Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf die Beantwortung der Frage „Camilla – Emanzipierte oder abhängige Frau?“ und verbindet so bisher bekannte Motive mit neuen Interpretationsansätzen.
Elfriede Jelinek gilt in der literarischen Forschung vielfach als umstrittene und einflussreiche feministische Autorin. Im Jahr 2004 wurde sie mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet, was zur Folge hatte, dass Knut Ahnlund, Mitglied des Nobelpreis-Komitees, aus der Jury des Preises ausschied. Als Begründung ließ er verlauten, die Verleihung an Elfriede Jelinek habe das Ansehen des Preises auf absehbare Zeit zerstört. Jedoch nicht nur in Fachkreisen, sondern auch in der Öffentlichkeit werden Jelineks Werke kontrovers diskutiert, was häufig auf die Ausgestaltung der weiblichen Charaktere zurückgeführt werden kann.
Immer wieder nimmt Jelinek zu frauenpolitischen Themen Stellung und unterstützte feministische Initiativen. Es geht ihr um die Unterdrückung der Frau durch das Patriarchat, um Rollenklischees und um weibliche Identität. Kennzeichnend für die Jelinek-Rezeption ist bislang der Blick auf die inhaltliche Radikalität der Texte.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Methodisches Vorgehen und Aufbau der Arbeit
2. Camilla – Emanzipierte oder abhängige Frau?
2.1 Camillas Selbstbild
2.2 Analyse der Regieanweisungen
2.3 Camillas Beziehung – Wie nimmt ihr Mann sie wahr?
3. Zusammenfassung der Analyseergebnisse
3.1 Ausblick
4. Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Sekundärliteratur
1. Einleitung
Elfriede Jelinek gilt in der literarischen Forschung vielfach als umstrittene und einflussreiche feministische Autorin. Im Jahr 2004 wurde sie mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet, was zur Folge hatte, dass Knut Ahnlund, Mitglied des Nobelpreis-Komitees, aus der Jury des Preises ausschied. Als Begründung ließ er verlauten, die Verleihung an Elfriede Jelinek habe das Ansehen des Preises auf absehbare Zeit zerstört.[1] Jedoch nicht nur in Fachkreisen, sondern auch in der Öffentlichkeit werden Jelineks Werke kontrovers diskutiert, was häufig auf die Ausgestaltung der weiblichen Charaktere zurückgeführt werden kann. Immer wieder nimmt Jelinek zu frauenpolitischen Themen Stellung und unterstützte feministische Initiativen. Es geht ihr um die Unterdrückung der Frau durch das Patriarchat, um Rollenklischees und um weibliche Identität.[2] „Die bisherige Forschung ist dabei auf einige zentrale Arbeiten fokussiert, viele Bereiche ihres Werkes […] haben bislang wenig wissenschaftliche Beachtung gefunden.“.[3] Kennzeichnend für die Jelinek – Rezeption ist bislang der Blick auf die inhaltliche Radikalität der Texte.[4] Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf die Beantwortung der Frage „Camilla – Emanzipierte oder abhängige Frau?“ und verbindet so bisher bekannte Motiv mit neuen Interpretationsansätzen.
1.1 Methodisches Vorgehen und Aufbau der Arbeit
Bei der Erstellung der Arbeit wurde besonders Wert auf die gründliche Erschließung des Primärtextes gelegt.
Zur Beantwortung der Leitfrage sollen neben Aussagen, die Camilla selbst tätigt, auch Äußerungen anderer Figuren, die sich auf Camilla beziehen, untersucht werden. Die Analyse von Regieanweisungen soll das Bild vervollständigen. Zudem muss angemerkt werden, dass sich die Betrachtung der Figur ausschließlich auf die Seiten 5 – 18 des Dramas bezieht. Diese Eingrenzung wurde getroffen, da der Abschnitt eine abgeschlossene Phase im Leben Camillas darstellt. Am Ende der Passage wird sie in einen Vampir verwandelt – ein Ereignis, das mit weitreichenden Konsequenzen verbunden ist. Das Vampirmotiv und entsprechende Deutungsmöglichkeiten werden im Ausblick aufgegriffen.
2. Camilla – Emanzipierte oder abhängige Frau?
2.1 Camillas Selbstbild
Zunächst soll auf das Selbstbild der Camilla eingegangen werden. Durch das ausführliche Gespräch, welches die Figur mit ihrem Mann führt, erfährt der Leser etwas über ihre Gedanken und Gefühle. Ihre Aussagen beziehen sich hier nicht nur auf ihr gegenwärtiges Befinden, sondern sie sinniert über ihre Rolle in ihrer Beziehung sowie ihre Identität. Camilla bezeichnet sich selbst als „Schwärmerin“.[5] „Geige zu spielen [hätte sie] nie gelernt“[6], lässt sie verlauten und zeigt auf, dass sie sich selbst nicht als gebildet ansieht. Zunächst könnte man aufgrund dessen den Eindruck gewinnen, dass sie nur eine einfache und bodenständige Frau ist. Im weiteren Verlauf arbeitet die Autorin das negativ geprägte Selbstbild der Camilla so weit aus, dass diese These schlussendlich deutlich ins Negative verstärkt werden muss.
