sie die Todesnachricht erhalten. Meist ist es ihnen dann nicht mehr möglich den Leichnam des geliebten Menschen zu sehen und Abschied zu nehmen. Durch den plötzlichen Tod bleibt in der inneren Welt der Verstorbene lebend zurück. Wenn visuell der Tod nicht aufgenommen wird und dann in die Gefühlswelt transportiert werden kann, bleibt der Wunsch, dass der Angehörige noch leben würde stärker, als die Realität. In diesem inneren Konflikt entsteht ein Vermisstenstatus der ein Gefühl auslöst, als käme der Verstorbene gleich wieder zurück oder er hätte sich noch gerettet.[5]
Doch ab wann gilt eine vermisste Person als Tod? Im Schweizer Zivilgesetzbuch steht: „Wenn eine Person bei »hoher Todesgefahr« verschwunden ist, gilt ihr Tod als »höchst wahrscheinlich«. Vermisste Menschen werden allerdings frühestens nach zwei Jahren für tot erklärt.“[6] Dieses Gesetz könnte jetzt auch im Zusammenhang mit den noch vermissten Urlaubern bei der Flutkatastrophe in Südasien zur Anwendung kommen. Denn als hohe Todesgefahren gelten Flugzeugabstürze, Brände, aber auch Naturkatastrophen wie das Seebeben im Indischen Ozean. Es sei daher wahrscheinlich, dass die lokalen Gerichte in der Schweiz die seit der Flutwelle vermissten Personen für tot erklären werden. Damit das Gericht eine solche Erklärung ausspricht, braucht es jedoch ein Gesuch von Angehörigen. Dieses kann ein Jahr nach dem Unglück eingereicht werden. Während einer Wartezeit von mindestens einem weiteren Jahr forscht das Gericht nach Nachrichten über die vermisste Person. Treffen während dieser Wartezeit keine Lebenszeichen derselben ein, wird diese für »verschollen« erklärt und gilt als tot. In der Folge wird etwa ihre Ehe aufgelöst und das Erbe verteilt. Es sei auch möglich, dass niemand ein Gesuch stellt. In einem solchen Falle würde der Staat aber nicht aktiv werden. In der Schweiz sei es den Einzelnen überlassen, wie sie mit einem Unglück und dem Verschwinden eines Menschen umgehen wollen.[7]
Wenn keine ausländische Sterbeurkunde vorliegt, kann für die deutschen Urlauber in Berlin im Standesamt I der Tod beurkundet werden. Angesichts der Vielzahl von Betroffenen genügt in diesem Fall eine eidesstattliche Versicherung von Angehörigen oder Zeugen auf Grund eigener Beobachtung, dass der Betreffende umgekommen ist. Gibt es keinerlei Nachweis für den Tod, kann der Vermisste nach einem Jahr durch das Amtsgericht seines Wohnsitzes für tot erklärt werden. Dann stellt das Standesamt I eine beglaubigte Abschrift aus dem Buch für Todeserklärungen aus.[8]
Mögen wir auch noch so viel über Sterben und Tod wissen, mögen wir gleichsam theoretische Sterbeexperten sein, so wird doch der Tod eines nahe stehenden Menschen die Grundelemente der eigenen Existenz erschüttern. Das Verständnis von der Ordnung im Leben und in der Welt wird auf den Kopf gestellt, es bringt uns an die Grenzen unserer Belastbarkeit. Nur mit Mühe wird eine Neuorientierung im Leben möglich sein. Durch den Tod eines geliebten Menschen wird aus dem Wissen um den Tod eine Erfahrung von dem Tod.[9]
2.1 Trauer - die Möglichkeit des gesunden Abschieds
Ein Paar legt den Leichnam seiner kleinen Tochter in die ausgehobene Grube, ein Bulldozer schiebt den Sand darüber, es ist ein Abschied für immer. Dann wird das Paar gebeten, beiseite zu treten, um Platz für andere Menschen zu machen. Zeit und Raum für eine religiöse Zeremonie oder private Trauer gibt es nicht, denn nach der Flutwelle müssen Massen von Menschen unter die Erde gebracht werden. Ein Fischer, der zwei Neffen verloren hat sagt: „Es wird eine Zeit zum Weinen geben, aber das kommt später“. Die Kinder werden beigesetzt, wie sie gefunden wurden, in ihren Sonntagskleidern, ohne ein Leichentuch. Wartende Angehörige werden einzeln aufgerufen, um die Toten in der Halle zu identifizieren. Die Bezirksverwaltung treibt die Beisetzung und die Verbrennung der Getöteten voran, um die Aufmerksamkeit der Versorgung den Überlebenden widmen zu können. Ein Vater sagt: „Wie soll ich gehen und meinen Sohn hier zurücklassen?“[10]