Camillas große Selbstzweifel werden durchgängig anhand ihrer Aussagen deutlich gemacht. Ihre einzige Aufgabe sieht sie darin, Mutter zu sein und ihrem Mann Kinder zu gebären. Dies wird unter anderem durch die Äußerungen „Das Heim ist mein. Lehm bin ich nicht […]“[7] herausgestellt. Hier ist zu ergänzen, dass sie augenscheinlich Haushalt und Kindererziehung als ihre einzigen Wirkungsbereiche sieht und nicht denkt, selbst etwas neu erschaffen zu können. Ein weiteres Indiz lässt sich in der Tatsache finden, dass außer der Familie und dem Haushalt keine anderen Themen in der Konversation erwähnt werden. So werden weder Freizeitbeschäftigungen noch Beruf oder Freunde thematisiert. Ihr Mann lässt verlauten, sie habe diese Aufgabenbereiche selbst gewählt, aber an der Freiwilligkeit der Entscheidung kommen im Verlauf der Lektüre wesentliche Zweifel auf.[8] Es scheint, als könne sie sich nicht vorstellen, welche andere Rolle sie erfüllen könne, da sie sich für minderwertig und unfähig hält.[9] Diese Selbsteinschätzung bringt sie dazu, ihre Eignung für die Mutterrolle infrage zu stellen beziehungsweise anzumerken, sie würde diese nicht hinreichend ausfüllen.[10] Hier fällt die Aussage „Du bist so partnerschaftlich gewesen und hast die ganze Herstellung übernommen.“[11] auf. Dies vermittelt den Eindruck, als hätte sie zu der Zeugung des Kindes nichts beigetragen. Warum sie ihrem Mann in diesem Zusammenhang dankt, wird durch die folgende Aussage klar: „Ich bin kein geschickter Kunstgriff vom Herrn Gott. Er ist so einfältig, das Wunder der Schöpfung ausgerechnet jemandem wie mir anzuvertrauen.“.[12] Hiermit wird deutlich, dass sie sich im Gegensatz zu den Kindern nicht für ein „Wunder der Schöpfung“[13] hält. Sie geht noch weiter, indem sie ihren Mann fragt, ob er denkt, sie würde Gott durch ihren Versuch zu schöpfen[14] verärgern. Hier legt Camilla dar, dass sie denkt, ein Ärgernis für die gesamte Schöpfung zu sein, da sie sich anmaßen würde, die Tätigkeit Gottes zu übernehmen. Der Ausdruck „Versuch“ verdeutlicht ihre Meinung, nichts erschaffen zu können. Daher rührt auch ihre stetige Angst, ihre Kinder könnten durch ihren mütterlichen Einfluss direkt bei der Geburt minderwertig erscheinen. Es entsteht der Eindruck, sie gehe davon aus, wie eine Krankheit zu sein, die sich auf die Kinder übertrage. Der Ausruf „Wird das Geborene dann aus dem Material sein, aus dem auch ich bestehe […]?“[15], stellt ihre Sorge heraus. Die Aussage „Ich bin eine Dilettantin des Existierens. Ein Wunder, daß ich spreche.“[16], verstärkt den Eindruck, dass Camilla nicht nur an ihrer Eignung für die Mutterrolle zweifelt, sondern sich sogar ein Recht auf Leben abspricht.
Außerdem fällt auf, dass sie sich selbst eher als Objekt statt als aktives Subjekt zu begreifen scheint. Der Aspekt der Subjektlosigkeit wird herausgestellt, wenn sie anmerkt, die Geburt müsse gut verlaufen, da noch manche Studien und Überlegungen an ihr betreiben wollten.[17] Sie existiert nur als Versuchsobjekt. Zusätzlich erscheint sie zutiefst verunsichert. Dies bemerkt man an dem Vergleich mit einer Bleistiftlinie: „Ich weiß nicht, wohin ich führe. Die Linie weiß es auch nicht.“.[18] Sie scheint nicht ihre eigene (Lebens-)Geschichte zu schreiben, sondern stellt den Stift dar, der von anderen für deren Geschichte benutzt wird. Nachfolgend ruft Camilla aus: „Ich bin nichts Halbes und nichts Ganzes. Ich bin dazwischen.“[19] Sie kann sich selbst also keine klare Identität zuordnen und fühlt sich demzufolge unvollständig. Dennoch fügt sie sich in ihre Rolle als Mutter und Haushälterin ein. Die Vermutung, dass sie nur eine leere Hülle und eine Projektionsfläche für die Vorurteile, Klischees und Frauenbilder ihrer Mitmenschen, besonders ihres Mannes ist, wird im weiteren Text bestätigt.[20] Camilla erscheint nicht mehr als Individuum und eine einzigartige Persönlichkeit wird ihr abgesprochen. Die Aussage „Wo bin ich? Ich grüße artig. Ich liefere Ware.“[21] unterstreicht nochmals ihr unreflektiertes und gehorsames Verhalten. Sie grüßt artig, d. h. sie hält gängige Verhaltensvorschriften ein und ordnet sich Normen unter, ohne diese zu reflektieren. Der letzte Abschnitt des Satzes „Ich liefere Ware.“[22] kann als Verweis auf ihre Schwangerschaften aufgefasst werden. Sie erscheint als Gebärmaschine und ihr Kind als Produkt.
2.2 Analyse der Regieanweisungen
Neben den eigenen Gedanken Camillas geben die Regieanweisungen sowie die literarische Ausgestaltung Aufschluss über die Protagonistin. So lässt sich die Bedeutung des Namens Camilla auf das lateinische Camillus zurückführen, das sich mit Opferdiener übersetzen lässt.[23] Die Darstellung als dienendes Wesen, welches ausschließlich Anweisungen anderer befolgt, spiegelt Camillas Beziehung wider. Neben dem lateinischen Wortursprung lässt sich eine hebräisch-stämmige Bedeutung ableiten. Zu dem Begriff „karmel“ findet man die Übersetzungen „der Obstgarten“ oder „das fruchtbare Land“.[24] Diesen Wortursprung kann man auf die Gebärfreudigkeit der Protagonistin beziehen, die ihr sechstes Kind zur Welt bringt. In der Figurenübersicht wird Camilla zudem als „CARMILLA Hausfrau, Mutter und Vampir, österr.“[25] beschrieben. Die Bezeichnung weist ihr von Anfang an eine klare Rolle zu. So wird der Leser zu Beginn des Dramas beeinflusst und in seiner Rezeption eingeschränkt. Innerhalb des Textes werden Gesichtspunkte wie die Subjektlosigkeit oder ihre alleinige Rolle als Mutter durch mehrfache Regieanweisungen verstärkt.
[...]
[1] Vgl. Agence France Presse: http://www.sueddeutsche.de/kultur/literaturnobelpreis-eklat-um-jelinek- auszeichnung-papierduenne-visionen-1.799540.(abgerufen am 05.04.2016).
[2] Vgl. „Die Frau hat keinen Ort“. Elfriede Jelineks feministische Bezüge. Hrsg. von Stefanie Kaplan. Wien: Praesens Verlag 2012 (= DISKURSE.KONTEXTE.IMPULSE). S. 7.
[3] Jelinek-Handbuch. Hrsg. von Pia Janke. Stuttgart: J.B. Metzler 2013. Einleitung.
[4] Hempel, Nele: Geschlechterdifferenz: Elfriede Jelineks Drama Krankheit oder moderne Frauen. In: Gegenwartsliteratur. Ein germanistisches Jahrbuch / A German Yearbook 5 (2006). S.50-73. hier S. 51.
[5] Elfriede, Jelinek: Krankheit oder moderne Frauen. Hrsg. von Regine Friedrich. Köln: Prometh Verlag 1987. S. 13. Die Textgrundlage bildet die hier angeführte Ausgabe des Prometh Verlages. Zitate im Text werden in den Fußnoten mit der Sigle MF und der jeweiligen Seitenzahl gekennzeichnet.
[6] Ebd.
[7] Ebd.
[8] Vgl. Ebd.
[9] Vgl. Jelinek-Handbuch. Hrsg. von Pia Janke. Stuttgart: J.B. Metzler 2013. S. 273.
[10] Vgl. MF S. 15.
[11] MF. S. 18.
[12] MF. S. 15.
[13] Ebd.
[14] Vgl. Ebd.
[15] Ebd.
[16] Ebd.
[17] Ebd.
[18] MF. S. 13.
[19] MF. S. 14.
[20] Vgl. Jelinek-Handbuch. Hrsg. von Pia Janke. Stuttgart: J.B. Metzler 2013. S. 135.
[21] MF. S. 16.
[22] Ebd.
[23] Vgl. rueeger media GmbH: http://www.vornamen.ch/name/camilla.html. (abgerufen am 22.03.2016).
[24] Vgl. Adeos Media GmbH: http://www.vorname.com/name,Carmilla.html. (abgerufen am 22.03.2016).
[25] MF. S. 5.
- Quote paper
- Jessica Horn (Author), 2016, Camilla. Emanzipierte oder abhängige Frau?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/354313
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