Dabei ist Trauer notwendig. Sie ist die natürliche Reaktion auf den Tod eines geliebten Menschen, die uns hilft, den Verlust seelisch zu verarbeiten. Das Ziel des Trauerprozesses ist der endgültige innere Abschied von dem Verstorbenen, die Annahme des Verlustes und die Bereitschaft, sich wieder auf das Leben einzulassen. Erst mit dem Akzeptieren der Endgültigkeit des Verlustes kann der Trauernde seine Energie und seine Liebe anderen Menschen wieder in vollem Maße zuwenden.[11] Verena Kast unterscheidet bei der Bewältigung von Trauer vier Phasen, die jedoch nicht in jedem Trauerfall zwingend gleichartig ablaufen. Die erste Trauerphase des »Nicht-wahrhaben-Wollens« löst zunächst Unglauben aus und versetzt die Betroffenen in einen Schockzustand. Der Tod kann nicht realisiert und die eigenen Gefühle können kaum wahrgenommen werden. Erfahrungswerte über die Dauer dieses Zustandes liegen bei einigen Stunden bis etwa einer Woche, wobei diese Phase bei plötzlich eingetretenen Todesfällen deutlich länger ist. An dieser Stelle kann es zu einer aufgeschobenen Trauer kommen, wenn der Schock sich nach einiger Zeit nicht löst und das Leugnen und das Verdrängen weiterhin im Vordergrund stehen. Bei der zweiten Phase, der »aufbrechenden Emotionen« drängen sich Leid, Schmerz, Wut, Zorn, Traurigkeit und Angst an die Oberfläche. Es liegt ein breites Spektrum von Gefühlen und Gefühlsmischungen vor. Eine Form der Schuldgefühle liegt in Befürchtungen, nicht alles für den Verstorbenen getan zu haben. Es gibt Menschen, die in ihrer Trauer stehen bleiben und nicht mehr herausfinden. Der Schmerz wird nicht verdrängt, er ist so stark im Mittelpunkt, dass nichts neben ihm Platz hat. In der dritten Phase des »Suchens und Sich-Trennens« kommt der Augenblick, wo der Trauernde entweder ja zum Leben und Weiterleben sagt oder in der Trauer verharrt. Wenn im Verlauf der vierten Phase »Neuer Selbst- und Weltbezug« Wege gefunden werden, die zu einem positiven Umgang mit dem Verstorbenen führen, dann kann sich die Trauer auch allmählich auflösen. Der Verlust dieses verstorbenen Menschen kann langsam akzeptiert werden. Das Ende des Trauerprozesses ist in einer Neuorientierung des gesamten Lebensgefüges zu sehen. Wie lange dieses Trauergeschehen dauert ist ganz unterschiedlich. Die Art der Trauerarbeit und Trauerbewältigung hängt von der Persönlichkeit des Trauernden ab, von den Umständen des Todes und von der Art der Beziehung zwischen dem Verstorbenen und dem Zurückgebliebenen.[12]
Erschwerte Bedingungen der Trauer für die Zurückgebliebenen des Seebebens sind die Begleitumstände des Todes. Dazu zählen der unerwartete Tod mehrerer Familienmitglieder, die hohe Anzahl der Todesfälle in einer kurzen Zeitspanne und dass die Verstorbenen teilweise nicht auffindbar sind.[13] Besäßen wir die Fähigkeit des Trauerns nicht, wären wir hoffnungslos den Sterbeerfahrungen ausgeliefert.[14]
[...]
[1] Vgl. Adams (1996, S. 326 ff.).
[2] Vgl. Definition Tod (04.01.05, http://www.allmystery.de/tod/tod.shtml).
[3] Vgl. Freese (1999, S. 67).
[4] Vgl. Freese (1999, S. 60).
[5] Vgl. Jatzko Opfer u. Hinterbliebene (04.01.05, http://www.stahlberg- net.de/menschen/jatzko/trauerarbeit/opfer/opfer.htm).
[6] Blick online (06.01.05, http://www.blick.ch/news/killerflut/news2631).
[7] Vgl. ebd.
[8] Vgl. Kunze (07.01.05, http://www.n-tv.de/5473291.html).
[9] Vgl. Specht-Thomann (1999, S. 174).
[10] Vgl. Flutwelle (04.01.05, http://www.geistigenahrung.org/viewtopic.php?p=6533).
[11] Vgl. Mittag (08.01.05, http://www.entspannungsmethoden.de/Merkblatt/MB05_Trauer.htm).
[12] Vgl. Specht-Thomann (1999, S. 176 ff.).
[13] Vgl. Jatzko Opfer und Hinterbliebene (04.01.05, http://www.stahlberg- net.de/menschen/jatzko/trauerarbeit/opfer/opfer.htm).
[14] Vgl. Specht-Thomann (1999, S. 175).
- Citar trabajo
- Dipl. Sozialpädagogin (FH) Ulrike Günther-Schmalz (Autor), Lysann Heyde (Autor), 2005, Menschen zwischen Trümmern und Trauer, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35462
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